Montag, 6. Januar 2020

Der Islam und Almosen

Ist das die soziale Gerechtigkeit, die sich die Verfechter des Islam wünschen? - Dass das arme Volk in der Erwartung und Abhängigkeit von Spenden wohlgesinnter Reicher lebt? Nennen sie das Gerechtigkeit, wenn sie sich wünschen, dass der menschliche Stolz auf diese Weise zu Grabe getragen wird?

Dies ist einer der gefährlichsten und herausragendsten Irrtümer, dem auch die Anhänger der kommunistischen Ideen gern verfallen, nämlich, die Annahme, dass die Zakat eine Spende oder ein Almosen der Reichen ist, das sie aus gutem Willen den Armen überlassen. Wir sollten uns nicht von fremdem Gedankengut derart beeinflussen und einnehmen lassen, dass wir uns wie Marionetten bewegen lassen, die keinen wachen Geist besitzen, um die Realität der Dinge zu erkennen! Denn der Begriff "Almosen geben" ist in seinem natürlichen Verständnis mit der Vorbedingung der Freiwilligkeit verknüpft, und er ist keine Sache, die das Gesetz oder die Regierung ihm aufzwingen kann. Die Zakat ist aber eine Pflicht, die die Schar'ia dem Muslim auferlegt, und gegen deren Nichterfüllung der Staat aufzutreten hat, ja sogar das Recht hat, denjenigen, der auf Nichteinhaltung dieser Pflicht beharrt. zu töten, da er als Abtrünniger betrachtet wird! Dies hat klarerweise absolut nichts mit einer Spende oder dem Geben von Almosen, das dem Gewissen des Einzelnen überlassen wird, zu tun!
Die Zakat ist von finanzieller Seite her betrachtet die erste geregelte Steuer, die in einem Wirtschaftssystem jemals eingeführt wurde. Zuvor wurden die Steuern nach dem Belieben des Herrschers erlassen, der damit seine Ausgaben und Interessen finanzierte. Die Steuerlast fiel daher immer mehr zu Lasten der Armen als zu Lasten der Reichen aus, ja manchmal trug sie auch nur die breite Masse des armen Volkes, während die Reichen die Nutznießer waren.
Der Islam kam mit der Zakat. um die Einkommensabgaben dadurch zu reglementieren und einen bestimmten Prozentsatz zu bestimmen, der im Normalfall nicht überschritten wird, und dessen Träger die Reichen und durchschnittlich Wohlhabenden sind, während die Armen davon ausgenommen sind.
Diese Tatsache sollten wir uns ständig im Gedächtnis bewahren, und sie braucht eigentlich weder besondere Erklärungen noch Beweise.
Das zweite, ebenso wichtige Charakteristikum ist, dass die Einkommen aus der Zakat vom Staat selbst an die Armen verteilt werden, und nicht der Reiche ist es, der sein Geld direkt an die Armen verteilt. Der Staat nimmt die Zakat in Gewahrsam und er ist es, der sie wieder unter das Volk verteilt. Der Begriff Baytu-I-Mal bedeutet nichts anderes als ein Finanzministerium, das die öffentlichen Einnahmen sammelt, um dann wieder je nach Bedarf die Ausgaben des Staates dadurch zu unterstützen. Wenn der Staat die Versorgung der Bedürftigen übernimmt, die aus einem triftigen Grund zum Erwerb ihres Lebensunterhalts nicht fähig sind, so wird dadurch verhindert, dass dies den Charakter einer mitleidigen Wohltat annimmt, oder die Selbstachtung der Bedürftigen verletzt. Oder würde ein Beamter, der sein Gehalt aus den Einnahmen des Staates bezieht, fühlen, dass er auf Kosten der Reichen lebt? Und so verhält es sich mit den Kindern und alten Menschen, die aus den Einkommen des Staates ihren Unterhalt beziehen, dessen Aufgabe es ist, diesen Pflichten nachzukommen. Die Idee eines Sozialstaates, der für die Versorgung seiner Bürger aufkommt, ist das Ergebnis modernes Denkens, das erst nach langer Geschichte der sozialen Ungerechtigkeit und Unterdrückung im Westen aufgekommen ist. Wie eigenartig ist es doch, dass dieses System als fortschrittlich und hervorragend bejubelt wird, wenn es aus dem Westen kommt, jedoch als rückschrittlich bezeichnet wird, wenn man darauf aufmerksam macht, dass dies eine Errungenschaft des Islam vor 1400 Jahren war?
Die dritte erwähnenswerte Tatsache ist, dass das direkte Verteilen der Zakat an die Armen in Form von Naturalien oder Bargeld nicht die einzige Weise war, wie der Staat seiner Verpflichtung nachkam. Es wurden außerdem Krankenhäuser und Schulen errichtet, in denen die Bedürftigen unentgeltlich behandelt bzw. unterrichtet wurden. Es wurden Vereinigungen und Firmen gebildet, die für Unterhalt und Beschäftigung der Armen sorgten. Mit einem Wort, all jene Einrichtungen, auf die der moderne Sozialstaat so stolz ist, hatten im Islam bereits praktische Anwendung gefunden. So wurde die Zakat hauptsächlich in dieser Weise verteilt, und nur in besonderen Fällen, wie z.B. bei Kranken, Kindern und allen Leuten als Bargeld ausbezahlt.
Ein vierter Punkt ist ebenso wesentlich, nämlich dass es nicht zu den Prinzipien des Islam gehört, in seinem Staat Arme zu belassen, die von den Einnahmen der Zakat leben müssen. Und so erreichte der islamische Staat in der Regierungszeit von 'Umar Ibn Abdul-Aziz eine so beispielhafte Form, dass die Zakat eingesammelt wurde, jedoch keine Armen mehr gefunden werden konnten, auf die man sie hätte verteilen können. Darüber berichtete Yahya Ibn Sa‘id: ""Umar Bin 'Abdul-'Aziz sandte mich, um die Zakat-Gelder Afrikas einzuholen, und ich tat, wie mir gesagt worden war. Als ich damit fertig war, verlangte ich nach den Namen der Armen, um die Verteilung des Geldes zu bestimmen. Doch fanden sich keine Bedürftigen und niemand wollte das Geld nehmen, denn sie alle waren in jener Zeit ausreichend versorgt."
Die Armut ist eine Erscheinung, mit der sich jede Gesellschaft auseinandersetzen muss. So ist es entscheidend, mit welchen Maßnahmen man ihr entgegentritt. In jener Zeit des Islam schlossen sich immer neue Länder an. in denen noch unausgeglichene Verhältnisse mit allen negativen Erscheinungen herrschten, die durch die islamische Gesetzesregelung sukzessive zu jener beispielhaften Blüte gebracht wurden, wie sie zur Zeil des 'Umar Bin " 'Abdul-'Aziz zu finden war.
Nun fehlen noch ein paar Bemerkungen hinsichtlich der Gabe von Almosen (Sadaqa). Damit sind nun die Spenden gemeint, die Wohlhabende aus freiem Willen für Bedürftige spenden. Der Islam fordert die Menschen dazu auf und fördert diese Wohltätigkeit in verschiedenster Weise. So finden wir die Sadaqa in Form von Versorgung für Eltern und Verwandte, Versorgung von Bedürftigen im Allgemeinen, und als Wohltat an andere in Form von guten Taten oder verbindenden Worten.


So mancher behauptet, dass jemand, der seine Familie unterstützt, dadurch ihre Gefühle verletzt oder sie verachtet. Im Gegenteil dazu meine ich, dass sich damit Mitgefühl, Zuneigung, Zusammengehörigkeitsgefühl und Annäherung der Herzen verbindet. Wenn man seinem Bruder ein Geschenk gibt, oder zur Ehre seiner Verwandten ein Fest veranstaltet und sich um ihr Wohl kümmert, so wird man dadurch nicht ihren Hass und ihre Missgunst ernten.
Das Geben freiwilliger Spenden ist im Islam eine Tat, die der Hilfe des Armen dient, und in vielfältiger Weise Form annehmen kann. So kann dies auch geschehen, indem man den verschiedenen Organisationen, die sich zum guten Zweck der sozialen Hilfe bilden, Spenden zukommen lässt. Man kann aber auch dem islamischen Staat bei der Ausführung seiner verschiedenen Projekte helfen.
Sollte das Idealmodell des islamischen Staates erreicht sein und es keine armen Menschen mehr geben, die man durch freiwillige Spenden unterstützt, so findet auch diese, ebenso wie die Zakat, keine Anwendung in diesem Bereich mehr. Dann bleiben nur noch jene zu versorgen, die aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht zur Arbeit fällig sind.
 in diesem Zusammenhang ist es wichtig, noch einmal den hauptsächlichen Punkt zu diesem Thema herauszustreichen.
Der Islam begründet nicht das Leben seiner Bevölkerung hauptsächlich darauf, von den Wohltaten anderer zu leben. Der Staat ist verantwortlich für die Versorgung seines Volkes, aber er ist auch verpflichtet, jeden zur Arbeit anzuhalten, der dazu fähig ist. So kam einmal ein Mann zum Propheten, und bat ihn um eine Gabe. Da reichte ihm der Prophet ein Seil und eine Hacke und befahl ihm. nach Brennholz zu suchen, es zu verkaufen und davon zu leben. Er wies ihn außerdem an. wieder zurückzukommen, um ihm zu berichten, wie es ihm ergangen sei.
Nun meinen viele, dass dieses Beispiel den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen sei, denn heute haben wir es nicht nur mit einem Mann, sondern mit Millionen von Arbeitslosen zu tun. Es handelt sich nicht mehr um Seil und Hacke, sondern um Fabriken und verschiedenste Zweige der Produktion. Es war jedoch vom Propheten nicht verlangt, von Problemen und Einrichtungen zu berichten, die zu dieser Zeit niemand kannte. Seine Aufgabe bestand darin, die Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen und allgemeine Grundregeln festzulegen, aus denen jede Generation für ihre Zeit und ihre Methoden die entsprechenden Ableitungen schaffen kann. In dem genannten Beispiel ist das Prinzip einfach zu erkennen: Der Prophet zeigte, dass es seine Aufgabe war, für den Hilfesuchenden Arbeit zu finden, und er verlangte von ihm, dass er zurückkommen müsse, um ihm zu berichten, wie es ihm ergangen wäre. Das bedeutet die Verantwortung des Staates für die Arbeitsplatzbeschaffung der Bürger. Sollte ihm dies jedoch aus irgendeinem Grund nicht gelingen, so muss aus den Staatsfinanzen für die Arbeitslosen gesorgt werden. Auf diese Weise behalten sie ihre Achtung vor sich selbst, vor dem Staat und vor ihren Mitmenschen.

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