Donnerstag, 19. Juli 2018

Gegensätze in der Einheit

von Philipp Kissel
Einheitsbestrebungen und Spaltungsversuche nach 1945
Der folgende Text soll anhand kurzer Schlaglichter anreißen, welche Kräfte in der Geschichte der Einheitsgewerkschaft gewirkt haben und anschließend einige Fragen zur gewerkschaftspolitischen Strategie aufwerfen. Er ist entstanden im Zuge der Vorbereitung der gewerkschaftspolitischen Konferenz der DKP-Gruppe Frankfurt Mitte.

Organisiert und unterworfen?

Gewerkschaften als die größten Arbeiterorganisationen sind Teil des Klassenwiderspruchs und des Klassenkampfes. Durch ihre Strukturen zieht sich der Kampf zwischen der Monopolbourgeoisie und der Arbeiterklasse. Zu welchen Gunsten er ausgeht hängt vom Kräfteverhältnis beider Klassen ab, das nicht nur von den Gewerkschaften selbst beeinflusst wird. Die grundsätzliche Absicht des Monopolkapitals ist es, die Arbeiterbewegung in sein Herrschaftsgefüge zu integrieren. Dabei ist die Unterdrückung und Isolierung der revolutionären Kräfte selbstverständlich. „Die Monopolbourgeoisie muss (…) solche Herrschaftsmethoden gegenüber der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterklasse entwickeln und anwenden, die die Gewerkschaften dem Monopolkapital unterwerfen, ohne sie als Organisationen zu zerschlagen. Es geht ihr darum, die Arbeiterklasse organisiert zu unterwerfen.“ Dieses Zitat aus den „Sozialistischen Bildungsheften zum Studium des Programms der SED“ zur Frage der „staatsmonopolistischen Regulierung und Klassenkampf in Westdeutschland“ von 1965 macht den widersprüchlichen Zusammenhang, in dem die Arbeiterbewegung und insbesondere die Gewerkschaften bis heute stehen deutlich.

Antifaschistisch-Demokratische Einheit für den Klassenkampf

Kommunistische und sozialdemokratische sowie auch christliche Arbeiter zogen nach der bitteren Niederlage gegen den Faschismus die wichtige Lehre, dass nur einheitliche Gewerkschaften gegen faschistische Diktatur und für Demokratie und die Interessen der Arbeiterklasse kämpfen können. Der historische Kontext gab die Aufgabe vor und führte zugleich zu einem vorübergehenden Kräfteverhältnis, das den sozialistischen und revolutionären Kräften einen gewissen Vorteil gab. Der Kapitalismus hatte sich in den Augen der überwältigenden Mehrheit der Arbeiter völlig delegitimiert. Illusionen über Friedfertigkeit und Verbesserungswürdigkeit des Ausbeutersystems hatten es schwer. Die Einheit, die von den verschiedenen Gewerkschaftern nach 1945 vehement verfolgt wurde, war die antifaschistisch-demokratische Einheit der Gewerkschaften als Klassenkampforganisationen. Wilhelm Pieck formulierte auf der Brüsseler Konferenz 1935: „Wir als Einheitsfrontkomitee zum Wiederaufbau der Freien Gewerkschaften erklären, dass diese Gewerkschaften kein Anhängsel der Sozialdemokratischen oder der Kommunistischen Partei werden dürfen, dass sie aber auf dem Boden der proletarischen Demokratie die Kräfte der Arbeiterklasse in breitestem Maße organisieren, zum Kampf gegen die wirtschaftliche und politische Versklavung der Arbeiter durch den Faschismus in Betrieb und Arbeitsfront, für die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse auf revolutionärer Grundlage.“ Es war die Sehnsucht aller Antifaschisten, eine einheitliche Gewerkschaft zu gründen, wie der KPD-Abgeordnete Paul Harig schrieb. Die Zusammenarbeit zwischen SPD- und KPD-Mitgliedern erreichte in der Phase nach 1945 viele Aktionsvereinbarungen und einen gemeinsamen Aufruf zur Gründung einheitlicher freier Gewerkschaften vom 15. Juni 1945. Auch die Aufnahme von sehr fortschrittlichen gewerkschaftlichen Rechten in die hessische Verfassung gelang. Die Einheit sollte in organisatorischer Hinsicht (Ein Betrieb – eine Gewerkschaft) und in politischer Hinsicht (Gewerkschaften als klassenorientierte Interessens- und Kampforganisationen auf antifaschistisch-demokratischer Grundlage) hergestellt werden – und sie wurde zum Teil auch hergestellt.

