Sonntag, 16. Juni 2013
Steuertransparenz: Endlich länderbezogene Berichterstattung
heute gibt es aus Straßburg frohe Botschaften in Sachen
Steuertransparenz. Das Europaparlament hat die Revisionen der
Buchhaltungs- und der Transparenzrichtlinie mit großer Mehrheit
angenommen (1). Dadurch werden Unternehmen aus dem Bereich des
Rohstoffabbaus und Urwaldholzes verpflichtet, Gewinne und alle
Zahlungen an Staaten Land für Land transparent zu machen. Dafür haben
Entwicklungsorganisationen, Transparency International, Attac und
soziale Bewegungen jahrelang gestritten. Korruption, Naturzerstörung
und Menschenrechtsverletzungen vor allem in rohstoffreichen
Entwicklungsländern werden damit schwieriger.
Darüber hinaus hat die EU-Kommission heute einen Vorschlag vorgelegt,
der den automatischen Informationsaustausch in der EU auf alle
Kapitaleinkünfte ausweitet (2). Damit wird nun die jahrelange Forderung
von Attac und Netzwerk Steuergerechtigkeit im europäischen Recht
verankert. Das freut mich ganz besonders.
Country by Country Reporting: Durchbruch gegen Korruption, Chance gegen
Steuervermeidung vertan
Während die Buchhaltungsrichtlinie Regeln für alle Unternehmen setzt,
legt die Transparenzrichtlinie Veröffentlichungspflichten für
börsennotierte Unternehmen fest. Der Ausschuss für Wirtschaft und
Währung hat sich im vergangenen Jahr für eine umfassende länderbezogene
Berichterstattung ausgesprochen. Demnach hätten alle großen
europäischen Unternehmen offenlegen müssen, wie hoch in allen Ländern,
in denen sie aktiv sind, ihre Gewinne und gezahlten Steuern sind. Im
Rechtsausschuss wurde diese Forderung anschließend nur auf Rohstoff-
und Forstwirtschaftsunternehmen begrenzt. Diese Kompromissposition
konnte in den Verhandlungen gegen schweren Widerstand im Rat
durchgesetzt werden. Das FDP-geführte Bundesministerium für Justiz, das
dieses Dossier für Deutschland federführend verhandelte, ist maßgeblich
für die lange Blockade des Rates verantwortlich.
Länderbezogene Berichterstattung ist ein Schlüsselinstrument, um
Steuervermeidung und Korruption einen Riegel vorzuschieben. Die Pflicht
zur Offenlegung für große Unternehmen, die in der Rohstoffindustrie und
der Forstwirtschaft tätig sind, ist ein Erfolg des Europaparlaments.
Dieser Erfolg ist letztlich aber, den jahrelangen Kampagnen der
Zivilgesellschaft zu verdanken.
Die Chance für wirksame Maßnahmen gegen Steuervermeidung
transnationaler Unternehmen wurde allerdings vertan. Das ist bitter,
denn im Rat brauchen wir für die Revision der Buchhaltungsrichtlinie
und der Transparenzrichtlinie keine Einstimmigkeit, die bei
Steuerfragen regelmäßig europäische Lösungen blockiert.
Gerade nach der zu aggressiven Steuervermeidung von Apple, Google,
Amazon, Starbucks & co. bleiben die europäischen Transparenzregeln ein
möglicher Hebel gegen Steuervermeidung transnationaler Unternehmen. Für
Zivilgesellschaft und Bundesregierung gilt daher: Nach der Reform ist
vor der Reform. Die länderbezogene Berichterstattung, die vom
Europaparlament jüngst für Banken erstritten wurde, muss weiterhin auf
international agierende Unternehmen ausgeweitet werden. Die Ankündigung
der Regierungschefs im Mai müssen wir ernst nehmen und die
Berichterstattungspflicht im Rahmen der Gesetzgebung zur Offenlegung
nicht-finanzieller Informationen auf alle Sektoren ausweiten.
Erfreulich ist, dass es mir über unsere kleine fraktionsübergreifende
Arbeitsgruppe "friends of transparency" schon im Vorfeld ein kleiner
Coup gelungen ist: Wir haben die EU-Kommission vor Veröffentlichung
ihres Vorschlags überzeugt, dass länderbezogene
Veröffentlichungspflichten für Rohstoff- und Forstunternehmen nicht nur
für börsennotierte Unternehmen gelten dürfen. So übernahm die
Kommission ihre ursprünglichen Vorschläge für die Transparenzrichtlinie
auch in die Buchhaltungsrichtlinie.
