Montag, 23. Juli 2018

Deutsche Konzerne kommen in Saudi-Arabien nicht wie erhofft zum Zuge. Verhältnis zum Iran als Gretchenfrage

Durst in der Wüste


Von Jörg Kronauer
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Eine Hand wäscht die andere. Mohammed bin Salman und Klaus Kleinfeld interessieren die Leichen im Jemen wenig (Riad, 24.10.2017)
Es kann losgehen: Der staatseigene spanische Rüstungskonzern Navantia und das ebenfalls in Staatsbesitz befindliche Rüstungskonglomerat Saudi Arabian Military Industries (SAMI) haben, wie am Donnerstag bekannt wurde, eine abschließende Vereinbarung über den Bau von fünf Korvetten für die saudische Marine geschlossen. Dem Vorhaben, auf das sich beide Seiten grundsätzlich schon im April geeinigt hatten, steht nun nichts mehr im Weg: Bereits im Herbst soll die Produktion starten; das letzte Kriegsschiff soll 2022 ausgeliefert werden. Zwei Milliarden Euro kosten die Korvetten – ein höchst willkommener Auftrag für den spanischen Konzern, der im vergangenen Jahr Verluste von etwa 390 Millionen Euro verzeichnet hatte. Mit dem Auftrag aus Riad hofft sich Navantia nun fürs erste zu konsolidieren.
Nicht ohne Neid mögen Rüstungsmanager in der BRD von dem erfolgreichen Abschluss des Deals erfahren haben: Die zwei Milliarden hätten auch deutsche Kriegsschiffbauer sicher gerne kassiert. Für hiesige Konzerne läuft es aber im Geschäft mit Saudi-Arabien zur Zeit nicht rund. Ursache dafür sind ernste politische Differenzen zwischen Berlin und Riad. Die neue saudische Führung unter Kronprinz Mohammed bin Salman steuert einen höchst aggressiven Kurs gegen Iran, hält an ihrem Stellvertreterkrieg im Jemen fest und bestraft Katar wegen dessen punktueller Kooperation mit Teheran mit einer Totalblockade. Dagegen ist die Bundesregierung bemüht, das Atomabkommen mit Iran zu bewahren und in der ressourcenreichen Region am Persischen Golf eine Machtbalance zwischen Teheran und Riad zu etablieren, um den Aufstieg einer der zwei Seiten zur regionalen Vormacht zu verhindern. Beide Strategien schließen sich gegenseitig aus.
Im November vergangenen Jahres ist es darüber schließlich zum Streit zwischen Berlin und Riad gekommen. Auslöser war, dass die saudische Führung den libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri in die saudische Hauptstadt zitiert und ihn dann offenkundig festgesetzt hatte, um seinen Rücktritt zu erzwingen. Hariri stand mutmaßlich einem rabiateren Vorgehen gegen die mit Iran kooperierende libanesische Hisbollah, wie es Riad wünscht, im Weg. Deutschlands damaliger Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) reagierte wütend auf das beispiellose Vorgehen und warf Saudi-Arabien öffentlich »politisches Abenteurertum« vor, woraufhin die saudische Regierung umgehend ihren Botschafter aus der deutschen Hauptstadt abzog. Die Bundesregierung schlug zurück, teilte Anfang des Jahres – menschenrechtliche Bedenken vorschützend – mit, keine Waffenexporte mehr an Staaten zu genehmigen, die im Jemen Krieg führen. Darauf wiederum hat Riad reagiert, indem es im März begann, neue Geschäfte mit deutschen Unternehmen zu blockieren. Das saß.
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Denn die Bemühungen der BRD-Wirtschaft, im Mittleren Osten zu expandieren, laufen zur Zeit ins Leere. Deutsche Unternehmen hatten große Hoffnungen auf Saudi-Arabien gesetzt: Das Land ist mit rund 32 Millionen Einwohnern und einer schwerreichen Herrscherkaste ein attraktiver Markt. Die saudische Führung plant zudem ehrgeizige Großinvestitionen, um das Königreich vom Erdöl- zum Industriestaat umzuformen. 2015 hatten die deutschen Exporte nach Saudi-Arabien immerhin fast zehn Milliarden Euro erreicht, als der Absturz des Ölpreises die saudische Wirtschaft spürbar schrumpfen und die Einfuhren des Landes insgesamt zurückgehen ließ. Auch die Importe aus Deutschland gingen dramatisch zurück; sie lagen 2017 bei nur noch 6,6 Milliarden Euro. Und das war nicht alles: Die deutschen Ausfuhren in die Vereinigten Arabischen Emirate brachen aus demselben Grund ein – von stolzen 14,6 Milliarden Euro 2015 auf nur 11,1 Milliarden Euro 2017. Sieht man von kleineren Handelspartnern wie Katar und Kuwait und vom kriegszerstörten Irak ab, blieb am Persischen Golf aus Sicht deutscher Manager vor allem die Hoffnung auf Geschäfte mit Iran.
Diese Hoffnung aber hat sich am 8. Mai zerschlagen, als US-Präsident Donald Trump ankündigte, aus dem Atomabkommen mit Teheran auszusteigen – und als daraufhin, aus Furcht, von US-Sanktionen getroffen zu werden, die Massenflucht von BRD-Firmen aus Iran begann. Prompt telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 20. Mai mit Kronprinz Mohammed bin Salman, um zumindest in Saudi-Arabien die Türen für deutsche Unternehmen wieder zu öffnen. Wie es heißt, einigten bin Salman und Merkel sich darauf, dass die Außenministerien in Berlin und Riad den Konflikt mit einer für beide Seiten gesichtswahrenden Erklärung zumindest etwas beruhigen. Gespräche darüber sind am 12. Juli am Rand eines Treffens der Anti-IS-Allianz geführt worden. Gelingt das Vorhaben, dann haben deutsche Firmen beste Chancen, an dem erhofften Aufschwung in Saudi-Arabien zu partizipieren. Denn deren ehemalige Manager sitzen in Riad inzwischen an wichtigen Schaltstellen: Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld wird ab dem 1. August den Kronprinz bei der Modernisierung des Landes beraten, während der frühere Rheinmetall-Vorstand Andreas Schwer beim erst 2017 gegründeten Rüstungskonglomerat SAMI die Geschäfte führt. Auch wenn Navantia jetzt Korvetten für die saudischen Seestreitkräfte baut, darf man wohl davon ausgehen: Früher oder später kommt auch die deutsche Rüstungsindustrie in Riad wieder zum Zuge.

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