Montag, 1. Oktober 2012

Justizmord verhindern

Quelle: Mumia Abu Jamal junge Welt 30.09.12 Am 3. Oktober soll Terry Williams in Pennsylvania hingerichtet werden. Er war 1984 beschuldigt worden, den 56jährigen Amos Norwood umgebracht zu haben Sein Hinrichtungsbefehl trägt den Namen »Terrance« Williams, aber das ist nicht sein richtiger Name. In Wirklichkeit heißt er »Terry« Williams. Irgendein Beamter – möglicherweise von der Staatsanwaltschaft –hat daraus jedoch irgendwann einmal »Terrance« gemacht. Und seitdem heißt er offiziell so. Als ich Terry kennenlernte, war er gerade einmal 18 Jahre alt, zu jung, sich zu rasieren, aber anscheinend alt genug für den Todestrakt. Er war ein aufgeweckter und begeisterungsfähiger Junge, der sich mit einem anderen jungen Mann eingelassen hatte. Dieser Kumpel wußte den besonderen Vorteil für sich zu nutzen, Sohn eines Polizeibeamten zu sein. Um seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, belastete er Terry schwer und hoffte, im Tausch dafür lebenslange Haft mit späterer Aussetzung zur Bewährung zu bekommen. Dieser Mitangeklagte schlug sich auf die Seite der Staatsanwältin, indem er ihr half, Terrys Einlassung als Lüge erscheinen zu lassen, und indem er leugnete, sich auf einen Handel mit ihr eingelassen zu haben. Als Terry noch Spitzensportler des American-Football-Teams seiner High School war, kannten ihn die meisten Leute wegen seines geschmeidigen Spiels nur unter seinem Spitznamen »Butter«. Wer ihm beim Footballspielen zusah, ahnte, daß hier ein Profispieler heranwuchs. Aber daraus wurde leider nichts. Seit »Butter« ein Teenager war, trug er ein Geheimnis in sich, über daß man besser nicht mit anderen Männern spricht, vor allem nicht mit anderen Gefangenen. Als Jugendlicher wurde er sexuell mißbraucht, und einer der Täter war das Opfer des Verbrechens, für das Terry in den Todestrakt geworfen wurde und wegen dem ihm in Kürze die Hinrichtung droht. Sein Mitangeklagter kannte die Vorgeschichte. Wie berichtet wird, wurde er aber angewiesen, im Zeugenstand darüber zu schweigen. Erst jetzt, da »Butter« um sein Leben kämpft, kommen endlich jene Wahrheiten an die Öffentlichkeit, die seine Angaben bestätigen. Was jedoch in dieser Situation am meisten überrascht, ist das Stillschweigen der Bewegung der Todesstrafengegner. Wo sind sie alle? Warum hören wir nichts von ihnen? Übersetzung: Jürgen Heiser Petitionen gegen die Hinrichtung können online unterzeichnet werden auf www.freedom-now.de Gericht in Philadelphia verfügt Hinrichtungsstopp und hebt Todesurteil gegen Terry Williams auf Aus: junge Welt Nr. 229 – 1. Oktober 2012 / Von Jürgen Heiser Im Fall des afroamerikanischen Todeskandidaten Terry Williams, dessen Hinrichtung im US-Bundesstaat Pennsylvania für kommenden Mittwoch angesetzt war, hat ein Gericht in Philadelphia am Freitag einen Hinrichtungsstopp verfügt und das Todesurteil aufgehoben. Damit liegt die letzte Entscheidung über Williams’ Leben nun beim Obersten Gerichtshof des Bundesstaates. Eine Gnadenpetition war bis zum Wochenende von rund 400000 Menschen unterzeichnet worden. Richterin Teresa Sarmina nannte als Gründe für ihre Entscheidung, die Staatsanwaltschaft habe wichtige Beweise unterdrückt. Diese hätten im Mordfall Norwood zu einem milderen Urteil führen können. Williams war 1986 wegen des Vorwurfs verurteilt worden, den 