Dossier
“»Angesichts der aktuellen schwierigen Lage appellieren wir deshalb an Sie, derzeit keine Fahrten aufzunehmen und bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen« steht in einem Papier, das »nd« vorliegt. Unterschrieben hat es der Abteilungsleiter für Migration im Bundesinnenministerium, Ulrich Weinbrenner. Das Schreiben ging an verschiedene Organisationen, die im Mittelmeer Flüchtlinge retten. Hintergrund war wohl ein Ersuchen des italienischen Innenministers Luciana Lamorgese. Dieser hatte sich am 31. März 2020 an Bundesinnenminister Horst Seehofer mit dem Hinweis gewandt, dass unter deutscher Flagge fahrende Schiff »Alan Kurdi« der NGO Sea-Eye e.V. habe seine Rettungsaktivitäten im zentralen Mittelmeer wieder aufgenommen. Die italienische Regierung wies darauf hin, dass Italien wegen des Coronavirus vor einem Gesundheitsnotstand stehen würde und daher keine Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer gewährleisten könne. Per Verbalnoten hat die maltesische und italienische Regierung daher mitgeteilt, das Anlanden von Rettungsschiffen in ihre Häfen nicht gestatten zu können. Dieser »eindringliche Appell«, so steht es im Schreiben des deutschen Bundesinnenministeriums, brachte die Behörde dazu, das Schreiben an die Organisationen Sea-Eye, Lifeline, Sea-Watch und das von Ärzte ohne Grenzen betriebene Projekt SOS Mediterranee zu schicken. Michel Brandt, Bundestagsabgeordneter und Obman im Menschenrechtsausschuss sprach gegenüber »nd« von einem Aufruf zur unterlassenen Hilfeleistung. Wie absurd der Appell der Bundesregierung sei, zeige sich vor allem dadurch, dass die Bundesregierung sich zwar für einen Rückruf der Schiffe, nicht aber für einen sicheren Hafen für die »Alan Kurdi« einsetzt…” Artikel von Fabian Hillebrand vom 07.04.2020 beim ND online – siehe dazu:
- Sea-Eye gelingt die Befreiung des Rettungsschiffes ALAN KURDI – Seerechtsexperte spricht von rechtswidrigen Maßnahmen gegen Sea-Eye / Seenotrettung: Kein “Taxi”-Dienst nach Europa
- Sea-Eye gelingt die Befreiung des Rettungsschiffes ALAN KURDI – Seerechtsexperte spricht von rechtswidrigen Maßnahmen gegen Sea-Eye“Festsetzung der ALAN KURDI endet. Seerechtsexperte nennt Italiens Maßnahmen rechtswidrig. Sea-Eye prüft Rechtsmittel. 55.000 Unterstützer*innen forderten die Freilassung der Rettungsschiffe. Kirchliches Bündnis United 4 Rescue trägt hohe Blockadekosten. ALAN KURDI setzt Kurs auf spanischen Hafen…” Meldung vom 26. Juni 2020 von und bei Sea-Eye
- Seenotrettung: Kein “Taxi”-Dienst nach Europa“Die Seenotrettung wird Thema für den deutschen EU-Vorsitz sein. Innenminister Seehofer sagte, es dürfe keinen “Taxi”-Dienst nach Europa geben. Durch Sicherheitsverordnungen sollen Rettungsschiffe ausgebremst werden. Hilfsorganisationen, die Menschen etwa im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten, sind sauer auf die Bundesregierung. Der Grund: Für ihre Boote gibt es seit Anfang März neue, kostspielige Anforderungen. Die “19. Schiffssicherheitsanpassungsverordnung” von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist für Hilfsorganisationen “reine Schikane”. Axel Steier von “Mission Lifeline” muss die Vorschriften nun umsetzen. Ganz konkret: Werften und Ingenieurbüros kontaktieren, Umbauten vornehmen lassen, diverse Bescheinigungen einholen. Kosten: geschätzt 100.000 Euro. Zwar kann Steier