Sonntag, 13. Dezember 2015

Spur der Gewalt


Steinwürfe und Brandanschläge: Angriffe auf Flüchtlinge werden immer brutaler. Auch Kinder sind Leidtragende

Von Susan Bonath
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Nach dem Brand im Waldstadion von Herxheim ermittelt die Polizei. Neun Flüchtlinge konnten sich aus dieser Unterkunft rechtzeitig retten.
Während deutsche Politiker seit Wochen mit Debatten über »Flüchtlingsobergrenzen« Panik schüren, schlagen Rassisten zu. Ziel ihrer Angriffe sind immer häufiger wehrlose Menschen. Eine neue Dimension der Gewalt: Die Täter nehmen den möglichen Tod ihrer Opfer in Kauf. Das zeigen die jüngsten Beispiele aus Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Bis zum 7. Dezember zählte das Bundeskriminalamt für dieses Jahr 817 Attacken auf Migranten (2014: 199). Der Freistaat Sachsen steht ganz oben auf der Liste rassistischer Übergriffe. Am Donnerstag abend kam ein besonders schwerwiegender hinzu: Eine 30köpfige Gruppe stürmte in Jahnsdorf (Erzgebirge) auf einen mit Flüchtlingen besetzten Bus los, der zu einem neu errichteten Containerareal für Asylbewerber fuhr. Wie das Operative Abwehrzentrum (OAZ) der Polizei Sachsen am Freitag mitteilte, blockierten die Angreifer das Fahrzeug in dem 2.700-Einwohner-Ort und bewarfen es mit Gegenständen und Feuerwerkskörpern. Der Fahrer wurde verletzt, eine Scheibe des Busses ging zu Bruch. Die Betroffenen wurden in einem anderen Ort untergebracht. Das OAZ ermittelt wegen Landfriedensbruchs.
In Wurzen bei Leipzig misshandelten Achtklässler fünf Flüchtlingskinder. Laut Polizei bespuckten die Täter ihre Opfer, bewarfen sie mit Steinen, schubsten und klemmten sie in einer Tür ein. Eine Neunjährige erlitt eine Knochenabsplitterung am Arm, eine 14jährige schwere Quetschungen. Die Mädchen wurden vom Notarzt behandelt. Die Flüchtlingskinder seien bereits zum fünften Mal von immer denselben Angreifern attackiert worden. Die Eltern hätten ihre Kinder vorerst aus der Schule genommen. Diese denke nun über Sicherheitsvorkehrungen und Schulstrafen gegen die Angreifer nach, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag abend dem MDR Sachsen. Mit den Eltern der Tatverdächtigen zu sprechen halten die Verantwortlichen in der Schule aber für »nicht sinnvoll«, da deren »rechtsgerichteter Hintergrund« bekannt sei.

Erst letztes Wochenende gab es in Sachsen einen brutalen Übergriff. Unbekannte attackierten im vogtländischen Tannenbergsthal die Wohnung einer irakischen Familie, zu der auch zwei Kleinkinder gehören, mit Böllern und gegrölten Parolen. Ein Pflasterstein flog durch ein Fenster, traf die Schlafenden aber glücklicherweise nicht. Auch hier ermittelt der Staatsschutz.
Im thüringischen Altenburg sucht die Polizei weiter nach mutmaßlichen Brandstiftern. In der Nacht zum Dienstag war dort in einem von 70 Flüchtlingen bewohnten Block ein Feuer ausgebrochen. Neun Betroffene waren verletzt worden. Acht, darunter ein Säugling, mussten wegen Rauchgasvergiftungen tagelang in einer Klinik behandelt werden.
Im südpfälzischen Herxheim wurde eine Unterkunft in der Nacht zum Donnerstag offenbar zum zweiten Mal angezündet. Die neun Bewohner konnten sich retten, die Staatsanwaltschaft Landau ermittelt. Wie deren Sprecher Detlef Winter gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte, geht seine Behörde dem Verdacht auf einen Anschlag nach. Sollte er zutreffen, werde ein Verfahren wegen versuchten Mordes eingeleitet.
Für die Polizei Itzehoe steht inzwischen fest, dass ein Feuer im schleswig-holsteinischen Heide in der Nacht zum Mittwoch vorsätzlich gelegt wurde. Bei dem Anschlag wurden drei Häuser zerstört. Die darin lebenden 16 Menschen, darunter sechs Flüchtlinge und sieben weitere Migranten, wurden woanders untergebracht.

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