Freitag, 24. Mai 2013
Bundeswehr & Gewerkschaften
IMI-Standpunkt 2013/021
Brothers in Arms
Die Verbrüderung der Gewerkschaftsspitze mit dem Militär
von: Manfred Dietenberger | Veröffentlicht am: 17. Mai 2013
Die Empörung war zurecht groß, als der DGB-Vorsitzende Michael Sommer
und Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei einem Treffen Mitte
Februar 2013 eine bis dahin in dieser Deutlichkeit nicht dagewesene Nähe
zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr bekundeten. Allerdings kam dieser
für viele überraschende Schulterschluss nicht so unerwartet, wie man
glauben könnte. Denn das Verhältnis der Gewerkschaften zum deutschen
Militär ist schon länger zwiespältig und schwankt immer wieder zwischen
Ablehnung und Anbiederung, wie im Folgenden dargestellt werden soll.
Dass das Pendel in jüngster Zeit aber immer stärker in Richtung
Anbiederung ausschlägt, sollte umso mehr als Anlass dienen, Druck auf
die Gewerkschaftsführer auszuüben, damit sie sich auf die ursprünglichen
friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaftsbewegung zurückbesinnen,
anstatt die Bundeswehr und ihre Kriege zu unterstützen.
Von der Ablehnung zum Burgfrieden
Zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg – in der Zeit der
II. Internationale und der ersten Zusammenschlüsse der sozialistischen
Gewerkschaften aller Länder zu internationalen Kongressen und
Sekretariaten – sind die sozialistischen Gewerkschaften Gegner der
Hochrüstung und des drohenden Krieges der imperialistischen Staaten
untereinander gewesen. Dies war der Fall, auch wenn sie sich über die
erforderlicheren Kampfformen gegen den Krieg nicht einig waren und
obwohl auch Teile ihrer Führung und ihrer Bürokraten (wie die Führung
der sozialdemokratischen Parteien) dem Einfluss der bürgerlichen
proimperialistischen Ideologien, der herrschenden Vorstellungsweisen
dieser Zeit, teilweise zugänglich waren.
Die sozialistischen Gewerkschaften hofften durch ihren Kampf den
Ausbruch des drohenden Weltkrieges zu verhindern, ihm gleichsam
„zuvorkommen“ zu können, der – wie sie wussten – sonst unvermeidlich
war, wie das die Stuttgarter Entschließung der Sozialistischen
Internationale 1907, aber auch die Reden des Basler Kongresses 1912
deutlich machen. Noch vom 25. bis 30. Juli 1914 – nach den Schüssen von
Sarajewo, die zur Kriegserklärung überleiteten – haben in allen großen
europäischen Städten, auch im Deutsch Reich, viele Hunderttausende
Arbeiter für den Frieden demonstriert, als ihre sozialistischen
Gewerkschaften und Parteien sie riefen. Allerdings, der Internationale
Gewerkschaftsbund, damals von Karl Legien geführt, hatte zu diesem auch
für ihn entscheidenden Problem nicht Stellung genommen, weil das aus
Gründen einer missverstandenen Arbeitsteilung allein Sache der
Sozialistischen Internationale sei.
Das hat nicht verhindert, dass der Ausbruch des Krieges im August 1914
jene Gefahr zur Wirklichkeit werden ließ, auf die schon hingewiesen
wurde: dass nämlich in den Massen (nicht nur im Deutschen Reich, sondern
in den meisten Ländern mit Ausnahme derer, die wie Bulgarien und Serbien
ihre bitteren Erfahrungen schon vorher in den Balkan-Kriegen oder wie
1911/12 in Italien bereits im Tripolis-Krieg gemacht hatten und
zusätzlich die elende Lage der französischen, der deutschen und
österreich-ungarischen Arbeiter im ersten Kriegsjahr bereits kannten)
das rationale klassenkämpferische Denken von einer Welle des
„patriotischen“, sprich einer „Volksgemeinschafts“-Historie erfasst
wurde. Die gewerkschaftlichen Führungen sind diesem Umschwung gefolgt
und im Deutschen Reich sogar vorangegangen. Am 2. August 1914 beschloss
die Generalkommission, der Dachverband der sozialistischen
Gewerkschaften in Deutschland, alle Streik- und Lohnbewegungen
abzubrechen, um die Mitglieder für den Krieg mobilisieren zu können.