bislang auf sehr erfahrene Kapitäne zurückgreifen, erzählt er. Jetzt plötzlich sollen aber nur noch die Schiffsführer zugelassen werden, die eine Art Führerschein für große Berufsschiffe haben. “Dafür ist ein Studium nötig”, erklärt Steier. Innerhalb von ein paar Monaten umschulen, ginge nicht. (…) Dabei soll Horst Seehofer gesagt haben, er selbst habe den Verkehrsminister gebeten, in der Angelegenheit tätig zu werden. Sein Ansinnen: Schiffe unter deutscher Flagge, die nur für 17 Personen zugelassen seien, dürften nicht solange vorsätzlich vor der libyschen Küste verweilen, bis 150 Personen aufgenommen seien, sagte Seehofer nach Angaben von Linkspartei und Grünen in der Innenausschuss-Sitzung. Laut Filiz Polat von den Grünen sagte Seehofer sinngemäß: Es dürfe keinen “Taxi”-Dienst geben. (…) Steier von “Mission Lifeline” macht das wütend. Er verweist auf das internationale Seerecht. Es sei die Pflicht aller, die auf See unterwegs seien, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Private Seenotretter übernähmen damit die Aufgabe von staatlichen Behörden.”…” Beitrag von Michael Stempfle vom 26. Juni 2020 bei tagesschau.de
- Angriff auf „Alan Kurdi“: Reaktion der Bundesregierung grenzt an Strafvereitelung
„Die ‚Alan Kurdi‘ fährt mit deutscher Besatzung unter deutscher Flagge. Die Bundesregierung muss deshalb endlich aufklären, wer auf das Schiff geschossen hat. Es ist möglich, dass die Besatzung und die Geretteten zwischen die Fronten der Seepolizei und der Küstenwache in Libyen gerieten (…) Am 6. April ist das Schiff „Alan Kurdi“ zum zweiten Mal in internationalen Gewässern im zentralen Mittelmeer beschossen worden. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt dazu die Bundespolizei. Das Auswärtige Amt bat die sogenannte Küstenwache in Tripolis um Aufklärung gebeten, diese erklärte sich aber „für nicht beteiligt“. Das Innenministerium sowie die Küstenschutzverwaltung ließen eine solche Anfrage unbeantwortet. Die ihnen unterstehende Seepolizei soll auch für den ersten Vorfall mit Schüssen auf die „Alan Kurdi“ am 26. Oktober 2019 verantwortlich sein. (…) Die Seepolizei ist für Küstengewässer zuständig, die militärische Küstenwache für die offene See. Die Einheiten bestehen aus teilweise konkurrierende Milizen, die sich streiten wer die Strafverfolgung von Schleusern übernehmen soll. Dieser Konflikt wird im derzeitigen Bürgerkrieg besonders sichtbar. Die EU feuert dies an, indem die Seepolizei von Frontex und die Küstenwache von EU-Militär in den Missionen ‚SOPHIA‘ und ‚IRINI‘ ausgebildet wird. Dass die Bundesregierung die Aufklärung eines solchen Angriffs bei einer simplen Nachfrage beim libyschen Innenministerium belässt, grenzt an Strafvereitelung. Ich vermute dahinter Kumpanei: Die Bundespolizei ist im Rahmen der Mission EUBAM Libyen selbst an der Unterstützung der Seepolizei beteiligt. Das Bundesinnenministerium muss sich bei der EU-Kommission und Frontex dafür einsetzen, jede Zusammenarbeit mit der Seepolizei wie auch mit der Küstenwache auf Eis zu legen…” Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 2. Juni 2020 mit Link zur Antwort auf die Kleine Anfrage „Zweiter bewaffneter Angriff auf das deutsche Seenotrettungsschiff ‚Alan Kurdi‘“- siehe demgegenüber drastische Meldungen von Sea-Eye e. V. zu ALAN KURDI
- Siehe auch:
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