Freitag, 3. Mai 2013

„Schlaftablette“ Sozialpartnerschaft

Zum Arbeitskampf bei Neupack Ein Kommentar von SUSANN WITT-STAHL Hindergrund vom 30. April 2013 - Der Streik bei dem Verpackungshersteller Neupack begann hoffnungsvoll. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die ihn ausgerufen hatte, präsentierte sich kämpferisch: Er werde an Neupack „ein Exempel statuieren“, versprach der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis und einen Tarifabschluss durchzusetzen – „koste es, was es wolle.“ Sechs Monate später ist davon keine Rede mehr. Der Unternehmer setzte auf Eskalation. Die IG BCE reagierte mit Appeasement und scheiterte. Nun will sie sich mit faulen Kompromissen aus der Affäre ziehen und die Streikenden im Stich lassen, wirft ihr der harte Kern der kämpfenden Belegschaft vor. „Die IG BCE kann nur Sozialpartnerschaft, nicht Klassenkampf“, lautet die deprimierende Diagnose des Neupack-Solikreises. Morgen wollen die streikenden Neupack-Kollegen und ihre Unterstützer auf der 1. Mai-Kundgebung in Hamburg ein Zeichen der Solidarität setzen und einen Block bilden. Michael Vassiliadis ist auf der anschließenden DGB-Kundgebung als Hauptredner angekündigt. Kritische Gewerkschafter fürchten: Er wird nicht die Wahrheit sagen, seine IG BCE für das Nicht-Erreichte loben und eine Einheit beschwören, die er längst zerstört hat. „Wer wohl klatschen wird? Jedenfalls keiner der Streikenden!“, versprechen die Kollegen. Der Erzwingungsstreik für einen Haustarifvertrag bei Neupack hatte bereits am 1. November vergangenen Jahres begonnen. Mehr als die Hälfte der Belegschaft beteiligte sich. Realistisch gestecktes Ziel ist die Festschreibung von sozialen und finanziellen Mindeststandards, die für die Beschäftigten von Neupack bislang nicht gelten. Der niedrigste Stundenlohn in dem Unternehmen beträgt 7,80 Euro brutto. In dem angestrebten Tarifvertrag sollen die untersten Lohngruppen zwischen zwölf und 13 Euro liegen – eine Forderung, die 18 Prozent unter dem Niveau des für die Branche geltenden Flächentarifvertrages liegt. Ein weiteres Ziel ist die Einschränkung der Unternehmerwillkür. Denn ein Lohn- und Gehaltsrahmen, der diesen Namen verdienen würde, existiert bei Neupack nicht. „Wir arbeiten im Akkord, werden aber nicht als Akkordarbeiter bezahlt“, sagt eine Kollegin, die dort seit 20 Jahren als Packerin beschäftigt ist. Die 1959 gegründete Neupack Verpackungen GmbH & Co KG ist in Deutschland einer der führenden Hersteller von im Tiefziehen-Verfahren produzierten Kunststoffverpackungen, wie Becher, Deckel, Schalen und anderes industrieübliches Verpackungsmaterial von Verbrauchsgütern für den täglichen Bedarf. Das Familienunternehmen hat an seinen beiden Betriebsorten Hamburg-Stellingen und Rotenburg/Wümme insgesamt rund 200 Beschäftigte. Geschäftsführer sind Jens und Hajo Krüger. Die Krügers agieren nach Gutsherrenart – die im Neoliberalismus eine Renaissance erlebt –, und betreiben selbstherrlich eine Entgeltpolitik der „Bezahlung nach Nase“, wie die Streikenden kritisieren. „Hier werden die Leute extrem unterschiedlich entlohnt, für die gleichen Arbeiten“, berichtete IG-BCE-Sekretär Rajko Pientka dem Magazin Panorama. Zudem gebe es „willkürliche Zusatzzahlungen beim Urlaubsgeld“ und diverse Schikanen. Beispielsweise werde gemessen an der Anzahl der Krankheitstage das Weihnachtsgeld gekürzt. Wer sich bedingungslos unterwirft, pariert und schweigt, erhält einen wenigstens nicht skandalösen Lohn. Wer berechtigte Forderungen stellt und auf seine Rechte pocht, wird mit Niedrigstlöhnen und mit im Arbeitsrecht erlaubten und auch nicht erlaubten Sanktionen drangsaliert. Gegenüber den auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes gewählten Arbeitervertretern verspürt die Geschäftsleitung eine starke Abneigung. „Ich glaube, da können Sie jeden Unternehmer fragen – es ist sicher so, dass das Leben relativ einfacher wäre, wenn es keinen Betriebsrat gibt“, gesteht Miteigentümer und Firmensprecher Lars Krüger, der ebenso wie die anderen Mitglieder der Unternehmerfamilie Tarifabschlüsse rigoros ablehnt. So behauptet Jens Krüger, die Forderungen der IG BCE seien „nachweislich“ nicht erfüllbar. Die Mehrheit der Neupack-Beschäftigten ließ sich aber nicht mehr mit faulen Ausreden abspeisen. Sie begaben sich in den Ausstand. Für viele eine ganz neue Lebenserfahrung: Solidarität ist eine wirksame Waffe. Die Kollegen kämpften über den harten Winter vor den Werkstoren Schulter