Aufbau antikommunistischer Gewerkschaften

Der Klassenfeind, die Monopolbourgeoisie, wusste um die Gefährlichkeit dieser Einheit der Arbeiterbewegung bei gleichzeitiger Stärke des Sozialismus und setzte alle Mittel ein, um sie zu verhindern, zu verformen und zu ihren Gunsten zu schwächen. Dazu gehörten administrative Maßnahmen in den westlichen Besatzungszonen, Verbote gewerkschaftlicher Betätigung und antikommunistische Hetze. Die gesellschaftliche und staatliche Restauration des deutschen Imperialismus – in Zusammenarbeit mit den anderen Imperialisten – durfte nicht durch starke Gewerkschaften, die eine nationale Einheit auf antifaschistisch-demokratischer Grundlage anstrebten, gestört werden. Zu den Mitteln, die Einheit zu zerstören, gehörte auch die Förderung rechter sozialdemokratischer Gewerkschaftsführer. Sie hatten bereits 1933 zum Teil versucht, eine Einheitsgewerkschaft im Faschismus zu gründen – auf Grundlage des „nationalen Gedankens“. Zu den strikt antikommunistischen Sozialdemokraten gehörten viele führende DGB-Funktionäre. Unter ihnen sei Fritz Tarnow besonders erwähnt, der sich bereits 1944 mit mit einem Zirkularbrief den imperialistischen Besetzungsmächten empfahl: „Es ist gewiss, dass eine der Hauptforderungen der Arbeiter die Einheit sein wird, und sie werden versuchen, starke unpolitische Bünde von Industriegewerkschaften zu gründen oder gar Gewerkschaften fordern, die alle Arbeiter umfassen (Einheitsgewerkschaften). Wir müssen das, koste es was es wolle, verhindern, denn die Kommunisten würden dadurch in die Lage versetzt werden, die Gewerkschaften zu beherrschen. Deshalb müssen wir jetzt mit den britischen und amerikanischen Behörden die notwendigen Vereinbarungen treffen, damit wir so schnell wie möglich nach Deutschland zurückkehren können, um die Entwicklung der antikommunistischen Gewerkschaft zu leiten.“ (Aus „Die westdeutschen Gewerkschaften und das staatsmonopolistische Herrschaftssystem 1945-1966, Dietz-Verlag 1968, S. 101)

Kampfes- und Einheitswille

In den Jahren 1945 bis 1948 zeigte die Arbeiterbewegung nicht nur durch viele Gründungen von freien, einheitlichen Gewerkschaftsgliederungen und den Interzonenkonferenzen ihren Willen zur Einheit. Sie zeigte auch ihre Kampfstärke, wie bereits 1946 bei einem Signalstreik in Niedersachsen für die Mitbestimmung, bei großen Demonstrationen gegen die Hungerpolitik und die Restauration 1947 und beim Generalstreik von 1948, an dem sich neun Millionen Arbeiter und Angestellte beteiligten. In diesen Auseinandersetzungen konnten die kommunistischen Gewerkschafter ihren Einfluss ausbauen.

