Montag, 23. Juli 2018

Ernst Thälmann: Zu unserer Strategie und Taktik im Kampf gegen den Faschismus


Ein wichtiges Dokument des Genossen Ernst Thälmanns zur Bestimmung der Strategie und Taktik gegen den Faschismus aus dem Jahre 1932. Die hierin gemachten Analysen sind auch heute im Kampf gegen die Vorbereitung des Faschismus durch die Regierung der „Großen Koalition“ der Merkel/Seehofer/Scholz und Konsorten wichtig zu berücksichtigen, um die rote antifaschistische Einheitsfront aufzubauen. Wer sich musikalisch auf die etwas längere Lektüre einstimmen möchte, findet hier das „Kampflied gegen den Faschismus“ gesungen von Ernst Busch.
Ernst Thaelmann
Ernst Thälmann:
Zu unserer Strategie und Taktik im Kampf gegen den Faschismus
I. Die Grundfrage der Bolschewisierung der KPD
Auf dem Februarplenum 1932 des Zentralkomitees unserer Partei wurde bei der Analyse der Situation festgestellt, daß der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat um den kapitalistischen oder revolutionären Ausweg aus der Krise in ein verschärftes Stadium eingetreten ist. Die jetzigen Ereignisse in Deutschland, die zum Sturz der Brüningregierung, zur Einsetzung des Papenkabinetts und zur Reichstagsauflösung geführt haben, bestätigen diese Einschätzung. Die Klassenfronten stehen sich schärfer denn je gegenüber. Deutschland geht einer Kette von erbitterten Klassenkämpfen entgegen. In diesen Kämpfen hat das deutsche Proletariat nicht nur seine soziale Existenz gegen die unerhörtesten Raubpläne der Kapitalistenklasse zu verteidigen, muß es nicht nur mit dem Gegenangriff auf den Versuch antworten, den Lebensstandard des deutschen Industrieproletariers auf das Niveau von Kolonialsklaven, von ausgebeuteten chinesischen Kulis zu senken, sondern muß darüber hinaus im Kampf gegen den faschistischen Terror und die Aufrichtung der schrankenlosen unverhüllten faschistischen Diktatur für seine sozialistische Zukunft kämpfen. In diesem Kampf wird aber zugleich die Bourgeoisie mit den Methoden der grausamen barbarischen Gewalt das ganze Gebäude ihrer Klassenherrschaft, ihre Existenz als herrschende Klasse, zu verteidigen haben.
So ernst ist die Situation. Und angesichts dieser Tatsache ist es die höchste Pflicht für die revolutionäre Führerin der deutschen Arbeiterklasse, für die Kommunistische Partei, den Massen eine ungeschminkte, klare und umfassende Antwort auf die Fragen zu geben, die sich für jeden klassenbewußten Arbeiter aus dem heutigen Stand de Klassenkampfes zwingend ergeben.
Die erste und wichtigste Frage, die wir beantworten müssen, wenn wir dem deutschen Proletariat den Weg zum Sieg über die faschistischen Todfeinde zeigen, wenn wir das Tor in die sozialistische Zukunft aufstoßen wollen, lautet: Wie war es möglich, daß im Wettlauf der Entfaltung der Klassenkräfte der Revolution und Konterrevolution das Tempo des revolutionären Vormarsches zurückblieb? Denn es ist eine Tatsache, daß sich die faschistische Konzentration der konterrevolutionären Kräfte trotz der Krise, trotz des revolutionären Aufschwunges in der Vergangenheit rascher entwickelte, als die Formierung der Klassenkräfte des revolutionären Proletariats und der von ihm geführten werktätigen Massen.
Es ist der Bourgeoisie gelungen, eine chauvinistische Welle in Deutschland zu erzeugen, wie wir sie kaum jemals zuvor erlebt haben. Es ist ihr gelungen, breiteste Millionenmassen vom Haß gegen das kapitalistische System auf den Haß nur gegen das ausländische Finanzkapital abzulenken. Es ist ihr gelungen, die Massen von der Empörung gegen die bürgerliche Klassenherrschaft und vom Klassenkampf abzulenken auf die bloße Empörung gegen das Versailler Diktat, gegen Frankreich, Polen, Amerika, England usw.
Aber die Feststellung dieser Tatsache allein genügt uns nicht. Wir müssen die Frage beantworten, warum es uns nicht gelang, diese Welle aufzuhalten, von der der Nationalsozialismus emporgetragen wurde. Die besonderen Bedingungen, unter denen sch der proletarische Klassenkampf in Deutschland entfaltet, die Lage Deutschlands als eines unterdrückten Landes und die dadurch erhöhten Schwierigkeiten für die proletarische Revolution – die auf die große Front des Weltimperialismus stößt, wenn sie die deutsche Bourgeois bedroht – sind allein keine ausreichende Antwort. Diese zusätzlichen objektiven Schwierigkeiten bergen ja in sich gesteigerte Möglichkeiten für die revolutionäre Partei. Aus den Millionenmassen der schwankenden Mittelschichten, die heute im Zeichen der chauvinistischen Welle von der Hitlerpartei aufgefangen und‘ gesammelt werden und auf die sich die Bourgeoisie bei ihrem verschärften faschistischen Angriff gegen das Proletariat ganz besonders stützt, könnten ja unter ähnlichen objektiven Voraussetzungen der Krise und der nationalen Unterjochung auch beträchtliche Teile von der Arbeiterklasse als Bundesgenossen gewonnen oder doch neutralisiert werden. Diese, ihrer ganzen Klassenlage nach schwankenden Schichten orientieren sich vorwiegend danach, wo die stärkeren Bataillone stehen. Das Kernproblem ist und bleibt das Proletariat, seine Kraft, sein Auftreten im Klassenkampf.

Die Massen in der Frage der nationalen Unterdrückung für den einzigen wirklichen Ausweg, für die proletarische Revolution zu gewinnen, die zugleich die Ketten des Imperialismus zertrümmert – das ist gewiß eine schwierige Aufgabe für die Kommunistische Partei. Der Nationalsozialismus, der mit skrupelloser chauvinistischer Demagogie die kleinbürgerlichen und halbkleinbürgerlichen Massen berauscht und auf Irrweg verleitet, hat es verhältnismäßig leicht. Das Entscheidende aber ist und bleibt doch die Frage, warum bisher das Proletariat unter unserer Führung noch nicht durch die Aufrollung der Klassenfragen und den vollen Einsatz seiner Kampfkraft, durch seinen Klassenkampf gegen das kapitalistische System, zugleich jene Anziehungskraft auf die übrigen notleidenden und ausgebeuteten Millionenmassen ausübte, die sie aus der nationalistisch-faschistischen Verstrickung losgelöst und in die antikapitalistische Front des proletarischen Klassenkampfes hineingerissen hatte.
Die Antwort auf diese Frage muß im wesentlichen lauten: Weil das Proletariat keine größeren Kämpfe führte, weil Massenaktionen und Streiks von mitreißendem Umfang und Ausmaß ausblieben, darum wurde die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Avantgarde bisher nicht zu jenem Magneten, der die übrigen schwankenden Schichten an sich zu fesseln oder zu neutralisieren vermochte. Aus diesem Grund vor allem, neben anderen, weniger entscheidenden Ursachen, überflügelte der revolutionäre Vormarsch noch nicht die faschistische Konterrevolution!
Und hier kommen wir zu der Grundfrage der revolutionären Arbeit und Politik unserer eigenen Partei, zu der Grundfrage ihrer Bolschewisierung: Wir haben es in der Vergangenheit trotz großer Fortschritte und Erfolge noch immer nicht gelernt, die wirkliche Umwandlung unserer Partei von einer Partei der bloßen Agitation und Propaganda zur Führerin aller Aktionen und Kämpfe des Proletariats durchzusetzen. Noch immer haben wir nicht verstanden, unserer gesamten Politik und Arbeit diesen revolutionären Kampfinhalt zu geben. Noch immer haben wir die wichtigste Methode, die die Komintern unter Lenins Führung für die Gewinnung der Mehrheit der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht in den kapitalistischen Ländern Westeuropas vor mehr als zehn Jahren entwickelte, die Taktik der Einheitsfront nicht in genügendem Maße als eine Methode der revolutionären Massenmobilisierung zum Kampf anzuwenden verstanden. Wir müssen es offen aussprechen, daß bis heute die Partei noch nicht die letzten Hemmungen und Schwächen überwunden hatte, die dieser entscheidenden Aufgabe ihrer Bolschewisierung entgegenstanden. Davon aber hängt es ab, ob wir den Faschismus schlagen.
Alle inneren Auseinandersetzungen der Partei in den vergangenen Jahren, der Kampf gegen die rechten Liquidatoren des Jahres 1921, gegen den Brandlerismus 1923, gegen den Trotzkismus in den Jahren 1926/27, gegen die Rechten und Versöhnter 1928/29 waren Stufen im Ringen unserer Partei um das Ziel: eine bolschewistische Partei zu werden. Heute, wo mit der immer schärferen Entfaltung der Krise die Zuspitzung der Klassengegensätze in Deutschland sich in immer schnellerem Tempo steigert, wo das Schicksal der deutschen Arbeiterklasse, und vielleicht noch mehr, auf lange Sicht davon abhängt, ob sich die KPD als revolutionäre Avantgarde, als bolschewistische Partei der deutschen Arbeiter siegreich zu schlagen vermag – heute ist es Pflicht jedes Kommunisten, daran mitzuhelfen, daß die Hemmungen beseitigt, Unklarheiten überwunden, Schwächen ausgeschaltet werden und die Partei reif dazu gemacht wird, auf den Erfahrungen ihrer gesamten revolutionären Entwicklung aufbauend, den Schritt zur bolschewistischen Kampfpartei endgültig zu vollziehen. Nicht „Wendung“, wie die Bourgeoisie und ihre Agenten schwatzen, sondern verstärkte Anwendung unserer revolutionären Strategie und Taktik, Anwendung der Prinzipien und Methoden  des  Leninismus  durch  die  KPD  und  Überwindung  aller  noch  vorhandenen Widerstände und Hemmungen – darum geht es!
Wenn wir von diesem Standpunkt an die konkreten Aufgaben der deutschen Arbeiterklasse herangehen und die Prinzipien und Methoden des Leninismus auf die konkreten Bedingungen des Klassenkampfes in Deutschland in der gegenwärtigen Situation anwenden, ergeben sich eine Reihe von Einzelfragen, die von der Kommunistischen Partei beantwortet werden müssen. Diese Fragen aufzuzeigen und eine Antwort auf sie zu geben, soll im folgenden versucht werden.
II. Die ökonomischen Grundlagen des Kurses zur offenen faschistischen Diktatur
Die Grundlage, auf der es zum verschärften Übergang der Bourgeoisie zur faschistischen Herrschaftsmethoden gekommen ist, wie er sich in der Ersetzung der Brüningregierung durch die faschistische Regierung Papen-Schleicher ausdrückt, ist die weitere Zuspitzung der Wirtschaftskrise und die damit verbundene heftige Verschärfung des Klassenkampfes.
Die herannahende drohende Finanzkatastrophe ließ die Fortsetzung der bisherigen Brüningpolitik nicht länger zu. Die weitere Aufrechterhaltung der Staatsfinanzen, Zahlung der Gehälter, der Renten und Unterstützungen, vor allem für die Millionen Erwerbslosen, die Sanierung der bankrotten Gemeinden und Städte, die Fortsetzung der Millionengeschenke an die Großagrarier, Subventionierung von Teilen der Industrie – das alles stößt auf ungeheure Schwierigkeiten. Die Verschärfung der Krise bewirkt, daß in diesem Jahre die saisonmäßige Abnahme der Erwerbslosigkeit nahezu völlig ausbleibt und bereits in den nächsten Wochen und Monaten mit einem neuen Ansteigen der Erwerbslosigkeit zu rechnen ist.
Besonders akut ist die drohende Katastrophe für die bankrotte große Landwirtschaft, für die Rittergüter vor allem im Osten Deutschlands, Jahrelang waren Hunderte von Millionen in diese großagrarischen Unternehmungen hineingepumpt worden. Jetzt kam der Moment, wo die Bourgeoisie einen Teil dieser Unternehmungen ihrem Schicksal überlassen wollte. Das war der Sinn des ,,Siedlungsplanes“ der Brüning und Schiele, auf Grund dessen eine Reihe der völlig verschuldeten und zusammenbrechenden großagrarischen Unternehmungen aufgekauft und für bäuerliche Siedlungen freigegeben werden sollte.
Die Wirtschaftspolitik dir Brüningregierung war aus innen- und außenpolitischen Gründen auf das Festhalten an der stabilen Währung eingestellt. Bis in die letzte Zeit hoffte die Brüningregierung angesichts der wachsenden Schwierigkeiten für die Staatsfinanzen, wie für das gesamte Kreditwesen, auf eine Unterstützung durch das ausländische Finanzkapital durch neue, größere Kredite. Das war es, was der ehemalige Reichskanzler mit seinem Wort von den „letzten hundert Metern“ bis zur Lausanne-Konferenz meinte. In den letzten Wochen stellte sich endgültig heraus, daß solche Spekulationen fehlschlagen würden.