Damit war der „Burgfrieden“ zwischen den Klassen proklamiert, die
Friedenspolitik vergessen.
Die Gewerkschaftsspitzen haben bis zum bitteren Ende an dieser Politik
festgehalten. Ihre „Burgfriedenspolitik“ brachte in ihrer Illusion –
nicht in der Realität – sogar Erfolge. Die „Arbeitgeber“ waren nun
bereit, die Gewerkschaften als „Partner“ auch in gemeinsamen
Kommissionen mit der kaiserlichen Regierung zu akzeptieren. So zum
Beispiel wurden mit dem Hilfsdienstpflichtgesetz 1916 den Arbeitern und
Angestellten betriebliche Repräsentationen – aber natürlich ohne jede
wirkliche Machtstellung – zugestanden usw..
Aber es waren auch Arbeiter, die mit der Novemberrevolution 1918 den
Krieg beendeten. Und Gewerkschafter und Mitglieder der Arbeiterparteien
waren es die den Kapp –Putsch stoppten. Und Arbeiter kämpften von Anfang
an mit Ihrer Gewerkschaft und ihren Arbeiterparteien gegen die
aufkommenden Nazis und arbeiteten auch aktiv im Widerstand gegen die
Faschisten, nachdem ihnen die Macht übertragen wurde. Sie stellten nach
dem verheerenden II. Weltkrieg auch ganz pragmatisch die
Rüstungsproduktion auf die von zivilen Gütern um.
Gewerkschaften und Remilitarisierung
In der Frage der Remilitarisierung, die seit dem Herbst 1950
leidenschaftlich in der Arbeiterschaft und weit darüber hinaus
diskutiert wurde, kam der DGB-Bundesvorstand dem Kanzler Konrad Adenauer
entgegen. Der DGB-Vorsitzende Hans Böckler vertrat die Auffassung, auf
die Entwicklung, die zu neuen Streitkräften führe, habe der DGB gar
keinen Einfluss. Böcklers Nachfolger Christian Fette sprach sich sogar
offen für die Remilitarisierung aus. Er erklärte, dass die Frage der
militärischen Sicherheit und die Wiederaufrüstung der BRD eins seien.
Die DGB-Führung stellte sich damit sogar gegen die SPD, die die
Wiederbewaffnung zwar nicht prinzipiell, unter den damaligen Bedingungen
aber scharf ablehnte. Ausgelöst von Protesten und dem Widerstand in der
Mitgliedschaft revidierte die DGB-Führung 1952 ihre Haltung zur
Remilitarisierung und stellte sich an die Spitze einer breiten
Volksbewegung gegen die Adenauer-Politik. Der 3. DGB-Kongress im Oktober
1954 lehnte einen Wehrbeitrag mit folgender Begründung ab, damit wären
sowohl eine internationale Entspannung der machtpolitischen Gegensätze
wie auch die Möglichkeit der Wiedervereinigung Deutschlands ernsthaft
gefährdet: „Für die innere Entwicklung der Bundesrepublik bedeutet die
Wiederaufrüstung und Bildung einer deutschen Armee die Gefahr der
Schaffung eines militaristischen Obrigkeitsstaates, der das Ende der
Anstrengungen der deutschen Arbeiterbewegung für die Schaffung einer
politischen, sozialen und wirtschaftlichen Demokratie bedeuten kann.“
(Entschließung des 3. Ordentlichen Bundeskongress des DGB im Jahr 1954)
Ebenso wie die SPD verzichtete aber auch die DGB-Führung darauf, ihre
Beschlüsse in parlamentarische und außerparlamentarische Aktionen
umzusetzen. Nach heftigen Protesten der Bevölkerung setzte sich dann der
DGB 1957/58 an die Spitze der Gegner einer Bewaffnung der Bundeswehr mit
Atomwaffen. Mit dem Ergebnis, dass über 80 Prozent der Bevölkerung die
atomare Bewaffnung der Bundeswehr ablehnten und Adenauer kapitulieren
musste – die Bundeswehr durfte keine Atomwaffen anschaffen.
