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»Polizei weiß nicht, wie Internet funktioniert«
Ein Mann filmte heimlich Frauen, die Dixi-Klos auf dem Festival »Moni’s Rache« benutzten. Die Videos stellte er auf Porno-Seiten und verdiente damit rund 8000 Euro. Das hatte kürzlich eine NDR-Journalistin aufgedeckt.
Es ist nur eines von vielen Beispielen für digitale Gewalt gegen Frauen, der sich am Dienstag in Berlin ein Fachgespräch der Linksfraktion gewidmet hat. Dabei gehe es nicht um »hate speech«, also Hassrede im Netz, stellt die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg klar. Es handele sich vielmehr um die Fortsetzung von Gewalt aus dem analogen Leben, unterstreicht auch Ans Hartmann vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. In oder nach Beziehungen kommt es zu Stalking, zur Manipulation von Smartphones oder es werden Kameras in Kleiderhaken im Badezimmer eingebaut, um Aufnahmen zu machen. »Alle diese Maßnahmen haben das gleiche Ziel: die Partnerin zu überwachen«, so Domscheit-Berg.
Damit würden ihre Mandant*innen erniedrigt oder erpresst, erzählt die Familien- und Strafrechtlerin Christina Clemm. Sie beschreibt gegenüber »nd« einen Fall, in dem ein Mann seine Expartnerin vergewaltigt hat. Er hatte intime Fotos, die früher mit ihrem Einverständnis aufgenommen worden waren. Wenn sie ihn für die Vergewaltigung anzeige, würde er die Bilder veröffentlichen, drohte er. »Diese Frau hat nicht angezeigt.« Clemm wirkt ernüchtert. Selbst wenn Betroffene den Mut dazu aufbrächten, fehle den Staatsanwaltschaften meist das Wissen, die Justiz sei überlastet. Behörden brauchten dringend Fortbildungen zu diesem Thema, um bestehendes Recht durchzusetzen, sind sich bei dem Gespräch im Bundestag alle einig.
Auf eine Gesetzesänderung drängen Domscheit-Berg und Clemm hinsichtlich der Impressumspflicht. Das ließe sich auch ohne die private Wohnadresse von Website-Betreiber*innen regeln, um diese etwa vor Stalking zu schützen.
Helfen könnte zudem ein »Digitales Gewaltschutzgesetz«, das ermöglicht, Accounts zu sperren oder zu löschen, sagen die Fachleute. Wobei Täter sich dann einfach neue Profile anlegen würden, bemerkt Hartmann - und regt darüber hinaus dezentrale Anlaufstellen für jedes Bundesland an.
Als einzige IT-Beraterin für digitale Gewalt in Deutschland arbeitet ihres Wissens nach Lena Simon. Sie findet, Spähsoftware gehöre verboten. Doch auch das allein werde nicht helfen. Denn die Geräte, die sie in die Hände bekommt, seien oft von den Partnern selbst eingerichtet worden. Das heißt, sie kennen beispielsweise Passwörter und nutzen diese nach der Trennung für Missbrauch. Deshalb sei wichtig, dass Frauen sich selbst IT-Wissen aneignen, obschon dieses als männlich gelte.
»Hättest du eben keine Nacktfotos von dir machen lassen« sei eine typische Reaktion der Polizei, wie Hartmann aus der Beratung weiß. Das ist »victim blaming«, also eine Schuldzuweisung an die Opfer, zu denen neben Frauen besonders auch andere nicht-männliche Menschen werden. Ein Problem sei, dass viele bei der Polizei nicht wüssten, wie das Internet funktioniere, so Hartmann weiter. Zeug*innen müssten oft für sehr lange Zeit ihre Smartphones abgeben. Oder aber sie würden aufgefordert, Spuren selbst zu sichern, ergänzt Simon. Man stelle sich vor, die Polizei verlange dasselbe von Menschen, in deren Haus gerade eingebrochen wurde, sagt sie.
Braucht es also mehr Polizei? »Man findet die Nadel im Heuhaufen nicht leichter, indem man mehr Heu auf den Haufen wirft«, sagt Simon dazu. Die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Doris Achelwilm, findet, es komme darauf an, wofür die zusätzlichen Kompetenzen genutzt würden. Sie schlägt mehr LGBTI-Beauftragte in den Polizeien vor.
Akut sei Achelwilm wichtig, dass alle Kläger*innen, die sie brauchen, Prozesskostenhilfe bekommen. Denn, wie Rechtsanwältin Clemm berichtet, versagten Berliner Gerichte diese in der Regel. Mit welcher Begründung? Die Gewaltopfer brauchten keine Verteidigung. Wer jahrelang mit einem Mann verheiratet gewesen sei, könne Sie sich ja wohl auch vor Gericht mit ihm an einen Tisch setzen, heißt es dann.
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