Auf der anderen Seite nimmt das Massenelend in allen Schichten der Werktätigen immer furchtbarere Formen an. Der Ruin zahlloser Bauernwirtschaften, das Hungerdasein, zu dem Hunderttausende sogenannter „selbständiger Existenzen“ im städtischen Mittelstand verurteilt sind, die Pauperisierung ehemaliger Angestellter und breiter Massen der kleinbürgerlichen und halbkleinbürgerlichen Schichten in Stadt und Land bilden den sozialen Hintergrund für die ungeheure Verelendung der Arbeiterklasse. Dem Proletariat und den ihm am nächsten stehenden Schichten der Angestellten und Beamten sind seit Anfang 1929 annähernd 30 Milliarden Mark an Lohn und Gehalt geraubt worden. Diese 30 Milliarden, um die das Lebensniveau der Lohn- und Gehaltsempfänger gesenkt wurden, sind dem inneren Markt entzogen und bewirken zugleich durch die Herabdrückung des Massenkonsums eine außerordentliche Verschlechterung der Existenzbedingungen für den städtischen Mittelstand und die bäuerliche Veredlungswirtschaft.
Was ergibt sich aus dieser ökonomischen Lage? Die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems ist nur noch mit Maßnahmen möglich, deren Angriffscharakter auf die Lebensinteressen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen noch um ein vielfaches radikaler und brutaler sein muß, als die bisherige Hungeroffensive in der Ära Brüning.
Mit völliger Offenheit kündigt die Papen-Regierung in ihrer Regierungserklärung an, daß sie „ungeheuerliche Opfer vom Volke verlangt“. Die bisherige Sozialreaktion wird als „Staatssozialismus“, die bisherige Politik als die einer „Wohlfahrtsanstalt“ bezeichnet. Mit solchen Worten, die den ausgesteuerten hungernden Millionen als frecher Hohn erscheinen müssen, wird die Durchführung eines Programms der kapitalistischen Offensive gegen die Werktätigen eingeleitet, das einen noch nie erreichten Grad der Brutalität der herrschenden Klasse dokumentiert.
In dem Organ des Finanzkapitals, das der neuen Regierung besonders nahesteht, der „Berliner Börsen-Zeitung“ heißt es in einem Artikel vom 7. Juni 1932:
„Gewiß ist die Not stellenweise jetzt schon riesengroß …, aber das deutsche Volk als Ganzes gesehen hat schon 1931 in Wohnen, Essen, Kleidung usw. einen Verbrauch, der über dem von 1913 und der daher mit seinen tief gesenkten Einnahmen unverträglich ist … Gleichzeitig ist diese kommende Armut des Lebens die einzige Möglichkeit für eine Wiederbelebung der Produktion und dadurch für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit … Mehr Arbeit und einfacheres Leben – das ist unausweichliches, deutsches Schicksal.“
Was sich hinter diesen „poetischen“ Phrasen verbirgt, braucht man kaum auszusprechen: ein neuer, maßlos gesteigerter Raubzug auf Löhne und Gehälter, der ungeheuerliche Versuch, die Unterstützung der Erwerbslosen radikal zu beseitigen, die Zerschlagung der Sozialversicherung überhaupt, mit anderen Worten: die Zerstücklung aller Rechte der Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen, die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen, die Verwandlung Deutschlands in ein Zuchthaus kapitalistischer Zwangsarbeit, militarisierter Ausplünderung und Versklavung. Die ersten Notverordnungen der Papen-Regierung zeigen bereits, daß die entschlossen ist, dieses Programm in die Tat umzusetzen.
III. Der Klassencharakter der Papen-Regierung
Das Kabinett des Herrn von Papen setzt sich bekanntlich, in der Mehrzahl aus Angehörigen des Feudaladels zusammen. Bei seiner Einsetzung spielten die Sonderwünsche gerade der am meisten verschuldeten Krautjunker eine besondere Rolle. In dem ganzen Auftreten dieser Regierung und der mit ihr verbundenen Kreise tritt ein starker Einschlag monarchistischer Tendenzen in Erscheinung. Die sozialdemokratische Führerschaft und Presse benutzt diese Tatsachen und spricht von der Papen-Regierung stets nur als dem „Kabinett der Barone“. Um so wichtiger ist es für uns, Schein und Sein der neuen Regierung scharf von einander zu trennen, ihren Klassen-Charakter völlig klarzustellen, um für den Kampf der Arbeiter die richtige Stoßrichtung zu finden.
Bezüglich der Landwirtschaft bestehen im Lager der Bourgeoisie ernste Differenzen. Es ist kein Zufall, daß es auch in der Frage des Siedlungsprogramms der Brüning und Schiele zum Konflikt mit Hindenburg kam, weil Hindenburg den extremen Standpunkt der Krautjunker und Großagrarier vertrat, die für die Aufrechterhaltung ihrer verschuldeten Rittergüter um jeden Preis kämpfen. In der Industrie gibt es demgegenüber bestimmte Tendenzen, die sich gegen die allzu kostspieligen Wünsche und Forderungen der Großagrarier die z. B. gegen die sogenannte „Autarkiebestrebungen“ der Großagrarier eingestellt sind und unter der Papen-Regierung zu weiteren Differenzen führen werden.
In der Tat hat sich beim Sturz Brünings und der Einsetzung der Papen-Regierung eine gewisse Veränderung im Rahmen der bürgerlichen Klassenherrschaft vollzogen. Die Diktatur der Bourgeoisie in Deutschland beruht auf dem Klassenbündnis zwischen dem Finanzkapital und den Großagrariern. Dieses Klassenbündnis vollzog sich in der Form, daß die Trustbourgeoisie, im Bündnis mit den Großagrariern, die Macht ausübte. Daran hat sich im wesentlichen nichts geändert. Wohl aber bringt die Papen-Regierung zum Ausdruck, daß vorübergehend die Gewichtsverteilung in disem Klassenbündnis sich ein wenig zugunsten der Großagrarier – und zwar auch der Teile des Agrarkapitals, die verhältnismäßig weniger mit dem Finanzkapital verfilzt sind – verschoben hat. Ihr Anteil an der Machtausübung ist relativ gewachsen. Das war möglich mit Hilfe der Generalskamarilla der Reichswehr, die ebenso wie Hindenburg aufs engste mit den Krautjunkern und den Großagrariern verwachsen ist.
In seinem vor kurzer Zeit veröffentlichten Gespräch mit dem bürgerlichen Schriftsteller Emil Ludwig sagte Genosse Stalin u. a.:
„Trotzdem der Feudalismus als Gesellschaftsordnung in Europa längst zertrümmert ist, leben beträchtliche Überbleibsel von ihm noch in den Sitten und Gebräuchen weiter. Aus den feudalen Kreisen gehen weiter noch Techniker, Spezialisten, Gelehrte und Schriftsteller hervor, die die Herrengebräuche in die Industrie, in die Technik, in die Wissenschaft, in die Literatur hineintragen. Die feudalen Traditionen sind nicht bis zum Ende zerschlagen“
Wie sehr diese Ausführungen Stalins zutreffen, erweist sich gerade in den jüngsten Ereignissen in Deutschland. Die Reichswehr, deren Offizierkorps fast ausnahmslos den feudalen Kreisen entstammt, ist aufs engste mit den besonderen Interessen der ostelbischen Krautjunker verbunden. Dadurch, daß die Bourgeoisie diesem wichtigsten Gewaltinstrument ihrer Klassenherrschaft und seiner Generalsspitze mehr Einfluß einräumen mußte, erweiterte sich zwangsläufig auch der Anteil der Großagrarier im Rahmen der kapitalistischen Klassenherrschaft. Die heutigen Träger der Macht sind zugleich die Verfechter einer monarchistischen Restauration. Die volle Wiederherstellung der alten Privilegien ihrer Schichten im wilhelminischen Deutschland ist ihr Ziel.
So ist es kein Zufall, daß die gegenwärtige Entwicklungsphase in Deutschland eine neue Belebung aller alten reaktionären und feudalen Gestalten und Traditionen entfesselt. Als im Jahre 1920 der monarchistische Kapp-Lüttwitz-Putsch organisiert wurde, enthielt das Ultimatum, das die auf Berlin marschierenden konterrevolutionären Truppen den Ebert-Scheidemann überreichten, vor allem folgende zwei Punkte:
1. Bildung eines Ministeriums aus „Fachleuten“ und Ernennung eines Generals zum Reichswehrminister.
  1. Sofortige Ausschreibung von Neuwahlen.
Heute finden wir dieses Programm bei der Papen-Regierung in die Tat umgesetzt. Der dritte Punkt des Ultimatums der monarchistischen Putschisten im Jahre 1920 war die Forderung nach der Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Charakteristisch ist dabei, daß damals einer der führenden Kapp-Putschisten, der Oberst Bauer, in einem Interview mit dem amerikanischen Journalisten von Wiegand die Forderung aufstellte, Hindenburg müsse zum Reichspräsidenten gewählt wenden. Heute ist Hindenburg Reichspräsident dank der gütigen Mithilfe der Sozialdemokratie und heute führt er das damalige Kapp-Lüttwitz-Programm durch. Die monarchistischen Restaurationsbestrebungen, die sich im Schoß der Kapp-Lüttwitz-Bewegung verbargen, waren damals genau so sehr mit der Person des Exkronprinzen als Thronanwärter verbunden, wie heute erneut im Lager der Reaktion, bei dem ganzen Gesindel der Junker, Barone und Generale der Gedanke auftaucht, denselben Exkronprinzen zum „Reichsverweser“*, das heißt zum Platzhalter für einen kommenden Monarchen zu machen. Die  Tatsache, daß diese monarchistischen Tendenzen mit den Bestrebungen der Hohenzollern der ehemaligen preußische Dynastie verbunden sind und vor allem von den ostelbischen Junkern ausgehen ist eine der Ursachen für die gegenwärtige Verschärfung des Gegensatzes zwischen der Papen-Regierung und den süddeutschen Länderregierungen.
Das frechere Auftreten der Monarchisten, das unverblümte Bekenntnis des sogenannten „Verfassungsministers“, des Reichsinnenministers von Gayl, zur Monarchie wird von der sozialdemokratischen Führerschaft ohne Zweifel in nächster Zeit immer stärker zu dem Versuch ausgenutzt werden, mit dem Hinweis auf die – tatsächlich vorhandene – monarchistische Gefahr die Arbeiterklasse vom Kampf gegen den Faschisimus und die bürgerliche Klassenherrschaft überhaupt abzulenken, und so die parlamentarisch-demokratischen Illusionen zu verstärken. Um so notwendiger ist es, daß wir Kommunisten diese Erscheinungen vor den Massen marxistisch beleuchten. In dem monarchistischen Säbelrasseln des Lagers der Reaktion drückt sich eben das Vorhandensein jener feudalen Traditionen aus, von denen der gesamte Herrschaftsapparat der Bourgeoisie, in Deutschland, ganz besonders der eigentliche Machtapparat, aufs stärkste durchsetzt ist und die durch das Klassenbündnis der Bourgeoisie mit den Großagrariern immer von neuem genährt werden. Die monarchistische Gefahr ist somit außerordentlich gewachsen.
Das Wichtigste für uns sind jedoch nicht die äußeren Formen und Begleiterscheinungen jener Wendung zu offen faschistischen Methoden, die die deutsche Bourgeoisie vollzieht, sondern die Tatsache dieser Wendung selbst. Daß die Junker, Barone und Freiherren wieder die Macht ausüben, daß die Erben einer verfaulten Klasse und längst untergegangenen Gesellschaftsordnung wieder emporgespült werden, ist von großer Bedeutung im Kampf gegen das Papen-Regime, berührt aber trotzdem nicht die Hauptfragen des Klassenkampfes. Das Proletariat darf nicht vergessen, daß sein Hauptfeind nicht die mittelalterlichen Raubritter oder ihre Nachkommen sind, sondern nach wie vor die Bourgeoisie, das Finanzkapital, das kapitalistische System, in dessen Dienst die Generale des Papen-Regimes genau so stehen, wie die „Frontsoldaten“ der Brüning-Ära.
Bedeutet das eine Abschwächung des Kampfes gegen die Tendenzen einer monarchistischen Restauration in Deutschland? Keineswegs. Es gilt vielmehr, durch die Beleuchtung der klassenmäßigen Zusammenhänge Klarheit darüber zu schaffen, daß auch diese Pläne nur am Klassenkampf gegen die Bourgeoisie vereitelt und nur so ihre Verfechter geschlagen werden können.