Schulterschluss aus heiterem Himmel?
In den 50er Jahren hatten sich die Gewerkschaften also gegen die
Wiederbewaffnung Deutschlands gestemmt. Die Bundeswehr hatte sich
wiederum lange gegen gewerkschaftliche Rechte für Soldaten verwehrt.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Meldungen aus dem Februar 2013
für einige Aufmerksamkeit sorgten: „Lange Zeit standen die
Gewerkschaften der Bundeswehr äußerst kritisch gegenüber. Das scheint
vorbei. DGB-Chef und Verteidigungsminister demonstrieren bei einem
Treffen Einigkeit“, so liest sich der Anfang einer dpa-Meldung. Der
DGB-O-Ton zu dieser höchst alarmierenden Meldung findet sich in den
Pressemeldungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unter der
Überschrift “Gewerkschaften und Bundeswehr: Engerer Austausch geplant”:
“Nach dreißig Jahren war mit Thomas de Maizière wieder ein
Bundesverteidigungsminister zu Besuch beim Deutschen Gewerkschaftsbund.
De Maizière folgte einer Einladung des DGB. Vereinbart wurde eine engere
Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Gewerkschaften.”
“Ein gutes und nachdenkliches Gespräch” mit dem Verteidigungsminister
sei es gewesen, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Und Sommer und
de Maizière kündigten nach dem Gespräch mit den Spitzenvertretern der
DGB-Gewerkschaften an, man werde eine gemeinsame Erklärung von
Bundeswehr und Gewerkschaften erarbeiten. Darin sollen “pragmatische und
grundsätzliche” Fragen behandeln werden: Privatisierung, Ausbildung,
Personalentwicklung, aber auch Rüstungsfragen und Rechtsextremismus in
der Bundeswehr.
De Maizière verwies auf die Wichtigkeit des Themas “Industriestandort
Deutschland” und die Fragen “Welche Rolle spielt dabei die
Sicherheitsindustrie?” und “Was bedeutet vernetzte Sicherheit im
Verhältnis zu Arbeiterbewegung und Bundeswehr?”
Das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gewerkschaften sei heute nicht
mehr belastet, betonten sowohl Sommer wie auch de Maizière. Bislang fast
unbemerkt wuchert da aber zusammen, was absolut nicht zusammengehört.
Die DGB-Gewerkschaften und die Bundeswehr bereiten eine Kooperation auf
einer neuen Grundlage vor: “Wir wollen prüfen, in welchem gemeinsamen
Geist wir die Zusammenarbeit in die Zukunft tragen”, sagte de Maizière.
“Den Geist der 70er-Jahre haben wir erfolgreich überwunden”, äußerte
sich de Maizière über den Rückgang der Antikriegsproteste aus der
Arbeiterbewegung. Auch wenn es Unterschiede gebe: “Die Gewerkschaften
sind Teil der Friedensbewegung. Und auch die Bundeswehr ist Teil der
Friedensbewegung.”
Der DGB-Vorsitzende Sommer ergänzt: “Egal, wie wir zur Frage von
Auslandseinsätzen stehen”, man müsse alles dafür tun, “die Soldaten
anständig auszurüsten”. Bei dem “Gedankenaustausch” habe man über die
Aufgaben der Bundeswehr in der Gesellschaft, die Personalentwicklung der
Zivilbeschäftigten, die Zukunft der Rüstungsindustrie und über den
Einsatz von Kampfdrohnen gesprochen, teilte Sommer mit.