an Schulter abwechselnd im Hamburger Schmuddelwetter und in der bitteren Kälte. „Dass so viele mitgekommen sind – das war eine tolle Erfahrung“, berichtet eine Streikende. Dieses Verhalten habe gezeigt, dass ein großer Zusammenhalt unter den Arbeitern vorhanden sei. Der Unternehmer kämpft mit allen Mitteln Der Krüger-Klan reagierte mit totalem Krieg und setzte als Mann fürs Grobe den Unternehmensberater Arne Höck ein. Der gilt als Experte für die Lösung lästiger Probleme, wie die Existenz von Betriebsräten und aktiven Gewerkschaftsstrukturen in den Betrieben. Höck war zur selben Zeit bei der ROWA Group in Pinneberg Geschäftsführer, als Beschäftige geschlagen und bedroht wurden, weil sie versucht hatten, einen Betriebsrat zu gründen. Bald begangen die Krügers, willkürlich fristlose Kündigungen gegen Streikende auszusprechen – alleine sechs Mal gegen den Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes. Sie heuerten 60 polnische Leiharbeiter als Streikbrecher und aggressiv auftretende Securities mit scharfen Hunden an. Die Mitglieder der Stammbelegschaft, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligen, werden mit „Nicht-Streikprämien“ belohnt. Ferner startete die Krüger-Familie eine PR-Kampagne und gibt „Streiknews“ heraus, mit denen sie nach eigenen Angaben „aufrichtig und wahrheitsgetreu“ informiert, sich als Opfer einer „Hexenjagd“ inszeniert und die Streikenden und ihre Unterstützer als gewaltbereite Chaoten darstellt. Schließlich erwirkte das Unternehmen beim Hamburger Arbeitsgericht eine Einstweilige Verfügung, die es den Arbeitern untersagt, beim morgendlichen Schichtwechsel die Werktore zu blockieren – lediglich 15 Minuten, maximal, dürfen sie bei Schichtwechsel den Bus mit den Streikbrechern aufhalten, um ihnen Argumente gegen deren unsolidarisches Verhalten vorzutragen. Nachdem es am Standort Rothenburg zu Handgreiflichkeiten gekommen war, bei der ein Streikbrecher eine Schädelfraktur erlitt, versuchte die Geschäftsleitung den Streik untersagen zu lassen, scheiterte jedoch vor Gericht. Das Krüger-Imperium blieb hartnäckig. Aber offenbar zeitigte der Streik seine Wirkung. Die nicht ausreichend angelernten Streikbrecher produzierten eine Menge Ausschuss. Die Lager leerten sich allmählich. Im Januar erklärte das Unternehmen, wegen des Streiks könnte es seine Kapazitäten nur noch zu 65 bis 70 Prozent nutzen. Es habe Kunden an die Konkurrenz verloren. Der Umsatz sei um rund 20 Prozent zurückgegangen Mit „Flexi-Streik“ auf Deeskalationskurs Dennoch entschied sich die IG BCE für einen Strategiewechsel: Am 24. Januar unterbrach sie den Ausstand erstmals, rief ihn eine Woche später aber wieder aus, dann folgte ein weiterer sechstägiger Arbeitseinsatz. „Flexi-Streik“ hieß die neue Losung. Mit der Taktik, die Kollegen in unkalkulierbaren Abständen rein in den Betrieb zum Dienst zu schicken und sie nach einigen Tagen wieder rauszuholen, sollen dem Unternehmen die Arbeitsplanung erschwert und möglichst häufig doppelte Lohnkosten (für die Streikenden, die sich überraschend zum Dienst melden, und für die in derselben Schicht eingeteilten Streikbrecher) generiert werden. Von diesem Konzept konnten die IG-BCE-Sekretäre die Mehrheit der Kollegen nach langen Diskussionen überzeugen. Aber bald schon sollte sich herausstellen, dass die IG BCE die Neupack-Firmenleitung mindestens zwölf Stunden vor jedem Wechsel von der Arbeits- in die Streikphase informierte – dem Unternehmer blieb jeweils Zeit, um Maßnahmen einzuleiten, die die Wirkung des Arbeitskampfes erheblich abfederten. Nur wenn die Arbeit überraschend für wenige Tage aufgenommen und dann wieder abrupt eingestellt wird, könnten die angestrebten Effekte erzielt werden. Außerdem ordnete die IG BCE immer längere Arbeitsphasen an (teilweise zwei Wochen, später sogar mehr). So konnte der Unternehmer seine Lager rasch wieder auffüllen und ganz in Ruhe die streikende Stammbelegschaft austauschen. Den meisten Streikbrechern wurden feste Einjahresverträge angeboten. Allen am Arbeitskampf beteiligten Mitgliedern der Neupack- Stammbelegschaft mit befristeten Arbeitsverhältnissen droht nun der Rauswurf – spätestens am 30. Juni dieses Jahres. Der sich aus kampferprobten kritischen Gewerkschaftern, organisierten und nicht organisierten Linken rekrutierende Solikreis Neupack, der die Arbeiter im Ausstand vor Ort rund um die Uhr aktiv unterstützt und von vornherein Skepsis gegenüber der neuen IG-BCE-Taktik geäußert hatte („die