Dienstag, 23. Juni 2020

Hunderte demonstrieren trotz Polizeiverbot durch Altendorf

Am 18. Juni 2019 wurde der deutsch-algerier Adel B. von Essener Bullen im Eingang seines Wohnhauses durch die Tür erschossen. Im Nachhinein versuchten die Polizisten Videos die den Tathergang zeigen zu vernichten und erfanden das Lügenmärchen, sie hätten aus Notwehr gehandelt. Vor zwei Wochen wurde das Strafverfahren gegen die Mörder in Uniform erneut eingestellt. Gestern beteiligten sich 500 Menschen an einer Kundgebung zum Jahrestag seiner Ermordung und demonstrierten im Anschluss, trotz Verbot, zum dem Ort an dem Adel ermordet wurde.
Angehörige, Freunde und Aktivisten kämpfen seit einem Jahr um Gerechtigkeit im Fall Adel. Essen Altendorf, wo Adel gelebt hat und erschossen wurde, ist ein von Migranten und Arbeitern geprägter Stadtteil der immer wieder als Problemviertel dargestellt wird. Regelmäßig führen Bullen dort Großeinsätze durch, willkürliche rassistische Kontrollen der Anwohner stehen auf der Tagesordnung. Teilweise besetzten die Bullen das Viertel für mehrere Stunden oder sogar Tage.
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Im Rahmen der Proteste gegen den Mord an George Floyd ist in NRW die Frage rassistischer Polizeigewalt so präsent wie nie zuvor. Vorletzten Samstag beteiligten sich allein in NRW mehrere 10'000 Menschen an Kundgebungen in Köln, Düsseldorf, Dortmund und in vielen weiteren Städten. Essens Polizei ist mit dem Mord an Adel zum Sinnbild und Paradebeispiel von Polizeimorden in NRW geworden, und in der aktuellen Situation massiv unter Druck geraten. Insbesondere durch die Politik des „Bündnis gegen rassistische Polizeigewalt Essen“ und des NRW-weitem „Forum gegen Polizeigewalt“ wurde ihr Handeln in das Licht der Öffentlichkeit gebracht.
Nicht nur durch den Fall Adel haben Essens Polizei, die Zentrale Ausländerbehörde und das Ordnungsamt in der jüngsten Vergangenheit Öffentlichkeit auf sich gezogen. Anfang des Jahres wurde in Essen eine nigerianische Familie, die eine Anzeige wegen Diebstahl erstatten wollte, aus der Wache geprügelt und durch die Stadt gehetzt. Im April wurde die Familie Ayoub unter dem Vorwand von Coronasonderbefugnissen von der Polizei in ihrem Haus überfallen und auf das brutalste Zusammengeschlagen und beleidigt. Allein vergangene Woche verletzte sie drei Flüchtlinge, in dem sie Kampfhunde auf sie hetzte und schoss scharf auf drei Jugendliche im Alter zwischen 11-14. Dies sind nur einige der Beispiele mit denen Essens Polizei in diesem Jahr Schlagzeilen gemacht hat, andere gibt es viele. Und dies sind nur die Fälle die es in die Presse geschafft haben, die Dunkelziffer liegt zweifelsfrei viel höher.
Flankiert wird dieser Terror gegen das Volk von einem Innenminister in NRW, Herbert Reul, der sich gerne als Law-And-Order Politiker inszeniert, zusammen mit Sonderkommandos Pressefotos vor durchsuchten Schischa-Bars aufnimmt und mit seiner „Politik der tausend Nadelstiche“ den Freifahrtschein für den Terror gegen migrantische Kleingewerbetreibende gegeben hat.
In den Tagen vor der gestrigen Kundgebung anlässlich des Todestages von Adel verfolgte die Polzei daher eine zweigleisige Strategie: Auf der einen Seite gab es eine bisher ungesehene Propagandakampagne in der Presse, mit einem, teilweise zwei, Artikeln pro Tag in der lokalen „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, dem hauptsächlichen Sprachrohr der Bullen und der Stadtregierung. Die Beiträge haben ganz unterschiedliche Ausrichtung: In einigen wird Adel als Drogenjunkie und versuchter Familienmörder dargestellt, in anderen wird das Urteil der Staatsanwaltschaft herangezogen, die den Fall für „aufgeklärt“ erachtet. In anderen wird direkt gegen die Unterstützer des Kampfes für Gerechtigkeit für Adel gehetzt. Oberbürgermeister, Polizeipräsident und Ordnungsdezernent stellten sich in mehreren Stellungnahmen hinter die Essener Polizei, behaupteten es gäbe keinen Rassismus in der Polizei und der Tod von Adel würde nur ausgenutzt werden. OB Thomas Kufen ging sogar soweit, in den Tagen vor der geplanten Demo ein demonstratives Presse Fotoshooting in einer Polizeiwache zu inszenieren.
Auf der anderen Seite gab es seit Anfang der Woche ein massives Polizeiaufgebot in Altendorf, welches den Stadtteil zwischenzeitlich nahezu besetzt hatte. Es gab Patrouillen im Minutentakt, auf der Hauptverkehrsader aus dem Viertel wurde am Tag vor der Demo über einen längeren Zeitraum jedes Fahrzeug kontrolliert. Flankiert wurde dieser Lockdown der Bullen durch gezielte Aktionen der Essener Faschisten, die die fast vollständige Zerstörung der in Altendorf aufgehängten Plakate organisierten und für den Kundgebungstag selbst eine AfD-Gegenkundgebung vor der Innenstadtwache der Polizei unter dem Motto „Deutsche Polizisten sind keine Rassisten“ anmeldeten.
