Sonntag, 16. Juni 2013
Ukraine: Eine von der CDU finanzierte Partei hetzt gegen eine „Moskau-jüdische Mafia“
Eine Revolution sozialer Nationalisten
KIEW/BERLIN
german-foreign-policy vom 06.06.2013 – Enge Verbündete Berlins in der Ukraine intensivieren ihre Zusammenarbeit mit einer erstarkenden Partei der extremen Rechten, um eine prowestliche Politik in Kiew zu erzwingen. Mitte Mai haben die zwei größten ukrainischen Oppositionsparteien „Batkiwschtschina“ und „UDAR“ einen formellen Wahlpakt mit der rassistisch-antisemitischen Partei „Swoboda“ geschlossen. Damit führen sie ihre bereits letztes Jahr eingeleitete Kooperation fort, die unter anderem die gemeinsame Wahl eines Swoboda-Abgeordneten zum Vize-Präsidenten des ukrainischen Parlaments beinhaltete. Batkiwschtschina wie auch UDAR gelten als prowestlich, arbeiten mit Berlin zusammen und werden von der CDU und deren Stiftung unterstützt. Swoboda beruft sich auf Tradition von NS-Kollaborateuren und hat bei den letzten Parlamentswahlen mehr als zehn Prozent der Stimmen erzielt. Die Partei hetzt gegen eine „Moskau-jüdische Mafia“ und will, wie Batkiwschtschina und UDAR, den russischen Einfluss weitestgehend zurückdrängen. Sie arbeitet mit der deutschen NPD zusammen.
Gemeinsamer Wahlkampf
Die zwei großen prowestlichen Parteien der ukrainischen Opposition haben ihre Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei „Swoboda“ vertieft. Berichten zufolge haben Mitte Mai die Parteien „Batkiwschtschina“ („Vaterland“) der inhaftierten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und „UDAR“ („Schlag“) des Boxchampions Vitali Klitschko einen Wahlpakt mit Swoboda geschlossen. Demnach wollen sie bei den nächsten Präsidentenwahlen einen gemeinsamen Kandidaten unterstützen – in der Stichwahl, wenn es beim aktuellen Wahlmodus bleibt, durchaus aber schon im ersten Wahlgang, sollte die Regierung die Regeln ändern und die Wahl auf diesen einen Urnengang beschränken. Darüber hinausgehend werden die drei Parteien ihren Wahlkampf „auf allen Ebenen“ miteinander abstimmen und „im Parlament wie auch außerhalb desselben gemeinsam handeln“.[1] Zudem haben sie beschlossen, auch gemeinsam gegen Oppositionsparteien außerhalb ihres Paktes vorzugehen. Eine entsprechende Vereinbarung, die auf die Ablösung der derzeitigen, mit Russland kooperierenden Regierung zielt, ist von den Parteivorsitzenden persönlich unterzeichnet worden.
Gemeinsamer Oppositionsrat
Die Zusammenarbeit zwischen den drei Parteien wird damit zwar intensiviert, ist allerdings nicht neu. Batkiwtschina hatte bereits vor den ukrainischen Parlamentwahlen im Oktober 2012 mit Swoboda kooperiert: Beide Seiten hatten sich geeinigt, nicht im selben Wahlkreis mit Direktkandidaten gegeneinander anzutreten. Batkiwschtschina hatte in diesem Rahmen auf 35 Wahlkreise verzichtet. Swoboda konnte davon profitieren und gewann zwölf Direktmandate. Kurz vor der Wahl einigten sich die beiden Parteien außerdem auf die Bildung einer gemeinsamen Parlamentsfraktion.[2] Der Swoboda-Abgeordnete Ruslan Koschulynskij wurde nach den Wahlen mit den Stimmen nicht nur von Batkiwschtschina, sondern auch von UDAR zum stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden in der Werchowna Rada gewählt. Im Dezember kam es dann zur ersten weitreichenden Übereinkunft von Batkiwschtschina, Swoboda und UDAR: Die Gründung eines „Oppositionsrates“ zur engeren Koordinierung der parlamentarischen Aktivitäten wurde beschlossen.[3] Der im Mai schriftlich fixierte Wahlpakt weitet die Kooperation erneut aus.
