Montag, 29. März 2021

Rote Post #36

 


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NORDRHEIN-WESTFALEN

 

Krankenhausschliessung inmitten der Pandemie

Zum Jahreswechsel hat das St. Vincenz Krankenhaus in Essen-Stoppenberg seinen Betrieb eingestellt. Einige Monate vorher ist das Marienhospital in Altenessen geschlossen worden. Jetzt gibt es im Essener Norden nur noch ein Krankenhaus, das Philippusstift in Borbeck. Anstelle dass wie zuvor drei Krankenhäuser für die Versorgung der um die 200.000 Einwohner in den nördlichen Bezirken IV, V und VI bereitstehen, gibt es jetzt nur noch das eine.

Damit ist klar: Die Schließung der Krankenhäuser verschlechtert die Qualität der Gesundheitsversorgung im Norden der Stadt erheblich. Mit den Schließungen ist fast die komplette stationäre Behandlung in dem Teil der Stadt weggebrochen. So gibt es jetzt beispielsweise in keinem der Bezirke mehr eine Entbindungsstation, und Schwangere müssen einen weiten Weg bis zur nächsten Entbindungsstation auf sich nehmen. Als Patient aus dem Essener Norden muss man jetzt weitere Wege auf sich nehmen, um eine entsprechende Behandlung zu erhalten.

Dies sind auch die Sorgen der Leute in Stoppenberg. So erzählte eine Mutter, dass sie Angst davor habe, dass sich ihre Tochter bei einem Unfall verletzen könnte und keine rechtzeitige Versorgung möglich sei. Zwar soll der Rettungsdienst der Feuerwehr in Stoppenberg erhalten bleiben, aber das kann sich auch noch ändern. Anstelle ein Krankenhaus im Stadtteil zu haben, sind die nächsten Krankenhäuser jetzt das sieben Kilometer entfernte Uniklinikum im Stadtteil Frohnhausen oder das knapp acht Kilometer entfernte Philippussift in Essen-Borbeck. In akuten Notfällen wie bei Herzinfakten zählt jede Minute für lebensrettende Maßnahmen, durch längere Transportwege zu den Krankenhäusern wird so das Leben der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt.

Besonders wichtig waren die Krankenhäuser auch, weil auch die ambulante Versorgung, etwa die Dichte der Hausärzte und Praxen, in dieser Ecke der Stadt, wie häufig in den bevölkerungsreichen Arbeiterstadtteilen, völlig unzureichend ist. Der Großteil der Arztpraxen befindet sich im zentralen bzw. südlichen Teil der Stadt. Für Kranke bedeutet das längere Anfahrzeiten zu den Krankenhäusern und längere Wartezeiten. Darüber hinaus führt das Ausweichen der Menschen auf andere Krankenhäuser natürlich dazu, dass diese einer höheren Belastung ausgesetzt sind, was vor allem in der aktuellen Pandemie schnell zu einem großen Problem werden wird.

Dieser Einschätzung folgen auch viele Ärzte der Stadt Essen und haben sich in einem offenen Brief an die Stadt Essen sowie an die Landes- und Bundespolitik gewandt. Sie sagen, dass schon vor der Schließung ambulante Routine-Eingriffe nicht mehr völlig abgedeckt werden konnten. Als konkretes Beispiel ist die Schließung des Kreißsaales im Alfred-Krupp-Krankenhaus zu nennen. Über Weihnachten sei es dort zum Beispiel aufgrund des Personalmangels nicht möglich gewesen, die Sorgfaltspflicht gegenüber den Patientinnen zu gewährleisten, da es an Personal und Ausrüstung fehle. Mit der Schließung der Krankenhäuser verschärft sich diese Situation noch weiter.

