Mittwoch, 17. Dezember 2014
Zur Frage des Dialogs mit PEGIDA
In den letzten Tagen mehren sich Stimmen und Angebote verschiedenster Akteur_innen, man müsse doch mit PEGIDA und deren Anhänger_innen in einen Dialog treten. Auch an uns als Bündnis Dresden Nazifrei ist dabei die Frage gestellt worden, unter welchen Bedingungen wir so einen Dialog für möglich halten würden. Zu dieser Frage wollen wir hiermit Position beziehen. Dabei stellen sich für uns einige Fragen, deren Beantwortung uns letztendlich zu unserer Position führen wird.
1. Ist Dialogbereitschaft allgemein nicht Bestandteil des demokratischen Miteinanders?
Hierzu haben wir uns immer klar positioniert: im demokratischen Diskurs muss es bei allen widerstrebenden Meinungen stets möglich sein, miteinander ins Gespräch zu kommen. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder das Gespräch mit Akteur_innen in dieser Stadt gesucht, die in ihrer politischen Zielsetzung nicht mit unseren Positionen Übereinstimmung herstellen konnten. So gab es jedes Jahr Gespräche mit der AG 13. Februar und auch ein – bis heute nicht angenommenes und durchgeführtes - Gesprächsangebot an die Oberbürgermeisterin. Diskursbereitschaft haben wir also bewiesen. Wenn es also einen Dialog geben soll, dann sprechen wir uns dafür aus, dass alle Akteur_innen dieser Stadt, die sich gegen den Rassismus und die Gewalt von PEGIDA engagieren, von der Oberbürgermeisterin an einen Tisch eingeladen werden und man öffentlich und unter Einbeziehung aller Menschen in dieser Stadt, im Besonderen auch der Asylsuchenden selbst, darüber spricht, wie man die Situation in der Stadt besser zu Gunsten einer Willkommenskultur verändern kann, was konkret für Flüchtende, die nach Dresden kommen, getan werden kann und wie man diffusen, unbegründeten Ängsten der Bewohner_innen Dresdens besser begegnen kann.
2. Mit wem sollten wir also einen Dialog führen?
Verschiedene Akteur_innen rufen nun also dazu auf, sich mit den Organisator_innen und/oder Anhänger_innen von PEGIDA in einen Dialog zu begeben.
Wir wundern uns sehr über die Vorstöße zu einem Dialog, egal aus welcher politischen oder gesellschaftlichen Richtung sie zur Zeit kommen mögen. Noch vor wenigen Tagen bezeichnete selbst die Bundesregierung PEGIDA als „widerlich“ (Justizminister Maas, SPD) oder „unverschämt“ (Innenminister de Maiziere, CDU). Der sächsische Ministerpräsident Tillich, CDU, rief zur Teilnahme am Sternlauf von „Dresden für alle“ auf. Nun soll, auch nach seinen Worten, eben jene Gruppierung auf einmal akzeptabler Dialogpartner sein? Und der MDR geht sogar soweit und hat für den kommenden Montag, 15.12., den sächsischen Innenminister Ulbig, CDU, und PEGIDA-Kopf Lutz Bachmann zu seiner Sendung „Fakt ist...“ eingeladen.
Um hier Klarheit herzustellen: hinter PEGIDA stehen genau die Menschen, die am 08.12. Pyroerzeugnisse in eine Menge von 11000 friedlichen Gegendemonstrant_innen warfen, die am 06.12. Mitglieder des Dresdner Rugbyteams krankenhausreif schlugen, die den Sprecher der Studierendenschaften Eric Hattke „an seinen Eiern an einen Fahnenmasten knüpfen“ wollen und ihm und seiner Familie Morddrohungen schicken, die Steckbriefe über unseren Sprecher Silvio Lang veröffentlichen und ihn als Verräter bezeichnen, die „Claudia Fatima Roth“ standrechtlich erschießen lassen wollen (Lutz Bachmann auf facebook) und auch sonst durch Gewaltandrohungen und Ausübungen immer wieder auffällig sind. Sich mit Bachmann und Co an einen Tisch zu setzen (oder in ein Fernsehstudio zu stellen) bedeutet, diese Form der Auseinandersetzung im politischen Diskurs als legitim anzuerkennen. Dies ist mit dem Bündnis Dresden Nazifrei und seinen Zielen nicht und niemals vereinbar!