Automatischer Austausch von Information über Kapitaleinkünfte in der EU
Offshore-leaks und die amerikanische FATCA Initiative haben den
politischen Druck, im Bereich von Steuerhinterziehung und
Steuervermeidung zu reagieren, starkt erhöht. Das hat die EU-Kommission
jetzt dazu gebracht, einen Revisionsvorschlag der 2011 angenommenen
Amtshilferichtlinie vorzulegen.
2011 hat das Einstimmigkeitserfordernis bei Steuersachen im Rat
verhindert, dass auch Einkünfte aus Kapital von der Richtlinie erfasst
sind. Der automatische Informationsaustausch ab 2015 ist deswegen
bisher beschränkt auf Vergütungen aus unselbständiger Arbeit,
Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen,
Lebensversicherungsprodukten, Ruhegehältern, Eigentum an unbeweglichem
Vermögen und Einkünften daraus (Art. 8).
Der Revisionsvorschlag sieht jetzt erneut vor, dass innerhalb der EU
auch Informationen über alle Kapitaleinkunftsarten (Artikel 1 des
Revisionsvorschlags) zwischen den zuständigen Behörden ausgetauscht
werden müssen. Dies ist ein entscheidender Schritt im Kampf gegen
Steuerflucht und für Steuergerechtigkeit. Nur so können Steuerfahnder
umfassende und glaubwürdige Daten über im Ausland angelegtes und zu
versteuerndes Kapital erlangen. Die Forderung nach umfassendem
automatischem Informationsaustausch war eine meiner Kernforderung bei
meinem Engagement bei Attac und bei der Gründung des Internationalen
Tax Justice Network. Es ist daher auch persönlich für mich eine große
Befriedigung, dass diese Forderung von Nichtregierungsorganisationen
nun ihren Weg ins europäische Recht findet.
Die Finanzminster müssen den Revisionstext jetzt schnell beschließen,
um ihren Lippenbekenntnissen der letzten Wochen Taten folgen zu lassen.
Frankreich, Deutschland und ihre Partner dürfen weitere
Blockadeversuche von Luxemburg, Österreich und anderen Steueroasen in
der EU nicht hinnehmen.
Die Kommissionsinitiative ist auch ein wichtiges Signal für das G8
Gipfeltreffen kommende Woche in Belfast. Die britische Präsidentschaft
hat neben internationalem Handel, Steuern und Transparenz zu den
zentralen Themen gemacht. Automatischer Informationsaustasuch für alle
Einkommensarten und länderbezogene Berichterstattung müssen dort zum
globalen Standard erklärt werden.
Bis diese Ziele tatsächlich europäisch und global verankert sind, wird
noch viel politischer Druck der Zivilgesellschaft notwendig sein. Doch
die jüngste Bewegung zeigt: Engagement lohnt sich, Europa kann
internationale Regeln auf Finanzmärkten voranbringen.
Grüne solidarische Grüße aus Straßburg
Sven Giegold, MdEP
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jeweils eineN PraktikantIn für den Zeitraum vom September bis Novemeber
2013 bzw. ab Januar 2014. Weitere Informationen gibt es hier:
http://www.sven-giegold.de/s/service/praktikum/
PPS: Ich schicke nur selten Informationen an meinen gesamten Verteiler.
Wenn Sie mehr von meiner Arbeit mitbekommen wollen, können Sie hier
einstellen was:
http://www.sven-giegold.de:8080/r.html?uid=1.r6.c56.z9.7p9dxjfl7h
Wenn Sie Einladungen zu meinen Veranstaltungen in Ihrer Region bekommen
möchten, tragen Sie bitte Ihre Postleitzahl ein (nur in Deutschland).
(1) Den angenommen Text der Buchaltungsrichtlinie gibt es hier:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A7-2012-0278&language=DE&mode=XML
Den angenommen Text der Transparenzrichtlinie gibt es hier:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A7-2012-0292&language=DE&mode=XML
(2) Der Kommissionsvorschlag zur Richtlinie über die Zusammenarbeit der
Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung kann hier abgerufen
werden:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/tax_cooperation/mutual_assistance/direct_tax_directive/com_2013_348_de.pdf
_________________
Sven Giegold MdEP
www.sven-giegold.de
twitter: Sven_Giegold // facebook: sven.giegold
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