Streikenden werden von der eigenen Gewerkschaft zum Streikbruch in das Werk kommandiert“), warnte schon sehr bald vor einer starken Gefährdung der Stabilität der Streikfront. Erschwerend hinzu kam, dass die am Arbeitskampf beteiligten Kollegen während der Arbeitsphasen ständig Mobbing, Drohungen, Beschimpfungen und Schikanen ausgesetzt waren. Laut Gewerkschaft haben die Krügers bisher 14 willkürliche Kündigungen und sieben Abmahnungen ausgesprochen. Mindestens 13 Beschäftigte haben die Belastung nicht mehr ausgehalten und mussten das Unternehmen verlassen. „Ich gehe da drin kaputt“, warf eine der Streikenden den Verantwortlichen der IG BCE auf einer Versammlung vor einigen Wochen vor. „Das ist völlig daneben, was ihr uns zumutet.“ Der Arbeitgeber spiele mit den Ängsten der Beschäftigten, berichtet ein Kollege. „Viele von uns dürfen schon jetzt nicht mehr an ihren angestammten Arbeitsplätzen und Maschinen arbeiten und müssen teilweise Reinigungsarbeiten verrichten.“ Die „Flexi-Streikenden“ ernteten nur Spott und Hohn von den Streikbrecher und der Krüger-Familie. „Sie sagen uns, dass wir die Dummen sind, weil wir trotz Streik ihre Lager füllen. Sie sagen uns, dass die IG BCE uns verkauft hat.“ (1) Es sei eine „nicht hinnehmbare Zumutung“, die Kollegen schutzlos der Willkür des „Betriebsregimes“ auszuliefern, kritisiert auch der Solikreis. „Sie wurden von ihrer Gewerkschaft zur Erwirtschaftung von Mehrwert in die Lohnarbeit geschickt. Die Produktion läuft wieder auf Hochtouren“, lautete sein bedrückendes Zwischenresümee nach knapp drei Wochen „Flexi-Streik“ – mit „angezogener Handbremse“, wie einige Kollegen das IG-BCE-Konzept nennen. Es verdichteten sich die Hinweise, dass die Gewerkschaft mit dem Umschalten vom Voll- auf den „Flexi-Streik“ auch noch ein anderes Ziel verfolgte als die Durchsetzung eines Haustarifvertrages. Die Funktionäre räumten ein, dass der „Flexi-Streik“ auch ein Mittel sei, die Krügers zu schonen. „Insgesamt können wir feststellen, dass der Arbeitskampf Neupack schon schwer getroffen hat“, sagte der Leiter des IG-BCE-Bezirks Hamburg/Harburg Jan Eulen am 12. Februar. „Wir wollen das Unternehmen aber nicht in den Ruin streiken. Deswegen haben wir unsere Strategie angepasst.’„ (2) Kaum zu glauben: Offenbar wollte die Gewerkschaft vermeiden, was für sich im Ausstand befindende Arbeiter eine Selbstverständlichkeit und genuine Funktion eines Arbeitskampfes ist: Den Unternehmer konsequent unter Druck zu setzen, bis er keine Wahl mehr hat und einem Tarifabschluss zustimmen muss. „Wir setzen eben auf einen Deeskalationskurs“, erklärte erklärte Oliver Venzke, stellvertretender Vorsitzender der IG BCE Nord das dubiose Verhalten seiner Gewerkschaft. „Die Krügers machen Klassenkampf, die IG BCE bittet um Sozialpartnerschaft“, kommentierte der Solikreis Neupack. Regelungsabrede statt Tarifvertrag Noch mehr Frust und Misstrauen kam auf, als die Gewerkschaft signalisierte, notfalls auf einen Tarifabschluss zu verzichten und sich mit einer anderen Lösung abzufinden: Nach mehr als vier Monaten andauernder Auseinandersetzungen erklärten sich die Neupack-Geschäftsführer bereit, mit dem Betriebsrat eine von Juristen als „kleine Schwester der Betriebsvereinbarung“ bezeichnete Regelungsabrede einzugehen – eine vom Betriebsverfassungsgesetz ermöglichte Vertragsform, die gewöhnlich nur kurzzeitig in Einzelfallangelegenheiten zur Anwendung kommt. Formal dürfen die Gewerkschaften sie gar nicht abschließen. In der Auseinandersetzung zwischen dem Betriebsrat und der Firmenleitung sitzt die IG BCE aber mit am Verhandlungstisch, um wenigstens konkrete Arbeitsplatzbeschreibungen und einen Entgeltrahmen festzulegen. Was ihre Sekretäre den Streikenden zunächst verschwiegen und erst nach heftiger Kritik des Soli-Kreises und intensiver Befragung der Kollegen eingestanden haben: Regelungsabreden haben im Gegensatz zu Tarifverträgen überhaupt keine direkte Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse, sie sind nicht zwingend, die Erfolgschancen bei Individualklagen auf Anwendung äußerst gering – die Beschäftigten stehen mit leeren Händen da, wenn der Arbeitgeber sie nicht einhält. Aber die Gewerkschaft versuchte, unentwegt zu suggerieren, dass sie eine attraktive Lösung für die Arbeitnehmer erkämpft. „Es ging heute um die Formulierung einer möglichen Vereinbarung, deren rechtliche Wirkung der eines Tarifvertrags möglichst nahe kommt“, verkündete der IG-BCE-Landesbezirksleiter Nord