Freitag, 3. Mai 2013
Militärkonzert abblasen!
IMI-Standpunkt 2013/017
Gegen das Benefizkonzert des Bundeswehr-Musikkorps am 23. Mai 2013 im Hessischen Rundfunk in Frankfurt
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 30. April 2013
Die Bundeswehr hat ein erhebliches Imageproblem: Einmal herrscht in der Bevölkerung eine große Skepsis gegenüber den hohen – und faktisch ja sogar steigenden – Rüstungsausgaben und den zunehmenden Militäreinsätzen im Ausland. Und auf der anderen Seite entfällt mit der Aussetzung der Wehrpflicht eines der wichtigsten bisherigen Rekrutierungsmittel der Truppe.
Aus diesen Gründen versucht die Bundeswehr derzeit massiv in den öffentlichen Raum zu drängen: Zur Rekrutierung wurden unzählige Maßnahmen neu auf den Weg gebracht oder vorhandene intensiviert – am prominentesten ist hier sicherlich die verstärkte Präsenz an den Schulen. Doch auch zur Akzeptanzschaffung wird viel unternommen: Öffentliche Gelöbnisse, Ehrendenkmäler, Tapferkeitsorden, Auftritte bei Buchmessen und anderen öffentlichen Veranstaltungen usw.. All das dient dazu, die Bundeswehr – und ihre Kriege im Ausland – mit einem Gewöhnungsprozess als „normalen Bestandteil“ der Gesellschaft zu verankern. Die Enttabuisierung des Militärischen fängt deshalb mit dem Vordringen der Bundeswehr in zivile gesellschaftliche Bereiche an.
Ein Beispiel hierfür ist ein Benefizkonzert des Musikkorps der Bundeswehr, das am 23. Mai 2013 im Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt (Bertramstr. 8) stattfinden soll. Zuerst einmal gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass derlei Auftritte des Musikkorps alles andere als altruistisch sind, sondern der Akzeptanzschaffung dienen: Musik ist “ein besonders attraktives Mittel der Öffentlichkeitsarbeit: Musik geht unter Umgehung des Verstandes direkt ins Gemüt und schafft ein positives Klima”, so der Reservistenverband der Bundeswehr. Schirmherr der Veranstaltung ist der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der sich damit – ebenso wie der Hessische Rundfunk – faktisch mit den Zielen solcher Konzerte – Öffentlichkeitsarbeit für die Bundeswehr – solidarisiert.
Abseits aller – vollkommen berechtigten – moralischen Bedenken stellt sich hier überdies die Frage, wie ein solcher Auftritt denn mit dem „Gesetz über den Hessischen Rundfunk“ (HR-Gesetz) in seiner aktuellen Fassung vom 07. Juli 2010 zu vereinbaren ist. Darin heißt es in Paragraph 3, Nummer 1:
„Die folgenden Grundsätze sind für die Darbietungen verbindlich:
1. Der Rundfunk ist Sache der Allgemeinheit. Er wird in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und ist von jeder Beeinflussung freizuhalten.“
Eine Kooperation mit der Bundeswehr stellt die festgeschriebene Unabhängigkeit des Rundfunks massiv in Frage, die aber erforderlich ist, um mit der erforderlichen Distanz über die Frage von Krieg und Frieden kritisch berichten zu können.
Noch interessanter wird es, wenn man in Paragraph 3, Nummer 2 des HR-Gesetzes blickt:
„Die Darbietungen sollen Nachrichten und Kommentare, Unterhaltung, Bildung und Belehrung, Gottesdienst und Erbauung vermitteln und dem Frieden, der Freiheit und der Völkerverständigung dienen.“
Auf eine fatale Weise wird mit dem Konzert des Musikkorps in einer Frage Stellung genommen, die gesellschaftlich hochumstritten ist. Denn augenscheinlich sieht der Hessische Rundfunk kein Problem darin, ein solches explizit der Öffentlichkeitswerbung der Bundeswehr dienendes Konzert abzuhalten und hält dies mit der gesetzlichen Verpflichtung für vereinbar, Darbietungen sollten dem „Frieden, der Freiheit und der Völkerverständigung dienen.“
Es sieht so aus, als hätten die hierfür Verantwortlichen schon längst ihre Neutralität und Distanz zur Bundeswehr aufgegeben – anders lässt es sich jedenfalls kaum erklären, dass für ihren Werbeauftritt Tür und Tor geöffnet werden.
Ein solches Konzert muss abgelehnt und abgesagt werden, auch wenn die Erlöse aus dem Konzert der Praunheimer Werkstätten Gmbh zugutekommen sollen, die Werkstätten, Wohneinrichtungen und Tagesförderstätten für erwachsene geistig behinderte Frauen und Männer betreibt.
Denn werden die grundsätzlichen Bedenken gegenüber der zunehmenden „Normalisierung“ derartiger Militärauftritte geteilt, so sollte auch der Benefizcharakter des Konzertes keine Rolle spielen – vielmehr ist stattdessen die Forderung an die Stadt und andere öffentliche Träger zu erheben, die benötigten Gelder, die in einen Neubau fließen sollen, auf andere Weise bereitzustellen.
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