Bevorzugte Partner
Der Ausbau der Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei Swoboda ist vor allem auch deswegen bemerkenswert, weil Batkiwschtschina und UDAR die bevorzugten Kooperationspartner Berlins in Kiew sind. Die Batkiwschtschina-Führungsfigur Timoschenko wird in der deutschen Hauptstadt als wichtige Verbündete im Kampf gegen Moskau um den dominierenden Einfluss in Kiew eingestuft; sie wird von CDU-Politikern öffentlich unterstützt. Ihre Partei hat seit 2008 Beobachterstatus in der Europäischen Volkspartei (EVP), in der CDU und CSU über erheblichen Einfluss verfügen; von der Kiewer Außenstelle der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hat sie auch ganz praktische Hilfen erhalten.[4] Die Adenauer-Stiftung ist zudem um UDAR bemüht; wie ein CDU-Politiker behauptet, ist Vitali Klitschko sogar einst „von der Adenauer-Stiftung damit beauftragt“ worden, „in der Ukraine eine christlich-konservative Partei unterstützend mit auf die Beine zu stellen“.[5] Das Ergebnis war demnach die Gründung von UDAR. Klitschko steht auch zur offiziellen deutschen Außenpolitik in Kontakt: So ist er im November 2012 in Berlin gewesen, um sich unter anderem mit Außenminister Westerwelle über eventuelle Sanktionen gegen ukrainische Behördenvertreter auszutauschen.[6] Wie Timoschenko und Batkiwschtschina gelten auch Klitschko und UDAR in Berlin als zuverlässig prowestliche Kraft.
Einheit von Blut und Geist
Über den politischen Charakter von Swoboda liegen mittlerweile zahlreiche Untersuchungen vor. 1991 als „Sozial-Nationale Partei der Ukraine“ gegründet, gab sich die Vereinigung am 14. Februar 2004 ihren heutigen Namen – auf Empfehlung des extrem rechten französischen „Front National“ (FN). 2009 erzielte sie ihren ersten großen Wahlerfolg – 34,69 Prozent bei einer Nachwahl zum Stadtrat von Ternopil -, 2012 erfolgte mit 10,45 Prozent der Stimmen der Einzug ins nationale Parlament. Der Anführer der Partei, Oleh Tjahnybok, bezeichnet die Ukrainer als „soziale Nationalisten“, die in Kürze eine „dritte Revolution“ beginnen könnten.[7] Die ukrainische „Nation“ definiere sich dabei als „Einheit von Blut und Geist“. Ideologischer Bezugspunkt ist nicht zuletzt ein Werk eines ukrainischen NS-Kollaborateurs von der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), der nach 1945 in München lebte und in der dortigen Szene exilierter ukrainischer Faschisten tätig war.[8] Über die Swoboda-Politiker, von denen einige mittlerweile in der Werchowna Rada sitzen, heißt es, viele von ihnen ergingen sich „in antisemitischen Verunglimpfungen und anderen Hasstiraden“.[9] Der Parteichef hat einst erklärt, die Ukraine stehe unter dem Einfluss einer „Moskau-jüdischen Mafia“.[10] Vor allem antisemitische Aktionen haben in letzter Zeit zu internationaler Aufmerksamkeit geführt. Swoboda-Anhänger treten zuweilen mit der Parole „Schlagt die Juden“ bei Riots auf.
