Unser NAFTA-Erbe
Von Ana de Ita
(Mexiko-Stadt, 19. Mai 2017, la jornada).-
Kurz vor dem Start der sogenannten „Modernisierung des
Nordamerikanischen Freihandelsvertrages (NAFTA)“ prüfen die
mexikanischen Verhandlungsführer*innen neue Zugeständnisse, damit
der Vertrag überlebt. Obwohl Mexiko der Netto-Verlierer des
trilateralen Abkommens gewesen ist, wollen die mexikanischen
Funktionär*innen nun aus der Not eine Tugend machen und angeblich
aus einer Position der Stärke heraus mit verschiedenen Trümpfen in
der Hinterhand aufspielen. Dabei ist die Öffnung des Vertrages von
den USA unter der Androhung erzwungen worden, ihn aufzulösen,
falls er ihre Forderungen nicht befriedigt.
Mexiko strampelt sich ab, um das NAFTA-Modell zu retten
Anfang der 1990-er Jahre transformierte Mexiko sein
Wirtschaftsmodell, um sich vollständig in die Ökonomie
Nordamerikas zu integrieren. Um dieses Ziel zu erreichen,
opferte das Land unter anderem die Nahrungsmittelsouveränität
und -sicherheit, die kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft und
die in geringen Mengen produzierende Landwirtschaft, die
Marktregulierung, das Wachstum des Binnenmarktes, Löhne und
soziale Errungenschaften der Arbeiter*innen, das kleine und
mittelständische Unternehmertum sowie die eigene
Verfügungsgewalt über die Naturressourcen. Mexiko setzte auf
eine regionale Integration zum ausschließlichen Nutzen der
multinationalen Konzerne. Jetzt, wo die USA mit der Annullierung
des Abkommens drohen, verfügt die mexikanische Regierung über
keinerlei Notausgänge und strampelt sich ab, um das Modell zu
retten.
Einige Unternehmer*innen und Funktionär*innen der Regierung
denken daran, die Agrarexporte der USA nach Mexiko als
Druckmittel zu benutzen. Die Stimmen der Farmer im Mittelwesten
der Vereinigten Staaten waren entscheidend für den Sieg von
Präsident Donald Trump. Doch gehört dieser Sektor gehört zu
jenen Gruppen, die das größte Interesse am Erhalt des Vertrages
haben. Mexiko bezieht derzeit 30 Prozent seines Maiskonsums und
86 Prozent seines Sojakonsums aus den USA, obwohl in beiden
Fällen die nationale Produktion angestiegen ist. Die Mais- und
Sojaimporte machen ein Kaufvolumen von jährlich fast 4
Milliarden US-Dollar aus. In der globalen Handelsbilanz fallen
sie zwar nicht ins Gewicht, doch repräsentieren sie das
Einkommen einer gehörigen Anzahl von US-Landwirt*innen sowie die
Gewinne der Multis, die diese Importe vermarkten. Mexikanische
Unternehmer*innen und die Regierung haben bereits mit der Suche
nach neuen Lieferant*innen in Argentinien und Brasilien
begonnen.
Deregulierung in der Landwirtschaft – zwei Millionen
Arbeitsplätze weniger
Vor NAFTA befand sich die Integration zwischen Mexiko und den
USA bei der Produktion von Getreide und Ölpflanzen auf sehr
niedrigem Niveau. Mexiko kontrollierte die Importe dieser als
grundlegend angesehenen Produkte mittels zuvor erteilter
Importgenehmigungen, die lediglich Raum für den Ausgleich von
Defiziten ließen. Das von der staatlichen Einrichtung Conasupo
betriebene Regulations- und Versorgungssystem des Binnenmarktes
kontrollierte den Preis der Landprodukte, damit diese nicht von
örtlichen Aufkäufer*innen gehamstert wurden, sowie die
Verbraucherpreise für die Stadt- und Landbevölkerung. Mit dem
Inkrafttreten von NAFTA wurde nicht nur dieses Regulationssystem
aufgegeben, ebenso wie das für Produzent*innen und
Verbraucher*innen. Präsident Zedillo überließ 1996 die
staatlichen Funktionen den mexikanischen und ausländischen
Multis. In der NAFTA-Zeit verschwanden zwei Millionen
Arbeitsplätze im Landwirtschaftssektor sowie die mittelgroßen
Produktionszentren für den Maisanbau.
Der Markt für Getreide und Ölpflanzen ist weltweit stark
konzentriert. Bei Mais teilen Cargill, Archer Daniels Midland
(ADM), Corn Products International, Maseca und Minsa das
Geschäft in Mexiko unter sich auf. Bei Aufkauf und Vermarktung
von Soja und anderen Ölpflanzen finden sich erneut die Firmen
Cargill, ADM und Bunge. Lieferant*innen in Argentinien und
Brasilien für Getreide und Ölfrüchte zu finden, implizit eine
Analyse der Transportkosten. Doch die Wahl eines anderen Landes
für die Importe macht nicht unbedingt einen großen Unterschied
aus.
Das Maisgeschäft verbleibt bei den Multis
So werden die aus den USA nach Mexiko bewerkstelligten
Maisexporte über die Infrastruktur von Cargill in den US-Häfen
in Louisiana oder Texas abgewickelt. Cargill USA erhält die
Mittel für den Export an Cargill Mexiko über die Finanztochter
Cargill. Die exportierten Getreidekörner kommen über den Hafen
von Veracruz ins Land. Der Hafen wird derzeit von Cargill
modernisiert. Die Hafeninfrastruktur hat die Regierung des
Bundesstaates Veracruz für 30 Jahre konzessioniert – an …
Cargill. Cargill liefert den importierten Mais an die
Agroindustrie, an die Produzent*innen von Futtermitteln, an die
Vieh- und Geflügelzüchter*innen, die Maismühlen und die
Verkaufsstellen für Maisfladen, die über das ganze Land verteilt
sind. Wenn Mexiko sich entschließen würde, den Mais aus
Brasilien oder Argentinien statt aus den USA zu importieren,
würde derselbe Prozess über die Tochterunternehmen von … Cargill
in diesen Ländern abgewickelt werden. Letztendlich – und
praktisch unabhängig vom Land – wird der Markt für Getreide und
Ölpflanzen von den Multis kontrolliert.
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