Wieso also das Ganze? Natürlich wegen Geld. Die Contilia GmbH, die ein privater Krankenhausträger in Essen ist, besitzt nach der Schließung der beiden Krankenhäuser im Essener Norden noch sieben weitere Krankenhäuser und mehrere Pflegeeinrichtungen. Die Contilia gab eine Studie in Auftrag mit dem Ergebnis, dass die Krankenhäuser zu unwirtschaftlich seien, da es zu viele Krankenhäuser in Essen gebe. Das letzte Krankenhaus im Essener Norden soll deshalb zu einem Musterkrankenhaus und zum Zentrum der medizinischen Versorgung werden. Dafür wurden die Fachklinken dem Philippusstift angeschlossen. Doch die reguläre medizinische Gesundheitsversorgung schrumpft trotzdem weiter. Die Contilia ist also der Meinung, dass für ca. 40% der Bevölkerung von Essen ein Krankenhaus ausreichen soll. Anteilseigner der Contilia GmbH sind unterschiedliche katholische Stiftungen wie die „St. Elisabeth Stiftung Essen“. Diese besitzt 73% der Anteile an der Contilia GmbH und ist dem Bistum Essen, sprich der katholischen Kirche unterstellt. In ihren letzten Finanzbericht von Ende 2019 gab das Bistum Essen an, ein Vermögen von 373.200.000€ zu besitzen. Zusätzlich erhielt die Contilia zum Ausbau ihrer Infrastruktur 94.000.000€ vom Gesundheitsministerium in NRW. Die viel gepriesene „christliche Nächstenliebe“ im Leitbild der Contilia endet am Geldbeutel Kirche. So war es schon immer. Aus Profitgründen wird nun die Gesundheit eines großen Teils der Essener Bevölkerung aufs Spiel gesetzt; dass es dabei unsere Klasse besonders hart trifft, ist den Pfaffen des Bistums herzlich egal.

In Essen gab es seit Beginn der Pandemie bis Anfang Januar über 200 Tote in Verbindung mit dem Corona-Virus. Es hört sich irrwitzig an, dass in einer Pandemiesituation zwei Krankenhäuser in einer Stadt geschlossen werden. Heißt es doch von den Gesundheitsministern, es gebe zu wenig Kapazitäten im Bereich des Gesundheitsversorgung, besonders Pflegekräfte werden gesucht. Dieser Mangel an Kapazitäten wird dann als Begründung für die Einschnitte in unsere Grundrechte benutzt. Statt den Gesundheitssektor zu erweitern, sprich mehr Krankenhäuser zu bauen und mehr Pflegepersonal auszubilden, wurde eine ganze Reihe von Gesetzen erlassen und Beschlüsse getroffen, die der Polizei erlauben Versammlungen zu verbieten oder die Bewegungsfreiheit der Menschen einzuschränken. Wir sollen zu Hause eingesperrt werden, weil der Ausbau des Gesundheitssektor zu teuer sei. Dass die Contilia einen Teil des Personals auf die Straße setzt, ist umso zynischer. Auch wenn das Klinikpersonal schnell eine Anstellung in einem anderen Krankenhaus finden wird, ist es doch ein Ausdruck davon, dass es der Contilia mit der Schließung der Krankenhäuser nicht um Menschen, sondern um Profite geht.

Die Schließung der Krankenhäuser hat vor allem in Altenessen und in Stoppenberg Proteste ausgelöst. Die Bewohner der Stadtteile haben sich zusammengeschlossen und wollten nicht hinnehmen, dass man ihre Gesundheit und in Notfällen sogar ihr Leben aufs Spiel setzt. Immer wieder gab es Kundgebungen, offene Briefe und Bürgerbegehren. Das Ziel war die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung im Essener Norden. Die Stadt Essen hat diese Begehren abgelehnt, da ein Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass die Gründung einer öffentlichen Krankenhausgesellschaft zu teuer sei. Die Koalition aus CDU und Grünen im Stadtrat hatte hingegen noch beteuert, den Wegfall der Krankenhäuser kompensieren zu wollen. Die Idee der Stadtverwaltung ist jetzt ein Krankenhaus- Neubau. Doch gibt es dafür keine konkreten Pläne oder Beschlüsse. Wann dieser Neubau beginnen soll, steht überhaupt noch nicht fest, und solange sind die Bewohner im Essener Norden darauf angewiesen, weite Strecken bei Notfällen in Kauf zu nehmen.

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