Wenn die SPD-Führer gegenüber der Papen-Regierung stets von einem „Kabinett der Barone“ sprechen, die Industriekapitäne, die Kapitalisten aber „vergessen“, so wollen sie damit die Massen täuschen und vom Klassenkampf abhalten. Um so schärfer müssen wir den Massen zeigen, daß die Papen-Regierung der Industriekapitäne, Junker und Generale eine Regierung der großkapitalistischen Diktatur ist, die die faschistische Diktatur in Deutschland unmittelbar vorbereitet und aufrichten will. Um so schärfer müssen wir klarstellen, daß es diese großkapitalistisch-faschistische Politik der deutschen Bourgeoisie ist, die die feudalen und monarchistischen Elemente wieder stärker hervortreten läßt und damit zugleich der Raffgier der Krautjunker einen weiteren Spielraum gewährt. Kein Zweifel darüber darf entstehen, daß es sich hier nicht im mindesten um eine klassenmäßige Veränderung gegenüber dem von der SPD offen gestützten Brüning-Kurs handelt.
Die neue Situation ist vielmehr durch einen entscheidenden Wechsel in den Methoden der bürgerlichen Klassenherrschaft gekennzeichnet. Auf diesem Wechsel – nicht auf den Klasseninhalt ihrer Politik – beruht der einschneidende Unterschied des Papenregimes gegenüber der Brüning-Ära.
Es gilt deshalb, bei der Beurteilung der Papen-Regierung gegen zwei Fehler zu kämpfen:
sowohl  gegen  jede  Unterschätzung  der  außerordentlich  bedeutsamen  Wendung,  die  die Bourgeoisie mit der Einsetzung der Papen-Regierung vollzogen hat, als auch gegen jede liberale Gegenüberstellung der Brüning- und Papen-Regierung.
Jede solche liberale Gegenüberstellung würde die Betrugsmanöver der Sozialdemokratie wie auch der Hitlerfaschisten erleichtern. Beide haben kein Interesse daran – die einen zur Verteidigung ihrer Brüning-Politik, die anderen im Dienste der Papen-Schleicher – die gegenwärtigen Vorgänge als einen „Systemwechsel“ auszugeben.
IV. Der faschistische Kurs der Bourgeoisie
Die Veränderung, die die Bourgeoisie in ihren Herrschaftsmethoden vollzieht und die – wie wir immer von neuem unterstreichen müssen – am Klasseninhalt der bürgerlichen Diktatur nichts ändert, ist der Übergang von jenen Herrschaftsmethoden, in denen der Massenbetrug als wichtigstes Mittel zur Verschleierung der Diktatur neben der unmittelbaren Gewaltanwendung benutzt wurde, zur offenen Gewalt als Hauptmethode.
Das XI. Plenum hat festgestellt, daß der Übergang der Bourgeoisie von den Methoden der Demokratie zu denen des Faschismus einen organischen Prozeß darstellt. Gegenüber manchen Fehlern und Überspitzungen haben wir in der deutschen Partei diese Lehre an Hand der konkreten Erfahrungen verteidigt und erhärtet. Auch in der heutigen Situation ist es von allergrößter Bedeutung für den revolutionären Klassenkampf, für eine wirklich revolutionäre Strategie der Kommunistischen Partei, als der Führerin der Arbeiterklasse, daß wir die Vorgänge im Lager der Bourgeoisie nicht oberflächlich und schematisch behandeln, sondern auf Grund einer wirklich ernsten marxistischen Analyse. Nicht die jeweilige Position dieser oder jener Partei im Rahmen der bürgerlichen Klassenfront kann für uns der Ausgangspunkt unserer Betrachtung sein, sondern die Politik der Bourgeoisie als Klasse gegenüber dem Proletariat und den übrigen werktätigen Schichten.
Der Übergang von jener Herrschaftsmethode, die sich des Betrugs der Massen zur Verschleierung der kapitalistischen Diktatur bedient, zu jener Methode, in der die offene Gewa1t die wichtigste Rolle spielt, ist weder ein einmaliger Akt, noch überhaupt ein mechanischer Wechsel in den Herrschaftsformen, sondern ein dialektischer Prozeß. Weder hat die Bourgeoisie im Zeichen der demokratischen Herrschaftsmethode auf die gleichzeitige Anwendung der unmittelbaren Gewaltmethode verzichtet, noch denkt sie daran, bei dem verstärkten Übergang zum Faschismus das Mittel des Betrugs der Massen einfach über Bord zu werfen. In der lebendigen Klassenwirklichkeit gibt es keine absoluten Formen und Grenzen, sondern stets Übergänge und Verflechtungen, sogar bei den großen geschichtlichen Umwälzungen einer Gesellschaftsordnung zur anderen. Erst recht gilt das für den Wandel in den Herrschaftsmethoden innerhalb einer und derselben Klassenherrschaft, deren Klasseninhalt unverändert bleibt.
Es ist deshalb kein Widerspruch zu unserer Charakteristik der faschistischen Papen-Regierung, wenn die Papen-Regierung der Junker, Generale und Industriekapitäne, die von der Bourgeoisie eingesetzt wurde, um die unmittelbare Aufrichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland zu betreiben, ihre Tätigkeit mit Reichstagswahlen und mit Lippenbekenntnissen zur „Verfassungstreue“ eröffnet. Maßnahmen, die zur Einschläferung und Irreführung der Massen als „Milderung“ der politischen Notverordnungen ausgegeben werden, dienen in der Tat nur der Verwirklichung der brutalsten Ausnahmebestimmungen gegen die Kommunisten oder bedeuten, wie die Reichstagsneuwahlen, eine offene Begünstigung der faschistischen Terrororganisationen des Hitlerfaschismus.
Das Wesentliche bei dem jetzigen Wechsel in den Herrschaftsmethoden der Bourgeoisie, der personell seinen Ausdruck in der Ersetzung der Brüning und Groener durch die Papen und Schleicher fand, ist diese Verschärfung der Angriffsmethoden gegenüber dem Proletariat. Die wachsende Gärung der werktätigen Massen, die Massendemonstrationen und Hungermärsche der Erwerbslosen, der Beginn einer gewissen Welle steigender Streikaktivität auch in den Betrieben, die gleichzeitige Zersetzung und Radikalisierung in der Gefolgschaft der Bourgeoisie unter den Werktätigen, die ihren Ausdruck im völligen Verschwinden der alten bürgerlichen Parteien, im Niedergang der Sozialdemokratie und in der, wenn auch noch ungenügenden Festigung der revolutionären Bewegung findet, zwingt die Bourgeoisie zu den brutalsten Methoden gegenüber der Arbeiterklasse.
Will sie angesichts, der wachsenden Schwierigkeiten und der Verschärfung der Krise ihre räuberischen Pläne gegenüber der Radikalisierung der Massen durchsetzen, ihren Kampf um den kapitalistischen Ausweg aus der Krise fortführen und den Massenwiderstand brechen, so genügen nicht mehr die Methoden einer Diktatur, die sich vor allem des Massenbetrugs und daneben der Gewalt bediente, sondern die offene und brutale Gewalt einer kaum mehr verhüllten Diktatur wird zur zwingenden Notwendigkeit. Insofern erwächst diese höhere Phase der Entwicklung zum Faschismus auch aus der gesteigerten Zersetzung der bürgerlichen Ordnung und dem wachsenden Kampfeswillen, der steigenden Empörung und Gärung der Massen.
Aber andererseits drückt sich in dieser Politik der Bourgeoisie vor allem auch die Tatsache aus, daß sich die Bourgeoisie, getragen von einer Millionenbewegung des Faschismus, stark genug fühlt, ihre konterrevolutionären Anschläge gegen die Arbeiterklasse durchzuführen. Diese Tatsachen müssen wir klar und nüchtern erkennen. Von der chauvinistisch-nationalistischen Welle wurde die Hitlerpartei emporgetragen. Und eben diese chauvinistische Welle mit ihrem riesigen Anwachsen der faschistischen Bewegung wird von der Bourgeoisie als Rückendeckung für ihre Anschläge gegen das revolutionäre Proletariat ausgenutzt.
Diese Anschläge bilden den Grundgehalt ihrer faschistischen Politik. Das Programm der Kommunistischen Internationale bezeichnet die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen als die „Hauptaufgabe des Faschismus“. Die Thesen des Plenums des EKKI formulieren noch schärfer, daß die faschistische Diktatur „auf dem Wege der Zerschlagung der Arbeiterorganisationen“ errichtet wird. Wenn wir deshalb die Papen-Regierung bezichtigen, daß sie die unmittelbare Aufrichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland betreibt, so bedeutet das völlige Klarheit über die Pläne dieser Regierung gegenüber den proletarischen Klassenorganisationen.
Die Hauptaufgabe dieses Kabinetts, der Hauptauftrag, der ihm vom Finanzkapital zuteil wurde, ist der Versuch, die revolutionäre Arbeiterbewegung zu zerschmettern. Die politische Notverordnung mit ihren unverhüllten Ausnahmebestimmungen gegen die KPD war der erste offen faschistische Schritt auf diesem Wege. Über die unmittelbar drohenden Verbotsmaßnahmen gegen bestimmte revolutionäre Organisationen, den Kampfbund gegen den Faschismus, den Kommunistischen Jugendverband usw. hinaus, beabsichtigt die Regierung ein direktes Verbot der Kommunistischen Partei und aller revolutionären Organisationen.
Auch die Reichstagswahlen sollen in den Dienst dieses Anschlages treten, indem der von der Papen-Regierung erhoffte und mit größtem Aufwand begünstigte „Wahlsieg der Nazis“ einen erneuten Freibrief für weitere faschistische Anschläge auf die Arbeiterklasse liefern soll Insofern erinnern die jetzigen Reichstagswahlen, wenn man eine etwas gewagte geschichtliche Parallele ziehen will, an die Attentatswahlen Bismarcks im Jahre 1878, die zur Vorbereitung des Sozialistengesetzes dienten. Damals die verlogene Attentatshetze gegen die Sozialdemokratie nach den Schüssen von Hödel und Nobiling auf Wilhelm I., heute die chauvinistisch -nationalistische Welle, die Welle des Hurra-Patriotismus, mit deren Hilfe die Massenstimmung zugunsten der faschistischen Pläne des Finanzkapitals und der mit ihm verbündeten Junker aufgeputscht und die faschistische Terrororganisation als wichtigste Massenbasis der Papen-Regierung erneut gestärkt werden soll.
V. Faschistische Diktatur und Kriegspolitik
Die Politik der brutalen Unterdrückung der Arbeiterklasse, des faschistischen Angriff auf die Arbeiterorganisationen steht im engsten Zusammenhang mit der verschärften Kriegspolitik der deutschen Bourgeoisie. Die festere und endgültige Eingliederung in die Antisowjetfront, die sich aus der französischen Orientierung der Papen-Regierung ergibt, macht die geplanten Anschläge auf die Kommunistische Partei und die revolutionären Massenorganisationen zu Handlungen, die gleichzeitig der unmittelbaren Kriegsvorbereitung dienen. In der gleichen Richtung liegen die Pläne zur Militarisierung der Jugend durch Einführung der Arbeitsdienstpflicht. Die Papensche Außenpolitik einer Kapitulation vor dem französischen Imperialismus bedeutet ja keine Zurückstellung der imperialistischen Machtgelüste der deutschen Bourgeoisie, sondern ist mit den Tendenzen der Aufrüstung im Innern aufs engste verbunden. Zu gleicher Zeit, wie die Papen-Regierung in Lausanne erneut die Unterwerfung der deutschen Werktätigen unter das Versailler Diktat betreibt, leiten die deutschen Militaristen in der Frage der Ostgrenzen einen aktiven imperialistischen Kurs ein, der die drohende Gefahr kriegerischer Abenteuer gegenüber Polen heraufbeschwört und aufs äußerste verschärft. Die Gefahr dos Krieges verschiedener imperialistischer Mächtegruppierungen untereinander, mit Einschluß, ja – aktiver Rolle Deutschlands ist mächtig gewachsen, wodurch auch die Gefahr des Interventionskrieges gegen die Sowjetunion heftig verstärkt wird.
Die Kriegspolitik der deutschen Bourgeoisie gewinnt um so größere Bedeutung, als sich durch die gesamte internationale Entwicklung in der Frage des Kriegsschauplatzes des kommenden Interventionskrieges gegen die Sowjetunion eine bestimmte Verschiebung anbahnt. Während sich in diesem Frühjahr die Bedrohung der Sowjetunion durch den Weltimperialismus in erster Linie vom Fernen Osten her verstärkte, ballt sich nunmehr die imperialistische Kriegsgefahr im Zusammenhang mit der Entwicklung in Deutschland ebenfalls im Westen der Sowjetunion immer drohender zusammen, ohne daß dadurch die Bedeutung der mandschurischen Vorgänge in den Hintergrund rückt.
