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Entnervte Feuerwehrleute und umherirrende Kängurus
In Australien haben Feuerwehrleute heftige Kritik am Umgang von Premierminister Scott Morrison mit den verheerenden Buschbränden geübt. Der 57-jährige Feuerwehrmann Paul Parker sagte der Nachrichtenagentur AFP, er sei »absolut entsetzt« über die Regierung in Canberra, »vor allem Scott Morrison«. Parker verurteilte vor allem Äußerungen des Regierungschefs, wonach die tausenden freiwilligen Feuerwehrleute gerne gegen die Flammen kämpften. »Sie haben keine Ahnung, Mann«, sagte Parker an Morrison gerichtet.
Feuerwehrleute setzten im Kampf gegen die Buschbrände ihr eigenes Leben aufs Spiel, betonte Parker. Er selbst sei für seine Gemeinde, der Ortschaft Nelligen, im Einsatz gegen die Flammen - und für die Australier insgesamt. »Ich tue es nicht für Scott Morrison, und ich tue es nicht für irgendeinen der Idioten in der Regierung«, fügte Parker hinzu. Seit Beginn der Brandsaison im September sind mindestens drei Feuerwehrleute ums Leben gekommen.
Der Leiter der Feuerwehr in New South Wales, Shane Fitzsimmons, attestierte Morrison in einem Radio-Interview einen Mangel an »grundlegender professioneller Höflichkeit«. Zudem nannte Fitzsimmons es »sehr enttäuschend«, dass er aus den Medien habe erfahren müssen, dass Morrison 3000 Reservisten der Armee zur Unterstützung der Feuerwehr mobilisiert habe.
Es handelt sich um die größte Zwangseinberufung von Reservisten in der Geschichte Australiens. Gegen die Entscheidung hagelte es bereits nach der Verkündung am Samstag Kritik an Morrison. Gegner warfen dem Premier vor, die Einberufung werbewirksam auf seinem persönlichen Twitter-Kanal verbreitet zu haben, versehen mit Bildern der Brandkatastrophe. Morrison versuche, »eine nationale Tragödie auszuschlachten«, kritisierte etwa der Labour-Abgeordnete Pat Conroy.
PR-Aktion für Kohle-Politiker?
Premierminister Scott Morrison, ein Förderer der Kohle-Industrie, steht schon seit Tagen wegen seines Krisenmanagements in der Kritik. Er war während der Feuer zum Urlaub nach Hawaii gereist. Vergangene Woche wurde er bei einem Besuch im Brandgebiet als »Idiot« beschimpft.
Australien wird seit Monaten von verheerenden Buschbränden heimgesucht. Im gesamten Land wurde inzwischen eine Fläche doppelt so groß wie Belgien zerstört. Die Lage spitzte sich am Samstag weiter zu, als in einigen Städten die Temperaturen auf weit über 40 Grad Celsius stiegen. In Sydney wurde ein neuer Hitzerekord von 48,9 Grad Celsius gemessen. Auch die Hauptstadt Canberra verbuchte mit 44 Grad Celsius einen neuen Rekordwert, wie ein Sprecher des Wetterdienstes mitteilte.
Orkanartige Winde fachten zudem viele Feuer in den bevölkerungsreichsten Bundesstaaten New South Wales und Victoria an. Nahezu im gesamten Südosten des Landes gilt der Ausnahmezustand. Die Zahl der Toten stieg auf 24, ganze Landstriche brannten nieder. Der Schrecken nimmt noch kein Ende. In der Hauptstadt Canberra schlossen Läden und öffentliche Einrichtungen wegen des Rauchs und der Luftverschmutzung. Die Schutzmasken wurden knapp.
Ein 47-Jähriger erlitt einen tödlichen Herzinfarkt, als er südwestlich von Canberra ein Grundstück vor der Feuersbrunst schützen wollte, wie die Polizei des Bundesstaates New South Wales mitteilte. Auf der Känguru-Insel, einem beliebten Urlaubsziel im Bundesstaat South Australia, starben zwei Menschen durch die Brände.
Hunderte Brände lodern weiter
Während im Bundesstaat New South Wales nach wie vor rund 170 Buschbrände wüten und es auch am Sonntagmorgen vielerorts keinen Strom gab, lodern im Nachbarstaat Victoria etwa 50 Brände. Dort wurden noch immer sechs Menschen vermisst. Die Opferzahl könnte also noch weiter steigen.