Bi-Zonaler Wirtschaftsrat und Marshall-Plan

Die rechten Sozialdemokraten trieben die separate Gründung eines Gewerkschaftsbundes voran, um allen Vereinigungsbestrebungen mit dem bereits 1945 gegründeten FDGB einen Riegel vorzuschieben. Die explizite Befürwortung des Marshall-Plans drückte die westliche und antikommunistische Orientierung des 1947 gegründeten bizonalen Gewerkschaftsrates aus. Auch hier wird deutlich, wer die Spaltung der Arbeiterbewegung vorantrieb und welchen Interessen damit Vorschub geleistet wurde.
Zugleich ließ sich die SPD immer mehr in die Staatsgründung einbeziehen, dem wichtigsten Vorhaben der Monopolbourgeoisie. Sie bejahte bereits vor Gründung der BRD die „Schaffung einer einheitlichen und effektiven Verwaltung in den drei Westzonen“ und damit den Aufbau des Weststaates. Die Führung des bizonalen Gewerkschaftsrates verzichtete auf die wichtigste Forderung der Arbeiterbewegung nach höheren Löhnen gegenüber dem Wirtschaftsrat zu pochen. Niedrige Löhne waren in dieser Situation eine wichtige Voraussetzung für die Kapitalakkumulation. Die Währungsreform 1948 und die Gründung der Bundesrepublik 1949 beendete die Hoffnung auf eine nationale Einheit und sie war der erste große Erfolg des Monopolkapitals in seiner Restauration. Die Neutralisierung der recht kämpferischen Arbeiterbewegung war eine Voraussetzung dafür. Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung fasst zusammen: „ In Ihren Grundzielen stimmten die Gewerkschaften in allen Teilen Deutschlands überein. Das bot eine Grundlage für einen einheitlichen gesamtdeutschen Gewerkschaftsverband. Dieser hätte nicht nur eine machtvolle Interessenvertretung der Werktätigen, sondern zugleich ein starkes Band der nationalen Einheit werden können.“ (Band 6, S. 212)
Die historischen Vorgänge wurden später im Programm der DKP vom Mannheimer Parteitag von 1978 auf den Punkt gebracht. Dort wird benannt, dass die Wiederherstellung der Macht des deutschen Imperialismus möglich war „aufgrund der Spaltungspolitik der rechten sozialdemokratischen Führung, die die sich entwickelnde Aktionseinheit sprengte und die antifaschistische Volkseinheit verhinderte.“

Deformierte Forderungen

Die Bindung der rechten Sozialdemokraten an den Separatstaat BRD wurde auch bei den ersten beiden Niederlagen der Arbeiterbewegung sichtbar, dem Mitbestimmungsgesetz von 1951, das die DGB-Vertreter Richter und Tarnow gemeinsam mit den Vertretern der Monopolbourgeoisie Pferdmenges und Atzenroth aushandelten, und vor allem das Betriebsverfassungsgesetz von 1952, gegen das eine hohe Streikbereitschaft bestand. Alle Forderungen der Massenbewegung – Enteignung der Monopole, Mitbestimmung, Sozialisierung – wurden zum Anschluss an die Kapitalinteressen deformiert. Die Entflechtung der Monopole wurde zu einer Umgruppierung, die ohnehin hätte vorgenommen werden müssen. Die Forderung nach Mitbestimmung wurde beschnitten und zur Integration der Gewerkschaften in den Staat genutzt: Die Arbeiter sollten denken, es seien ihre Werke, die sie gegen die Sozialisierung verteidigen müssten und für deren Produktivitätssteigerung sie arbeiten müssten. Die Vertretung in den Aufsichtsräten war zu Ungunsten der Gewerkschaften ausgegangen und die wichtigste Forderung, die nach Mitbestimmung der Produktion wurde fallen gelassen. Die DGB-Führung rief zwar zu Aktionen auf und stellte recht weitgehende Forderungen. Machtvolle Demonstrationen und Streiks folgten. Nach Verhandlungen des DGB-Vorsitzenden Fette mit Kanzler Adenauer wurde dennoch ein rückschrittliches Betriebsverfassungsgesetz besiegelt und dann im Parlament verabschiedet. Die Gewerkschaftsführung protestierte zwar, unterband aber Bestrebungen, den Kampf fortzusetzen. Man müsse die Parlamentsentscheidung akzeptieren. Eine Begründung die auch beim Abwürgen der Proteste gegen die Wiederbewaffnung und später auch gegen die Hartz-Gesetze benutzt wurde.

