Sonntag, 15. Februar 2015
[Türkei] Angriff auf das Streikrecht
Verfasst von: lower class magazine.
Die türkische Regierung verbietet einen landesweiten Metallarbeiterstreik – aus „Gründen der nationalen Sicherheit“
Seit dem 29. Februar sind über 15 000 türkische MetallarbeiterInnen im Streik. Eigentlich. Denn der Ausstand wurde einen Tag nach seinem Beginn verboten. Die ArbeiterInnen der Metallergewerkschaft Birlesik Metal-Is hatten sich zu dem Streik entschieden, um höhere Löhne durchzusetzen, die ihnen von den Bossen verweigert werden. 22 Fabriken waren betroffen, vor allem Produktionsstätten international tätiger Konzerne wie Schneider, Alstom, Mahle, Aperam, ABB, BOSAL, BEKAERT, Delphi Automotive, Federal Mogul, Prysmian, Isuzu, Candy Group, S.C.M.
„Die Arbeiter bekommen nicht, was sie verdienen“, begründete Birlesik-Metal-Is-Vorstand Adnan Serdaroglu gegenüber der Tageszeitung Hurriyet. Vorangegangen war der Kampfmaßnahme das Scheitern der Verhandlungen mit dem Zusammenschluss der Metallindustriellen MESS. Diese verweigerten Lohnsteigerungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen vor allem für jene 70 Prozent der Beschäftigten, die im Niedriglohnbereich beschäftigt sind. Im Durchschnitt liegt der Monatslohn im Metallsektor der Tageszeitung Radikal zufolge bei 1250 Lira (umgerechnet 448 Euro). 110 000 Menschen sind im Metallsektor der Türkei beschäftigt, im Zuge der neoliberalen Zurichtung des Landes durch die seit 2002 regierende AKP wurde der Bereich auch für ausländische Investoren interessant.
Die AKP, die generell gegen die Interessen von Arbeiterinnen und Arbeitern agiert, torpedierte den Streik von der ersten Minute an. „Gelbe Gewerkschaften“ wie Türk Metal und Öz Çelik Is hatten bereits zuvor den inakzeptablen Vorschlag der MESS einer Lohnerhöhung von umgerechnet etwa 40 Euro zugestimmt. Als dann dennoch tausende in den Ausstand traten, entschloss sich die von Premier Minister Ahmet Davutoglu, der gemeinhin als Handpuppe des früheren Premiers und jetzigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gilt, einzugreifen.
Der Streik wurde mit einem Dekret verboten, angeblich, weil er die „nationale Sicherheit“ gefährde. Das Gesetz, das dem Parlament das Recht gibt, Kampfmaßnahmen der ArbeiterInnenbewegung zu „verschieben“ oder ganz abzusagen, geht auf die Periode nach dem Militärputsch vom September 1980 zurück. Die darauf folgende blutige Repression gegen die Arbeiterbewegung brachte auch Gesetze wie dieses hervor, die darauf abzielen, jedwedes Eintreten der ArbeiterInnenklasse für ihre Interessen zu unterbinden.
Birlesik Metal-Is ließ sich zunächst von dieser Einschränkung nicht einschüchtern. „Diejenigen, die denken, dass auf den Arbeitsplätzen Frieden sei, wenn sie den Arbeitern ihre Rechte nehmen, werden sehen, dass sie falsch liegen“, erklärte Adnan Serdaroglu. Auch international kam es bereits zu einer Reihe von Solidaritätsbekundungen. In Griechenland führte die kommunistische PAME eine Protestaktion vor dem türkischen Konsulat in Athen durch. Den griechischen ArbeiterInnen ist das Verbieten von Streiks per Notverordnung selbst noch aus der Regierungszeit von Antonis Samaras in Erinnerung. Zu Wort meldete sich auch die InustriAll Global Union, der weltweite Zusammenschluss von Metall-, Chemie-, Textil- und anderen Gewerkschaften, der etwa 50 Millionen ArbeiterInnen repräsentiert. „Wir protestieren entschieden gegen das Verbot dieses legitimen Streiks. Wir sehen das als eine klare Verletzung des Streikrechts, das ein fundamentales Recht der ArbeiterInnen darstellt“, heißt es in einem Schreiben an den türkischen Premierminister. „Insbesondere seit Sie an die Macht kamen, wurden eine Reihe von Streiks in der Kunststoff-, Glas-, Minen- und Metallindustrie durch den Verweis auf 'nationale Sicherheit' verboten.“
Wie sich der jetzige Angriff auf das Streikrecht auswirkt, und ob die ArbeiterInnen ihm widerstehen können, ist noch nicht abzusehen. „Einige Belegschaften haben sich geweigert in die Fabriken zurückzukehren, andere sind zwar in die Fabriken gegangen, arbeiten aber nicht“, berichtet LCM-Korrespondent Onur Dogan aus Istanbul. Wichtig ist in jedem Fall die Herstellung internationaler Öffentlich für diese erneute Attacke auf fundamentale erkämpfte Rechte der ArbeiterInnenbewegung – auch hier in Deutschland, wo viele der bestreikten Firmen über Niederlassungen verfügen.
- Von Peter Schaber -
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