Dienstag, 30. Juni 2020

Die sogenannten Massenkrawalle in Stuttgart – und die Frage nach Distanzierungen


27.06.20
bullen
Bereits am Nachmittag hatte eine Demonstration von kurdischen Menschen stattgefunden, an dem fast 20 Wannen und mehrere Überwachungswagen im Einsatz fuhren, für gerade mal mit 200 Teilnehmer*innen, die sich ausnahmslos friedlich verhielten.
Es begann laut mehreren Zeugenaussagen – als gegen 23 Uhr auf einmal das uniformierte Team aufzog und anfing, sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen, mehrheitlich gegen Jugendliche mit Migrationshintergrund durchzuführen.
Viele Jugendliche hielten sich abends, wie sonst auch in der Stuttgarter Königsstraße auf um zusammenzusitzen, miteinander zu reden und was zu trinken. Nach einer Ausweiskontrolle, wegen angeblichen Drogenkonsum in der Nacht zum 21. Juni solidarisierten sich laut Mainstreammedienberichten angeblich nun Hunderte Jugendliche untereinander, griffen Team Blau an und zerstörten in der Stuttgarter Innenstadt scheinbar 30 Schaufenster, darunter von einem Häkelladen, aber auch eine Filiale vom amerikanischen Fastfoodriesen Mc Donalds
In Kleingruppen seien die jungen Menschen die ganze Zeit über randalierend in Richtung Schlossplatz und später über die Königstraße zur Marienstraße gelaufen. Nachdem die Cops massenweise überfordert waren und sich Verstärkung aus dem gesamten Bundesland angefordert hatten war um 4.30 Uhr Schluss mit dem Aufenthalt der Bullen und der Jugendlichen.
Bereits am Sonntag wurde von rechter Seite, schon über angeblichen ausländischen und antifaschistischen Terror schwadroniert, nach und nach zogen nach die Altparteien mit Hetze nach, auch wenn die Cops die Ansicht vertraten, es gibt für die sogenannten Ausschreitungen keinen politischen Hintergrund.
Von einem massiven„Gewaltexzess“ sprach Horst Seehofer am Montag  und von Landfriedensbruch. Der Bundesinnenminister was nach Baden-Württemberg gereist, um sich selbst ein Bild zu machen. „Es darf jetzt nicht bei einer Entrüstung bleiben“, sagt der CSU-Politiker. „Da geht’s um die Glaubwürdigkeit auch unseres Rechtsstaats.“ Während dieses Besuches wurde er von dem sogenannten Volkslehrer, dem mehrfach verurteilten Neonazi begleitet. Seehofer und auch der Landesvater Kretschmann gaben im Gegensatz, zu dem Bullenpressesprecher Stefan Keilbach dem Nazi kein Podium. Keilbach gab sogar dem Neonazi Nikolai Nerling ein Interview für dessen Youtubekanal.

Seehofer mache sich ja angeblich Sorgen, über mangelnde Anerkennung für die Cops - wenn er sich mal so Sorgen um rechte Übergriffe und Gewalttaten, ertrinkende Menschen im Mittelmeer machen würde. Aber der "Drehhofer" zeigte sich von seiner besten Seite, als eine TAZ Journalistin, die Abschaffung der Polizei forderte drohte mit einer Strafanzeige einschüchtern wollte. Um sich feige der Öffentlichkeit entziehen tat der gute Horst nichts anderes, erst mal aus der Öffentlichkeit zu verschwinden.

Wie auch beim G20-Gipfel in Hamburg wurde jegliche Mitverantwortung der Bullen weit von sich gewiesen. Diese brüstet sich auf Ihrer Facebookseite, das Bürger*innen ihnen als Dank Blumen geschenkt haben und etablierte PolitikerInnen schmücken sich mit dem Spruch „wir sind alle Polizei“ auf ihren Profilen in den sozialen Medien.
Wie nicht anders zu erwarten, warnte natürlich auch der Verfassungsschmutz mit eindringlichen Worten vor dem Entstehen eines neuen angeblichen „Linksterrorismus“. Im Gegensatz geht der Grüne OB Kuhn davon aus, dass mensch nun gegen die sogenannte„Event-Community“ vorgehen müsse. Was sich da aber hinter dieser verbergen soll ist vollkommen unklar und auch Soziologen, die sich mit Subkulturen beschäftigen ist dieser Begriff nicht bekannt.
Das ist eine schöne Ablenkung vor den wahren Hintergründen der Zuspitzung, was nicht erwähnt wird, dass seit Wochen die Bullenpräsenz und deren Terror in Stuttgart zu nimmt und von steigender Aggressivität von Links gelabert wird.

Es bleibt die Frage, soll hier die Verschärfung des Polizeiauf gabengesetzes, das der Landtag am Donnerstag diskutiert, schon mal ausprobiert werden? Inzwischen wurden 8 Teilnehmer der „Riots“ inhaftiert, 24 Menschen festgenommen und auch schon die Neonazipartei AfD hat eine Demonstration in Stuttgart angemeldet, da sie linke Menschen und Menschen mit nichtdeutschen Wurzeln als Ursache für die Ereignisse verantwortlich macht.
Für die Presse wurde sogar extra das Samstagnacht in demolierte Polizeiauto als Kulisse aufgefahren und wie ein Kunstwerk enthüllt zeigt nur, dass es wieder eine Teilung in „Gute Polizei“ und „Böse Menschen“ wieder präsentiert wird.
Die genauen Hintergründe sind bis heute nicht geklärt - auf dieses Spielchen und der dichotomischen Teilung in „Gut“ und „Böse“ sollten wir uns, egal ob bürgerliche oder radikale Linke nicht einlassen .
Wir sollten hier nicht über irgendwelche Stöckchen springen, die uns hingeschmissen werden oder auch nicht uns in Verschwörungsmythen reinziehen lassen.

Natürlich kommt jetzt immer der Wunsch nach Distanzierungen, hier muss Mensch festhalten: Das durch Bullengewalt, Rechte Übergriffe, Ausbeuterei, Knechtung politisch Gefangener oder auch Tierquälerei geht es hier um Macht. Uns muss klar sein, dass die Überwindung des kapitalistischen Machtsystems dass es um die Frage der Macht geht und wir wissen, dass die Gegenseite ihre Macht mit allen Mitteln verteidigen wird. Diese funktioniert jedoch nicht durch eine linkeparlamentaristische Reformpolitik und müden Latschdemos, sondern mit einer konsequenten Negation des bisherigen Scheißsystems. Zu der Gegenseite müssen wir eine klare Trennlinie zwischen uns und unseren Feinden/Gegnern ziehen.

Nachdem sich die Situation in Deutschland und weltweit immer mehr zuspitzt ist es klar, dass wir in Hinblick auf diese endzeitlichen gesellschaftlichen Bedingungen auch veränderte Aktions- und Kampfformen benötigen und diese konsequent einsetzen müssen.
Wichtig bleibt immer situativ handeln ohne irgendwelche Formen pauschal auszuschließen, abzulehnen oder in blindwütigen Distanzierungswahn verfallen.

Martin Eickhoff

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