Die „These 37“

In diesem Kontext – während der Kämpfe um das Mitbestimmungsgesetz, noch vor der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes – fand der „Münchner“ KPD-Parteitag von 1951 statt. In dessen Programm findet sich die These 37, in der die rechten Gewerkschaftsführer beschuldigt werden, die Gewerkschaftsorganisationen „im Interesse des amerikanischen Imperialismus und im Einklang mit den deutschen Monopolisten in den Dienst der Kriegsvorbereitungen zu stellen“ und mit den Abmachungen über die Vertretung in den Aufsichtsräten die „Gewerkschaften in die Organisation der Kriegswirtschaft einreihen.“ Weiter heißt es, „die Politik der rechten Gewerkschaftsführer geht darauf aus, die Kraft der 5 Millionen Gewerkschafter im Kampf um die Erhaltung des Friedens und um die Herstellung der Einheit Deutschlands auszuschalten. Sie beseitigen im Interesse des monopolistischen Staates die innergewerkschaftliche Demokratie und veräußern die demokratischen Rechte der Arbeiter in den Betrieben. Sie nehmen an der Schaffung reaktionärer Betriebsordnungen teil und beteiligen sich an den Verhandlungen über die Beseitigung des Koalitions- und Streikrechts. Sie tun dies, damit die in- und ausländischen Monopolisten den dritten Weltkrieg vorbereiten können.“ Diese Formulierungen und die Aufforderung, „Kampfhandlungen auszulösen auch gegen den Willen rechter Gewerkschaftsführer“ dienten der DGB-Führung dazu, allen kommunistischen Gewerkschaftsfunktionären den sogenannten „Revers“ vorzulegen und bei Androhung des Ausschlusses zu unterschreiben. Dieser „Revers“ distanzierte sich nicht nur von den Aussagen der These 37, sondern verpflichtete den Unterschreibenden, sich nur an die Statute der Gewerkschaft gebunden zu fühlen. Wer unterzeichnete wurde aus der KPD ausgeschlossen, wer nicht unterzeichnete, wurde aus den Gewerkschaften ausgeschlossen. Die KPD verlor viele gewerkschaftliche Funktionen und viele kampferfahrene Genossen. Später wurde die Entscheidung, bei Unterzeichnung des Revers ausgeschlossen zu werden als Fehler erkannt und revidiert.

Im Kreuzfeuer des Antikommunismus

Hauptfehler der These war, nicht genügend zwischen den rechten und den anderen Gewerkschaftsführern zu unterscheiden. Zudem traf der Vorwurf, das Koalitions- und Streikrecht beseitigen zu wollen, nicht zu, auch wenn die rechten Sozialdemokraten an der Gewerkschaftsspitze ein sehr eingeengtes, wenig demokratisches Streikrecht akzeptierten. Die These enthält auch die Aussage, die gegen den Verzicht auf die unermüdliche Arbeit in den Gewerkschaften für die Interessen der Arbeiterklasse und damit gegen Sektierertum in der Partei gerichtet ist. „Es ist eine der ersten Pflichten jedes Parteimitglieds, in der Gewerkschaft zu arbeiten, der beste Gewerkschafter zu sein und Funktionen in der Gewerkschaft zu übernehmen.“ In einem sehr lesenswerten Interview der DKP Karlsruhe mit der Genossin Hilde Wagner ( http://www.dkp-karlsruhe.de/geschichte/hildewagner/fragen-an-hilde.html) erläutert sie die Hintergründe der These und die Folgen. „Damals standen an der Spitze des DGB die Kollegen Fette und vom Hoff. Beide unterstützten im Gegensatz zur großen Mehrheit der Gewerkschafter die Remilitarisierungspolitik Adenauers. Sie bemühten sich, die Kräfte der Gewerkschaften aus dem Kampf gegen die Aufrüstung herauszuhalten. Sie bremsten auch den aktiven Kampf der Gewerkschaftsmitglieder gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Zugleich gab es bei einigen Kommunisten in den Gewerkschaften unter dem Druck des Antikommunismus auch opportunistische Schwankungen. Beides, die Rolle Fettes und vom Hoffs und das Aufkommen von Opportunismus führte zu der sektiererischen Formulierung. (…) Die These 37 war ganz offensichtlich falsch, sie wurde auf dem Hamburger Parteitag 1954 auch revidiert. Die Diskussionen und Auseinandersetzungen in den Gewerkschaften über den Münchner Parteitag führten allerdings andererseits auch dazu, dass trotz der Massenausschlüsse die antimilitaristischen Auffassungen im DGB stärker wurden und Fette und vom Hoff auf dem nächsten Gewerkschaftstag nicht mehr gewählt wurden.“
Die Revidierung der Fehler der These 37 durch den Parteitag von 1954 bedeutete keineswegs, die rechtssozialdemokratischen Gewerkschaftsführer nicht mehr anzugreifen, aber sie deutlicher von den anderen Teilen der Gewerkschaftsführung zu unterscheiden und sie in das Verhältnis zum Monopolkapital zu stellen. Unter Punkt 7 heißt es: „Die herrschenden Kreise Westdeutschlands versuchen mit allen Mitteln, den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse zu hemmen und zu brechen. Um die Spaltung der Arbeiterklasse aufrecht zu erhalten, machen sie alle Anstrengungen, aus den Reihen der sozialdemokratischen Führer und der Funktionäre des DGB Anhänger und Befürworter der Remilitarisierung zu gewinnen mit dem Ziel, die Arbeiter an die Politik der Kriegsvorbereitung und des nationalen Verrats zu binden.“ Das gesamte Dokument ist sehr interessant und zum Studium auch für heute geeignet.