Gerade weil der räuberische japanische Imperialismus seine Kräfte unterschätzt und auf einen größeren Widerstand der chinesischen Werktätigen und stärkere imperialistische Komplikationen gestoßen ist, als die japanischen Imperialisten vorausgesehen hatten, wird die Kriegspolitik der deutschen Bourgeoisie zu einer um so bedeutungsvolleren Gefahr. Die chauvinistische Welle in Deutschland und die offene Kriegshetze des Hitlerfaschismus gegen die Sowjetunion tragen dazu bei, diese Gefahr noch zu steigern.
VI. Der neue Fußtritt für die SPD
Die stärkere Bindung der faschistischen Kampf- und Terrororganisation des Finanzkapitals, der nationalsozialistischen Partei an das Regierungssystem ist ein Bestandteil der geplanten Gewaltpolitik der Bourgeoisie überhaupt. Was sich im Zeichen der Papen-Schleicher-Regierung heute vollzieht, ist die Fortsetzung und Krönung eines bestimmten Prozesses, der mit der gesamten Entfaltung der Krise seit 1929 zusammen fallt. Ende 1929, als der ehemalige Reichsbankpräsident Schacht seine Vorstöße zur Unterminierung der Hermann-Müller-Regierung unternahm und zunächst Hilferding zu Fall brachte, dann im Frühjahr 1930, als die Bourgeoisie mit dem Sturz der Hermann-Müller-Regierung der Sozialdemokratie den ersten Fußtritt versetzte, begann diese Entwicklung, die danach in den mehr als zwei Jahren der Brüning-Ära ihren Fortgang nahm. Mit Recht charakterisierte die KPD das Brüning-Regime und seine Politik als die Politik der Durchführung der faschistischen Diktatur in Deutschland. Bei dieser Politik bediente sich die Bourgeoisie wechselseitig der Sozialdemokratie und der Hitlerpartei. Der erste Fußtritt für die SPD hatte diese aus der Regierungsteilnahme im Reich entfernt, beließ sie jedoch in der Position einer „stillen“, tolerierenden Koalitionspartei, die zugleich in Preußen und anderen Ländern unmittelbar und offen an der Machtausübung beteiligt wurde. Mit der neuesten Wendung ist diese Entwicklung der Politik der Bourgeoisie, die im Frühjahr 1930 begann, in eine höhere Phase, in das Stadium der unmittelbaren Aufrichtung der faschistischen Diktatur umgeschlagen. Die Sozialdemokratie wird dabei im Reichsmaßstabe sogar aus der Position einer parlamentarischen Tolerierungspartei, einer parlamentarischen Stütze der Regierung entfernt, und soll auch in Preußen ausgeschifft werden.
Zu gleicher Zeit vollzieht sich in stärkerem Maße die Heranziehung und offene Eingliederung der Hitlerpartei, auf die wir noch ausführlicher eingehen werden, in das Regierungssystem der Bourgeoisie. In der wechselseitigen Ausnutzung der Sozialdemokratie und der Hitlerpartei durch die Bourgeoisie ist also eine bestimmte, Veränderung eingetreten.
Diese Veränderung müssen wir mit großem Ernst untersuchen, um falsche, opportunistische Schlußfolgerungen zu vermeiden. Es ist keineswegs so, daß einfach die Nazis die SPD. „ablösen“, daß die SPD als ein unbrauchbar gewordenes Instrument von der Bourgeoisie in die Ecke gestellt wird, daß „der Mohr seine Schuldigkeit getan hat und nun gehen kann“. Das wäre eine mechanische und undialektische Betrachtungsweise und eine grobe Unterschätzung der heutigen Rolle der Sozialdemokratie in Deutschland.
Solche falschen Auffassungen tauchen vereinzelt in der mit uns sympathisierenden proletarischen Presse, teilweise sogar in unserer eigenen Parteipresse und Parteiorganisation auf. Zwei Tage nach der Preußenwahl veröffentlichte die Zeitung „Berlin am Morgen“ einen Leitartikel in ihrer Nummer vom 26. April, in dem es hieß:
„Die Sozialdemokratie hat ihre Schuldigkeit getan, sie kann gehen. Die Nationalsozialisten werden die Hauptstütze der kapitalistischen Diktatur.“
Über die weitere Rolle der Sozialdemokratie enthielt der Artikel keine Silbe. Im Gegenteil, Aus der bloßen Tatsache, daß das Zentrum, die bisherige Koalitionspartnerin der SPD, nunmehr die Koalitionsverhandlungen mit den Nazi aufnahm, wurde geschlußfolgert, die sozial demokratischen Arbeiter seien bereits „zurückgeworfen auf ihre Klassenfront“ Es ist klar, daß das Eindringen solcher Illusionen in die Reihen des revolutionären Proletariats eine große Gefahr bedeuten würde. Tatsächlich findet sich auch in einem Artikel des Zentralorgans unserer Partei selber, in der „Roten Fahne“ vom 8. Juni, die folgende Formulierung:
„Eine wesentliche innerpolitische Stütze dieser Regierung (der Papen Regierung. E. Th.), innerhalb der Arbeitermassen ihre soziale Hauptstütze, ist nach wie vor die Führerschaft der Sozialdemokratie.“
Hier tritt eine bestimmte opportunistische Entgleisung in der Bewertung der Sozialdemokratie zutage, wobei nicht einmal der Begriff „soziale Hauptstütze“ richtig angewandt wird. – Nicht – wie es das XI. Plenum feststellte – die Sozialdemokratie als ganz es mit ihrer Politik wird als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie bezeichnet, sondern nur noch „die Führerschaft der Sozialdemokratie“. Das läuft auf die Konstruktion des „linken“ Sozialfaschismus hinaus, wonach bei einer Beseitigung der „schlechten Führer“ die“ Sozialdemokratie mit einem Male wieder eine proletarische Partei, eine Klassenorganisation der Arbeiterklasse werden könnte. Diese Verwischung der klaren und unmißverständlichen Formulierungen des XI Plenums ist verbunden mit einer Unterschätzung der Größe und der Schwierigkeiten der Aufgabe, die sozialdemokratischen Arbeiter für den revolutionären Klassenkampf zu gewinnen und die SPD zu isolieren. Es ist deshalb kein Zufall, wenn die „Rote Fahne“ in einem anderen Artikel am 2. Juni schrieb:
„Zwischen uns und den sozialdemokratischen Arbeitern steht im wesentlichen die Frage, wie kämpfen und beseitigen wir das kapitalistische System. Die sozialdemokratischen Arbeiter glauben noch an eine Nützlichkeit der demokratischen Spielregeln für das Proletariat.“
Auch diese Behauptung ist nicht zutreffend. Wenn es keine größeren und wesentlicheren Hindernisse für die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse geben würde – und die Gewinnung der sozialdemokratischen Arbeiter ist ja ein entscheidender Teil dieses Kampfes um die proletarische Mehrheit -, dann wäre die Lösung unserer strategischen Hauptaufgabe verhältnismäßig einfach. Aus einer solchen Verkleinerung der Schwierigkeiten im Kampfe gegen die SPD, aus einer solchen Überschätzung der Bedeutung der Sozialdemokratie und ihrer heutigen Rolle für die bürgerliche Klassenherrschaft, ja, aus einer solchen rechtsopportunistischen Verwischung der Rolle des Sozialfaschismus würde sich in der Praxis konsequenterweise eine Änderung unserer Strategie in der Richtung der Abschwächung unseres prinzipiellen Kampfes gegen dir Sozialdemokratie ergeben. Mit aller Schärfe müssen wir aussprechen, daß die Partei an eine solche Änderung nicht denkt, sondern ihre Generallinie entschlossen gegen alle Abweichungen sichert. Es gilt, in den Reihen unserer Partei bis zum letzten Mitglied eine völlige Klarheit in diesen Fragen herbeizuführen.
Wir haben gesehen, daß die Bourgeoisie in dem gleichen Maße, in dem sie von den „demokratischen“ und faschistischen Herrschaftsmethoden überging, die Sozialdemokratie erst aus der Reichsregierung und neuerdings auch aus der parlamentarischen „Tolerierungsposition“ verdrängte. Was drückt sich in diesem Prozeß aus? Hat sich etwa die Sozialdemokratie wesentlich gewandelt und ist sie dadurch für die Bourgeoisie ein nicht mehr so brauchbares Instrument geworden? Das war eine völlig falsche Begründung. Tatsächlich hat sich in dieser ganzen Periode der Faschisierungsprozeß der Sozialdemokratie als Partei fortentwickelt. Die Politik der SPD-Führer ist ständig reaktionärer und faschistischer, der Zwiespalt zwischen der Masse der sozialdemokratischen Arbeiter und ihren Führern immer größer geworden. Die Feststellung des XI. Plenums über die Rolle der Sozialdemokratie als den „aktivsten Faktor“ der Faschisierung in Deutschland war – wie der ganze Verlauf des Jahres 1931 und die weiteren Ereignisse bis zur Hindenburgwahl 1932 gezeigt haben -, vollständig richtig. Und es ist klar, daß die Sozialdemokratie durch den neuen Fußtritt der Bourgeoisie mit dem Beginn der Papen-Ära nicht um ein Haar „besser“, nicht um ein Haar weniger arbeiterfeindlich geworden ist.
Im Gegenteil: Die Faschisierung der SPD und ihrer Politik hat nicht nur dem Hitlerfaschismus den Weg gebahnt, sondern ist auch heute noch eine der Voraussetzungen für den jetzigen Kurs der Bourgeoisie, der mit der offenen Heranziehung der nationalsozialistischen Kampf-und Terrororganisation des Finanzkapitals verbunden ist. Gerade weil die Bourgeoisie sich der Sozialdemokratie vollkommen sicher ist, kann sie einen Kurs einschlagen, der darauf verzichtet, der SPD-Führerschaft für ihre weiteren Dienste nennenswerte Entlohnung zuzuwenden. Die Pfründen im Staatsapparat, die bisher einer bestimmten arbeiteraristokratischen Oberschicht von der Bourgeoisie eingeräumt wurden, werden in stärkerem Maße wieder von den Angehörigen der herrschenden Klasse selbst und ihren nationalsozialistischen Trabanten mit Beschlag belegt. Die Bourgeoisie ist sich darüber klar, daß die sozialfaschistische Führerschaft auch unter Fußtritten ihre Dienste für das kapitalistische System fortsetzen wird.
VII. Über die Rolle der Parteien im System der bürgerlichen Klassenherrschaft
Wir haben in der ganzen Periode der Faschisierung wiederholt darauf hingewiesen, daß der Einsatz der einen der beiden Stützen der bürgerlichen Klassenherrschaft, der SPD und der Hitlerpartei, die Bourgeoisie die Ausnutzung der anderen nicht ausschließt, sondern daß hier eben gerade eine gewisse Wechselseitigkeit, ein Zusammenspiel trotz schärfsten Konkurrenzkampfes besteht. Ohne ein richtiges Verständnis für diese dialektischen Wechselwirkungen und für die Beziehungen zwischen dem Finanzkapital und den verschiedenen Parteien der Bourgeoisie ist es unmöglich, ein klares Bild über die Vorgänge im Lager der Bourgeoisie zu gewinnen.
Vielfach finden wir auch in unserer Presse eine einfache, schematische Identifizierung bestimmter Klassen und gesellschaftlicher Gruppen mit den verschiedenen politischen Parteien. Eine solche undialektische Betrachtungsweise führt dazu, zwischen den verschiedenen Gruppen der herrschenden Klasse und den einzelnen Parteien feste Verbindungen zu unterstellen, die in Wirklichkeit nicht bestehen. Geht man aber von einer solchen falschen Voraussetzung aus, so begeht man den Fehler, den Konkurrenzkampf der Parteien untereinander, z. B. den Konkurrenzkampf zwischen Faschismus und Sozialfaschismus, als einen Kampf verschiedener Klassengruppierungen aufzufassen und dadurch das wirkliche Bild der Klassenfront zu verfälschen. Man vergißt und verschleiert dann die Tatsache, daß sämtliche bürgerlichen Parteien – einschließlich des „gemäßigten Flügels“ des Faschismus, der Sozialdemokratie – Instrumente der herrschenden Klasse sind, deren sie sich, je nach ihrem Klasseninteresse, in den verschiedenartigsten Funktionen bedient.
Andererseits hebt auch dieses Verhältnis zwischen der herrschenden Klasse und den bürgerlichen Parteien nicht das „Eigenleben“ dieser Parteien auf, das eben in ihrem Konkurrenzkampf untereinander den schärfsten Ausdruck findet. Dieses Eigenleben widerspiegelt zwar gewöhnlich Differenzierungen innerhalb der herrschenden Klasse, die bisweilen auch eine bestimmte ökonomische Basis haben, ist jedoch nicht in irgendeiner festen Form unveränderlich an solche Klassengruppierungen gebunden. Dennoch können es diese Differenzen – theoretisch gesehen – mit sich bringen, daß der Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Parteien, bis zu den höchsten Formen bewaffneter Auseinandersetzungen und gegenseitigen blutigen Verfolgungen ausartet.
