Sonntag, 15. Februar 2015
Neue Eingreiftruppe der NATO
Bis zum letzten
Von Rainer Rupp
Quelle: jungeWelt vom 6. Februar 2015
Von 13.000 auf 30.000 Soldaten will die NATO ihre gegen Russland gerichtete schnelle Eingreiftruppe aufstocken. Dazu soll in den von hysterischem Russenhass besessenen baltischen Staaten und in Polen schweres Gerät wie Panzer und Artilleriegeschütze auf permanenten Basen bereitgestellt werden. Im Krisenfall müssen nur noch die Bedienungsmannschaften aus Deutschland, USA und anderen Bündnisstaaten einfliegen. Die neue Truppe der Angriffsallianz wurde auf Drängen der osteuropäischen »Eliten« von Washington nur zu gern durchgesetzt. Einerseits schafft das für Moskau zusätzlichen Druck, andererseits bindet es die Osteuropäer noch stärker an die USA. Deren indirektes Mitspracherecht in der EU wird gestärkt und zugleich der EU-Führungsanspruch Berlins untergraben. Imperien leben von der Kunst, zu teilen und zu herrschen.
Vielen brennt die Frage unter den Nägeln, ob der Westen dank des jüngsten NATO-Beschlusses ein Stück näher an den Abgrund eines großen Krieges gerückt ist. Das ist durchaus so, wenn z. B. irgendwo falsch kalkuliert wird, aber es gibt keinen Grund zur Panik. Aus wohlverstandenem Eigeninteresse haben die USA absolut keinen Bedarf an einer direkten bewaffneten Auseinandersetzung mit Russland. Die US-Militärstrategen wissen genau: Je näher ein großer, konventioneller Konflikt an dessen Grenzen stattfindet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Russland gegen die USA gewinnt.
Zu bedenken ist außerdem, dass die USA z. B. für die Vorbereitung ihres Angriffskrieges gegen den militärisch drittklassigen, ausgebluteten Irak viele Monate brauchten, um das notwendige Material und Zigtausende Soldaten heranzukarren. Ginge es gegen Russland, wären die Dimensionen um ein Vielfaches größer. Kaum vorstellbar, dass Politik und Bevölkerung in Deutschland oder in anderen EU-Ländern die Umwandlung ihres Territoriums in ein US-Aufmarschgebiet für ein neues »Unternehmen Barbarossa« hinnehmen würden, zumal in einem solchen Fall die Gefahr eines taktischen Atomkriegs sehr real wäre.
Vor diesem Hintergrund ist ein permanenter Kleinkrieg in der Ostukraine, der nach Belieben geschürt werden kann, viel billiger und von weitaus größerem Nutzen für die Durchsetzung von Washingtons Interessen in Europa. Die sind: Berlins Führungsanspruch in der EU untergraben, die US-Hegemonie in Europa stärken, einen Keil zwischen Russland und EU treiben und Russland in die Knie zwingen. Dafür wird Washington notfalls bis zum letzten Ukrainer kämpfen. In Berlins Interesse ist dagegen eine Verhandlungslösung. Daher stellt sich die Frage, wie lange sich Angela Merkel noch vom russophoben Kriegsgeschrei aus Warschau, Vilnius, Riga, Tallinn und Washington treiben lassen will. Sie handelt gegen ureigenste politische und ökonomische Belange Deutschlands, nur um den Traum von der EU-Führungsmacht nicht abschreiben zu müssen.
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