Der sicher für viele recht überraschend gekommene Schulterschluss
zwischen DGB und Truppe ist bei genauer Hinsicht aber so überraschend
denn doch nicht: So erklärte schon 1966 Christian Götz, der
Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft HBV, in der Mitgliederzeitung
seiner Gewerkschaft in einem Beitrag unter dem Titel
„Gewerkschaftsjugend und Bundeswehr“, dass es auf eine „auf gegenseitige
Achtung und Anerkennung beruhende Vernunftehe zwischen
Gewerkschaftsjugend und Bundeswehr“ ankommt, die „genügend Raum für
notwendige Kritik lässt“.
Und 1957 gründete die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und
Verkehr (ÖTV) eine “Fachgruppe Bundeswehr”, mit einer Unterabteilung
“Soldaten”. Dennoch hielt es Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von
Hassel 1965 noch für unangebracht, dass die ÖTV deutsche Soldaten als
Mitglieder anwirbt. Die Zielsetzung der ÖTV widerspreche dem Prinzip von
Befehl und Gehorsam, verlautbarte er.
Unter den am 10. Oktober 1981 waren bei der schon legendären
Demonstration von hunderttausenden Menschen gegen die atomare
“Nachrüstung” auf der Bonner Hofgartenwiese tausende
Gewerkschaftsmitglieder mit dabei. Sie protestierten gegen die von der
NATO geplante Stationierung von “Pershing-II”-Mittelstreckenraketen und
“Cruise Missiles”-Marschflugkörpern und forderten ein atomwaffenfreies
Europa und das Ende der Blockkonfrontation. Der DGB-Jugend, die sich an
der Bonner Friedensdemonstration beteiligen wollte, wurde vom
DGB-Bundesvorstand die “Mitträgerschaft an dieser Demonstration”
verboten. IGM-Vorsitzende Eugen Loderer: “Wir brauchen keine fremden
Fahnen und Flaggen, unter denen wir marschieren, um unserem alten
gewerkschaftlichen Ziel nach Frieden und Abrüstung näherzukommen”
(“Metall”, Nr. 15 vom 29.7.81). Im selben Jahr, 1981, wurde außerdem von
DGB und Bundeswehr schon einmal eine gemeinsame Erklärung erarbeitet,
die man als “großen Friedensschluss” bezeichnen könnte. In der damaligen
Erklärung versicherte man sich gegenseitig, beide Seiten achteten den
“jeweiligen Auftrag”.
Plazet zum Angriffskrieg
Eine weitere wesentliche Wendemarke ist der 24. März 1999: Im
italienischen Piacenza starten deutsche Kampfjets gegen Jugoslawien.
Schon einen Tag vor Beginn des 78-tägigen Bombardements legitimierte der
damalige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte im Einklang mit der gesamten
DGB-Führung den seit 1945 ersten Angriffskrieg der Deutschen. Als
Begründung der Zustimmung bediente sich der DGB auch der unbewiesenen
“ethnischen Säuberungen” und der “Massenmorde” im Kosovo durch die
serbische Staatsführung. “Vor diesem Hintergrund hat der DGB den vom
Deutschen Bundestag gefassten Beschluss respektiert, die NATO dabei zu
unterstützen, durch den Einsatz von Streitkräften Verhandlungsergebnisse
zu erzwingen”, so hieß es in der Erklärung des Bundesvorstands vom 6.