56jährigen Amos Norwood erschlagen zu haben, weil dieser ihn seit seinem 13. Lebensjahr sexuell mißbraucht hatte. Der überraschende Beschluß war das Ergebnis einer von der Verteidigung beantragten Anhörung zu der Frage, ob Staatsanwältin Andrea Foulkes im Prozeß gegen Terry Williams der Jury wichtige Informationen vorenthalten hatte (jW berichtete). Richterin Sarmina kritisierte nun, Foulkes habe »Ablenkungsmanöver« betrieben, Zeugenaussagen »bereinigt« und Beweise für strafmildernde Umstände zurückgehalten, die der Verteidiger gegen die Todesstrafe hätte vorbringen können. Foulkes habe schlicht »gewinnen wollen«. Die heute als Bundesanwältin tätige Staatsanwältin habe Beweise für die sexuellen Neigungen des Mordopfers Amos Norwood unterschlagen. Außerdem habe sie die Jury über ihren geheimen Handel mit Marc Draper, dem ursprünglichen Mit­angeklagten von Williams, belogen, der diesen schwer belastet hatte, um sich selbst ein milderes Urteil zu erkaufen. In der Anhörung hatte Draper seine Aussagen widerrufen und Foulkes und die Polizei beschuldigt, ihn zu einer Falschaussage genötigt zu haben. Richterin Sarmina zog daraus den Schluß, das Vertrauen in ein faires Verfahrens sei »unterminiert« und der Hinrichtungsstopp zwingend geboten. Es stehe der Staatsanwaltschaft nun frei, eine neue Verhandlung über die Strafzumessung durchzuführen, wenn ihr weiter an der Hinrichtung gelegen sei. Sie könne aber auch zulassen, »daß der 46jährige Williams den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringt«. Bezirksstaatsanwalt Seth Williams verurteilte den Gerichtsbeschluß und erklärte, er habe umgehend Berufung dagegen eingelegt. Er räumte jedoch ein, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor dem 3. Oktober sei »unwahrscheinlich«. Somit werde der dafür ausgestellte Hinrichtungsbefehl ungültig und Gouverneur Tom Corbett müsse einen neuen Hinrichtungstermin festlegen, sofern seinem Berufungsantrag stattgegeben werde. Ein Gerichtssprecher erklärte, er habe keine Information darüber, ob sich der Oberste Gerichtshof bis Dienstag mit der Berufung befassen werde. Vor der Presse appellierte die Verteidigung an den Staatsanwalt, er solle »seine Versuche einstellen, Terry Williams zu exekutieren«. Der Berufungsantrag sei »zutiefst befremdlich«, empörte sich Shawn Nolan, Mitglied einer auf die Todesstrafe spezialisierten Abteilung der Bundesvereinigung öffentlich bestellter Strafverteidiger. Aus juristischen und ethischen Gründen sei es geradezu »skrupellos«, daß die Staatsanwaltschaft weiter auf die Hinrichtung dränge, »nachdem sie praktisch 28 Jahre lang maßgebliche Beweise vor der Verteidigung, den Geschworenen, den Gerichten, dem Gnadenausschuß und den Bürgern Pennsylvanias verborgen hielt«. Seit Pennsylvania 1978 die Todesstrafe wieder in Vollzug setzte, wurden dort drei Gefangene hingerichtet, der letzte 1999. Allerdings hatte keiner der drei Todeskandidaten Rechtsmittel gegen seine Exekution eingelegt. Zuletzt hatte sich die Justiz 1962 mit einer Anfechtung eines Hinrichtungstermins auseinandersetzen müssen. Deshalb, so Joseph Slobodzian, Gerichtsreporter des Philadelphia Inquirer, sei ein gerichtlicher Hinrichtungsstopp nur wenige Tage vor dem Termin »für den Obersten Gerichtshof und den Gouverneur praktisch neues Terrain«.

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