und Verhandlungsführer Ralf Becker am 11. März ganz stolz. Viele der Streikenden fühlten sich getäuscht und reagierten verärgert. „Das ist Geschwurbel und noch weniger als nichts“, sagte ein Kollege wütend. „Als die Unternehmerfamilie Krüger sich der Rolle des Sozialpartners verweigerte, nahm die Gewerkschaftsführung Abschied von der Forderung nach einem Tarifvertrag“, lautet die Interpretation des Solikreises Neupack. Die IG BCE hält entgegen, dass die Regelungsabrede unverzichtbar sei, weil sie eine sogenannte Maßregelungsklausel enthalten soll, die Sanktionen des Arbeitgebers gegen die Streikenden (Abmahnungen und Kündigungen der unbefristeten Arbeitsverhältnisse; die befristeten werden nicht geschützt) ausschließt. „Fakt ist: Wenn es keine vernünftige Maßregelungsklausel gibt, dann wird es mit uns zu keiner Einigung kommen“, versprach Oliver Venzke. Die IG BCE im Alleingang Aber selbst gegenüber dem mehr als niedrigschwelligen Vorstoß der IG BCE schalteten die Krügers auf stur. Über die meisten Punkte, darunter die Mindestbasis der Stundenlöhne, die Urlaubsgeldregelung, Verfahren bei Umgruppierungen, konnte keine Einigung erzielt werden. Hauptknackpunkt war die Maßregelungsklausel, von der der Arbeitgeber den Betriebsratsvorsitzenden sowie weitere fünf Kollegen, die von den Krügers aller möglicher Vergehen – größtenteils Bagatelldelikte wie Beleidigungen – beschuldigt werden, ausnehmen will. Wenn sie nicht völlig ihr Gesicht verlieren wollte, blieb der IG BCE nun kaum etwas anderes übrig, als eine Grenze zu setzen. Am 5. April erklärte sie die Gespräche mit der Geschäftsleitung für gescheitert. Der harte Kern der Neupack-Kollegen und seine Unterstützer wagten derweil, einen Anlauf zur Wiederbelebung des Arbeitskampfes zu nehmen, ihn konsequent und effizient zu organisieren und zu einem Erfolg zu führen: Dafür forderten sie Ende März, dass die Streikleitung an die Beschäftigten übergeben werden soll, die bislang keine Entscheidungsgewalt über Strategie und Vorgehen hatten und der Hierarchie der IG-BCE-Funktionäre unterstellt waren. Letztere lehnten es ab, den Kollegen die gewünschte Autonomie zu gewähren, baten sich aber eine Bedenkzeit von einer Woche bis 14 Tagen aus, um einen Kompromissvorschlag zu entwickeln. Die Gewerkschaft hat ihr Wort nicht gehalten: Einen Monat warten die Streikenden vergeblich auf eine Antwort. „Inzwischen sind nicht nur alle der Meinung, dass sie mit dem ,Flexi-Streik‘ von der Gewerkschaftsführung in Hannover verarscht werden, sondern viele meinen auch, dass sie von Höck und Krüger und den IG-BCE-Verhandlungsführern zermürbt und zur Aufgabe gebracht werden sollen – damit der ,schwarze Peter‘ nicht bei Becker und Vassiliadis ist“, lautet die bitter-böse vorläufige Bilanz des Solikreis Neupack. Die IG BCE geht nun offenbar ihre ganz eigenen, alles andere als luziden Wege. Am 12. April verlautbarte sie unerwartet eine frohe Botschaft: „Durchbruch erzielt: Neupack verzichtet auf Maßregelung.“ (3) Offenbar hatte die IG BCE die Gespräche mit dem Arbeitgeber wieder aufgenommen – ohne die Beschäftigten zu informieren. Verhandlungsführer Becker verliert kein Wort der Erklärung für dieses Vorgehen. Stattdessen verlautbart er: „Die gleiche Augenhöhe von Arbeitnehmern und Gewerkschaft auf der einen und Neupack auf der anderen Seite ist endlich erreicht! Man kann also auch bei Neupack Rechte erstreiten, ohne Nachteile hinnehmen zu müssen. Das ist zudem ein Schritt zur Befriedung und zur weiteren Mitbestimmung.” Und weiter heißt es lapidar: „Wer sich in zulässiger Weise am Arbeitskampf beteiligte, hat keine Nachteile zu befürchten, denn ausgesprochene Abmahnungen und Kündigungen werden aus den Personalakten entfernt.“ Über die anderen streikenden Kollegen, müssten die Gerichte entscheiden. Arbeiter fühlen sich verraten Der Neupack-Solikreis wertet das Verhalten der IG BCE als Entsolidarisierung, Spaltung und erhebliche Schwächung der Streikfront. Denn der Betriebsratsvorsitzende und herausragende Figur des Arbeitskampfes Murat Günes sowie andere Kollegen, denen ein Fehlverhalten zur Last gelegt wird, das bislang nicht erwiesen ist, fallen durch das Raster der Vereinbarung. Die gesamte kämpfende Belegschaft stehe einig hinter Murat Günes und den anderen „illegalen“ Aktivisten, versichert Dieter Wegner vom Solikreis. Günes habe stets nach dem Motto „Einer für alle“ gehandelt. „Jetzt sagen die Kollegen: ,Alle für einen!