Gewerkschaften in „Ordnungsfunktion“ oder…

Die Linie der Vertreter des Monopolkapitals in den Gewerkschaften zog sich weiter von der Frage der Remilitarisierung, der atomaren Bewaffnung und der Notstandsgesetze. Sie vertraten die Auffassung, die Gewerkschaften müssten beim neuen Staat „dabei sein“ (Georg Leber, Vorsitzender IG BSE, späterer Bundesverteidigungsminister) und deshalb diese Maßnahmen mittragen. Dabei ging manche Vorstellung von der Gleichschaltung der Gewerkschaften als „Ordnungsfunktion“ so weit, dass sie eventuell das oben genannte Ziel, die Gewerkschaften zu unterwerfen, ohne sie zu zerschlagen, gefährden konnte.

…Sammelpunkte des Widerstands

Die andere Linie in den DGB-Gewerkschaften, die an den Interessen der Arbeiterklasse orientierte, konnte ebenfalls Erfolge in einigen wichtigen Beschlüssen des DGB gegen die Notstandsgesetze und die atomare Bewaffnung erzielen. Die Gewerkschaften wurden zu den wichtigsten Sammelpunkten des Widerstands gegen antidemokratische Maßnahmen. Verhindert werden konnte keines der Gesetze. Das lag aber auch an den zwischenzeitlich veränderten Kräfteverhältnissen – der wiedererstarkte deutsche Imperialismus konnte mit großem Propagandaapparat und gewissen Lohnzuwächsen (die dennoch hart erkämpft werden mussten und auch dank der DDR erzielt werden konnten) größere Teile der Arbeiterklasse ruhigstellen. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Erfolge der klassenorientierten Kräfte in den Gewerkschaften, sei es die Forderung nach der Vergesellschaftung der Stahlindustrie im Programm der IGM, politische Forderungen und Anfänge von Streiks dafür im Rahmen der Friedensbewegung auch in den Gewerkschaften zu verankern, das Bildungswesen mindestens im Jugendbereich einiger Gewerkschaften relativ marxistisch zu orientieren, mit dem Kampf um die 35-Stunden-Woche auch den ökonomischen Horizont des Kampfes zu erweitern. Diese und weitere Erfolge zeigen, dass es keinen Anlass zu Fatalismus oder Resignation gibt. Die Kräfteverhältnisse haben sich zwar seitdem zu Ungunsten der Arbeiterklasse verändert, dennoch gibt es viele Ansätze, die genutzt werden können. Einen großen Erfolg und eine bittere Niederlage zugleich stellen die Proteste gegen die Hartz-Gesetze dar. Die DGB- und Einzelgewerkschaftsgliederungen waren maßgeblich an der Mobilisierung beteiligt, alle DGB-Landesverbände sprachen sich gegen die Gesetze aus, hunderttausende Beschäftigte und Erwerbslose gingen gemeinsam auf die Straße. Es dürften die größten gemeinsamen Demonstrationen von Kollegen mit und ohne Job seit langen Jahren und auch im europäischen Vergleich gewesen sein. Nach dem Verweis des DGB-Vorsitzenden Sommer – es ist davon auszugehen in Absprache mit den Vorsitzenden der großen Gewerkschaften – auf die parlamentarische Hoheit wurden die Mobilisierungen abgewürgt. Ganz zu schweigen von der Rolle der Teilnahme einer verdi-Vertreterin und eines IG Metall-Vertreters in der Hartz-Kommission.

