Altersarmut: Ver.di kritisiert die Politik der Union und fordert eine Stärkung der gesetzlichen Vorsorge
Von Stefan Thiel
Altersarmut programmiert: Geringe Löhne führen auch zu niedrigen Renten
Foto: Bodo Marks/dpa
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Wenn sich an der Rentenpolitik nichts ändert, droht millionenfache Altersarmut: Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Auftrag gegebene Studie des Eduard-Pestel-Institutes, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske betonte bei der Präsentation, die Studie zeige, »wie groß die Betroffenheit ist«. Armutsrenten seien ein Phänomen, das »bis in die Mitte der Gesellschaft« reiche und damit »weit über den Niedriglohnsektor hinaus«. Auskömmliche Renten seien nach jahrzehntelanger Beitragszahlung »auch eine Frage der gesellschaftlichen Moral«, so Bsirske. Der Gewerkschafter forderte von der Bundesregierung einen Kurswechsel. Die gesetzliche Rente müsse gestärkt und das Lohnniveau angehoben werden. Die Gewerkschaft starte deshalb am Montag eine Aktionswoche unter dem Motto »Gute Löhne – gute Rente«, um die Diskussion in Betriebe, Behörden und in die Öffentlichkeit zu tragen.
In der Untersuchung war der Frage nachgegangen worden, wie hoch die Rentenerwartungen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne weiteres Einkommen im Jahr 2030 ausfallen werden. Es wurden also diejenigen Beschäftigten berücksichtigt, die ausschließlich auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Laut Studie sind das aktuell 94 Prozent aller Erwerbstätigen. Institutsvorstand Matthias Günther wies darauf hin, dass den Berechnungen die Bruttoeinkommen zugrunde liegen und somit »eher positiv gerechnet« wurde. Trotzdem fallen die Ergebnisse aus der Sicht von Lohnabhängigen nicht besonders positiv aus: Berücksichtigt man die beschlossene Absenkung des Rentenniveaus von 47,7 auf 43 Prozent, liegt die Rentenerwartung bei Neurentnern im Jahr 2030 selbst bei einem Bruttomonatslohn von 2.500 Euro und 40 Beitragsjahren bei etwa 810 Euro – und damit im Bereich der Grundsicherungsleistungen.
Nach 45 Beitragsjahren müssen im Jahr 2030 im Westen 30 Prozent und im Osten 40 Prozent mit einer Rentenzahlung von maximal 800 Euro rechnen. Mit 40 Jahren sozialversicherungspflichtiger Arbeit erwerben in Westdeutschland 40 Prozent und in Ostdeutschland fast jeder zweite nur einen Anspruch auf höchstens 800 Euro. Bsirske gab zu bedenken, dass viele Lohnabhängige – insbesondere Frauen – aufgrund gebrochener Erwerbsbiographien gar nicht auf 40 Beitragsjahre kommen. »Nur« 30 Jahre Beitragspflicht bedeuten laut Studie für 63 Prozent in den alten und fast 75 Prozent in den neuen Bundesländern erwartete Altersbezüge von 800 Euro oder weniger. Günther benannte als wesentliche Ursachen für die vorprogrammierte Altersarmut vor allem den geschaffenen Niedriglohnsektor und die Absenkung des Rentenniveaus.
Die vielfach gepriesene private Altersvorsorge wird dem nicht entgegenwirken können: »Dass Bezieher von Bruttoeinkommen bis 1.500 Euro eine private Altersvorsorge aufbauen können, die eine Rente oberhalb von 200 Euro je Monat erreicht, ist zu bezweifeln«, so die Autoren der Studie. Auch Bsirske betonte, dass sich viele die private Vorsorge schlicht nicht leisten könnten. Fördermittel, die bisher in die sogenannte Riester-Rente geflossen seien, sollten besser in die gesetzliche Rente gelenkt werden. Die kürzlich durch den Bundestag gepeitschte Betriebsrente (jW berichtete) sieht der ver.di-Chef hingegen als »sinnvolle Ergänzung« zur gesetzlichen Rente. Letztere bleibe aber das »Standbein« der Altersvorsorge.
Während Bsirske für die rentenpolitischen Überlegungen der SPD tendenziell Lob übrig hatte, kritisierte er die Union scharf: CDU und CSU hätten bloß ein Konzept des »Weiter-so«, was »Altersarmut für viele« bedeute. Hinzu komme, dass Teile der Union grundsätzlich für das Prinzip »Kanonen statt auskömmlicher Rente« eintreten würden. Bsirske bezog sich hierbei auf eine Aussage des CDU-Politikers Jens Spahn, der Anfang des Jahres vorgeschlagen hatte, beim Sozialetat zu sparen, um bei den Rüstungsausgaben das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Angesichts zu erwartender Armutsrenten müssen eben Prioritäten gesetzt werden.
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