Sonntag, 18. Juni 2017
Arbeitszeitkultur – Kampagne “Mein Leben – meine Zeit”
a) Passgenau und selbstbestimmt? Die IG Metall verabschiedet sich von
kollektiven Arbeitszeitregelungen…
"Die IG Metall führt derzeit eine Kampagne zum Thema Arbeitszeit. Sie
steht unter dem Motto: «Sicher, gerecht und selbstbestimmt arbeiten
und leben». Den Auftrag, diese Linie im Betrieb, in der Tarifpolitik
und gegenüber der Politik durchzusetzen, hat sie sich nicht nur auf
dem letzten Gewerkschaftstag 2015, sondern auch durch eine Befragung
von 680000 Beschäftigten geholt (siehe SoZ 3/2017). Gleichzeitig führt
sie in Ostdeutschland, auf Drängen der dortigen Metaller, einen
Tarifkampf für die Angleichung der Arbeitszeit Ost an die
35-Stunden-Woche im Westen. (...) Im neuen Fragebogen der IG Metall
spielt die Arbeitszeitverkürzung dennoch nur eine marginale Rolle. Im
Vordergrund steht der persönliche Umgang mit der Flexibilisierung der
Beschäftigungsverhältnisse. Über diesen Kurswechsel sprach die SoZ mit
Jutta Schneider. Sie hat in Berlin bei Gillette gearbeitet, war dort
lange Betriebsrätin [und Mitgglied der Initiative «30 Stunden für
Europa»] ..." Interview in der SoZ (Sozialistische Zeitung) vom Juni
2017 (pdf) - wir danken!
http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2017/06/az_igm_soz0617a.pdf
Darin Jutta Schneider: "... Die IG Metall ist nicht mehr willens oder
in der Lage, für eine Fortsetzung der kollektiven
Arbeitszeitverkürzung zu streiten. In den Ost-Bundesländern fordern
die Kollegen die 35-Stunden-Woche – mal sehen, ob die IGM diesen Kampf
führen will. Die IGM orientiert sich an der Vorstellung einer
individualisierten Arbeitszeitverkürzung, die aus bestimmten Anlässen
möglich sein soll. Dabei hat sie vor allem die familiären Umstände im
Blick, Eltern mit Kindern, Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen,
auch Phasen der Weiterbildung… Sie greift damit natürlich Anliegen
auf, die vielen unter den Nägeln brennen, aber gleichzeitig bezeichnet
ihr Vorsitzender Jörg Hoffmann kollektive Arbeitszeitverkürzung als
Schnee von gestern. (...) die IG Metall hat sich auf den
Modernisierungsdiskurs gestürzt, sie will an dem großen Rad, die
Modernisierung der Industrie mitzugestalten, mitarbeiten und dabei als
Verhandlungspartner anerkannt werden. Sie sagt ja ganz offen: Die IGM
sieht für ihre Ziele «Fortschritt, Wachstum, Wohlstand» Deutschland –
und speziell die Metallindustrie – als den Wachstumsmotor Europas, und
da will sie Partner sein. (...) Bei der individualisierten Form von
Arbeitszeitverkürzung wird der grundsätzliche Anspruch auf
Lohnausgleich durch den Arbeitgeber fallengelassen. (...) Dasselbe
gilt für den erzwingbaren Personalausgleich. (...) Dafür haben wir
eine Gewerkschaft, dass wir die Probleme nicht nur aus der Perspektive
des Einzelnen sehen..."
b) Angst vor der Konkurrenz. Arbeitszeitverkürzung geht nur international
"Gegen die internationale Konkurrenz sieht die IG Metall kein Kraut
gewachsen. Sie setzt deshalb mit voller Kraft darauf, dass die
deutsche Industrie den Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt gewinnt. Die
SoZ fragte Jutta Schneider nach den möglichen Alternativen..."
Interview in der SoZ (Sozialistische Zeitung) vom Juni 2017 (pdf) -
wir danken!
http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2017/06/az_igm_soz0617b.pdf
Darin Jutta Schneider: "... Ein Hauptproblem der IG Metall ist, dass
sie das Thema Arbeitszeitverkürzung nicht international anpackt. Das
muss man aber, wenn nicht eine neue Welle im Standortpoker angestossen
werden soll. (...) Wenn du heute die Leute im Betrieb fragst: Wollt
ihr eine 30-Stunden-Woche, dann sagen sie, die würden wir schon
wollen, aber dann machen sie uns hier platt. Die haben sofort im Kopf,
dass ihre Arbeit dann an anderen Standorten gemacht wird, und diese
Erpressung ist real. Deshalb kannst du Arbeitszeitverkürzung nicht
machen, ohne international zu arbeiten. Dabei gibt es in anderen
Ländern Initiativen, die weiter gehen als die IG Metall..."
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