Donnerstag, 2. August 2018

19- Rache

Die besiegten Quraisch vermochten es nicht, ihre Niederlage zu ertragen, noch waren sie bereit, Frieden mit Muhammad zu schließen. Abu Sufyan rief die Götzendiener auf, ihre Toten zu rächen und forderte von den Quraisch, die Einnahmen der Karawane für den Krieg zu geben. Seine Frau Hind pflegte sich selbst nicht mehr, blieb dem Bett ihres Mannes fern und hetzte die Leute gegen Muhammad auf.
Abu Sufyan seinerseits schwor nach Badr, kein Wasser solle nach dieser Niederlage seinen Kopf berühren, bis sie gegen Muhammad einen Rachezug unternommen hätten.
Eines Abends saß Umair Bin Wahb [263] mit Safwan Bin Umayya [264] zusammen.
„Bei Allah, seitdem unsere Brüder nicht mehr da sind, hat das Leben seinen Sinn verloren“, jammerte Safwan. „Bei Allah, es ist wahr, und wenn ich keine Schulden hätte, die ich zahlen muss, und keine Familie, um derentwillen ich fürchte, dass sie nach mir verloren geht, würde ich zu Muhammad reiten und ihn töten!“, sagte sein Cousin Umair, dessen Sohn auch in Gefangenschaft war. Er erklärte sich bereit, für alle Götzendiener zu sterben.
Safwan nutzte diesen Augenblick seiner Schwäche und versprach Umair: „Deine Schulden werde ich übernehmen, und deine Familie werde ich wie meine behandeln und für sie sorgen, solange ich lebe!“
„Dann bewahre dies als mein und dein Geheimnis!“
Safwan schwor, es zu tun. Sogleich begann Umair, sein Schwert zu schärfen und es mit Gift einzureiben und machte sich auf den Weg nach Medina. [265]
Die jüdischen Stämme, die Götzendiener und die Heuchler hatten in der Schlacht von Badr die zunehmende Stärke der Muslime erkannt. Sie sahen, wie der Fremde, der vor weniger als zwei Jahren als fliehender Auswanderer von Mekka zu ihnen gekommen war, an Macht und Einfluss gewonnen hatte und nicht nur zum Herrscher seiner Gefährten, sondern fast aller Einwohner Medinas geworden war.
Kaum waren die Muslime – froh über den Sieg von Badr – zurückgekehrt, begannen die anderen Gruppierungen Medinas, vor allem die jüdischen Stämme, sich zu verschwören, gegen sie zu hetzen und sogar Gedichte zur Aufhetzung gegen sie zu verbreiten.
All das blieb dem Propheten nicht verborgen.
Eine Weile, nachdem Umair losgezogen war, sagte Safwan, der Sohn Umayyas, zu den Menschen in Mekka: „In einigen Tagen wird eine gute Nachricht zu euch kommen, durch die ihr eure Niederlage in Badr vergessen werdet!“
Jedes Mal, wenn ein Reiter aus Medina kam, ging Safwan zu ihm und fragte nach Umair.
Die Konflikte in Medina begannen mit Provokationen seitens der Heuchler und der jüdischen Stämme, die Medina bewohnten. Ihren traurigen Höhepunkt fanden die Auseinandersetzungen, als eine muslimische Frau mit etwas Schmuck zum Markt der jüdischen Bani Qaynuqa kam. Dort setzte sie sich zu einem Goldschmied. Dieser verlangte von ihr, dass sie ihr Gesicht entschleierte, doch sie weigerte sich. Da kam einer der Bani Qaynuqa heimlich von hinten und befestigte einen Zipfel ihres Gewandes mit einem Dorn an der Wand hinter ihrem Rücken. Als sie sich erhob, wurde sie entblößt. Alle lachten über sie, während sie weinend versuchte, sich zu bedecken. Als ein Muslim ihr zu Hilfe eilte, kam es zu einem heftigen Streit, bei dem der jüdische Goldschmied getötet wurde. Die Bani Qaynuqa stürzten sich daraufhin auf den Muslim und töteten ihn. Dann griffen sie auch die anderen Muslime an, die dort waren.


Muhammad eilte auf den Markt und forderte die Bani Qaynuqa auf, mit ihren Angriffen aufzuhören, das Freundschaftsabkommen einzuhalten und nicht den Fehler der Götzendiener zu wiederholen, damit ihnen kein solcher Gotteszorn widerfahre wie den Quraisch.
Doch sie achteten seine Warnung gering. „Du solltest dich nicht der Illusion hingeben, o Muhammad, dass du auf ein Volk gestoßen bist, das nichts vom Krieg versteht, so dass du bei ihm siegst! Bei Allah, wenn wir gegen dich kämpfen, dann wirst du wissen, was für Leute wir sind!“ Sie meinten, dass sie bessere Krieger seien als die Quraisch. Diese Aussage kam einer Kriegserklärung gleich.
Mit ihren schweren Waffen und ihren Reichtümern waren sie sich sicher, die Muslime besiegen zu können. Beide Seiten begannen, sich auf den Krieg vorzubereiten.
Es dauerte nicht lange; die Muslime belagerten die Bani Qaynuqa fünfzehn Tage, bis diese schließlich aufgeben und sich der Entscheidung des Propheten unterwerfen mussten. Dieser überließ das Urteil den Chazradsch. Er folgte damit der Bitte einiger ihrer Anführer, da die Chazradsch früher die Verbündeten der Bani Qaynuqa gewesen waren. Es wurde beschlossen, dass sie ihr Vermögen mitnehmen durften und zu den Grenzen von Ash-Sham zurückkehren sollten, woher sie ursprünglich gekommen waren. Vor etlichen Jahren hatten sie Ash-Sham verlassen und waren nach Medina ausgewandert, um den erwarteten Propheten in ihrer Mitte zu empfangen. Muhammad jedoch akzeptierten sie nicht als jenen Propheten.
Sie nahmen ihre Habe und zogen Richtung Norden – bis nach Adhriat an der Grenze von Ash-Sham.
Umar Bin Al-Chattab kam in die Moschee und rief: „O Prophet Allahs, hier ist der Feind Allahs Umair Bin Wahb, der sein Schwert gegürtet hat!“
„Lass ihn zu mir!“, sagte der Prophet.
Umair grüßte, wie sich die Götzendiener begrüßen, und wünschte einen guten Morgen.
„Allah gab uns einen besseren Gruß als deinen, Umair“, erwiderte der Prophet, „er heißt ‚Frieden’ und ist der Gruß, mit dem sich die Menschen im Paradies begrüßen.“ Danach fragte er: „Was führt dich zu uns, Umair?“ Umair erklärte, er sei wegen seines gefangenen Sohnes gekommen.
„Weshalb trägst du das Schwert?“
„Allah verdamme die Schwerter, was haben sie uns gebracht“, antwortete Umair ausweichend.
Umar gab einigen Helfern den Befehl: „Geht hinein zum Propheten Allahs, setzt euch zu ihm und gebt acht auf diesen Bösen, dem nicht zu trauen ist!“
„Sag mir die Wahrheit, wofür bist du gekommen?“ fragte der Prophet erneut.
Umair erwähnte seinen Sohn. Da gab der Prophet das Gespräch zwischen Umair und Safwan bei der Kaaba wieder. „Du und Safwan habt euch über die getöteten Quraisch unterhalten. Dann sagtest du: ‚Wenn ich keine Schulden hätte, die ich zahlen muss, und keine Familie, um derentwillen ich fürchte, dass sie nach mir verloren geht, würde ich zu Muhammad reiten und ihn töten.‘ Safwan übernahm deine Schuld und die Verantwortung für deine Familie, damit du mich für ihn tötest. Aber Allah ist zwischen dich und ihn getreten!“
Umair sagte: „Bei Allah, da ist kein dritter Mann außer mir und Safwan gewesen! Wir nannten dich einen Lügner, o Gesandter Allahs, während du uns himmlische Botschaften brachtest. Bei Allah, ich weiß, dass niemand anderes als Allah dir dies offenbarte, Dem Lob sei, Der mich jetzt zum Islam rechtleitete. Ich bezeuge, dass es keinen Anbetungswürdigen gibt außer Allah und du bist der Gesandte Allahs!“
Nun war er überzeugt, dass der Prophet Recht hatte und dass die Stein- und Holzidole keine Götter waren.
„Lehrt euren Bruder seine Religion, rezitiert ihm aus dem Koran und lasst seinen gefangenen Sohn frei!“, beauftragte der Prophet seine Gefährten. [266]
Als diese Nachricht Mekka erreichte, schwor sich Safwan, nie wieder mit Umair zu sprechen und ihm nie mehr behilflich zu sein.
Einige Tage später kam Umair zum Propheten und bat ihn: „O Gesandter Allahs, mein Vorhaben war es, das Licht Allahs auszulöschen. Ich war streng gegen die, die auf der Seite der Religion des Erhabenen standen. Ich habe nun die Bitte, dass du mir erlaubst, nach Mekka zurückzukehren und zum Islam einzuladen!“
Der Prophet erlaubte es ihm.
Viele Menschen in Mekka hörten daraufhin mit dem Götzendienst auf und wurden durch ihn Muslime.
Ein Jahr war seit der Schlacht von Badr vergangen und langsam kehrte in Medina Ruhe ein. Aber Abu Sufyan ertrug es nicht, die Schande der Niederlage auf sich sitzen zu lassen. Er musste den Arabern der Halbinsel beweisen, dass die Quraisch die Macht und den Mut zum Kampf besaßen! Er sammelte eine Truppe Schwerbewaffneter um sich und zog insgeheim mit ihnen aus. In der Nähe Medinas brachen sie vor Tagesanbruch auf und gelangten zu einem Gebiet namens Al-Uraid.
Dort fanden sie einen Mann der Ansar und einen seiner Bundesgenossen auf ihrem Acker. Sie töteten beide und steckten Häuser und Dattelpalmen in Brand.
Nun glaubte Abu Sufyan, seinen Schwur, gegen Muhammad zu Felde zu ziehen, erfüllt zu haben und wandte sich zur Flucht.
Sobald der Prophet davon erfuhr, rief er seine Gefährten, und sie verfolgten, mit ihm an der Spitze, Abu Sufyans Spur bis zu einem Ort namens Karkarat Al-Chudr.
Abu Sufyan und seine Begleiter bekamen es mit der Angst zu tun. Sie trieben ihre Kamele heftig an. Damit sie leichter und schneller vorankamen, warfen sie ihr Essen, das aus Weizenbrei [267] bestand, weg. Diesen Brei fanden die Muslime.
Als der Prophet erkannte, dass die Flüchtigen außer Reichweite waren, kehrten er und seine Gefährten nach Medina zurück.
Abu Sufyans Flucht ruinierte seinen Ruf und den der Quraisch – hatte er doch damit gerechnet, dass der Feldzug der Quraisch nach dem Unglück von Badr den verlorenen Stolz wiederherstellen würde.

Fußnoten:
[263] Der Sohn von Umair war einer der Gefangenen von Badr.
[264] Safwan war der Sohn von Umayya, Bilals ehemaligem Herrn. Er und Umair gehörten zu den schlimmsten Gegnern des Propheten. Wegen der Schlacht von Badr sannen beide auf Rache. (Ar-Rahiq Al-Machtum, S. 214).
[265] Ibn Hischam, S. 317.
[266] Ibn Hischam, S. 317.
[267] Wegen des Weizenbreis, den die Quraisch abgeworfen hatten, wurde dieser Feldzug Muhammads der „Weizenbrei-Feldzug“ genannt. (Ibn Hischam, S. 367).

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