Wenn der Polizeivizepräsident Weiß im Reichstag den Gummiknüppel seiner Schupo gegen nationalsozialistische Abgeordnete zur Anwendung bringen läßt, so tut er das im Rahmen seiner Funktion, die er voll und ganz im Dienste des Finanzkapitals, im Dienste; der kapitalistischen Ordnung ausübt.
Wenn die Nationalsozialisten ihrerseits für den Fall ihrer uneingeschränkten Machtergreifung demselben Polizeivizepräsidenten ankündigen, daß sie ihn an die Laterne knüpfen wollen, so würden sie das gegebenenfalls genau ebenso im Rahmen ihrer Machtausübung vollführen, die voll und ganz im Dienste des Finanzkapitals, im Dienste der kapitalistischen Ordnung vollzogen würde.
Die einen wie die Anderen verfechten die Interessen der Bourgeoisie, Daß sie sich dabei gegenseitig bekämpfen, daß die Nationalsozialisten sogar entschlossen sind, z. B. auch die reformistischen Organisationen nach den revolutionären Organisationen des Proletariats zu zerschlagen, und daß sogar die Papen-Regierung möglicherweise damit schon gegenüber den sozialdemokratischen Freidenkern beginnen wird, – ändert nicht das mindeste an dieser Übereinstimmung im Klasseninhalt ihrer Politik. Man muß erkennen, daß gerade dieses gegenseitige Sichprügeln oder „Aufhängen“ oder sogar in bestimmten Situationen diese bewaffneten Auseinandersetzungen von der Bourgeoisie auch zu dem Versnob ausgenutzt werden, die Massen zu täuschen und für. die eine oder andere Stütze ihrer Klassenherrschaft einzuspannen.
VIII. Die SPD bleibt die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie
Wenn gegenwärtig die deutsche Bourgeoisie bei der wechselseitige Ausnutzung ihrer verschiedenen Stützen umdisponiert, so bedeutet das – wie wir sahen – keineswegs, daß einfach die Nationalsozialisten an die Stelle der Sozialdemokratie treten. Auch das wäre theoretisch denkbar, wenn die Hitlerpartei in der voll entfalteten faschistischen Diktatur nach Zerschlagung auch der reformistischen Organisationen einen riesigen Teil der Arbeiterklasse an sich fesseln könnte, wenn die SPD zur Bedeutungslosigkeit im Proletariat herabsinken würde, ohne das wir Kommunisten imstande wären, ihre Massen zu gewinnen. Das wäre ungefähr der italienische Fall. In Deutschland mit seinem riesigen Industrieproletariat und seiner starken Kommunistischen Partei ist eine solche Perspektive schon auf Grund der ganzen objektiven Vorbedingungen selbst theoretisch unwahrscheinlich. Praktisch hängt es selbstverständlich von unserem Kampf, von unserer richtigen Strategie und unseren richtigen Methoden ab, eine solche Gefahr durch die größte Kühnheit des revolutionären Klassenkampfes und Entfaltung aller antifaschistischen Kräfte der Massen zu bannen.
Wie ist die Lage aber heute? Die Sozialdemokratie beherrscht nach wie vor in entscheidendem Matte diejenigen Teile der Arbeiterklasse, die von der revolutionären Bewegung noch nicht erfaßt sind, vor allem einen überwiegenden Teil der Betriebsarbeiterschaft. Zwar ist die Hitlerpartei auch in das Proletariat, vor allein unter den Erwerbslosen und bei gewissen rückständigen Schichten eingedrungen. Aber der proletarische Anhang der Nationalsozialisten ist nach wie vor nicht so bedeutungsvoll, daß er vom Standpunkt der Erhaltung der kapitalistischen Klassenherrschaft beispielsweise einen „Ersatz“ für die über 4 Millionen bilden könnte, die im ADGB zusammengefaßt sind und zusammen mit den Mitgliedern anderer reformistischer Massenorganisationen von den Reformisten zugunsten der Bourgeoisie eingespannt werden.
Faßt man diese Tatsache ins Auge, so ergibt sich daraus, daß nach wie vor die SPD die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie darstellt. Einer de Führer des ADGB hat einmal den Ausspruch getan, daß sich „gegen die Gewerkschaften“ keine Regierung in Deutschland 24 Stunde halten könne. Das ist natürlich nur indirekt richtig, aber es kennzeichnet die Rolle der SPD- und ADGB-Führer auch gegenüber der Papen-Regierung. Würden an einem von uns geführten politischen Massenstreik die gesamten in den Organisationen des ADGB erfaßten Massen teilnehmen, so könnte schwerlich, trotz Reichswehr und Schupo, die Papen-Regierung einem solchen politischen Massenstreik oder gar Generalstreik standhalten.
Mit anderen Worten: Auch die Papen-Regierung existiert mit Hilfe der SPD. Sie existiert dank der Tatsache, daß die SPD und der ADGB heute noch zahlreiche Millionen von Arbeitern, darunter sehr entscheidende Schichten des Proletariats, bindet, aus der revolutionären Klassenfront fern hält und gegebenenfalls sogar aktiv gegen den revolutionären Klassenkampf einsetzt.
Selbstverständlich gibt es für uns keinen Zweifel, daß die ADGB-Bürokratie und SPD-Führerschaft von dieser Politik unter keinen Umständen abgehen werden. Im Gegenteil: Schon heute beginnt die SPD mit neuen Betrugsmanövern zugunsten der Papen-Regierung zu arbeiten. Ihre freche Hetze gegen die Kommunistische Partei, gegen unser angebliches „aberwitziges Gerede vom Generalstreik“ zeigt, wie sehr die berufsmäßigen Arbeiterverräter vor dem wirklichen Massenkampf des Proletariats gegen die faschistische Bourgeoisie zittern. So leitet die SPD neue Betrugsmanöver großen Schlages ein: Nicht der Massenkampf, nicht Demonstrationen, Streiks, politischer Massenstreik, sondern der „Stimmzettel“ sei das Kampfmittel, um die Aufrichtung der faschistischen Diktatur aufzuhalten. Dieser Betrug ist um so frecher, als die SPD-Arbeiter eben erst dreimal von der SPD zur Wahlurne geschleift werden, mit dem gleichen verlogenen Versprechen, durch den Stimmzettel könne „der Faschismus geschlagen“ werden. Zu gleicher Zeit bemüht sich die SPD bereits, die Papen-Regierung als ein „kleineres Übel“ gegenüber einer reinen Nazi-Regierung auszugeben und damit die alte Betrugsmethode in die neue Situation hinüberzuretten.
Die Faschisierung der Sozialdemokratie zeitigt eine bunte Skala der vielfältigsten Methoden und Erscheinungen. Von den Spitzen der Sozialdemokratie passen sich gewisse Teile den neuen Bedingungen der faschistischen Herrschaftsformen bereits so weitgehend an, wie es ihnen D’Aragona in Italien vormachte: sie laufen wie der ehemalige Regierungspräsident Grützner, wie der frühere preußische Innenminister Waentig und andere ziemlich direkt zur Hitlerpartei über. Hörsing, der ehemalige Reichsbannerführer, zieht einen „eigenen Laden“ auf, wobei er gleichfalls schon eine verhältnismäßig offen faschistische Sprache spricht. So geht es weiter bis zu den „linken“ SPD-Filialen, der SAPD und dem Brandlergrüppchen, die sich als gefährlichste Zersetzungsfaktoren der proletarischen Einheitsfront ihr Verdienst um die Bourgeoisie und den Faschismus erwerben. In so verschiedenartigen Formen spielt sich der sozialfaschistische Massenbetrug im Stadium des heftig verschärften Klassenkampfes ab.
Die Tatsache, daß die Preußenregierung Braun-Severing als sogenannte „geschäftsführende Regierung“ ihre eigene Notverordnungspolitik fortsetzt und die Notverordnungen der Papen-Regierung durchführt, ist ein Beweis mehr dafür, daß die SPD sich in ihrer praktischen Politik keineswegs von der Praxis des Papen-Regimes unterscheidet. Während auch die sozialdemokratischen Arbeiter den außerparlamentarischen Massenkampf gegen das Papen-Regime und gegen den Hitlerfaschismus immer stärker als einzigen Weg zu erkennen beginnen, kennt die SPD als Partei nur ein Ziel: diesen Massenkampf mit allen Mitteln zu vereiteln!
Das alles ist es, warum wir nach wie vor mit vollem Recht von der Sozialdemokratie als der sozialen Hauptstütze des Bourgeoisie sprechen und unsere Strategie von dieser Erkenntnis leiten lassen.
IX. Die heutige Rolle der Hitlerpartei
Wie steht es andrerseits mit der Hitlerpartei? Wir haben schon auf dem XI. Plenum der EKKI darauf hingewiesen, daß in dem Maße, wie die Bourgeoisie zu der unmittelbaren Gewaltanwendung und offenen Diktaturmethoden übergeht, die Hitlerpartei für diese besonderen Zwecke der gewaltsamen Niederwerfung des Proletariats das geeignetere Instrument im Dienste des Finanzkapitals darstellt und deshalb offener als Regierungspartei eingesetzt werden würde. Dieser Kurs wird in der Tat jetzt von der Bourgeoisie und dem reaktionären Lager der Junker und Generale eingeschlagen.
Nichtsdestoweniger war die Hitlerpartei als die Terror- und Kampforganisation des Finanzkapitals, von diesem selbst organisiert und großgezüchtet, schon in der Brüning-Ära voll und ganz ein Bestandteil des Herrschaftssystems der Bourgeoisie. Damals lag ihre Scheinopposition gegen die Brüning-Regierung als Voraussetzung für das große Wachstum dieser faschistischen Massenpartei durchaus im Interesse der Brüningpolitik der Durchführung der faschistischen Diktatur. Heute liegt genauso die Scheinopposition der SPD im Interesse der verschärften faschistischen Politik der deutschen Bourgeoisie, weil durch ihre Scheinopposition und ihre betrügerischen Einheitsfrontmanöver die Sozialdemokratie unserem revolutionären Ansturm stärkeren Widerstand entgegensetzen kann.
Trotz jener Scheinopposition der Nationalsozialisten gegen Brüning bildete der faschistische Mordterror durch seine Ablenkung der Arbeitermassen vom Klassenkampf, als eine Methode der Einschüchterung oder der Provokation und der Verschleierung der eigenen großkapitalistischen Politik der Hitlerpartei, schon in der Vergangenheit eine wichtige Unterstützung für Brünings Notverordnungsdiktatur.
Heute, wo das Finanzkapital mit den Junkern und Generalen die Aufrichtung der faschistischen Diktatur unmittelbar betreibt, wird die Terror- und Kampforganisation der Bourgeoisie selbst auch unmittelbar und fast offen als Stütze an die Regierung herangezogen. Wenn die Hitlerpartei dabei nicht sofort Ministersätze – sei es im Reich oder in Preußen erhält, so soll diese Taktik der Bourgeoisie sowohl der SPD ihren Massenbetrug erleichtern, wenn sie die Papen-Regierung als „kleineres Übel“ gegenüber einer direkten Hitlerregierung ausgibt, als auch die Hitlerpartei selbst vor Zersetzung bewahren, ihre Verantwortung für das herrschende System verschleiern und so diese Waffe der Bourgeoisie für ihren Terrorkurs gegen das Proletariat intakt erhalten. In jedem Fall liegt es im Rahmen dieser Politik, die Hitlerpartei für die nächste Zeit feit und offen an das Regierungssystem zu binden. Die Freigabe der SA und ihre beginnende Eingliederung in den legalen Machtapparat der Bourgeoisie geht Hand in Hund mit einer neuen riesigen Welle des faschistischen Mordterrors, die auf den entschlossenen Widerstand der Arbeiterschaft stößt Die bewaffnete Konterrevolution als Massenbewegung, wie sie sich in der Hitlerorganisation verkörpert, und ihr schrankenloser Einsatz ist eine Voraussetzung für den Versnob, die Freiheit der Arbeiterorganisationen zu zerstören. Aber auch für ihre aktivere imperialistische Kriegspolitik nach außen, für ihre Militarisierungs- und Aufrüstungspläne im Inneren braucht die Bourgeoisie ihre offen chauvinistisch-nationalistische Kampforganisation als unmittelbare Massenbasis, ohne deshalb auf die SPD in einer anderen Funktion, zu verzichten.
