“Genossinnen und Genossen, liebe deutsche Linke: Wir müssen reden. Und zwar über die Rolle der deutschen Industriegewerkschaften – allen voran der IG BCE und der IG Metall – im Kampf für globale Klimagerechtigkeit. (…) In den letzten Jahren ist eine Reihe progressiver sozialer Bewegungen entstanden, die diese Kämpfe vorantreiben. Zum Beispiel die Anti-Kohle- und Klimagerechtigkeitsbewegung. Oder die Anti-Auto- und Pro-Verkehrswende-Bewegung. Beide Kämpfe, für den Kohleausstieg und gegen die Autogesellschaft, sind zwar einerseits globale Gerechtigkeitskämpfe. Sie rufen aber andererseits den harten Widerstand genau der Akteure hervor, die in der Geschichte der gesellschaftlichen Linken bisher (mit Ausnahme einer kurzen Zeit nach 1968) üblicherweise mit Fortschritten im Kampf um Gerechtigkeit verbunden wurden: der großen Gewerkschaften, die in diesen Sektoren organisieren. (…) Das Verhältnis zwischen sozial-ökologischen Transformationsbewegungen einerseits und Industriegewerkschaften andererseits ist also von Spannung, gar von taktischer Feindschaft geprägt. Das aber ist für Linke (egal, ob Bewegungs- oder Parteilinke) keine einfache Situation, waren es doch in der Vergangenheit – zum Beispiel bei den Protesten gegen Hartz IV – oft die großen Gewerkschaften, die an vorderster Front für Gerechtigkeit und Emanzipation gekämpft haben: Wochenende, Krankenvorsorge, Arbeitslosengeld … All dies gäbe es nicht ohne Gewerkschaften. Was wiederum bedeutet: Wir müssen reden. Wir müssen die schwierige Debatte darüber beginnen, warum die Industriegewerkschaften in den letzten Jahrzehnten zu jenen gehört haben, die aktiv sozialökologische Transformationen in Schwerindustrieregionen verhindert oder zumindest verzögert haben und wie damit in Zukunft umzugehen ist. Wir müssen darüber reden, warum es in abgehängten früheren Industrieregionen eine so hohe Affinität zu rechten Positionen gibt; ob und wie das zu ändern ist…” Artikel von Tadzio Müller vom 18.06.2020 beim ND online und eine Erwiderung:
- Wir müssen reden! Aber weniger über die Industriegewerkschaften als vielmehr mit ihren Mitgliedern
“… Bei der Gewerkschaft wird es anscheinend als brüske Zurückweisung empfunden, wenn die Politik der mächtigen Autoindustrie einmal einen Wunsch ausschlägt. Trotz dieses Vorfalls ist es aber verfehlt, von einer strukturellen Feindschaft zwischen Klimabewegung und Industriegewerkschaften zu sprechen. Stattdessen gilt zu ergründen, wo die Spannungen ihren Ursprung haben und wie die sozial-ökologische Linke produktiv damit umgehen kann. Der Vorfall zeigt zweierlei: 1. Teile der IG Metall sind so nah an den Autokonzernen, dass sie die Interessen der Autoindustrie und diejenigen der Beschäftigten nicht immer sauber sortiert bekommen. Das liegt daran, dass die Betriebsräte der großen Konzerne seit Jahren einen – immer wieder von kleineren Konflikten durchbrochenen – Co-Management-Kurs verfolgen. (…) 2. Die eine IG Metall gibt es so nicht, wie auch die ambivalente Haltung ihres Vorsitzenden hinsichtlich des Antriebsstranges zeigt. In ihr kommen unterschiedliche unmittelbare Interessen, politische Überzeugungen und Gewerkschaftsstrategien zusammen. Es lohnt sich, bei ihren Mitgliedern – auch den potentiellen – nach Anknüpfungspunkten zu suchen. Denn auch Beschäftigte in der Autoindustrie haben Angst vor der Klimakatastrophe oder die Einsicht, dass immer mehr Autos zum Verkehrskollaps führen. Gleichzeitig wissen die Kolleg*innen im Betrieb aber am besten um die technischen und ökologischen Probleme der E-Mobilität sowie der Absatzkrise und fürchten um ihre Jobs. Sie als Bewahrer oder Co-Manager abzuschreiben und möglicherweise an die AfD zu verlieren, wäre fatal und würde die Klimabewegung gesellschaftlich schwächen. (…) Auch wenn Demonstrationen, Proteste und ein verändertes gesellschaftliches Bewusstsein gegenüber dem Auto einiges bewirken kann: Ohne eine offensive Strategie der IG Metall wird es in absehbarer Zeit keine Durchsetzungsperspektive für ein Transformationsprojekt geben, das sich gegen die Profitinteressen der Autoindustrie stellt. Immerhin stehen angesichts der tiefen Krise in der Autoindustrie und der bevorstehenden Kämpfe gegen Entlassungen und Betriebsschließungen die Chancen gut, eine ernsthafte Diskussion mit den Kolleg*innen zu beginnen und sich aus der bloßen Beobachterposition zu lösen. Rückenwind kann die Kooperation von Klimabewegung und Gewerkschaft in einer anderen Branche, dem ÖPNV, geben. Hier arbeiten Fridays for Future und ver.di anlässlich der Tarifkampagne Nahverkehr schon seit über einem halben Jahr zusammen, um bessere Arbeitsbedingungen und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs durchzusetzen. Wenn es ihnen im September dieses Jahres hier gelingt substanzielle Schritte zu erreichen, wird auch für Beschäftigte in der Autobranche eine sozial-ökologische Verkehrswende greifbarer…” Artikel von Fanny Zeise vom 26.06.2020 im ND online - wir verweisen allerdings auf die Initiative Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Klimaschutz
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