Die in Australien lebende Deutsche Cornelia Schroller hat bange Stunden nahe dem Küstenort Mallacoota hinter sich. Bei einem Urlaub über den Jahreswechsel erlebte sie, wie dort die Feuer bedrohlich nahe kamen und die Straßen gesperrt wurden, wie die 31-Jährige der Deutschen Presse-Agentur erzählte. »Ein Hotelmanager hat uns auf dem Sofa schlafen lassen.«
Danach wartete die Unternehmensberaterin mit ihrem Mann darauf, wie viele andere Gestrandete mit einem Marine-Schiff in Sicherheit gebracht zu werden. Diese Rettungsaktion erlebte sie als sehr gut organisiert, auch wenn improvisiert wurde. »Wir haben überall geschlafen, wo Platz war.« Die Reise auf dem Boot nach Melbourne dauerte gut einen Tag.
Hilflos umherirrende Kängurus
Die Feuer wüten seit Oktober und haben landesweit mittlerweile eine Fläche von mehr als sechs Millionen Hektar zerstört. Hunderte von Millionen Tieren wurden nach Schätzungen getötet, darunter Tausende Koalas - wenn nicht sogar mehr.
Die Folgen für die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt des Kontinents sind verheerend. Experten schätzen, dass allein in dem besonders betroffenen Bundesstaat New South Wales bereits fast eine halbe Milliarde Tiere in den Flammen ums Leben gekommen sind.
Bilder von geretteten Koalas, die gierig Wasser aus von Helfern gehaltenen Flaschen trinken und von hilflos in verkohlten Wäldern herumirrenden Kängurus sind in den vergangenen Wochen um die Welt gegangen. Eine am Freitag veröffentlichte Studie der Universität von Sydney schätzt die Zahl der seit September im Staat New South Wales verendeten Tiere auf 480 Millionen - wobei es sich um eine »sehr zurückhaltende« Kalkulation handelt, wie die Autoren betonen. Die wahre Zahl könne noch »bedeutend höher« liegen.
Er gehe davon aus, dass landesweit bereits Milliarden von Tieren durch die Feuer ums Leben gekommen seien, sagt Professor Andrew Beattie von der Macquarie-Universität nahe Sydney, »wenn man Säugetiere, Vögel, Reptilien und größere Insekten wie Schmetterlinge mit einrechnet«. Es sei »ziemlich sicher, dass in großen Teilen dieser sehr ausgedehnten Brandgebiete der größte Teil der Tierwelt tot ist«, betont der Biologe. »Die Flora und Faune ist fort.«
Flora und Fauna für 40 Jahre vernichtet
Besonders betroffen sind die ohnehin schon durch Krankheiten und den Verlust ihres Lebensraums bedrohten Koalas: Die Beuteltiere leben auf Bäumen, ernähren sich nur von bestimmten Eukalyptusarten und sind nicht schnell genug, um vor den Flammen zu fliehen. Schon vor den derzeitigen Buschbränden ging die Zahl der Koalas in New South Wales und Queensland zwischen 1990 und 2010 um 42 Prozent zurück - keiner weiß, wie viele nun durch die Buschbrände verendeten.
Der Ökologe Mark Graham vom Naturschutzrat des Landes warnte, die Feuer seien so heiß und entwickelten sich derart schnell, »dass es eine beträchtliche Sterberate von auf Bäumen lebenden Tieren gibt«. Da die Feuer noch immer brennen, »werden wir die Kadaver wahrscheinlich nie finden«. Wie die Zukunftsaussichten für die Tier- und Pflanzenwelt sind, wenn die Brände endlich gelöscht sind, ist noch völlig unklar. Studien zeigen, dass Buschbrände sich nicht gleichmäßig über die Landschaft ausbreiten, sondern es in Brandgebieten immer wieder von den Flammen unberührte »Inseln« gibt.
»Es sind diese unberührten oder weniger betroffenen Gebiete, in die sich Tiere flüchten, wenn sie es dorthin schaffen«, sagt der Biologe Beattie. Falls es genug solcher »Inseln« gebe und sich die äußeren Bedingungen rasch verbesserten, gebe es Hoffnung, dass die Wälder und Buschgebiete sich wieder erholen können. Die Zukunft der am schwersten verbrannten Gebiete hängt nach Beatties Worten von Faktoren wie dem Niederschlag und dem Klima in den kommenden Monaten ab. Es könne bis zu 40 Jahre dauern, bis die Habitate wiederhergestellt seien. Agenturen/nd
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