Das, was sich jetzt in Deutschland abspielt, ist die Verwirklichung jener Politik, die Hugenberg als Führer der Deutschnationalen und als Einpeitscher des faschistischen Kurses seit jeher anstrebte. Hugenbergs Politik, die er unter teilweiser Zerschlagung der eigenen Partei durchsetzte, um sich durch wachsende Einflußnahme auf die Hitlerpartei in der nationalsozialistischen Bewegung eine desto breitere Massenbasis zu schaffen, hat im Papen-Regime ihre reale Durchführung gefunden. Diese Politik, wie sie von den klassenbewußtesten, extremen Vertretern des Finanzkapitals verfochten wird, entspricht jedoch nicht den Wünschen der gesamten Bourgeoisie. Die Scheinopposition des Zentrums ist zwar in erster Linie ein raffiniertes Wahlmanöver, da; zugleich die Vorbereitung offener Koalitionsverhandlungen zwischen Zentrum und Nazis verschleiern soll. Aber gleichzeitig drückt diese Stellungnahme des Zentrums und seiner süddeutschen Filiale, der Bayerischen Volkspartei, die Unzufriedenheit eines Teils der deutschen Bourgeoisie mit der Verwirklichung des Hugenbergkurses aus. Der Vorstoß der süddeutschen Ministerpräsidenten in Gemeinschaft mit dem Zentrumsmann Hirtsiefer als Vertreter der Preußenregierung gegen das Papenkabinett war eine solche deutliche Demonstration des Zentrums, das seine Ansprüche anmeldet. Diese Differenzen, die im Lager der Bourgeoisie seit Jahren bestehen, und auch mit dem Regierungsantritt des Kabinetts der Industriekapitäne, Junker und Generale noch keineswegs endgültig ausgetragen sind, betreffen im Grunde ausschließlich die Frage, in welchem Tempo und mit welchen Methoden die Faschisierung der bürgerlichen Diktatur in Deutschland vollzogen werden soll. Während die Hugenberg-Papen-Hitler-Politik die unmittelbare Aufrichtung der faschistischen Diktatur unter Zerschlagung auch der alten Massenorganisationen, wie der reformistischen und zum Teil auch der christlichen Gewerkschaften betreibt, verficht das Zentrum den anderen, weniger gefährlichen, dafür langwierigen Weg, bei dem gerade diese Organisationen als ein wichtiges Mittel benutzt werden sollen, um die Massen an die, faschistische Politik der Bourgeoisie zu ketten.
Mit der gegenwärtigen Scheinopposition des Zentrums hält die Bourgeoisie die Karte zurück, die sie ausspielen will, falls die Durchsetzung des offen faschistischen Kurses mit den Methoden der Papen-Schleicher-Hitler-Regimes in den nächsten Monaten eine allzu starke Belastungsprobe für die bürgerliche Klassenherrschaft ergeben sollte. Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß schon nach den Reichstagswahlen das Zentrum gleichfalls den Kurs im verhüllter faschistischer Methoden einschlagen und die offene Regierungsgemeinschaft mit den Nationalsozialisten eingehen könnte.
X. Unsere revolutionäre Strategie
Welche Schlußfolgerungen ergeben sich aus der vorstehenden Analyse der heutigen Situation für unsere Strategie und Taktik? Das Ziel unseres Kampfes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Beseitigung der Diktatur der Bourgeoisie in allen ihren Formen. Das bedeutet konkret in der gegenwärtigen Situation, daß wir unseren Kampf mit dem Ziel führen, die Papen-Regierung mitsamt ihrer faschistischen Kampf- und Terrororganisation, der Hitlerpartei, vernichtend zu schlagen, und daß wir alle Kräfte auf dieses Ziel konzentrieren. Welche Strategie müssen wir in diesem Kampf gegen den Hauptfeind, die Bourgeoisie, anwenden? Wir müssen die entscheidenden Schichten der Klasse gewinnen, die allein „bis zu Ende revolutionär“ und damit berufen ist, dieses Ziel, den Sturz des Kapitalismus, als führende Kraft zu erkämpfen: das ist die Arbeiterklasse!
Wir müssen also mit anderem Worten unverändert an unserer strategischen Hauptaufgabe festhalten, wie sie zuletzt entsprechend der Linie der Kommunistischen Internationale das Februarplenum des Zentralkomitees 1982 in seinen Beschlüssen formulierte: Gewinnung der Mehrheit der Arbeiterklasse für den Kampf um die Eroberung der politischen Macht.
Was ergibt sich aus dieser Aufgabenstellung? Wir müssen, ohne die leisesten Konzessionen an irgendwelche sozialdemokratischen Betrugsmanöver oder opportunistischen Tendenzen, auf der Linie dieser unserer Klassenpolitik in der neuen Situation erst recht die Strategie des Hauptstoßes gegen die Sozialdemokratie innerhalb der Arbeiterklasse anwenden. Was bedeutet das? Unser Kampf für die Beseitigung der bürgerlichen Diktatur macht es zur unerläßlichen Pflicht, Millionen Arbeiter der SPD und des ADGB durch die energische Konzentration unserer Arbeit auf die Betriebe für den antifaschistischen und antikapitalistischen Kampf gewinnen.
Solange sie nicht vom Einfluß der sozialfaschistischen Führer befreit sind, sind diese Millionen Arbeiter für den antifaschistischen Kampf verloren. Deshalb bleibt nach wie vor die Isolierung der SPD und der ADGB-Führer in der Arbeiterklasse unsere wichtigste strategische Aufgabe. Denn diese Isolierung der Sozialfaschisten ist ja gleichbedeutend mit der positiven Aufgabenstellung, die Mehrheit der Arbeiterklasse für den Kampf um die Eroberung der politischen Macht zu gewinnen.
Nichts hat sich an dieser unserer prinzipiellen Orientierung geändert. Allen denen, die auf eine opportunistische Wendung, einen Frontwechsel, eine Rechtsschwenkung der KPD spekulieren, müssen wir durch unsere revolutionäre Praxis das Handwerk legen.
XI. „Blockbildung“ oder Einheitsfront von unten!
Diese strategische Orientierung des Hauptstoßes gegen die Sozialdemokratie innerhalb der Arbeiterklasse bedeutet nicht im mindesten eine Abschwächung des Kampfes gegen den Hitlerfaschismus, wie die Verleumder der Kommunistischen Partei vom Schlage Leo Trotzkis mit Vorliebe behaupten. Sie ist im Gegenteil ein unentbehrlicher Bestandteil, eine unerläßliche Voraussetzung für den erfolgreichen Kampf gegen die faschistische Diktatur. Herr Trotzki bemüht sich gegenwärtig immer, von neuem, im Interesse der deutschen Bourgeoisie gegenüber den klassenbewußten deutschen Arbeitern bestimmte Täuschungsmanöver durchzuführen. Er predigt den „Block“ der KPD mit der SPD „gegen den Faschismus“. Ein beträchtlicher Teil der bürgerlichen Presse spendet ihm dabei lebhaften Beifall.
Neuerdings fängt auch die offizielle Führerschaft der Soziademokratie den von Trotzki geworfenen Ball auf und versucht, ihren wirklichen Kampf gegen die proletarische Einheitsfront, gegen den antifaschistischen Massenkampf unter revolutionärer Führung durch betrügerische „Einheitsfrontmanöver“ und Blockvorschläge gegenüber der KPD zu verschleiern. Das Auftreten des „Vorwärts“-Chefredakteurs Stampfer vom Parteivorstand der SPD vor den Hamburger sozialdemokratischen Funktionären, des Afa-Bund-Vorsitzenden Aufhäuser beim Berliner Führerappell der sogenannten „Eisernen Front“ am 9. Juni, wie auch die „zwei Fragen“ Künstlers vom 14. Juni signalisieren die künftige sozialfaschistische Taktik in dieser Frage. In dem Maße, wie durch die Rebellion der SPD-Arbeiter die Voraussetzungen für die kämpfende, antifaschistische Einheitsfront des Proletariats rasch wachsen, führen die sozialfaschistischen Führer der SPD und des ADGB ihren Gegenstoß durch scheinradikale Betrugsmanöver in der Art von Stampfer, Höltermann, Künstler usw. Die SAP-Führer und Brandleristen übertrumpfen dabei die offiziellen SPD-Größen noch in dieser Art von „Radikalismus“, der nichts mit einer Widerspiegelung der ehrlichen Radikalisierung der SPD-Arbeiter zu tun hat.
Wir denken nicht daran, etwa die Aufgabe des Kampfes gegen die Sozialdemokratie derjenigen des Kampfes gegen die Hit1erpartei gegenüberzustellen, die eine von der anderen zeitlich loszulösen. Die alberne Unterstellung Trotzkis, daß die Kommunisten „erst“ die Sozialdemokratie schlagen wollen, um „dann“ den Hitlerfaschismus anzugreifen und zu vernichten, entspricht zwar der mechanischen Betrachtungsweise Trotzkis, die er selbst in seinen besseren Tagen niemals überwand, hat aber mit der Wirklichkeit, der kommunistischen Politik nicht das Mindeste zu tun.
Umgekehrt: Herr Trotzki und ähnliche „Ratgeber“ des Proletariats wollen der Arbeiterklasse eine solche Politik vorschlagen, die den Kampf der revolutionären Partei gegen den Faschismus und gegen den Sozialfaschismus, gegen die Hitlerpartei und gegen die Sozialdemokratie voneinander trennt und einander gegenüberstellt. Die KPD soll nach ihrem Rezept heute auf den Kampf gegen die Sozialdemokratie verzichten, einen Block mit der Partei des Hindenburg-Sozialismus, mit „Noske und Grzesinski“ bilden und Hitler auf dies Art „bekämpfen“.
Die KPD hat in der Frage der opportunistischen Entstellung der Einheitsfronttaktik ernste geschichtliche Erfahrungen hinter sich. Gegen die Verfälschung der von Lenin für das Proletariat der kapitalistischen Länder entworfenen Methode der Einheitsfronttaktik hat der V. Weltkongreß der Komintern gerade der KPD im besonderen Ausmaß die ideologischen Waffen geliefert. Offene Verfechter einer Einheitsfronttaktik nur von oben, einer „Blockpolitik“ mit Führern der SPD und des ADGB, kann es in den Reihen der Kommunistischen Partei heute nicht mehr geben. Aber die Tatsache, daß auf Grund das zahlenmäßigen Wachstums unserer Partei ein großer Prozentsatz der Parteimitgliedschaft an den inneren Auseinandersetzungen der Jahre 1923 bis 1928 noch nicht aktiv teilgenommen hat, macht es doch notwendig, in unserer propagandistischen Arbeit die revolutionären Erfahrungen und Ergebnisse jener Auseinandersetzungen wieder wach zu rufen.
Herr Trotzki wagt es, seine konterrevolutionären Vorschläge mit dem Hinweis auf die Taktik Lenins und der Bolschewiki im Jahre 1917 anläßlich des Kornilow-Putsches zu begründen. Eine frechere Verfälschung der Leninschen Politik läßt sich schwerlich ersinnen. Wenn man selbst den ziemlich anfechtbaren Vergleich der heutigen Lage in Deutschland und der Situation in Rußland 1917 vor dem Kornilow-Putsch zulassen wollte, würde die damalige Taktik Lenins voll und ganz die Politik rechtfertigen, wie sie gegenwärtig von der Kommunistischen Partei Deutschlands durchgeführt wird.
Welche Taktik empfahl Lenin angesichts der ersten Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der Kosakenregimenter, als die Menschewiki den Bolschewiki – genau wie heute nach dem Rezept Trotzkis Herr Stampfer der KPD – einen „Block“ antrugen? Lenin schrieb Ende August 1917 einen Brief, in dem es heißt:
„Es ist schwer zu glauben, daß sich unter den Bolschewiki solche Einfaltspinsel und Schufte finden könnten, die sich jetzt in einem Block mit den Vaterlandsverteidigern hergeben würden… Mit Leuten, die endgültig ins Lager der Feinde übergegangen sind, verhandelt man nicht, mit ihnen schließt man keine Blocks.“
Die bolschewistische Erwiderung auf einen Blockvorschlag der Menschewiki müßte – so schrieb Lenin – folgendermaßen lauten:
„Selbstverständlich werden wir uns schlagen. Wir werden uns aber auf keinerlei Vertrauensvotum für euch einlassen – genau so wie die Sozialdemokraten im Februar 1917 mit den Kadetten zusammen gegen den Zarismus kämpften, ohne mit ihnen irgendein Bündnis zu schließen, ohne ihnen auch nur einen Augenblick Glauben zu schenken. Das geringste Vertrauen zu den Menschewiki wäre heute ein ebensolcher Verrat an der Revolution, wie es das Vertrauen zu den Kadetten in den Jahren 1907 bis 1917 gewesen wäre.“
Mit der gleichen Klarheit müssen wir deutschen Kommunisten heute der Arbeiterklasse sagen:
Man kann nicht den Hitlerfaschismus schlagen, ohne den schärfsten Kampf auch gegen die Sozialdemokratie und für ihre Isolierung, ohne den Kampf für die Loslösung der Millionen freigewerkschaflicher Arbeiter vom Einfluß der ADGB-Bürokratie, ohne die Herstellung der gemeinsamen Kampffront mit ihnen, wogegen die SPD-Führer mit allen Mitteln der Hetze, Demagogie und der Betrugsmanöver ankämpfen.
