Sonntag, 8. Februar 2015
Gesinnungsjustiz unter dem Deckmantel des „Antiterrorkampfs“
06.02.15 - Am 4. Februar beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD), der beinhaltet, das bereits die Absicht, zwecks Ausbildung in ein sogenanntes „Terrorcamp“ zu fliegen, mit Gefängnis bestraft werden kann. Begründet wird dies damit, Nachschub für den islamistisch-faschistischen IS zu unterbinden, bzw. "langfristig die Gefahr islamistischer Attentate in Deutschland durch Rückkehrer zu senken". Mit diesem Tenor will die Regierung die Verschärfung vor allem für antifaschistisch und demokratisch eingestellte Menschen logisch und nachvollziehbar erscheinen lassen. Um so mehr lohnt es sich, hier näher hin zu sehen:
Der Gesetzesentwurf richtet sich keineswegs explizit gegen islamistisch-faschistischen oder faschistischen Terror. Unter "Terror" versteht der Entwurf auch, "eine Behörde oder internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen, die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen." (FAZ, 4. Februar 2015) Darunter kann je nach Auslegung bereits eine LKW-Blockade gegen Vorhaben wie das Freihandelsabkommen TTIP fallen.
Erst recht werden nach der Logik der Herrschenden Befreiungsbewegungen als „terroristisch“ eingestuft. So ist die PKK in Deutschland noch immer als „Terrororganisation“ verboten, obwohl sie und mit ihr verbundene Kräfte den faschistischen IS-Terror mit am wirksamsten bekämpft haben. Bereits die Einführung des Paragrafs 129b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) wurde einst mit dem „Kampf gegen El-Kaida“ öffentlich begründet, real aber vor allem gegen die PKK angewendet. Auch die Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) und mit ihr verbundene Organisationen wären von diesen Gesetzen betroffen.
Während reale „terroristische Aktivitäten“ auch nach bisheriger Gesetzeslage verboten sind, soll künftig bereits die Absicht, mit einer entsprechenden Gesinnung in ein Krisengebiet bzw. dessen verdächtiges Land reisen zu wollen, strafbar sein. Man unterstellt also dem beschuldigten Reisenden, selbst wenn man gar nichts davon weiß, dass er in ein Terrorcamp reist, sich dort ausbilden lassen und dann schwere Straftaten begehen will.
Die Regierung will zudem einen neuen Paragraf 89c zur "Terrorismusfinanzierung" ins Strafgesetzbuch einführen. Bis zu zehn Jahre Haft drohen dann zum Beispiel bei Spendensammlungen, wenn sie als Unterstützung für "Terroristen" gewertet wird - auch hier verschwimmt der Bezug zu einer konkret erfolgten Straftat.
Unterm Strich bedeutet der Gesetzesentwurf nichts anderes als vorbeugende Gesinnungsjustiz. Angeblich Verdächtige für angebliche Gedanken zu bestrafen, stößt bis in bürgerliche Kreise auf Ablehnung. "Gewiss: Man kann mit den Mitteln des Polizeirechts Leute am Reisen hindern, zum Beispiel durch Entzug der Ausweispapiere. Dies mit den Mitteln des Strafrechts machen zu wollen und angeblich Verdächtige für angebliche Gedanken und Absichten zu bestrafen: das verlässt den Bereich der Rechtsstaatlichkeit", schreibt zum Beispiel Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung". Auch wenn die "Rechtsstaatlichkeit" in Deutschland ein Mythos ist, ist der Protest gegen die Verschärfung allemal geboten.
Dabei ist der Widerspruch zwischen Regierungspropaganda und Wirklichkeit nicht wirklich neu. Bereits im sogenannten „Kalten Krieg“ beschwörten bürgerliche reaktionäre Politiker propagandistisch „Unsere Freiheit“, während real mit antikommunistischer Propaganda und Notstandsgesetzen der Aufbau des staatlichen Gewaltapparates forciert wurde.
Seit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion wird der Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte vor allem unter dem Vorwand des „Anti-Terror-Kampfs“ betrieben. Nach Ablehnung der versuchten Massenbespitzelung unter dem Namen „Vorratsdatenspeicherung“ bei der Masse der Bevölkerung scheiterte diese auch beim Bundesverfassungsgericht. Nach den brutalen faschistischen Terroranschlägen von Paris wird diese erneut gefordert, dabei aber dezent ignoriert, dass die in Frankreich bereits existierende Vorratsdatenspeicherung die Anschläge nicht verhinderte.
Man muss wissen, dass der faschistische IS jahrelang legal in Deutschland wirken konnte, erst nach massiven Protesten verboten wurde und "Hass-Prediger" aus seinem Dunstkreis weiter wirken können. Dann wird klar, dass sich die Verschärfung vor allem gegen fortschrittliche und revolutionäre Kräfte wie die PKK, CPP und ihre Verbündeten richtet. Denn sie werden schon seit Jahren kriminalisiert. Der Kampf zur Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Rechte und Freiheiten sowie gegen diese weitere Faschisierung des Staatsapparats ist gefordert.
Filmtipp:"5 Jahre Leben", heute 20.15 bei Arte Die Beschreibung „Nichts für zarte Gemüter“ verdeutlicht, wie es dem Bremer Bürger Murat Kurnaz ergangen ist, der mit Duldung der Bundesregierung als „Terrorverdächtiger“ fünf Jahre unschuldig in Guantanamo inhaftiert war.
Literaturhinweis: Stefan Engel, "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution" – hier wird die Strategie und Taktik des internationalen Finanzkapitals, die Geschichte des „Antiterror-Kampfs“ ausführlich dargelegt.
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