Einige, die jetzt den Dialog suchen, winden sich mit der Formel heraus, man könne zwar nicht mit den Organisator_innen von PEGIDA in Dialog treten, wohl aber mit den sogenannten Mitläufer_innen. NPD-Kader, Hooligans, Nazis, rechte Wutbürger_innen – sind das die besseren Gesprächspartner_innen?
Wir wissen, dass PEGIDA keine homogene Gruppe ist. Wir haben auch immer betont, dass nicht auf alle Teilnehmer_innen der PEGIDA-Aktionen die Kategorie Nazi anzuwenden ist. Wir differenzieren sehr wohl zwischen dem Orga-Team selbst, den tatsächlichen Nazis, Hools und Rechts-Rockern und den mitlaufenden rechten Wutbürger_innen. Für die ersten beiden Gruppen gilt aus unserer Sicht: es gibt nichts zu besprechen, zu verhandeln, zu diskutieren. Ihr seid Rassist_innen durch und durch, das habt ihr mehrfach bewiesen. Und ihr verbreitet bewusst Lügen um Angst zu schüren und Hass zu sähen. Ihr artikuliert euch gewaltsam gegen alle, die nicht in euer Weltbild passen. Mit euch gibt es keinen Dialog, für euch haben wir nur Widerstand!
Was die sogenannten „besorgen Bürger_innen“ angeht, von denen immer wieder die Rede ist, kann ein Dialog, der versucht aufzuklären, Relationen zu Recht zu rücken, Unwahrheiten richtig zu stellen und Vorurteile abzubauen nicht in einem großen, öffentlichen Rahmen stattfinden, sondern er muss im Kleinen, im Alltäglichen geführt werden. Dort wo wir auf diese Menschen treffen: auf Arbeit, im Verein, in der Schule, an der Käsetheke oder auf der Parkbank. Hier ist unsere Gesellschaft als Ganzes gefragt in den Dialog zu gehen, wenn diese Themen und Meinungen aufkommen. Dabei geht es nicht darum, Zugeständnisse an rassistische Thesen zu machen – denn wer bis heute nicht verstanden hat, welche Ideologie man mit der Teilnahme an PEGIDA-Aktionen unterstützt, dem können wir dem Vorwurf, ein_e Rassist_in zu sein, nicht ersparen. Sondern es muss darum gehen, aufzuklären. Ein Bündnis wie unseres ist dafür aber weder der richtige Akteur, noch der geeignete Träger für so eine Diskussion. Diese Akteur_innen gibt es jedoch, das Kulturbüro zum Beispiel, das NDC, Bürger.Courage und viele mehr. Genau an deren Ideen, Programmen und Unterstützung wurde jedoch in den letzten Jahren nur zu gerne gekürzt und gespart – auch davon ist PEGIDA ein Ergebnis.
3. Mit welcher Begründung also sollte man sich mit PEGIDA an einen Tisch setzen?
Weil an ihren Demonstrationen angeblich so viele Menschen teilnehmen? Betrachten wir auch hier die Relationen: in Dresden leben 530000 Menschen. Selbst wenn man unterstellte, dass alle PEGIDA-Teilnehmer_innen hier wohnten, wären 10000 Teilnehmer_innen gerade ein mal 1,9% der Bevölkerung. Zum Vergleich: am 01. Mai demonstrierten in Berlin 25000 Menschen – wo war der Dialog mit linken Gruppen danach? Am 11.02.2012 demonstrierten 120000 Menschen deutschlandweit gegen Acta – Dialog im Anschluss? Fehlanzeige. Selbst mit den 50000 Menschen in Heiligendamm 2008 oder den 500000 Menschen auf den Anti-Kriegsdemos anlässlich des Irakkrieges 2003 wollte im Nachgang kein_e politisch Verantwortliche_r an einem runden Tisch Platz nehmen. Warum also mit PEGIDA? Diese Auflistung zeigt: Das Argument der Masse zieht nicht, weil es scheinheilig ist! Denn 10000 Teilnehmer_innen bei PEGIDA stehen 44000 Menschen mit Migrationshintergrund in Dresden gegenüber, davon 25000 Menschen ohne deutschen Pass (laut dresden.de). Dies sind die Menschen, auf deren Rücken PEGIDA Hass ausschüttet und seine Forderungen durchzusetzen versucht. Und zu ihnen muss der Dialog gesucht werden, nicht zu den Rassist_innen!
