Sonntag, 16. Juni 2013
Kissinger-Professur in Bonn
IMI-Standpunkt 2013/025 (Update 6.6.2013)
„Das Illegale machen wir sofort, das, was gegen die Verfassung geht,
dauert ein bisschen länger.“
http://www.imi-online.de/2013/05/29/kissinger-professur-in-bonn/
von: Jürgen Wagner
Der Satiriker Tom Lehrer hängte seinen Job Anfang der 1970er an den
Nagel, nachdem Henry Kissinger, Nationaler Sicherheitsberater der
US-Regierung von 1969 bis 1973 und anschließend bis 1977
US-Außenminister, der Friedensnobelpreis verliehen worden war. Es geht
das Gerücht um, Lehrer habe seinen Rückzug damit begründet, nach der
Auszeichnung Kissingers sei politische Satire unmöglich geworden.
In seiner Funktion als Nationaler Sicherheitsberater war Kissinger
führend beteiligt am Chemiewaffeneinsatz der USA gegen Vietnam. Trotzdem
erhielt er 1973 zusammen mit dem vietnamesischen Politiker Le Duc Tho
den Friedensnobelpreis für das Abkommen zur Beendigung des
Vietnamkrieges. Kissinger nahm an, Le Doc Tho lehnte ab, da der Krieg
trotz des Abkommens andauerte. Er endete erst 1975.
Auch beim Militärputsch 1973 in Chile hatte Kissinger die Finger im
Spiel. Nach der Machtergreifung Pinochets erklärte er als
US-Außenminister, dass die Vereinigten Staaten selbst nicht geputscht
hätten, aber dass sie „die größtmöglichen Voraussetzungen geschaffen haben.“
Der britische Journalist Christopher Hitchens kommt in seinem 2001
erschienenen Buch ‚The Trial of Henry Kissinger‘ zu dem Schluss,
Kissinger habe sich u.a. folgender Vergehen schuldig gemacht:
„Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die
Verletzung des Völkergewohnheitsrechts oder Völkerrechts, einschließlich
der Verschwörung zu Mord, Entführung und Folter.“
Zuletzt bestätigten im April 2013 von Wikileaks veröffentlichte
Botschaftsdepeschen, wie wenig Berührungsängste Kissinger gegenüber
illegalen Machenschaften hatte. So berichtete der Focus (08.04.2013)
über Aussagen Kissingers während seiner Amtszeit im Kontext des
Konflikts zwischen Zypern und der Türkei: „Das Illegale machen wir
sofort, das, was gegen die Verfassung geht, dauert ein bisschen länger.“
Mit dieser Politik ist Henry-Kissinger für Außenminister Guido
Westerwelle „ein Staatsmann von Weltgeltung und ein Vordenker der Kunst
des Machbaren.“ und für Verteidigungsminister Thomas de Maizière „einer
der großartigsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts und ein brillanter
Wissenschaftler.“ (BMVg/Auswärtiges Amt) Beide haben deshalb
vorgeschlagen, aus Anlass des 90. Geburtstags Kissingers an der Bonner
Universität eine ‚Henry-Kissinger-Professur‘ einzurichten.
Die Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung,
unter besonderer Berücksichtigung sicherheitspolitischer Aspekte, soll
auf fünf Jahre angelegt werden und vom Verteidigungsministerium und
Auswärtigem Amt gemeinsam finanziert werden.
Ein Lehrstuhl, der laut de Maizière sicherstellen soll, „dass die
außerordentlichen Leistungen Henry Kissingers auf den Gebieten der
Diplomatie, Strategie und der transatlantischen internationalen
Beziehungen die sicherheits- und verteidigungspolitische Debatte
dauerhaft beflügeln.« (Behördenspiegel Online, 27.05.2013)
Der Satiriker Tom Lehrer hatte recht, bei dieser Politik vergeht einem
das Lachen. Was überlegen sich de Maizière und Außenminister Westerwelle
als nächstes? Den Augusto Pinochet Gedächtnis-Lehrstuhl?
--
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