Freitag, 24. Mai 2013
Dass der Vatikan es nicht so ernst mit der Aufklärung der weltweiten Missbrauchsskandale nimmt, hat der Austausch des Beauftragten gezeigt, der den Kirchenhütern in seiner Arbeit zu engagiert schien.
Nichts gelernt
Von Dennis Riehle
Quelle: Freidenker
Dass der Vatikan es nicht so ernst mit der Aufklärung der weltweiten Missbrauchsskandale durch die eigenen Bischöfe und Priester nimmt, hat nicht zuletzt der Austausch des dortigen Beauftragten gezeigt, der den oberen Kirchenhütern in seiner Arbeit offenbar zu engagiert schien und Tatsachen zutage führte, die nicht hätten öffentlich werden sollen. Das vage Eingehen des Papstes auf die immer neu bekannt gewordenen Abgründe als auch sein als Hohn wirkender Bittruf um Vergebung waren in Sachen Unehrlichkeit kaum zu überbieten. Daher wundert nicht, dass Rom so gar nichts daran liegt, alle Mühen um Wiedergutmachtung vor der Versandung zu retten.
Viel schlimmer trifft die Öffentlichkeit da schon die Naivität der deutschen Geistlichen: Sie selbst waren es, die eine Studie in Auftrag gegeben hatten, um strukturierte kriminelle Machenschaften in den eigenen Reihen aufzudecken. Und offenbar gab es allen Grund zur Annahme, dass das Vergehen von Pfarrern und Mitarbeitern in Heimen und schulischen Einrichtungen an Minderjährigen nicht als jeweiliger Einzelfall abzutun, sondern als ein ganze klerikale Landschaften durchziehendes Muster einzustufen war. Denn nicht anders lässt sich erklären, weshalb der Macher der Studie, der über die Grenzen hinweg anerkannte Kriminologe aus Niedersachsen, Pfeiffer, von gravierender Einflussnahme auf seine Untersuchungen spricht.
Wieder und wieder soll vertuscht werden, was eigentlich mittlerweile schon jeder ahnt und weiß: Scheinbar dürfte das Institut in seinen Recherchen neue Spitzen von Eisbergen entdeckt haben, die zwischen Katastrophe und strafrechtlicher Relevanz schwanken. Ob das Auswechseln von zu kritischen Gesandten, das frühzeitige Abschalten des Missbrauchs-Telefons oder nun das Einwirken auf den Autor einer wohl zweifellos belastenden Studie: Weder aus massenhaften Kirchenaustritten, noch aus dem immensen Imageverlust scheint die katholische Kirche etwas gelernt zu haben.
Ihre vehementen Verteidiger, die nicht davon ausgehen wollen, dass in der Kirche mehr Missbrauch geschehen ist als in anderen gesellschaftlichen Kreisen, sehen weiterhin eine Hexenjagd auf ihre Schafherde. Sie übersehen dabei die endlose Zahl an Wölfen auf der nicht mehr ganz so frisch und grün wachsenden Kirchenwiese und vergessen voll und ganz, dass lediglich eine etwas ruhiger gewordene Öffentlichkeit in den letzten Monaten zur Schnaufpause verhalf. Es brennt nahezu an allen Ecken und Enden: Von Österreich ausgehend, formiert sich weiterer Widerstand von aufsässigen Pfarrern, Basisbewegungen der Kirche rüsten sich für einen Aufstand, den der Vatikan nur mit der Drohung nach Entzug von Anrechten auf Sakramente im Zaun halten kann.
Weder beim Experten Pfeiffer, noch bei den eigenen ernannten Verantwortlichen zur Aufarbeitung der Missbrauchsserie kann unterstellt werden, dass ein gezielter Wille vorhanden ist, zu übertreiben oder die Kirche ins Unheil reiten zu wollen. „Vertrauen sei zerbrochen”, so begründen die Bischöfe den Abbruch der Zusammenarbeit. Sie hatten wohl darauf vertraut, ein wohlgefallenes Gutachten zu bekommen, das beschönigt und verdeckt, das lügt und leugnet gleichermaßen. Es ist gut, dass sich niemand diesem Druck gebeugt hat. Die Beendigung der Kooperation zwischen dem Studienleiter und der katholischen Kirche ist der eindeutigste Beweis dafür, dass niemand bereit gewesen sein dürfte, sich der Wahrheit tatsächlich zu stellen.
In der Hoffnung auf einen geschickten Schachzug, war man sich bei den Bischöfen wohl sicher, dass sich nach den Studienergebnissen alles zum Guten wenden würde. Dass man bei der Beauftragung allerdings auf einen neutralen Wissenschaftler stieß, der sich an seinen Berufsethos gebunden fühlt, war für diejenigen, die lieber verschleiern und verdunkeln, ein böses Erwachen. Versuchte Bestechung kommt nun als Vorwurf gegen die katholische Kirche hinzu, möglicherweise gar der Wille zur Strafvereitelung. Und die Inhalte der Studie sind trotz der abrupten Zäsur für alle erahnbar – gar noch schlimmer: spekulierbar geworden.
Wer von sich in diesem Zusammenhang noch davon sprechen kann, „ich glaube an die heilige katholische Kirche”, der braucht ein großes Herz für uneinsichtige Sünder, die weder Buße tun, noch Schuld beweisen. Mit einflößender Angst und erhobenem Hirtenstab bemüht sich der Kirchenclan, die Gläubigen zur Räson zu rufen. Wer ins Zweifeln gerät, ob ein verklemmtes, zwanghaftes und den Menschen in seiner Freit beraubendes Bild von Sexualität, Lebensfreude und Alltagsliebe Kirchenleute ebenso in psychische Not bringt wie das überschätzte Selbstbewusstsein nach himmlischer Macht, der darf sich schon jetzt der Verdammnis von Eucharistie und Segen sicher sein.
Die Dimensionen des Missbrauchsskandals in den Kirchen sind hausgemacht. Ob Pfeiffer diesen Schluss in seiner Studie untermauert hat, bleibt wohl erst einmal sein Geheimnis. In Erklärungsnot geraten nun viel eher die, denen die Deutschen ohnehin seit geraumer Zeit mehr und mehr misstrauen: Kirchenleitungen, die für sich einen Freifahrtsschein aus Gottes gnädiger Güte ableiten, stürzen spätestens beim weltlichen Faktenabgleich ganz tief. Ob sie sich auf ein ewiges Leben freuen sollen, das von quälenden Gedanken an das Leid, Schicksal und die Not der Kinder, deren Zukunft durch den Missbrauch gezeichnet wurde, ebenso durchzogen sein dürfte wie von den Vorwürfen, von Jesu Versöhnung ausgespart zu bleiben, weiß ich nicht. Ihr Gesicht haben sie heute schon verloren – vor sich selbst und vor zornig-weinenden Opfern, die wohl schon längst den letzten Glauben abgegeben haben…
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