Wir wissen, dass viele Organisationen, auch jene, die mit uns zusammen bislang gegen PEGIDA aktiv waren oder gar selbst Teil unseres Bündnisses sind, vor dem Problem stehen, dass auch ihre Mitglieder teilweise bei PEGIDA mitlaufen. Seien es die Kirchgemeinden, Gewerkschaften, Parteien oder der hiesige Fussballverein. Wir verstehen, dass es die Idee gibt, diese Mitglieder wieder „zurück zu holen“ auf einen besseren Weg. Aus unserer Sicht zeigt dieses Phänomen aber nur das auf, was vor allem seitens antirassistischer und antifaschistischer Akteur_innen seit Jahren immer wieder betont wurde, aber nur selten gehört werden wollte: Rassismus ist kein Randproblem in unserer Gesellschaft, sondern mitten unter uns! Wir wissen, dass mehr als jede_R Fünfte in Deutschland rassistischen Thesen zustimmt – und PEGIDA bringt das nun auf die Straße. Die Reaktion kann aber nicht sein, dies als gesetzt hinzunehmen. Vielmehr müssten die betroffenen Organisationen aus unserer Sicht klar machen: entweder Kirchenmitglied oder PEGIDA, entweder Gewerkschafter_innen oder PEGIDA, entweder Parteimitglied oder PEGIDA – kurz: entweder engagierter Teil einer demokratischen Gesellschaft oder Rassist_in!
Vor allem aber darf man die von PEGIDA angewandte Form der Auseinandersetzung nicht durch das gemeinsame Setzen an einen Tisch auch noch legitimieren – schon gar nicht darf man das Orga-Team um Bachmann damit adeln. Egal wie viele Menschen bei PEGIDA mitlaufen, es bleiben Vertreter_innen einer rassistischen Ideologie, die auch mit Mitteln der Gewalt ihre Positionen durchzusetzen versuchen. Solange dies der Fall ist, verbittet sich für uns jede Form des Dialoges und jede_r, der sich in solch einen Dialog begibt, verliert aus unserer Sicht die Anerkennung, Gesprächspartner_in unseres Bündnisses zu sein.
4. Was könnte Ziel eines Dialogs mit PEGIDA sein?
Für den Ausgang eines Dialoges sind letztlich drei Varianten dankbar: man stellt fest, dass es keine Einigung gibt. In diesem Fall wären wir in der Auseinandersetzung mit PEGIDA am selben Punkt, wie jetzt auch – ein Gespräch wäre also kein Fortschritt. Eine Seite kann sich mit ihren Positionen durchsetzen und die andere überzeugen – wir aber werden sicher keinen rassistischen Positionen zuzustimmen und PEGIDA hat in keiner Weise bislang erkennen lassen, dass sie von ihren Forderungen abrücken werden. Es bliebe Variante drei: ein Kompromiss. Aber wie sollte ein Kompromiss mit PEGIDA aussehen? Ihr verzichtet auf Gewalt, dafür tolerieren wir euren Rassismus? Ihr schmeißt alle Nazis von eurer Demo und wir akzeptieren eure Abwertung anderer Menschen? Alle Forderungen von PEGIDA sind hahnebüchen und absurd, weil sie entweder längst (von uns kritisierte) Realität sind – wie zum Beispiel, dass das hiesige Asylrecht bereits jetzt schon für sog. Wirtschaftsflüchtlinge nicht greift und selbst zahlreichen politisch Verfolgten in Deutschland kein Asyl gewährt – oder vollkommen abwegig, wie der verlangte Schutz einer angeblichen christlich-jüdischen Abendlandkultur.
Für uns steht deshalb fest, dass Rassismus kein Podium geboten werden darf. Deshalb können wir uns keinen Dialog mit den Organisator_innen oder Anhänger_innen der PEGIDA vorstellen, auch nicht mit Vertretern des rechtsradikalen und des Hooligan-Spektrums, die Böller auf friedliche Demonstranten werfen und online Morddrohungen und Hetze verbreiten. Kurz gesagt, wenn Menschen ernsthaft in Dialog über Rassismus und seine Folgen treten wollen, dann muss das außerhalb des Kontextes PEGIDA geschehen, außerhalb der großen Bühnen und in erster Linie mit den von Rassismus Betroffenen.
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