Man kann nicht erfolgreich den Kampf gegen den Hauptfeind, die Bourgeoisie, die Papen-Regierung und ihre nationalsozialistische Trabanten führen ohne die Strategie des Hauptstoßes gegen die Sozialdemokratie innerhalb der Arbeiterklasse, ohne diese Strategie des Kampfes um die Mehrheit der Arbeiterklasse. Nicht „Blockpolitik“ mit den sozialfaschistischen Führern, nicht und niemals Einheitsfrontpolitik nur von oben, sondern Einheitsfrontpolitik von unten, auf der Grundlage der Betriebe und Stempelstellen, der Massenmobilisierung zum Kampf, entspricht den Bedingungen der heutigen Lage. Das schließt in bestimmten Fällen und vor allem in einem Stadium der höher entfalteten Massenbewegung die Anwendung der Einheitsfronttaktik von unten und oben im revolutionären Sinne nicht aus.
XII. Wie muß die Einheitsfrontaktik angewandt werden?
Die Frage, ob wir – im Interesse einer verstärkten Herstellung der Einheitsfront von unten in den Massen zum gemeinsamen Kampf – gleichzeitig Spitzenangebote an die führenden Instanzen der SPD, des ADGB usw. richten, hängt von zwei entscheidenden Voraussetzungen ab: erstens muß in den Massen die Mobilisierung für die Herstellung der gemeinsamen Kampffront bereits einen solchen Grad angenommen haben, daß ein Spitzenangebot von unserer Seite einen wirklichen Widerhall unten bei den Anhängern der SPD oder der Mitgliedschaft der Organisationen des ADGB auslöst; zweitens muß durch die gegebenen konkreten Bedingungen die Sicherheit bestehen, daß unser Herantreten an die oberen Instanzen bei der Masse der sozialdemokratischen Arbeiter und parteilosen Arbeiter den Willen zu selbständigen Schritten bei der Herstellung der proletarischen Einheitsfront zum Kampf gegen den Faschismus nicht abschwächt, nicht ihre Aktivität in ein gewisses Abwarten verwandelt, „ob die da oben sich wohl einigen werden“, sondern im Gegenteil die Masseninitiative von unten verstärkt. Diese beiden Gesichtspunkte sind naturgemäß nicht von einander zu trennen.
Das Entscheidende ist stets, daß wir unten in den Massen die Basis für Aktionen, für wirkliche Kampfhandlungen, für den wirklichen antifaschistischen Massenkampf schaffen. Bei dem raschen Tempo der Entwicklung kann es deshalb kein Schema für unsere Taktik geben, sondern nur ein lebendiges Reagieren der Partei, die in jeder Situation den Schritt durchführen muß, der den jeweiligen Bedingungen angepaßt ist und die Kampfkraft der Arbeiterklasse in möglichst hohem Ausmaß entfaltet.
Das bedingungslose Festhalten an unserer revolutionären Klassenlinie, die unbeirrbare Verteidigung unserer revolutionären Strategie gegen alle opportunistischen Abweichungen erfordert zu gleicher Zeit den schärfsten Kampf gegen die andere Art von Fehlern und Entstellungen, die sich bei der Durchführung dieser Linie in der Praxis ergeben haben.
Haben wir unsere richtige Linie auch richtig angewandt? Gab es nicht sektiererische Stimmungen in den Fragen der Einheitsfronttaktik, die doch einen unentbehrlichen Bestandteil unserer revolutionären Politik zur Gewinnung der proletarischen Mehrheit und damit auch unseres Kampfes gegen die SPD darstellt? Ohne Zweifel hatte die praktische Politik unserer Partei in dieser Richtung Schwächen, die wir unbedingt liquidieren müssen. Es ist völlig unzulässig, irgendeine Vernachlässigung des Kampfes gegen die Hitlerpartei etwa mit der strategischen Orientierung des Hauptstoßes gegen die Sozialdemokratie beschönigen oder entschuldigen zu wollen.
Es ist unzulässig, diese revolutionäre Strategie etwa dahin auszulegen, daß es genügt, in unserer praktischen Agitation und Propaganda unentwegt den Verrat der SPD anzuprangern, ohne zugleich durch unsere ganze Praxis die sozialdemokratischen Arbeiter ständig kameradschaftlich davon zu überzeugen, daß wir die einzige antifaschistische Partei, die Partei des wirklichen Kampfes gegen den Hitlerfaschismus und darüber hinaus gegen den Kapitalismus überhaupt, die einzige Partei des Marxismus und der proletarischen Revolution sind.
Die tatsächliche Einhaltung jener revolutionären Strategie im Kampf um die Mehrheit der Arbeiterklasse erfordert ja, daß wir die Frage so beantworten vermögen, wie man die Sozialdemokratie am besten schlägt, wie man sie am erfolgreichsten in der Arbeiterklasse isoliert. Und es ist klar, daß die sozialdemokratischen und freigewerkschaftlichen Arbeiter nur dadurch von der Sozialdemokratie losgelöst werden können, daß man sie im antifaschistischen Massenkampf gegen Papen und Hitler, im antifaschistischen Kampf um Tagesförderungen und für die proletarischen Klassenziele durch die Anwendung der Einheitsfronttaktik in die gemeinsame Kampffront mit den revolutionären Arbeitern der KPD und der RGO einbezieht.
Ist das eine neue Feststellung? Das ist nicht der Fall. Gerade auf Grund der Erfahrungen der revolutionären Arbeit unserer Partei haben wir diese taktischen Probleme schon vor mehr als Jahresfrist in voller Übereinstimmung mit der Kommunistischen Internationale auf dem XI. Plenum des EKKI behandelt. Schon damals wurde darauf hingewiesen, daß wir gerade aus den Erfahrungen der deutschen Partei gelernt haben, wie notwendig es ist, den Massen in unserer gesamten Politik durch alle unsere Taten und durch unsere Agitation und Propaganda zu beweisen, daß wir die einzige antikapitalistische Partei, die einzige antifaschistische Kraft sind, die den Kampf gegen die Bourgeoisie und den Faschismus führt. Schon damals wurde ausgesprochen, daß man den Sozialfaschismus nicht schlagen kann, wenn man nicht die sozialdemokratischen Arbeiter zum Kampf unter Führung der Kommunistischen Partei gegen den Faschismus mobilisiert.
Hätten wir diese richtige Methode in genügender Weise unter Überwindung aller Fehler und Schwächen, angewandt, so würden wir größere Erfolge erzielt haben. Die großen Hemmungen gegenüber der Anwendung der Einheitsfrontpolitik mit den SPD-Arbeitern, die Unterlassungen im der innergewerkschaftlichen Arbeit, die ja ein Hauptgebiet der Einheitsfrontpolitik darstellt, die Schwächen in der Betriebs- und Erwerbslosen arbeit, in der RGO-Arbeit, sowie der Arbeit unter den Unorganisierten und die schon mehrfach kritisierten Fehler in der Beurteilung und Bekämpfung der Hitlerpartei hinderten uns daran. Erst mit der Überwindung dieser Schwächen und Hemmungen wird die KPD, wie im ersten Abschnitt dieses Artikels dargestellt wurde, den entscheidenden Schritt ihrer endgültigen Entwicklung zur bolschewistischen Kampfpartei vollziehen.
Indem wir, gestützt auf unsere bolschewistische Selbstkritik, systematisch und unablässig an die Überwindung dieser großen Schwächen und die Ausmerzung der vorhandenen Abweichungen und Fehler herangehen, schaffen wir zugleich die Voraussetzung dafür, unsere Rolle als einzige antikapitalistische und antifaschistische Partei vor den breitesten Millionenmassen des deutschen Proletariats klar und leuchtend zu dokumentieren und dadurch diese Massen für den revolutionären Kampf unter unserer Führung zu sammeln.
Die richtige Anwendung der Einheitsfronttaktik als eine revolutionäre Methode der Massenmobilisierung zum Kampf ist von entscheidender Bedeutung für die Erfüllung unserer revolutionären Aufgaben. Wo dieser Kampfinhalt bei der Anwendung der Einheitsfronttaktik fehlt, wo sie bloß agitatorisch angewandt wird, tauchen am leichtesten opportunistische Schwächen auf. Überall dort, wo die Einheitsfronttaktik als Kampfmobilisierung durchs geführt wurde, gab es weniger opportunistische Fehler und statt dessen unzweideutige Erfolge der revolutionären Klassenfront.
XIII. Die konkreten Aufgaben der nächsten Zeit
Welche konkreten Aufgaben ergeben sich im wesentlichen somit für unsere Partei?
1. Wir müssen den Massenkampf gegen die Papen-Regierung, gegen die faschistische Hungeroffensive der Bourgeoisie auf breitester Grundlage entfesseln und zur Entfaltung bringen. Ökonomische Streiks, Erwerbslosenaktionen, Mieterstreiks, Massenkämpe zur Verteidigung der Sozialversicherung, gegen Steuerwucher, gegen Zwangsversteigerungen und Exmittierungen, darüber hinaus die konkrete Vorbereitung und Auslosung von politischen Massenstreiks und schließlich der Generalstreiks in ganzen Bezirken oder selbst im Reichsmaßstabe – das ist die Linie der Kämpfe, die wir zustande bringen müssen. Durch diesen Massenkampf allein können wir die weitere faschistische Entwicklung aufhalten.
2. Wir müssen den Hitlerfaschismus zurückschlagen, Auch das kann nur auf der Linie der Führung des Massenkampfes der Arbeiterklasse und der Werktätigen geschehen.
Die breiteste Organisierung des Roten Massenselbstschutzes ist von allergrößter Wichtigkeit. Es gibt keine Konzessionen an die falschen und gefährlichen Tendenzen des individuellen Terrors, die zumeist der Klassenfeind selber in die Reihen der revolutionären Arbeiterklasse provokatorisch einzuschmuggeln versucht. Es gibt erst recht nur den schärfsten Kampf gegen alle Kapitulation- und Panikstimmungen, wie sie von sozialdemokratischer Seite im Proletariat gezüchtet werden.
Im Kampf gegen die Hitlerpartei müssen wir uns darüber klar sein: zwar kann die Entlarvung der Nationalsozialisten am leichtesten auf dem Gebiet der sozialen Fragen, der wirtschaftlichen Forderungen usw. erfolgen. Aber angesichts der großen chauvinistischen Welle ist es doch unmöglich, den Hitlerfaschismus zurückzuschlagen, wenn wir ihn nicht in der nationalen Frage entlarven und unseren revolutionären Weg im Freiheitskampf gegen Versailles in den Massen klar aufrollen.
Auch dafür sind die Voraussetzungen günstiger als zuvor. Die Hitlerpartei trägt offen die Verantwortung für die Papen-Regierung, deren französische Orientierung und Blockpolitik gegen die Sowjetunion feststeht. Gegenüber der Außenpolitik dieses Kabinetts, das, wenn auch mit einigen nationalistischen Verbrämungen, eine Politik der Kapitulation vor dem französischen Imperialismus betreibt, und gegenüber einen nationalsozialistischen Trabanten gilt es, offensiver und schärfer als je zuvor unseren Kampf gegen Versailles auf der Linie des Programms der nationalen und sozialen Befreiung (August 1930) und der Deklaration des Zentralkomitees vom Februarplenum 1932 zu entfalten.
Die Kriegspolitik der deutschen Bourgeoisie, die Verschärfung ihrer Imperialistischen Aggressivität und die dadurch drohenden imperialistischen Abenteuer an der Ostgrenze sind ein Anlaß mehr für uns, gegenüber der chauvinistischen Demagogie der Hitlerpartei unsererseits das Banner des proletarischen Internationalismus in den Massen zu entrollen. Wir müssen unbedingte Klarheit darüber schaffen, daß allein das Proletariat imstande ist, alle Fragen der Befreiung der deutschen Werktätigen vom Versailler Joch einschließlich der Ostprobleme ohne imperialistischen Krieg zu lösen. Wir müssen Klarheit darüber schaffen, daß das revolutionäre Proletariat und seine Partei gegen die drohenden imperialistischen Abenteuer der deutschen Bourgeoisie, der Papen, Schleicher und Hitler, die entschlossenste revolutionäre Kampfstellung bezieht.
Die Vernachlässigung des ideologischen Massenkampfes gegen den Hitlerfaschismus, die Anwendung falscher Losungen, wie „Schlagt die Faschisten, wo Ihr sie trefft!“ und die Unterschätzung der ansteigenden nationalsozialistischen Welle in unseren Reihen haben in der Vergangenheit die Partei in ihrem Kampf gegen die Hitlerbewegung gehemmt. Die größte Verschärfung des ideologischen Massenkampfes, der mit der Schaffung des Roten Massenselbstschutzes unbedingt verbunden sein muß, die Durchführung einer ernsten Politik zur Entlarvung der Nationalsozialisten als der Landsknechte des Finanzkapitals, das Kampfbündnis mit den sozialdemokratischen Arbeitermassen bei dieser Offensive gegen den Hitlerfaschismus – das ist die Linie, auf der wir den erfolgreichen Kampf gegen den Nationalsozialismus führen können und müssen.