Essens Polizei ist massiv unter Druck und spürt dies auch, deswegen all ihre Demagogie und Lügen, deswegen der demonstrative Schulterschluss zwischen Bullen, Staatsanwaltschaft und Politik. Sie sind verunsichert, weil sich nicht nur einige Menschen, sondern breite Teile der Massen an den aktuellen Protesten gegen den Mord an George Floyd beteiligen. So war absehbar, dass die Essener Polizei anlässlich des Todestages von Adel versuchen würde, die Öffentlichkeitswirksamkeit der Demonstration einzuschränken, aber auch, dass sie sich keinen weiteren Skandal, insbesondere in der Frage des Protests gegen Polizeigewalt, erlauben konnte. So wurde unter dem Vorwand von Corona die Demo verboten und nur eine Kundgebung erlaubt.
Über die gesamte Periode der Sonderbefugnisse durch Corona wurden diese von der Essener Polizei noch mehr als in vielen andern Städten benutzt um politische Proteste wie kraftvolle Kundgebungen oder Demos zu verhindern. Während in Köln vor zwei Wochen beispielsweise weit mehr als 10.000 Menschen im Rahmen der Proteste gegen den Mord an George Floyd zusammenkamen und am Folgetag eine Demo mit 4.000 Menschen erlaubt wurde, sollte sich der Protest in Essen mit 1,5 m Sicherheitsabstand zusammen finden und ohne Demonstration auskommen.
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Letztendlich fanden sich trotz Gegenkampagne der Reaktion an die 500 Menschen für die Kundgebung anlässlich des Todestages von Adel und gegen rassistische Polizeigewalt zusammen. Viele von ihnen waren Anwohner Altendorfs, Freunde und Verwandte von durch die Polizei Ermordeten und Betroffene rassistischer Polizeigewalt. Ein kraftvoller Ausdruck davon waren die zahlreichen kurzen, spontanen Redebeiträge unterschiedlicher Einzelpersonen die kämpferisch ihre Erfahrungen mit Rassismus und der Polizei zum Ausdruck brachten. In vielen Fragen gingen ihre Beiträge, Bewusstsein und ihr Zorn viel weiter als die Beiträge unterschiedlicher Organisationen an dem Tag. So entstand eine sehr lebendige, kämpferische Kundgebung auf der die Polizei denunziert wurde, sich zurückziehen musste und sich letztendlich sehr zurückgehalten hat.
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Aus dieser Dynamik heraus beteiligten sich im Anschluss um die 300 Kundgebungsteilnehmer an einer unangemeldeten, kämpferischen Demonstration zu dem Ort, wo die Polizei am 18. Juni 2019 erstmals die Waffe gegen Adel richteten und zu dem Ort, an dem er letztendlich erschossen wurde. Es wurden Parolen wie unter anderem „Adel B. Das war Mord! Bullen Raus aus Altendorf!“, „Das wahre Gesicht ihrer Demokratie, Massenmörder, das sind sie!“, „Deutsche Polizisten: Mörder und Rassisten!“ und „Glaubt den Lügen der Ausbeuter nicht! Die Rebellion ist gerechtfertigt!“ gerufen und es wurden mehrere kämpferische Redebeiträge gehalten. Die Demonstration kam zum einen als eine Überraschung für die Polizei, zum anderen war aber auch klar, dass die Polizei den politischen Befehl für den Tag bekommen hatte auf keinen Fall einen Skandal zu provozieren. Die herbeieilende Hundertschaft durfte nicht einmal ihre Helme aufsetzten und ihren Schlagstock oder ihr Pfefferspray benutzen, als es zu Rangeleien und sporadischem Bewurf auf Polizisten kam, nach dem diese die Demo, offensichtlich aus Versehen, angehalten hatte.
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Der Kampf der die Demonstration durchführbar gemacht hat war zum einen die große Beteiligung der Massen und zum anderen die politische Kampagne im Vorfeld, die den Handlungsspielraum wegen der großen Öffentlichkeit auf das Vorgehen der Essener Polizei maßgeblich eingeschränkt hat. Wenn diese Öffentlichkeit nicht da wäre, das ist klar, wäre dieser Demonstration ganz anders begegnet worden. Dass eine spontane und unangemeldete Demo, insbesondere mit diesem Charakter an dem Tag laufen konnte ist ein wichtiger Sieg und sowohl für Essen als auch für NRW ein wichtiges Zeichen. Es ist klar, dass Gerechtigkeiten nicht vom bürgerlichen Staat, seiner Justiz oder seinen Regierungen aus kommen kann, nicht in NRW, der BRD oder irgendwo auf der Welt. Für Gerechtigkeit kann nur das Volk selber sorgen.

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