April 1999. “Das Ja des DGB zum Krieg 1999 war nach der Bewilligung der
Kriegskredite 1914 das zweite Ja zum Krieg in der Geschichte deutscher
Gewerkschaften. Ein drittes darf es nicht geben”, so der Schauspieler
Rolf Becker. Bald kam es noch schlimmer. 2010 warnte der
IG-Metall-Vorstand den damaligen Bundesverteidigungsminister
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) massiv vor der geplanten Kürzung des
Rüstungsetats. Die IG Metall werde es nicht hinnehmen, dass die schon
geplante Herstellung von Airbus-Militärtransportern, Eurofightern,
Tornado-Kampfflugzeugen sowie das Nachfolgeprogramm für Drohnen des Typs
Talarion in Teilen “dem Rotstift zum Opfer fallen”. “Wir finden es nicht
gut, wenn mit deutschen Steuergeldern ausländische Rüstungsgüter gekauft
werden. Wir hätten die Wertschöpfung lieber in Deutschland”, so der
IG-Metall-Konzernbetreuer Bernhard Stiedl.
Über das Thema Bundeswehr wurde auch auf dem ver.di-Bundeskongress 2011
heftig gerungen. Die Gewerkschaftslinke konnte sich mit einem Antrag zum
Rückzug der Bundeswehr hinter die Landesgrenzen nicht durchsetzen. Und
als sich beim Hessentag in Oberursel im Juni 2011 ver.di-Mitglieder und
andere kritische Gewerkschafter dort auch an der Protestaktion “Kein
Werben fürs Sterben!” aktiv gegen eine Propaganda-Show der Bundeswehr
beteiligten, kochte die CDU. Flugs schrieb CDU-Generalsekretär Hermann
Gröhe einen offenen Brief an ver.di-Chef Frank Bsirske, in dem er die
Aktion der Friedensaktivisten angriff. Artig distanzierte sich Bsirske
in seinem Antwortbrief an Gröhe sofort von seinen Kollegen und bekannte:
“ver.di engagiert sich kontinuierlich und konsequent für die Belange der
Soldatinnen und Soldaten sowie der Zivilbeschäftigten der Bundeswehr. …
Die Bundeswehr ist Teil unserer demokratischen Gesellschaft und handelt
als Parlamentsarmee im Auftrag des Bundestages. Es ist für ver.di
selbstverständlich, dass für den Eintritt in die Bundeswehr auch
geworben wird.” Es war also nur eine Frage der Zeit bis aus einer eher
nur zeitweiligen dann irgendwann eine gewachsene Liebesnähe zwischen
Gewerkschaft und Militär entwickeln konnte.
Rührt Euch!
Eigentlich müssten die Gewerkschaften – im ureigensten Interesse – die
Speerspitze der Friedensbewegung stellen und zusammen mit ihr und den
Sozialen Bewegungen außerparlamentarische Aktionen zur Durchsetzung der
Entmilitarisierung der BRD durchführen. Die Gewerkschaften könnten
besonders kompetent den engen Zusammenhang von Sozialabbau mit
Aufrüstung, Arbeitslosigkeit und Verarmung deutlich machen. Die
Gewerkschaften wären die stärkste Gegenmacht gegen den profithungrigen
Militärisch-Industriellen-Komplex, um gegen die längst begonnene
Entwicklung hin zum ständig weiteren Abbau der Demokratie und gegen den
Marsch in immer mehr Kriege mobil zu machen. Dabei dürften sie auch
nicht zurückschrecken die kapitalistischen Kriegsgewinnler an einer
ihrer verwundbarsten Stelle – z.B. durch die Besetzung von
Rüstungsbetrieben – zu treffen. Das erwarten, so glaube ich,
Organisierte und nicht Organisierte von den Gewerkschaften. Kommt es
dazu, werden die Gewerkschaften gestärkt aus diesem Kampf hervorgehen.