Richtungen in der Einheitsgewerkschaft

Wie die DKP im „Studienmaterial für das 3. Thema im Bildungsjahr der DKP 1981/82“ ausführt, ist das „Vermächtnis der Gründer der Einheitsgewerkschaft nicht nur organisatorische Einheit – sondern Einheit der Gewerkschaften im Kampf gegen das Großkapital, gegen Krieg und Reaktion – für Interessen und im Interesse der Arbeiterklasse.“ Im Studienmaterial der DKP für das Jahr 1973 zu der Frage „Warum braucht die Arbeiterklasse starke und kämpferische Gewerkschaften?“ wird betont, dass es „in einer Einheitsgewerkschaft selbstverständlich unterschiedliche Richtungen gibt. Zwischen ihnen findet ein ständiges Ringen um den Standort und die Entwicklung der Gewerkschaft statt.“ Es werden drei Linien innerhalb der Gewerkschaftsbewegung definiert: Die integrationistische, die sozialreformistische und die marxistisch orientierte Linie. Die integrationistische Linie wirkt offen darauf hin, die Arbeiterklasse in den Kapitalismus einzugliedern, während die sozialreformistische Linie zwar nicht sozialistisch orientiert ist, aber klarer für die Interessen der Arbeiterklasse eintritt, zum Beispiel in Form einer aktiven Lohnpolitik. Beide Linien sind nicht scharf voneinander getrennt und man sollte sie nicht schematisch betrachten, dennoch sind die Unterschiede der Haltungen in der Gewerkschaftsbewegung für uns sehr wichtig. Es gibt einen Unterschied zwischen der klar erkennbar integrationistischen Politik des IG-Metall-Vorsitzenden Huber und den Gliederungen in den DGB-Gewerkschaften, die für höhere Löhne kämpfen wollen. Daneben gibt es noch die ultralinken, linksopportunistischen Kräfte, die auf den Bruch mit dem DGB hinwirken und unmittelbare sozialökonomische Forderungen gering schätzen. Sie begreifen die Gewerkschaften nicht als Schulen des Klassenkampfs. Im Bildungsheft von 1973 heißt es weiter, die marxistisch-sozialistisch orientierten Kräfte treten für eine „konsequente Klassenorientierung des gewerkschaftlichen Kampfes ein (…). Dazu ist es notwendig, in der Gewerkschaft den Kampf gegen die integrationistische Ideologie und Praxis, gegen die demagogische Propaganda der ‚Sozialpartnerschaft‘ von Krupp und Krause, von Großkapital und Arbeitern zu führen.“ Beim Blick auf die heutigen Kräfteverhältnisse dürften die integrationistischen Kräfte in der Führung deutlich in der Mehrheit sein, die sozialreformistischen in der Minderheit und die marxistischen kaum vorhanden. Die „ultralinken/linksopportunistischen“ Positionen spielen heute keine größere Rolle mehr. Der Rückgriff auf die Bildungsmaterialien von 1973 soll nicht zu Schemata verführen, aber eine gewisse Gliederung der Strömungen ist hilfreich, wenn auch für heute zu aktualisieren.

Bindungen an das Monopolkapital

Der Opportunismus der Arbeiterbürokratie ist nicht einfach nur eine Frage des Verrats oder des Willens, sondern „ein Produkt einer ganzen historischen Epoche“ des Monopolkapitalismus. Die Analyse der Integration der Gewerkschaften in das staatsmonopolistische Herrschaftssystem hilft uns zu verstehen, welche Bedingungen uns durch das Tarifrecht, das Arbeitsrecht, das Koalitionsrecht, das Betriebsverfassungsgesetz und weitere rechtliche und politische Strukturen vorgegeben sind und welche Widersprüche sie für unsere Arbeit bedeuten. Dazu gibt es viel Wissen und Erfahrungen in unserer Partei und darüber hinaus, das wir uns kollektiv aneignen können. Welche Rolle spielen Betriebsräte und Vertrauensleute und welchen Strukturen sind sie untergeordnet? Welche juristischen, ökonomischen und politischen Bindungen an das Monopolkapital gibt es und wie können wir sie schwächen bzw. entlang der Interessen der Arbeiterklasse nutzen und umformen? Wie hat sich der Aufbau der Gewerkschaften und ihre Verankerung in der Arbeiterklasse verändert?