3. Wir müssen das Betrugmanöver der Sozialdemokratie, als ob auch sie eine „antifaschistische Kraft“ wäre, zerschlagen. Die SPD versucht durch ihre bequeme Opposition gegen Papen und Schleicher die Tatsache zu vertuschen, daß sie die Papen und Schleicher in den Sattel gehoben hat, indem sie Brüning offen tolerierte. Wir müssen die Rolle der SPD-Führer als Wegbereiter der faschistischen Reaktion, des Regimes der Industriekapitäne, Junker und Generale unnachsichtlich anprangern, die Erinnerung an den Hindenburg-Wahlbetrug wachhalten und den Massen vor allem auch die heutige Rolle der, Sozialdemokratie klar zum Bewußtsein bringen.
Diese Verschärfung unseres prinzipiellen Kampfes gegen die SPD- und ADGB-Führer auf der Basis der breitesten Entfaltung der Einheitsfronttaktik gegenüber den sozialdemokratischen und freigewerkschaftlichen Arbeitermassen, die wirklich gegen den Faschismus kämpfen wollen, muß auch dazu dienen, die parlamentarischen und demokratischen Illusionen der Massen zu zerstören. Wir dürfen im Kampf gegen den Faschismus, gegen die Papen-Schleicher und gegen Hitler, im Kampf gegen jede Faschisierungsmaßnahme, die die Entrechtung der Massen steigern und die bestehenden papiernen Gesetze durch noch reaktionärere ersetzen will, keine Illusionen darüber aufkommen lassen, als ob wir für die Weimarer Republik kämpfen wollen, als ob etwa unser Ziel sei, verfassungsmäßige Zustände wieder herzustellen.
Wir schlagen den Faschismus, weil er den schärfsten Angriff auf die Arbeiterklasse darstellt. Wir kämpfen mit aller Kraft gegen die Papen, Schleicher und Hitler, weil sie die faschistische Diktatur aufrichten wollen, weil sie das Proletariat niederschlagen, blutig und terroristisch unterdrücken und verstärkt ausplündern, kurz, weil sie den bisherigen unerträglichen Zustand noch unerträglicher machen wollen. Wir werden jeden einzelnen Bruchteil aller Rechte der Arbeiterklasse, jede noch so kleine Konzession, die die Bourgeoisie früher der Arbeiterschaft einräumte, gegen die Papen, Schleicher und Hitler mit Anspannung alter Kräfte verteidigen.
Aber wir geben auch nicht eine Minute lang unsere Kraft, die Kraft der proletarischen Massen dazu her einer Brüning-Gröner-Herrschaft die „Rückkehr“ zu ermöglichen.
So klar und scharf wir die Frontstellung der Zusammenreißung aller proletarischen Klassenkräfte gegen die Hitler, Papen und Schleicher herausarbeiten, so klar und scharf beziehen wir unsere Front gegen die Brüning, Braun und Severing als die Wegbereiter des Hitlerfaschismus und der offenen faschistischen Diktatur!
Das XI. Plenum des EKKI hat in seinen theoretischen Feststellungen unter anderem auch die bisweilen verfochtene Theorie widerlegt, wonach die faschistische Diktatur die „letzte“ Etappe der bürgerlichen Klassenherrschaft darstelle, nach der es nur noch die Errichtung der proletarischen Diktatur geben könne. Eine solche falsche Theorie war zeitweilig auch in der deutschen Partei vorhanden und führte zum Beispiel im Dezember 1930 zu den Fehlern und Überspitzungen in der Beurteilung des Charakters der Brüning-Regierung.
Heute müssen wir uns über die theoretische Möglichkeit klar sein, daß sehr wohl die Bourgeoisie unter bestimmten Bedingungen von den faschistischen Herrschaftsformen auch wieder zu einer stärkeren Anwendung der Methoden des Massenbetruges und einer demokratischen Verkleidung ihrer Diktatur übergehen kann, für die das Zentrum jederzeit die Tür offen halten möchte. Wenn wir diese Möglichkeit unter veränderten Bedingungen des Klassenkampfes einräumen, so bedeutet das zugleich, daß wir das Proletariat auch vor den Gefahren einer solchen Entwicklung warnen müssen.
Wenn es den deutschen Arbeitern gelingen wird, durch ihre vereinte Kraft das Papen-Regime zu beseitigen, den Hitlerfaschismus in die Flucht zu schlagen und wenn sich die Arbeiterklasse dann damit begnügen würde, daß die Brüning und Stegerwald, die Severing, Braun und Wels ihre Plätze wieder einnehmen und erneut mit Notverordnungen, Konkordaten, Republikschutzgesetzen, Gummiknüppeln und Polizeikarabinern regieren würden, so würde sich das deutsche Proletariat der Früchte seines eigenen Sieges beraubt haben. So wäre nichts besser geworden. Darum: niemals wird die Kommunistische Partei darauf verzichten, die Politik der Brüning-Regierung, der Braun-Severing-Regierung und die ganzen Verbrechen der sozialdemokratischen Führer in der Vergangenheit und Gegenwart immer wieder vor den Massen zu brandmarken und zu entlarven. Dadurch können wir die deutsche Arbeiterklasse sowohl vor gefährlichen Illusionen bewahren, als auch auf den Weg des Kampfes führen, der zum wirklichen Siege führt und der die Arbeiterklasse in den Stand setzt, sich die Früchte des Sieges zu sichern.
4. Wir müssen die Massen zur Verteidigung der Kommunistischen Partei mobilisieren. Die Sicherung und der Schutz unserer Partei gegen die Anschläge des Klassenfeindes ist nicht nur eine Frage der Partei, ihrer Mitglieder und Funktionäre, sondern der ganzen Arbeiterklasse. Die Partei und ihre revolutionäre Arbeit sichern – heißt die Verankerung der Partei in den Massen steigern. Das aber erfordert die Konzentration unserer Kräfte auf Betriebe und Stempelstellen, die Liquidierung aller Schwächen unserer revolutionären Massenarbeit und darüber hinaus eine Politik, die in den breitesten Millionenmassen Klarheit über die Rolle unserer Partei als der einzigen antikapitalistischen, der einzigen antifaschistischen Partei schafft. Eine Politik, die den Millionenmassen zeigt, daß wir allein die Interessen der Erwerbslosen und Betriebsarbeiter verteidigen, daß wir die einzige Partei des wirklichen Kampfes gegen Versailles und den räuberischen Young-Plan, des revolutionären Auswegs aus der Krise, die einzige Partei des Sozialismus sind.
Dies alles ist nicht nur eine Frage der Agitation und Propaganda, sondern vor allem wiederum eine Frage der Führung von Massenkämpfen. So ergibt sich die enge Verbundenheit aller dieser Probleme und Aufgaben mit der Kernfrage der Bolschewisierung der Kommunistischen Partei Deutschlands.
XIV. Die Antifaschistische Aktion als das richtige „Kettenglied“
Genosse Lenin sagte im Jahre 1920:
„Den konkreten Weg oder die bessere Wendung der Ereignisse, die die Massen zum wirklich entscheidenden, letzten großen revolutionären Kampf heranführt, herauszufinden, herauszufühlen, richtig zu bestimmen – darin besteht die Hauptaufgabe des heutigen Kommunismus in Westeuropa und Amerika.“
Diese Frage nach dem richtigen Kettenglied, das wir ergreifen müssen, um die Massen zum Kampf gegen die Diktatur der Bourgeoisie und ihre Trabanten zu mobilisieren und diesen Massenkampf  zu  höheren  Formen  zu  entfalten,  hat  die  KPD  durch  die  Einleitung der Antifaschistischen Aktion beantwortet.
Die Antifaschistische Aktion soll alle Formen des proletarischen Massenwiderstandes gegen Faschismus, Hunger und Krieg zusammenfassen und zum aktiven Massenkampf entfalten. Sie soll uns die feste Organisierung einer Millionenbewegung der dämpfenden roten Einheitsfront ermöglichen. Sie soll darüber hinaus der Partei erleichtern, die Massen zum Kampf gegen jeden kapitalistischen Weg aus der Krise zu sammeln und zum Kampf für den revolutionären Ausweg, für die proletarische Revolution, vorzubereiten.
So ist die Antifaschistische Aktion das nächste Kettenglied unserer revolutionären Politik, die Form,  in  der  wir  die  Einheitsfronttaktik  von  unten  auf  der  Basis  der  Betriebe,  der Stempelstellen, der Arbeiterviertel in breitester Weise anwenden. Aber es genügt nicht, dieses Kettenglied zu erkennen, sondern wir müssen auch in unserer revolutionären Praxis alle die Methoden entwickeln, die zur Verwirklichung dieser Politik notwendig sind.
Wir müssen im Rahmen der Antifaschistischen Aktion die innergewerkschaftliche  Arbeit zur Schaffung einer breiten Oppositionsbewegung in den reformistischen Gewerkschaften mit größter Energie in Angriff nehmen.
Wir müssen die Arbeit der RGO als eines der wichtigsten Transmissionsriemen der revolutionären Bewegung zu den Massen, der uns die Loslösung der Arbeitermassen von den Einflüssen des Klassenfeindes und einer Agenten erleichtert, mit dem Kurs auf die Betriebe verbessern.
Wir müssen in den Massen das Verständnis für die Bedeutung wecken, die den Teilkämpfen im Rahmen der Entfaltung des Massenkampfes bis zum politischen Massenstreik zukommt. Wir müssen die Antifaschistische Aktion dazu ausnutzen, das Bündnis zwischen Stadt und Land im Zeichen der proletarischen Hegemonie zu festigen, was gerade im Kampf gegen die faschistische Konterrevolution von größter Bedeutung ist.
In den Dienst der Antifaschistischen Aktion stellen wir unsere gesamte Kampagne für die Reichstagswahlen. Das bedeutet zugleich, daß wir diese Kampagne voll und ganz auf der Grundlage der Konzentration unserer Kräfte auf Betriebe und Stempelstellen für die außerparlamentarische Massenmobilisierung zum Kampf ausnutzen. Je stärker das Millionenbekenntnis für den Kommunismus ausfällt, das wir durch die Anspannung aller unserer Kräfte bei den Reichstagswahlen erzielen wollen, desto kampffreudiger und entschlossener werden sich die Massen außerhalb des Parlaments bei Streiks und bei der Verteidigung ihrer revolutionären Partei zu schlagen wissen.
Darin liegt die große außerparlamentarische Bedeutung dieser Reichstagswahl, die wir jedem klassenbewußten Arbeiter, jeder Arbeiterin, jedem Jungarbeiter, die wir den Werktätigen in Stadt und Land zum Bewußtsein bringen müssen.
XV. Die Losung der Arbeiter- und Bauernregierung
In unserer Massenkampagne für die Antifaschistische Aktion haben wir die Losung der Arbeiter- und Bauernregierung aufgestellt die gegenüber dem Kabinett der Industriekapitäne, Junker und Generale zweifellos eine große zündende Kraft besitzt. Auch in der Frage der Anwendung dieser Losung blickt unsere Partei auf bestimmte Erfahrungen zurück, die dem großen Prozentsatz unserer neuen Mitglieder weniger vertraut sind. Der Versuch der rechten Opportunisten unter Brandler und Thalheimer im Jahre 1923, aus der „Arbeiter- und Bauernregierung“ ein« Zwischenform zwischen bürgerlicher und proletarischer Diktatur, eine „Übergangslosung“ zu machen, war eine platte Verfälschung dieser revolutionären Losung, die die Komintern aufgestellt hatte. Die Losung der Arbeiter- und Bauernregierung ist für uns ein Synonym der proletarischen Diktatur, eine populärere und den breiten Millionenmassen verständlichere Formulierung, mit der jedoch inhaltlich nichts anderes ausgedrückt wird.
Mit dieser Losung geben wir unserer gesamten Massenkampagne im Dienste der Antifaschistischen Aktion jene Richtung, die über die jetzige Etappe bis zu den Reichstagswahlen und darüber hinaus auf das Ziel des revolutionären Auswegs hinweist. Das ist um so notwendiger, als die neue Lage, geschaffen aus der Verschärfung der Krise und Zuspitzung der Klassengegensätze, ihrerseits wieder alle inneren und äußerem Gegensätze steigert und alle Widersprüche verschärft. Die Voraussetzungen der revolutionären Krise reifen in heftig beschleunigtem Tempo heran. Mit der unablässigen Propaganda für die Arbeiter- und Bauernregierung an Stelle des heutigen kapitalistisch-faschistischem Regimes entfalten wir unter den Massen das Banner der Volksrevolution, in deren Zeichen sich die proletarische Freiheitsarmee in den Teil- und Tageskämpfen der Gegenwart, in der Verteidigung und im Angriff, in allen Schlachten des Klassenkampfes formiert!
Quelle: Die Internationale, Heft 6, 1932. Abgedruckt nach: Ernst Thälmann, Reden und Aufsätze, Band 4, S. 80-102

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