‘ Das sind für die IG-BCE-Führung fremde Worte. Sie kennt nur die eine Vokabel: Sozialpartnerschaft!“ Auch andere aktive Gewerkschafter sind empört über das Verhalten der IG BCE: „Ein enormer psychischer Druck lastet auf den Kollegen in diesem Spannungsfeld von Streikbrechern, Arbeitgeberpropaganda und Sicherheitsdienst mit Wachhunden am Werktor, also die gesamte aufgefahrene gesetzlich geschützte Übermacht des Arbeitgebers. Deswegen ist eine Solidargemeinschaft wie die Gewerkschaft verpflichtet, solange es irgendwie möglich ist, seine Mitglieder nicht in die Klauen des Arbeitgebers zu geben, sondern sich schützend vor sie zu stellen“, heißt es in dem Brief eines Betriebsrats, ehrenamtlichen Arbeitsrichters und IG Metallers an die IG BCE, der deren Deal mit der Neupack-Geschäftsführung als „Verrat“ wertet. „Das noch als Erfolg zu vermarkten, ist beschämend.“ (4) Die Attac Sozial AG mahnt: „Es ist keinesfalls Sache der Gewerkschaften, Streikteilnehmer ans Messer zu liefern! Kein einziger darf dem Unternehmer zur Maßregelung vorgeworfen werden! Überlegt Euch das noch mal und verwerft solche Gedanken!“ (5) Friede den Palästen! Krieg den Hütten! Das Tischtuch zwischen der mittlerweile porösen Neupack-Streikfront und ihrer Gewerkschaft droht, endgültig zu zerreißen. Wie konnte es so weit kommen? Wie ist das Verhalten der IG BCE zu erklären? Wo liegen die essentiellen Ursachen, dass der Streik vermutlich scheitern, nicht nur die IG BCE, sondern vor allem die Betroffenen – stellvertretend für alle prekär Beschäftigten –, am Rande einer krachenden Niederlage mit dramatischen Folgen steht? Einige Gewerkschafter sehen die Hauptursache für die mangelnde Durchschlagkraft des Streiks im deutschen Rechtssystem: Das Grundgesetz lässt Arbeitskämpfe zu. Aber ein explizites Recht auf Streiks gibt es nicht. Die Arbeitgeber haben weitgehend freie Hand, sie zu unterminieren, beispielsweise durch kurzfristige Neueinstellungen. „Anstatt dass Arbeitsgerichte das Streikrecht schützen, schützen sie diejenigen, die es brechen“, erklärt der Berliner Arbeitsrechtsanwalt Benedikt Hopmann und fordert Gesetzesänderungen, die den Einsatz von Leiharbeitern und Neueinstellungen während Arbeitskampfmaßnahmen verbieten. Die Partei Die Linke, die den Arbeitskampf durch Besuche von Abgeordneten – beispielsweise sprach Parteichef Bernd Riexinger zu den Neupack-Beschäftigten –, Mobilisierung der Mitglieder, Spenden- und andere Solidaritätsaktionen intensiv unterstützt, fordert vom SPD-Senat in Hamburg, eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, die Abhilfe schafft. „Weil die Inhaber ohne große rechtliche Hindernisse Streikbrecher einsetzen konnten, war die wirtschaftliche Situation nicht schmerzhaft genug, um mit der Gewerkschaft über einen Tarifvertrag zu verhandeln“, meint Kersten Artus, wirtschaftspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft und stimmte bereits am 20. März das Requiem für einen Streik an, den sowohl die IG BCE als auch die Neupack-Beschäftigten bis heute nicht für beendet erklärt haben. Die IG BCE könne „mit ihren sozialpartnerschaftlichen Positionen nicht beim Betriebsinhaber trumpfen“, räumt Artus zwar ein, aber sie und ihre Fraktion ziehen mit den eifrigsten Verfechtern des IG-BCE-Kurses an einem Strang: Die Linke gab am 24. Januar zusammen mit SPD und Grünen eine Erklärung anlässlich der ersten Aussetzung des Streiks heraus: „Dieser Schritt soll zur Deeskalation beitragen und ein Fenster für einen Neubeginn der Gespräche öffnen“, begrüßten die drei Parteien die Maßnahme. Ist die Sozialpartnerschaft der IG BCE auf betrieblicher Ebene lieb und teuer – SPD, Grüne und Die Linke propagieren ihr gesellschaftliches Pendant und verwiesen auf die Bedeutung des Tarifrechts für den Erhalt des „sozialen Friedens“. (6) Dass der „soziale Frieden“ in einer Zeit aggressiver Deregulierung des Arbeitsmarktes und Sozialabbaus ein Kapitulationsfrieden für die Lohnabhängigen, vor allem die prekär Beschäftigten, ist, ficht die rot-grünen Vollstrecker der Agenda 2010 freilich nicht an. Aber in der Linkspartei sorgt eine Politik, die objektiv den neoliberalen Imperativ ,Frieden den Palästen, Krieg den Hütten‘ befeuert, zumindest für Diskussionen: „Die Gewerkschaft hegt und pflegt das Bild von der Sozialpartnerschaft: Arbeitnehmer und Unternehmensspitzen sitzen in einem Boot und kooperieren auf Augenhöhe“, kritisiert Volker Vödisch, Linke-Bezirksvorstand Hamburg-Altona. „Der Kapitalismus beruht jedoch auf dem Besitz von Produktionsmitteln, handelt ausschließlich profitorientiert und will keineswegs ein Quell sozialer Errungenschaften sein.