„Nicht überbewerten“
In gewissem Gegensatz dazu stehen Darstellungen in deutschen Medien, die die Kooperation der prowestlichen ukrainischen Opposition mit Swoboda – sofern sie sie nicht gänzlich beschweigen – durchaus milde beurteilen. Man dürfe den jüngsten Wahlpakt „nicht überbewerten“, hieß es vor kurzem etwa im Deutschlandfunk unter Berufung auf einen ukrainischen Politologen. „Im Westen“ reagiere man eben „viel sensibler auf Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz“ als in der Ukraine; dort sei „die Angst vor den angeblich neoimperialistischen Bestrebungen Russlands“ heute „viel präsenter“.[11] Bei der Adenauer-Stiftung heißt es, Swoboda habe während des Wahlkampfs neben „populistischen Maßnahmen“ auch „sinnvolle“ Schritte verlangt, etwa „geringere(…) Steuern für kleine und mittlere Unternehmen“.[12] Für sie stehe vor allem „die Forderung nach der Absetzung der ihrer Meinung nach antiukrainischen Regierung“ im Vordergrund. Man müsse auch „die zunehmend wichtige Position“ realisieren, „die Swoboda innerhalb der Opposition einnimmt“. Ein gewisses Aufsehen hat unlängst erregt, dass die Deutsche Welle einem extrem rechten ukrainischen Blog die Auszeichnung „Best Blog Ukrainisch“ verliehen hat. Die Deutsche Welle erklärt, die Nominierung für die Ehrung sei von ihrer ukrainischen Redaktion vorgenommen worden. Sie hat die Auszeichnung nach öffentlichen Protesten zurücknehmen müssen.[13]
Zusammenarbeit mit der NPD
Vor wenigen Tagen ist nun eine Swoboda-Delegation nach Deutschland gereist, um – neben den Beziehungen ihrer Verbündeten Batkiwschtschina und UDAR zur CDU – ein zweites Kontaktnetz der miteinander immer enger kooperierenden ukrainischen Opposition aufzubauen: eines zur NPD. Wie die NPD mitteilt, traf die Swoboda-Delegation mit ihrem „Auslandsreferenten“ Jens Pühse und mit NPD-Abgeordneten aus dem sächsischen Landtag zusammen. Leider habe der Bürgermeister von Ternopil (250.000 Einwohner), ein Swoboda-Mann, der erst vor kurzem der Parteizeitung der NPD ein Interview gewährt habe, kurzfristig absagen müssen; ihn hätten jedoch zwei Stadträte vertreten. Der Kiewer Parlamentsabgeordnete Mychajlo Holowko habe sich recht „zuversichtlich“ gezeigt, in Zukunft die Kooperation zwischen den zwei Parteien und ihren Parlamentsfraktionen intensivieren zu können. Die NPD wies darauf hin, dass Swoboda schon jetzt mit diversen Parteien der extremen Rechten in Europa zusammenarbeitet – von der „British National Party“ (BNP) über die italienische „Fiamma Tricolore“ bis zur ungarischen „Jobbik“.[14] Von Protesten gegen die Zusammenarbeit von Batkiwschtschina, UDAR und Swoboda aus Berlin, das seinerseits die mit Russland kooperierende Regierung in Kiew von der Macht verdrängen will [15], ist nichts bekannt.
[1] Batkivschyna, UDAR, Svoboda to coordinate their actions at presidential election; www.interfax.co.uk 18.05.2013
[2] s. dazu Vaterland und Freiheit
[3] Batkivschyna, UDAR, Svoboda to create opposition council to coordinate activity in Rada; www.kyivpost.com 17.12.2012
[4], [5] s. dazu Der Schlag des Boxers (II)
[6] s. dazu Klitschko in Berlin
[7] Mridula Ghosh: Die Rechtsextreme im politischen Mainstream der Ukraine: Was steht bevor? In: Ralf Melzer, Sebastian Serafin (Hg.): Rechtsextremismus in Europa. Länderanalysen, Gegenstrategien und arbeitsmarktorientierte Ausstiegsarbeit, Berlin 2013
[8] s. dazu Zwischen Moskau und Berlin (V)
[9] Mridula Ghosh: Die Rechtsextreme im politischen Mainstream der Ukraine: Was steht bevor? In: Ralf Melzer, Sebastian Serafin (Hg.): Rechtsextremismus in Europa. Länderanalysen, Gegenstrategien und arbeitsmarktorientierte Ausstiegsarbeit, Berlin 2013
[10] Rachel Ehrenfeld: Svoboda Fuels Ukraine’s Growing Anti-Semitism; www.algemeiner.com 24.05.2013
[11] Um jeden Preis gegen Janukowitsch; www.dradio.de 27.05.2013
[12] Gabriele Baumann, Christine Rosenberger: Die Ukraine nach den Parlamentswahlen. Rückblick und Ausblick, in: KAS Auslandsinformationen 1-2/2013, 119-146
[13] Auszeichnung für faschistischen Propagandablog ist ein schwerer Fehler der Deutschen Welle; www.andrej-hunko.de 14.05.2013. The Bobs: Deutsche Welle streicht Publikumspreis „Best Blog Ukrainisch“ 2013; www.dw.de 15.05.2013
[14] Parlamentarische Delegation der ukrainischen Rechtspartei „Swoboda“ zu Gast bei der NPD-Fraktion; www.npd.de 30.05.2013
[15] s. dazu Kampf um die Ukraine
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58617
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen