Freitag, 3. Mai 2013
Syrien: Auftritt der Kriegstreiber
IMI-Standpunkt 2013/018
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 30. April 2013
Die Reaktionen der US-Regierung auf die jüngsten Vorwürfe, die syrische Armee habe Giftgas gegen Aufständische eingesetzt, sind hochgradig widersprüchlich. Präsident Barack Obama hatte bereits im August letzten Jahres einen solchen als „rote Linie“ bezeichnet, der eine westliche Intervention nach sich ziehen werde (Spiegel Online, 21.08.2012). Obwohl dieser Vorwurf nun im Raum steht und die Befürworter eines Militäreinsatzes in den USA zunehmen, verhält sich das Weiße Haus derzeit noch abwartend. Anfangs wurde den Meldungen noch mit großer Skepsis begegnet, bevor kurz darauf eine Einschätzung an den Kongress adressiert wurde, in dem der Einsatz von Giftgas als „sehr wahrscheinlich“ eingestuft wurde. Gleichzeitig war in dem Brief aber keine Rede von einem militärischen Eingriff, sondern er forderte eine „umfassende Untersuchung der Vereinten Nationen.“ (Strategic Forecast, 25.04.2013)
Auf den ersten Blick mag diese neue Zurückhaltung verwundern: So werden die Aufständischen in Syrien nicht nur von Ländern wie Katar und Saudi Arabien, sondern auch von den Vereinigten Staaten massiv unterstützt. Kürzlich berichtete Spiegel Online (21.04.2013), Washington wolle zusätzlich zu den bereits geflossenen 117 Mio. Dollar an „nicht-tödlicher militärischer Hilfe“ weitere 250 Mio. bereitstellen. Andererseits macht sich innerhalb der US-Elite aber auch zunehmend Sorgen, wer am Ende aus den Auseinandersetzungen „siegreich“ hervorgehen wird. Schon lange gibt es Meldungen über den starken Einfluss radikal-islamischer Gruppen, die anscheinend zunehmend innerhalb der Aufstandsbewegung den Ton angeben. Zuletzt berichtete die New York Times (28.04.2013): „In den von Rebellen kontrollierten Teilen Syriens existieren keinerlei säkulare kämpfende Truppen, die der Rede wert wären.“
Inwieweit in Syrien tatsächlich Giftgas zum Einsatz kam, und wenn ja, wo, unter welchen Umständen und von wem, lässt sich aus der Ferne unmöglich sagen. Eine wie auch immer geartete Untersuchung durch die Vereinten Nationen müsste aber nach den Lügen und Instrumentalisierungen in ähnlich gelagerten Fällen, mit denen bspw. der Irak-Krieg gerechtfertigt wurde, zwingend unter Einschluss Chinas und Russlands erfolgen. Doch genau dies lehnen die syrischen Oppositionskräfte ab: „Die Vereinten Nationen hatten am Donnerstag erneut den »bedingungslosen und ungehinderten Zugang« zu allen Teilen Syriens für das Untersuchungsteam gefordert. Russische und chinesische Experten sind in der Mission nicht vertreten, was Syrien aber als vertrauensbildende Maßnahme fordert. Die oppositionelle Nationale Koalition lehnt genau dies entschieden ab.“ (junge Welt, 29.04.2013)
Das allerletzte, was in dieser Situation sinnvoll ist, sind voreilige Schlüsse, noch dazu, wenn sie mit Forderungen nach einer westlichen Militärintervention verbunden sind. Während sich in dieser Angelegenheit vor allem Außenminister Guido Westerwelle auffällig vorsichtig verhält, kann dies von Teilen der Journaille und der strategischen “Diskurselite“ leider nicht behauptet werden. Bereits vor der jüngeren Debatte um die mutmaßliche Verwendung von Giftgas wurde auch in Deutschland eine militärische Involvierung von vielen Seiten vehement eingefordert. So plädiert Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik schon lange für ein militärisches Engagement Deutschlands in Syrien und analysiert immer wieder diverse „Interventionsoptionen“ (Internationale Politik, 01.05.2015). Darüber hinaus kritisiert er “Deutschlands Politik der Zurückhaltung” scharf: “Es geht jetzt weniger um die Frage, ob wir einen Konflikt befeuern”, sagt Markus Kaim, “sondern eher um die Frage, wie wir ihn – auch mit einem militärischen Eingreifen – schnellstmöglich beenden können.” (Deutschlandradio, 05.03.2013)
Andere setzen sich vor allem für Waffenlieferungen an die Aufständischen ein – auch von Deutschland. Als Wortführer zitiert Spiegel Online (03.03.2013) den Tübinger „Honorar“professor und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger: “Es ist überfällig, dass Deutschland mit seinen Partnern darüber diskutiert, die syrischen Rebellen mit Ausrüstungslieferungen bis hin zu Waffen zu unterstützen.” Auch andere, wie Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, schließen sich dieser Forderung an: “Waffenlieferungen an die Opposition halte ich für notwendig. Ausbildung und Ertüchtigung der Opposition macht durchaus Sinn.” (Süddeutsche Zeitung, 03.03.2013)
Weshalb dies eine fatale Forderung darstellt, wurde an anderer Stelle bereits ausführlich dargelegt (siehe IMI-Studie 2012/07). Hierdurch wird der Stimmungsteppich für eine weitere Eskalation bereitet, doch es geht noch heftiger: So trommelte Dietrich Alexander in der Welt (22.04.2013) zwar ebenso für eine Bewaffnung der syrischen Aufständischen wie Ischinger oder Mißfelder: “Der Krieg wird nicht enden, wenn die Rebellen nicht besser ausgerüstet werden.“ Wirklich übel ist aber seine Begründung: „Das Risiko muss eingegangen werden, weil die menschenverachtende Kompromisslosigkeit und Härte des syrischen Diktators in einen Genozid zu münden droht.“
Zuletzt beteiligte sich Hubert Wetzel in der Süddeutschen Zeitung (26.04.2013) an der allgemeinen Stimmungsmache: „Der Einsatz von Giftgas als Waffe ist heimtückisch, gefährlich und aus gutem Grund völkerrechtlich geächtet. Wenn Syriens Diktator Baschar al-Assad tatsächlich mit Sarin gegen die Rebellen vorgegangen ist, darf der Westen nicht mehr tatenlos zusehen. Er muss eingreifen.“ Auch Wetzel fordert eine Untersuchung – aber in einer Weise, die fatal an die Ereignisse im Vorfeld des Irak-Kriegs erinnert: „Der erste Schritt sollte daher die Forderung an Assad sein, UN-Inspektoren ins Land zu lassen, um die Hinweise auf Giftgas zu überprüfen. Verweigert der Diktator dies oder bestätigt sich der Gaseinsatz, müssen Europäer und Amerikaner bereit sein, ihn zu zwingen oder zu bestrafen – auch mit militärischen Mitteln. Das bedeutet keinen Einmarsch in Syrien. Aber es bedeutet mindestens: Waffenlieferungen an einzelne Rebellengruppen und eine Salve Marschflugkörper auf das Hauptquartier von Baschar al-Assads Armee.“
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