“ (7) Auch die Hamburger Landessprecherin der Linksjugend [‘solid], Christin Bernhold, meint, der derzeit herrschende „soziale Frieden“ sei ein „falscher Frieden“. Denn „die sozialpartnerschaftliche Flickarbeit an den Widersprüchen der Klassengesellschaft soll gerade den Kampf ersetzen, der einen wirklichen Frieden erst herstellen könnte“. Die Linksjugend-Sprecherin hält es für einen kapitalen Fehler, wenn Gewerkschaften und die Linke „als Bittsteller für den sozialen Frieden auftreten und damit im reformerischen Sumpf versinken“. Sozialpartnerschaft und Neoliberalismus Derartige Appelle können unweigerlich bei der IG BCE kein Gehör finden. Denn „Sozialpartnerschaft“ ist nicht nur eine vorläufige politische Linie – sie ist längst in die Matrix der Gewerkschaft eingemeißelt worden. „,Sozialpartnerschaft‘, dies böseste Wort ist eine Schlaftablette, in jedem Betrieb gratis verteilt, die den fleißigen, brauchbaren Habenichts in den Traum vom sozialen Frieden entrücken soll, währenddessen die reichen Asozialen die totale Machtergreifung vollziehen“, warnte der Schriftsteller Rolf Hochhuth 1965. (8) „Soziale Marktwirtschaft, die auf verlässlichen, staatlich garantierten Rahmenbedingungen beruht, eröffnet die Möglichkeit für Wohlstand und Teilhabe aller. Sozialer Frieden ist hierfür gleichermaßen Voraussetzung und Ergebnis“, heißt es in der Präambel der 2008 zwischen der IG BCE und dem Bundesarbeitgeberverband Chemie abgeschlossenen Sozialpartner-Vereinbarung. Ziel müsse daher sein, „Soziale Marktwirtschaft in unserer Gesellschaft fester zu verankern sowie die Chemie-Sozialpartnerschaft zu stärken und weiterzuentwickeln“. (9) Kein Wunder, dass diese Vereinbarung von der Konrad-Adenauer-Stiftung als „besonderer Akzent der Sozialpartnerschaft“ hochgelobt und als Bestandteil der Strategie, Tarifautonomie als Bollwerk gegen die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne zu benutzen, präsentiert wurde. (10) Es ist also kein Zufall, dass die IG BCE und ihre Vorgänger vor Neupack völlig unbeleckt waren in Sachen Streik. Ihren letzten Arbeitskampf hat die immerhin drittgrößte Gewerkschaft Deutschlands 1971 geführt – als Kanzler Willy Brandt „mehr Demokratie“ wagte, Heintje „Die Lümmel von der ersten Bank 6. Teil“ drehte und das „Wirtschaftswunder“ sich seinem Ende zuneigte. „Ihre Gewerkschaft steht nicht für Streit – sondern für einen Kuschelkurs mit Arbeitgebern und Politikern“, freute sich Die Welt im Oktober 2009, kurz nach der Wahl von Michael Vassiliadis zum neuen IG-BCE-Vorsitzenden. „An Stelle von Trillerpfeifen und Streiks gibt es in der Chemiebranche Verhandlungen.“ (11) Sein Vorgänger Hubertus Schmoldt hatte gegenüber dem Kapital stets nach dem Motto ,Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft‘ agiert. Seine IG BCE machte als erste Gewerkschaft ihre Flächentarifverträge für Flexibilisierungsmaßnahmen und andere Benachteiligungen der Beschäftigten durchlässig. Auch gegen die Agenda 2010 hatte der Duz-Freund von Gerhard Schröder keine Einwände. Seinem Nachfolger Vassiliadis gab er noch einen guten Rat mit auf den Weg. „Statt ideologisch motivierter Konflikte benötigt unser Land einen neuen Konsens über Werte und Wesen der Sozialen Marktwirtschaft“. Der Gründervater der Sozialen Marktwirtschaft Alfred Müller-Armack berief sich auf Galionsfiguren des Neoliberalismus, Walter Eucken und Friedrich August von Hayek, die führenden Vertreter des Ordoliberalismus und der Österreichischen Schule. „Ohne Neoliberalismus keine Soziale Marktwirtschaft“, erinnerte der Wirtschaftswissenschafter Michael von Prollius 2007 in einer Rede bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Vertreter des Neoliberalismus haben bereits in den 20er-, vor allem aber 30er-Jahren die Grundlagen für die Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft gelegt. Neoliberalismus und Soziale Marktwirtschaft waren zunächst in vielerlei Hinsicht identisch.