Noch heute ist ein Beschluss des DGB-Bundeskongresses aus dem Jahre 1956
unwiderrufen, der die Gewerkschaften verpflichtet, jene Kräfte zu
unterstützen, die “willens und fähig sind, … die Wiederbewaffnung im
gespaltenen Deutschland und die Wehrpflicht wieder rückgängig zu
machen”. Otto Brenner (IGM), Heinz Seeger (GHK), Loni Mahlein (DruPa),
Detlef Hensche (DruPa) und Werner Pfennig (DruPa, ver.di) waren
Gewerkschaftsführer, die sich als Antimilitaristen kompromisslos gegen
die Wiederbewaffnung, den Atomkrieg und Rüstung engagierten. Sie sind
Vorbilder für alle, die vielen Friedensfreunde in den Gewerkschaften und
weit darüber hinaus. Die Gewerkschaften sind ein natürlicher und
unverzichtbarer Teil der Friedensbewegung. Die Gespräche zwischen DGB
und Bundeswehr auf höchster Ebene sind hingegen Teil der offensiven
Akzeptanz-Propaganda des Verteidigungsministeriums. So sollen die wieder
von deutschem Boden ausgehenden Kriege als legitime Fortsetzung der
Politik mit militärischen Mitteln legitimiert werden. Es ist höchste
Zeit, die DGB-Gewerkschaftsführer wieder dazu zu bringen, sich zu den
friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaftsbewegung zu bekennen,
statt sich der militärischen Interventionspolitik der Bundesregierung
anzudienen.
Otto Brenner hatte Recht, als er auf der Antikriegskundgebung des DGB am
30. August 1964 erklärte: „Die Arbeiterbewegung, deren Streben es von
Anfang an war, eine bessere, höhere Form des gesellschaftlichen Lebens
zu verwirklichen, hat deshalb schon immer den Kampf gegen Militarismus
und Krieg auf ihre Fahnen geschrieben.“ Und er verwies darauf, dass das
jahrzehntelange Ringen „um die Befreiung der arbeitenden Menschen von
Unterdrückung, Not und Furcht, ihr Kampf um den sozialen Fortschritt“
nicht zu trennen sind, „von dem Kampf um die Erhaltung des Weltfriedens.
Das galt vor 50, 75 und 100 Jahren. Das gilt heute erst recht.“
Daher rufe ich meine Kollegen in den Gewerkschaften unermüdlich und
eindringlich auf: Rührt euch! – Es ist an der Zeit!
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Kasten: Der Arbeitertag erklärt:
“Das System der stehenden Heere, wie es sich in fast allen Ländern
Europas entwickelt hat, ist eine der Hauptursachen der gegenwärtigen
Geschäftsstockungen. Indem es den Völkern insgesamt ungeheuere Lasten
auferlegt, die Steuern mit den Staatsschulden von Tag zu Tag erhöht,
einen großen Teil der Bevölkerung in den besten und kräftigsten
Lebensjahren seinem Berufe und der Produktion entzieht, ist es zugleich
eine wesentliche Ursache der herrschenden sozialen Not und
Massenverarmung. Indem es ferner den Fürsten die Macht gibt, gegen den
Willen und das Interesse der Völker Krieg zu führen, überhaupt den
Willen der Völker zu missachten, ist das stehende Heer die Quelle
beständiger Kriegsgefahr und das Mittel dynastischer Eroberungskriege
nach außen und der Unterdrückung von Recht und Freiheit nach innen. In
Erwägung dessen betrachtet es der deutsche Arbeitervereinstag als eine
Pflicht der Arbeiter aller Länder, nachdrücklich und unausgesetzt mit
allen Mitteln auf Beseitigung der stehenden Heere und auf Einführung der
allgemeinen Volksbewaffnung hinzuwirken”.
Bericht über den Fünften Vereinstag der Deutschen Arbeitervereine am 5.,
6. und 7. September 1868 zu Nürnberg, herausgegeben vom Vorort Leipzig,
Leipzig o. J., S. 30-35, 2. Auflage. Wilhelm Liebknecht, Gegen
Militarismus und Eroberungskrieg, Berlin 1986, S.25-33.
--
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V.
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