Samstag, 13. April 2019

Naturfreunde auf der Bundesgartenschau 2019 (Erhard Jöst)


Vom 17. April bis zum 6. Oktober 2019 findet in Heilbronn die Bundesgartenschau statt, auf der auch Umweltverbände wie die Naturfreunde präsent sind. Sie zeigen den Besuchern, »wie sie ihren Garten zu Hause naturnah gestalten können«, verspricht der Projektleiter des Gartens der Umweltverbände auf der BUGA und Umweltreferent der Naturfreunde Baden und Württemberg Alexander Habermeier im Heft 1/2019 der Zeitschrift NaturfreundIn. Ein hübsches Projekt, aber wenn das alles ist, was die Naturfreunde thematisieren, dann vertun sie eine große Chance, um über Missstände aufzuklären und für ihre Ziele in den Bereichen Friedenssicherung und Umweltschutz zu werben.

Notwendige Erinnerung: Auf dem Heilbronner Stadtgebiet waren Pershings stationiert, die erst Ende des 20. Jahrhunderts abgezogen wurden, nachdem es im Januar 1985 zu einem verheerenden Unfall gekommen war, bei dem drei Tote und 16 Schwerverletzte zu beklagen waren und die Region nur knapp an einer Plutonium-Verstrahlung vorbeischrammte. Da die Politik gegenwärtig wieder auf einen Kalten Krieg zusteuert, ist es dringend notwendig, die Gefahren einer atomaren Aufrüstung aufzuzeigen. Die Forderung muss lauten: In Deutschland dürfen nie wieder Atomraketen aufgestellt werden, schon gar nicht auf dem renaturierten Gebiet der Heilbronner Waldheide.

Es würde zudem den Naturfreunden gut zu Gesicht stehen, darauf zu verweisen, dass im Untergrund der Region Heilbronn in den Kammern des Salzbergwerks »Sondermüll« vergraben wird. In der Umweltpolitik gehört der Bereich der Entsorgung zu den dringendsten Problemen der Gegenwart. Denn nicht nur die Beseitigung der nuklearen Brennstäbe aus Atomkraftwerken, sondern auch die Einlagerung von Abfällen, die mit Quecksilber, Arsen, Cadmium, Cyaniden und Dioxinen angereichert sind, stellt eine große Gefahr dar. Seit das Landesbergbauamt Baden-Württemberg im Jahr 1984 dem Salzbergwerk Heilbronn-Kochendorf die Genehmigung erteilt hat, wird in den Stollen jährlich eine Million Tonnen »Sondermüll« eingelagert, so dass die Untertagedeponie der Südwestdeutschen Salzwerke AG (SWS AG) inzwischen einer der »giftigsten Orte« in Deutschland ist. Von den circa 500 verschiedenen Müllstoffen, die aus mehreren europäischen Ländern importiert und unter anderem unter dem Wohngebiet der Heilbronner Stadtteile Neckargartach und Frankenbach eingelagert werden, sind 200 hochgiftig.

Obwohl in Kammern, in denen Big Bags mit Sondermüll lagern, verschiedentlich bereits Wassereinbrüche sowie 2013 und auch 2014 gravierende Gesteinsabbrüche entdeckt wurden, leugnen die zuständigen Behörden die Gefahr, die für die Bevölkerung besteht. Nach Meinung von Sachverständigen wie dem Schweizer Geologen Marcos Buser ist es ein gravierender Fehler, ein Bergwerk mit Sonderabfall zu verfüllen und die Abfälle auf diese Weise der Zukunft zu überlassen, »vor allem in dicht besiedelten Gebieten«. Buser, der seit mehr als vierzig Jahren auf dem Gebiet der Kernenergie und der Entsorgung chemotoxischer Sonderabfälle tätig ist, prognostiziert im Hinblick auf Salzbergwerke: »Die saufen irgendwann alle ab.« (junge Welt vom 9.11.2013) Anhand der Gefahren, die von der Giftmülldeponie des Heilbronner Salzbergwerks ausgehen, muss die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Abfallpolitik aufgezeigt werden. Die Einlagerungen von Giftstoffen in ein Salzbergwerk ist für nachfolgende Generationen ein Erbe von tödlicher Brisanz. Die Stoffe müssen daher nicht nur streng kontrolliert, sondern es muss für die Untertagedeponie Heilbronn-Kochendorf im Rahmen einer nachhaltigen Abfallwirtschaft ein gesamtheitliches Konzept entwickelt werden. Die Gesundheit der Bevölkerung hat Priorität, nicht der Profit, den das Salzbergwerk mit den Giftmüll-einlagerungen erzielt. Da die SWS AG jeweils zur Hälfte der Stadt Heilbronn und dem Land Baden-Württemberg gehört und beide bei den Aktionärsversammlungen immer Gewinne einfahren, jubeln die Gremien und segnen die Deponierung des Sondermülls ab. Gefahren werden verschwiegen und die Zeitbombe, die durch die Einlagerungen tickt, wird geleugnet. Im Gegenteil: Der baden-württembergische (grüne!) Umweltminister Franz Untersteller hat 2018 den Vorstand der SWS AG sogar aufgefordert, die Verlängerung und Erweiterung des auslaufenden Vertrags zur Müllentsorgung in der Untertagedeponie zu beantragen.

Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass das Atomkraftwerk Neckarwestheim in unmittelbarer Nachbarschaft zu Heilbronn liegt. Und dorthin wurden auf Anweisung des besagten Umweltministers im Jahr 2018 über den Neckar mit Schiffen die Brennstäbe aus dem stillgelegten AKW Obrigheim geschleppt. Sie wurden in einem »Zwischenlager« auf Nimmerwiedersehen »entsorgt«.

Zurück zum Heilbronner Stadtgebiet: Dort gibt es ein idyllisch am Neckar liegendes Kohlekraftwerk. Das wird jeder Bundesgartenschau-Besucher sehen, wenn er einen Blick über den Zaun wirft, und er wird es näher kennenlernen, wenn er die mit Stickoxiden und Kohlestäuben belastete Heilbronner Luft einatmet. Über die Umweltbelastungen, die von dem EnBW-Kohlekraftwerk ausgehen, wird ihn vermutlich niemand informieren, weder der NABU noch der BUND und auch nicht die Naturfreunde, denn diese sind ja mit dem Thema »Urban Gardening« (gärtnerische Nutzung städtischer Flächen) voll ausgelastet.

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