“ (12) Die SPD hatte sich bereits 1959 mit dem Godesberger Programm dazu bekannt, den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ aber lange Zeit vermieden – die neoliberale „Soziale Marktwirtschaft“ bildet die Antithese zu fast allem, wofür sich die SPD 1863 gegründet, die Arbeiterbewegung gestritten und große Opfer gebracht hatte. In den 1990er-Jahren schließlich ließen die Sozialdemokraten die Hüllen fallen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund zog 1996 mit seinem Dresdner Grundsatzprogramm mit. Gewerkschaften als Juniorpartner deutscher Hegemonialpolitik in der EU Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die IG BCE bei Neupack einen Streik führt, der dem Arbeitgeber nicht weh tut und von den Kollegen entsprechend als „Verarschung“ empfunden werden muss. Auffallend war auch, dass es zu keinem Zeitpunkt nennenswerte Bemühungen gab, entschlossene Aktionen vor den Werkstoren zu organisieren: „Zur großen Verwunderung der Streikenden“ habe weder die IG BCE noch eine andere Gewerkschaft, ver.di, IG Metall oder der Dachverband DGB Nord, „je den Versuch unternommen, ihre Mitglieder zu Blockaden zu mobilisieren. Streikende rechneten schon im Dezember am Feuerkorb: Wenn nur ein Prozent der IG-BCE-Mitglieder kämen, könnten wir die Tore dichtmachen“, berichtet Dieter Wegner vom Neupack-Solikreis. Die sich durch und durch sozialdemokratischen Doktrin verpflichtet fühlenden Gewerkschaftsfunktionäre in Hamburg unterließen nicht nur alles, was für den Aufbau einer unternehmenübergreifenden Streikfront nötig gewesen wäre – sie werfen auch Nebelkerzen, die den Streikenden und der Öffentlichkeit die klare Sicht auf die Ursache der Neupack-Unternehmenspolitik erschweren. Dazu gehört eine verzerrte Darstellung des Neupack-Eigentümers als rückständige Ausnahmeerscheinung und einziges schwarzes Schaf, das von dem Rest der Herde nur wieder zur Räson gebracht werden muss. „Der ehrbare hanseatische Kaufmann darf nicht länger wegschauen, wenn ein Hamburger Arbeitgeber seine Beschäftigten immer wieder mit Füßen tritt, geltendes Arbeitsrecht verletzt und die ganze Stadt zu einem Symbol der Arbeitnehmerfeindlichkeit und sozialen Kälte macht“, ist in einem gemeinsamen Appell des DGB-Vorsitzenden Nord, Uwe Polkaehn (SPD), und des DGB-Chefs Hamburg, Uwe Grund (SPD), zu lesen. „Wir vermissen ein klares Wort der Kammern und Unternehmerverbände zu dem anhaltenden Skandal auf dem Arbeitsmarkt dieser Stadt.“ Darüber hinaus möchten die DGB-Funktionäre die überaus effiziente und sich durch ein rigides Betriebsregime kennzeichnende Arbeitgeberpolitik des Neupack-Unternehmers und seiner Berater – die nichts anderes tun, als voll und ganz auf der Höhe der Zeit nach den betriebswirtschaftlichen Funktionsprinzipien des Neoliberalismus zu agieren –, in der öffentlichen Wahrnehmung weit zurück ins Postkutschenzeitalter verlagern: „Diese Praktiken erinnern an die dunklen Zeiten des Manchester-Kapitalismus“, finden Grund und Polkaehn. (13) Das gleiche Argumentationsmuster wendet der IG-BCE-Chef an: „Tatsächlich haben wir bei Neupack Dinge erlebt, die man sich im zivilisierten Deutschland kaum vorstellen mochte“, meint Michael Vassiliadis, der den Anschein erweckt, als hätte er noch nie etwas über die real existierenden schlechten Arbeitsbedingungen und das skandalöse Lohnniveau (vor allem in den mittelständischen Unternehmen) in Deutschland gehört. (14) Dass derartige Aussagen von Sozialdemokraten nicht Symptom tragischen Realitätsverlusts, sondern eines – die Grenze zur Demagogie überschreitenden – Ablenkungsmanövers von der Tatsache geschuldet sind, dass das Sozialpartnerschafts-Dogma der Sozialdemokratie ein stabilisierender Faktor des Problems des totalitären Kapitalismus namens Neoliberalismus ist, liegt für den Politikwissenschaftler Frank Deppe auf der Hand. In seinem 2012 erschienen Buch „Gewerkschaften in der Großen Transformation“ beschreibt er, wie die ehemaligen Kampforganisationen der Arbeiterbewegung vor allem seit „der großen Krise“ einen besonders engen Schulterschluss mit den Eliten vollziehen. Sie praktizieren einen „neuen Typus des ,Krisenkorporatismus’„ und machen sich zum willigen Vollzugshelfer von Grausamkeiten wie „Schuldenbremsen“ und brutalem Ausverkauf von Arbeitnehmerrechten. (15) Dieser Prozess sei unweigerlich mit der Neutralisierung „radikaler Kräfte in den eigenen Reihen“, des „systemoppositionellen Widerstands“ und Verzicht auf „soziale und politische Militanz“ verbunden. Damit hätten die Gewerkschaften „die Rolle des ,Juniorpartners‘ deutscher Hegemonialpolitik in der EU“ angenommen. (16) Arbeiter müssen ihre „Waffe“ zurückerobern Rosa Luxemburg hatte die Arbeiterbewegung 1918 vor einer neuen Gefahr gewarnt: Die Herrschenden würden den Klassenkampf nicht mehr mit ihren eigenen „Schildern und Wappen“ führen – sie würden „unter der Fahne einer ,sozialdemokratischen Partei‘ in die Schranken treten“, so Luxemburgs düstere Vision. „Es ist das ureigenste Geschöpf der Arbeiterbewegung und des Klassenkampfes, das sich in das wuchtigste Instrument der bürgerlichen Gegenrevolution verwandelt hat.