Aufklärungsarbeit und Aktionseinheit

Die schwere Arbeit der revolutionären Kräfte bestand und besteht darin, die Lebensinteressen der Arbeiterklasse mit den entsprechenden politischen Aufgaben zu verbinden und dafür Bewußtsein und Aktionen zu schaffen. Dazu gehört auch die Aufklärungsarbeit über die schädliche Politik der rechten Sozialdemokraten in Verbindung mit der Aufstellung der richtigen Forderungen und Formen, wie diese erreicht werden können. Oder wie Renate Münder in der Broschüre „Gewerkschaften in der Krise“ formuliert: „Um die Aktionseinheit herzustellen und die sozialdemokratischen und parteilosen Kolleginnen und Kollegen für eine klassenkämpferischen Kurs zu gewinnen, müssen wir die opportunistische Gewerkschaftspolitik kritisieren, jedoch immer konkret und nachweisbar – mit dem erklärten Ziel, den Hauptstoß umso besser gegen das Kapital richten zu können.“ Das bedeutet, die Kampfbedingungen und die Klasseninteressen sowohl der Arbeiterklasse als auch der Monopolbourgeoisie genau zu kennen, um die richtigen Forderungen zu entwickeln, die richtigen Kampfformen und den besten Weg zu den Massen zu finden.

Kontinuität in den Programmen

Im Programm von 1978 heißt es: „Die DKP wiedersetzt sich allen Absichten, die Gewerkschaften als ‚Ordnungsfaktor‘ des kapitalistischen Systems zu mißbrauchen, sie mit der Ideologie der Sozialpartnerschaft an das Großkapital und eine dessen Interessen dienende Regierungspolitik zu binden. (…) Die kommunistischen Arbeiter, Angestellten und Beamten sind Teil der Gewerkschaften. Sie setzen sich dafür ein, daß die Gewerkschaften an den Interessen der Arbeiterklasse orientierte Forderungen entwickeln und konsequent durchsetzen.“ Durch fast alle Programme und wichtigen Dokumente zieht sich der rote Faden: Herstellung der Aktionseinheit bedeutet auch Kampf gegen die rechtssozialdemokratischen Angriffe auf die Aktionseinheit und die Versuche, die Gewerkschaften den Interessen des Kapitals unterzuordnen. Eine Erfahrung lässt sich in allen Phasen des Kampfes der beiden Linien in den Gewerkschaften finden: Eine Stärkung der klassenorientierten Kräfte bedeutet die Stärkung der Gewerkschaften, die Dominanz der sozialpartnerschaftlichen Kräfte führt zu ihrer Schwächung. Herbert Mies, DKP-Vorsitzender von 1973 bis 1990, führte dies in seiner Rede zum 10. Jahrestag der Konstituierung der DKP 1978 aus: „Die Stärkung der auf die Vertretung von Klasseninteressen orientierten Kräfte der Arbeiterbewegung fand ihren Niederschlag im Anwachsen der Mitgliederzahlen, der Diskussionen und der Aktivitäten der Einheitsgewerkschaften. Wie stark der Zusammenhang zwischen der realen betrieblichen und gewerkschaftlichen Kampfaktivität und der Stärkung der Gewerkschaften war, mag daraus ersichtlich sein, dass die DGB-Mitgliedschaft seit 1969 um rund eine Million gestiegen ist, während sie in dem Jahrzehnt zuvor, das sehr stark durch eine Politik des ‚Burgfriedens‘ bestimmt war, vollkommen stagniert hatte.“ Wir erleben heute ähnliches mit den Auseinandersetzungen um den Manteltarifvertrag im Einzelhandel: Dort wo gekämpft wird, treten die Kollegen in die Gewerkschaft ein.

Stärkung der klassenorientierten Kräfte – aber wie?

Die Streitpunkte in der Diskussion in der DKP zur Gewerkschaftsarbeit sind nicht einfach herauszufinden. Niemand würde behaupten, dass man nicht in den Gewerkschaften kämpfen müsse. Niemand orientiert auf die Gründung von Gegengewerkschaften. Niemand übersieht die Notwendigkeit, mehr Arbeiter und Angestellte in den Gewerkschaften zu organisieren. Niemand würde behaupten, dass die „Sozialpartnerschaft“ nicht bekämpft werden müsse. Niemand würde behaupten, dass wir uns dafür nicht koordinieren und organisieren müssten. Offen ist, wie wir das tun müssen und welche Wege wir einschlagen. Offen ist auch, welches unser Haupthindernis ist, das Bewußtsein der Kollegen oder die integrationistische Politik des größten Teils der Führung der DGB-Gewerkschaften? Wie können die klassenorientierten Kräfte in den Gewerkschaften gestärkt und verbunden werden? Wie kann eine solche Verbindung aussehen – ein Netzwerk, eine Plattform? Welche Kräfte sind dort bereits aktiv und wie schätzen wir sie ein (Gewerkschaftslinke), was unterscheidet uns eventuell? Welche Mittel und Ideen der Mobilisierung der Kollegen gibt es, trotz der engen Grenzen der Gesetze? Wie können wir den Austausch drüber herstellen? Sind – bei prinzipieller Orientierung auf Personenwahlen – im Streitfall Listen zu unterstützen, wenn sie von Kollegen im Betrieb gefordert und aufgebaut werden? Wichtig ist dabei, dass wir die Diskussion immer konkret führen, um Situationen und deren Widersprüche zu verstehen.

Welche Zugänge zu den Massen?

Die Frage, wie wir als Partei der Arbeiterklasse für die Arbeiter sichtbar werden spielt auch in der gewerkschaftlichen Strategie eine wichtige Rolle. Wie stehen die Kommunisten zum arbeiterfeindlichen Fundament der EU? Was haben sie zu den wichtigsten Spaltungsmaßnahmen des Kapitals – Leiharbeit, Werkverträge, Hartz I-IV – zu sagen, was sind ihre Forderungen? Es steht auch die Frage, welche Teile der Klasse von den Gewerkschaften organisiert werden und wie wir uns auch an die Unorganisierten wenden können. Wie können wir einen Zugang zum Betrieb und den Massen der Arbeiter finden? Wir brauchen eine betriebliche Strategie und eine politische Strategie, die Themen des Betriebs auch außerhalb des Betriebs aufgreift (Stadtteil, Kommune,…) und wir brauchen eine Strategie für den gewerkschaftlichen Kampf. Wir sind als organisierte Kommunisten weitestgehend aus den Einheitsgewerkschaften rausgedrängt worden und müssen uns eine kollektive, zentrale Strategie zu den Arbeitern, zu den Betrieben erarbeiten.

Welche Partei?

Die Frage der Arbeit in den Gewerkschaften hängt mit der Frage zusammen, wie wir uns als kommunistische Partei verstehen – so wie das auch für andere Politikfelder gilt. Sollen wir Bewußtsein hineintragen oder die spontane Bewegung fördern? Sollen wir politische und revolutionäre Standpunkte und Forderungen einbringen oder uns auf Tagesforderungen beschränken? Wie können wir beides miteinander verbinden? Müssen wir uns zentralisiert organisieren, um ein einheitliches Vorgehen zu ermöglichen, das erst zu weitergehenden Erkenntnissen führen kann oder sollen wir nach dem Prinzip verfahren „jeder an seinem Ort“? Darf es „Pluralismus“ der „Meinungen“ und Positionen geben oder führt gerade das zu Verwirrung und verhindert einen klaren Weg, den wir beschreiten können bei all dem Gegenwind, der uns ins Gesicht bläst?
Diese und weitere Fragen lassen sich kollektiv diskutieren, auf der Grundlage unserer Wissenschaft, dem Marxismus-Leninismus und sie werden sich auch mit einer kollektiven Praxis beantworten lassen. Dabei ist einseitiges Herangehen – auch an historische Ereignisse in Form von Totschlagargumenten – nicht hilfreich.
Quelle: news.dkp.de

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