“ (17) Insofern handelt die von der Sozialdemokratie gelenkte IG BCE nur konsequent, wenn sie Neupack nach gescheiterten Verhandlungen vor wirksamen Arbeitskämpfen schützt, die beteiligten Kollegen ihrem Schicksal überlässt – und Integrationsfiguren des Streiks „ans Messer liefert“. „Kollege Becker macht sich Sorgen um die Existenz der Firma Neupack. Kollege Becker, wann fangen Sie endlich an, sich Sorgen um die streikenden Kolleginnen und Kollegen sowie um deren Familienmitglieder zu machen?“, lautet eine von vielen unbeantworteten Fragen der Streikenden an den IG-BCE-Verhandlungsführer. (18) Die IG BCE hat dem Lenin‘schen Satz „In jedem Streik lauert die sozialistische Revolution. Wenn man jedoch sagt, jeder gegebene Streik sei ein unmittelbarer Schritt zur sozialistischen Revolution, dann ist das eine völlig leere Phrase“, eine neue, schaurige Aktualität verliehen. Sie beweist, dass ein Streik nicht nur kein kleiner Schritt zur Überwindung des Kapitalismus sein kann, sondern auch zum Triumphzug für dessen Profiteure pervertieren kann. Das liegt aber nicht daran, dass die Gewerkschaft als wichtigster Interessenverband der Lohnabhängigen samt seiner Durchsetzungsmittel historisch überholt wäre. Heute wie damals gilt: „Der Streik ist des Arbeiters einzige Waffe, wirft er die von sich, hat er gar nichts mehr.“ (Andersen Nexø) Die Lohnabhängigen müssen endlich aufwachen aus der Betäubung durch die „Schlaftablette“ und die Verfügungsgewalt über ihre eigene „Waffe“ zurückerobern. Dieser Schritt ist eine historische Notwendigkeit. Denn wird der Klassenkampf weiterhin einseitig geführt, dann wird es eines Tages keine Demokratie mehr geben, prognostizierte Rolf Hochhuth bereits 1965. „Wenn aber endlich auch der Arbeiter und Angestellte ihn wiederaufnähme, wenn er seinen Gegner annähme, statt zu kapitulieren, so würde er damit nicht nur sich selber verteidigen, sondern die Freiheit für alle.“ (19) Anmerkungen (1) http://www.labournet.de/branchen/sonstige/verpackungen/neupack-streik-brief-eines-emporten-turkischen-kollegen-an-ralf-becker-vom-hauptvorstand-der-ig-bce-hannover-mit-wut-und-emphase-niedergeschrieben/ (2) http://hamburg-harburg.igbce.de/portal/binary/com.epicentric.contentmanagement.servlet.ContentDeliveryServlet/site_www.hamburg-harburg.igbce.de/static_files/4a39d8eab9bcb83df106d51035bf21ca.pdf (3) http://www.hamburg-harburg.igbce.de/portal/binary/com.epicentric.contentmanagement.servlet.ContentDeliveryServlet/site_www.hamburg-harburg.igbce.de/static_files/c1d171218a5b64becf4229a735bf21ca.pdf (4) http://www.labournet.de/branchen/sonstige/verpackungen/igm-kollege-ig-bce-fuhrung-begeht-verrat/ (5) http://linx.sozialismus-jetzt.de/index.php?option=com_content&view=article&id=780%3Amit-neuer-warteschleife-sollen-kolleginnen-zermuerbt-werden&catid=1%3Aaktuelles&Itemid=1 (6) http://www.spd-fraktion-hamburg.de/aktuelles/presseerklaerungen/b/27520.html (7) http://www.die-linke-eimsbuettel.de/position-eimsbuettel/neupack-streik-tarifvertrag.html#c10379 (8) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46272767.html (9) http://www.igbce.de/igbce/sozialpartner/6592/chemie-sozialpartner/as-print (10) http://www.kas.de/wf/doc/kas_21655-544-1-30.pdf?110125120223 (11) http://www.welt.de/welt_print/wirtschaft/article4826137/Kuscheln-mit-Erfolg.html (12) http://www.kas.de/upload/dokumente/2008/03/080304_Prollius.pdf (13) http://hamburg.dgb.de/presse/++co++cf508604-71f5-11e2-adac-00188b4dc422 (14) http://www.hamburg-harburg.igbce.de/portal/binary/com.epicentric.contentmanagement.servlet.ContentDeliveryServlet/site_www.hamburg-harburg.igbce.de/static_files/9ce5b7f634f74654edbc461035bf21ca.pdf (15) Frank Deppe – Gewerkschaften in der Großen Transformation. Von den 1970er-Jahren bis heute. Eine Einführung, Köln 2012, S. 87 (16) Ebenda, S. 94 (17) Rosa Luxemburg – Ein Pyrrhussieg, in: Rosa Luxemburg. Gesammelte Werke, Bd. 4, Berln 1987, S. 469. (18) http://www.labournet.de/branchen/sonstige/verpackungen/neupack-streik-brief-eines-emporten-turkischen-kollegen-an-ralf-becker-vom-hauptvorstand-der-ig-bce-hannover-mit-wut-und-emphase-niedergeschrieben/ (19) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46272767.html

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