Montag, 8. April 2019

Asyl-Verschärfungen 2019: „Geordnete-Rückkehr“ – und ungestörte Abschiebungen


Dossier

Corasol: Flucht ist kein Verbrechen - Asylgesetzverschärfung stoppen!Das Bundeskabinett hat am Mittwoch mehrere Asyl-Änderungen beschlossen, darunter die Speicherung von Fingerabdrücken von Kindern ab sechs Jahren. Seehofer bezeichnet das Gesetz als „Meilenstein“. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Änderungen beim Austausch der Daten von Asylsuchenden beschlossen. Wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Anschluss in Berlin mitteilte, soll damit eine schnellere und zuverlässigere Erfassung der Daten möglich gemacht werden. Die Pläne sehen unter anderem vor, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge künftig schneller registriert werden. Zudem sollen künftig auch Fingerabdrücke von Kindern ab einem Alter von sechs Jahren gespeichert werden. Derzeit ist das erst ab 14 Jahren möglich. Änderungen sieht das Gesetz auch beim Austausch der Sicherheitsdaten vor. Zudem soll es für die Bundespolizei künftig möglich sein, Asylsuchende auch außerhalb der Zone von 30 Kilometern ab der deutschen Grenze erkennungsdienstlich zu behandeln. Um Fehler bei der Registrierung etwa durch unklare Namensschreibweisen auszuschließen, soll in den Dokumenten künftig auch immer die zugehörige Nummer aus dem Ausländerzentralregister aufgenommen werden…” Meldung vom 31. Januar 2019 beim Migazin externer Link: “Kabinett beschließt Speicherung von Fingerabdrücken sechsjähriger Kinder”, siehe zum Hintergrund “Härtere Regeln für Geflüchtete: Innenministerium will Zahl der Abschiebungen erhöhen – auch nach Syrien?” und hier dazu:
  • Petition: Kein „Geordnetes-Rückkehr-Gesetz” sondern Seehofers Rücktritt! New 
    “… Die repressive und autoritäre Politik im Inneren Europas, wie Seehofer sie praktiziert, geht einher mit dem massiven, teilweise militärischen Ausbau der Außengrenzen Europas gegen Flüchtende. Wie bereits jetzt Zivilen Seenotretter*innen 20 Jahre Haft droht, weil sie andere Menschen vor dem ertrinken gerettet haben, soll auch hier in Deutschland, Solidarität mit geflüchteten Menschen mit der Verhängung von Haftstrafen, verhindert werden. Dieses Gesetzespaket ist inhuman und unerträglich und ich werde mich dafür stark machen, dass es nicht durchkommt. Diesen Samstag, am 30.03 gehen wir gemeinsam auf die Straßen in Berlin: Für Sichere Hafen und solidarische Städte: #SeehoferWegbassen” Petition von Liza von der SEEBRÜCKE bei change.org externer Link
  • “Giftliste”: Neues Gesetz setzt Ausweisungsschutz auf Minimum  
    “Deutschland soll Abschiebungen nach dem Willen Seehofers künftig notfalls mit mehr Härte durchsetzen. In der Bundesregierung wird über einen Entwurf aus seinem Haus diskutiert, der erleichterte Inhaftierung und andere Sanktionen vorsieht. (…) Bei geschätzten vier von fünf Geduldeten sei die Abschiebung an fehlenden Reisepapieren gescheitert. Künftig sollen daher jene, die selbst Schuld daran sind, dass sie nicht ausgewiesen werden können, schlechtergestellt werden gegenüber jenen, die wegen Krankheit, einer Ausbildung minderjähriger Kinder oder anderen humanitären Gründen nicht abgeschoben würden. (…) Geschaffen werden soll dafür eine gesonderte Rechtsstellung für Menschen mit Ausreiseaufforderung. Dieser neue Status wirkt sich unter anderem auch negativ auf staatliche Leistungen aus. (…) Gescheitert seien viele Abschiebungen aus dem Grund, dass die betreffenden Personen nicht anwesend gewesen seien. Daher sollen die Voraussetzungen für die Sicherungshaft insofern abgesenkt werden, als dafür der Ablauf der Ausreisefrist hinreichend ist. Eine weitere Fluchtgefahr soll dafür nicht mehr erforderlich sein. (…) Für Straftäter soll der Ausweisungsschutz auf ein europa- und völkerrechtliches Minimum abgesenkt werden. Jene Straftäter, die wiederum nicht abgeschoben werden können, sollen besser überwacht werden: zum Beispiel mit Meldepflichten, einer räumlichen Beschränkung oder der elektronischen Fußfessel. „Gefährder“ und Terrorverdächtige wie auch Personen, die eine andere Identität vortäuschen, sollen vor ihrer Abschiebung leichter in Haft oder Gewahrsam genommen werden können. (…) Da es nicht genügend Abschiebungshaftplätze gebe, solle zudem das Trennungsgebot von Abschiebungs- und Strafgefangenen zeitweise ausgesetzt werden. Das bedeutet, dass Menschen, die abgeschoben werden sollen, auch in Justizvollzugsanstalten festgehalten werden dürfen. (…) Strafbar können sich nach den Plänen künftig auch jene Personen machen, die abgelehnte Asylbewerber vor einer bevorstehenden Abschiebung warnen und dabei den konkreten Termin nennen. (…) Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, bezeichnet den Entwurf als „Giftliste“. Unterstützer von Geflüchteten würden kriminalisiert. „Wir haben erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität weiter Teile dieses Referentenentwurfs. Es scheint fast so, als wollte Innenminister Seehofer austesten, wie weit er den Rechtsstaat beugen kann“, so die Grünen-Politikerin…” Beitrag vom 15. Februar 2019 von und bei MiGAZIN externer Link
  • Seehofers Angriff auf die Anti-Abschiebe-Industrie. Gesetzesentwurf des BMI kriminalisiert Unterstützer*innen, Berater*innen, Anwält*innen und Ehrenamtliche und versucht ihnen einen Maulkorb zu verpassen  
    “… Der Gesetzesentwurf sieht zusätzlich harte Strafen für Unterstützer*innen und professionelle Berater*innen von Geflüchteten vor. Sollten diese beispielsweise geplante Termine zu Sammelabschiebungen verbreiten bzw. Geflüchtete in der individuellen Beratung darüber in Kenntnis setzen, drohen Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren. So sollen laut dem Entwurf „Veröffentlichungen von geplanten Abschiebeterminen unter Strafe gestellt [werden]; dies gilt ebenso für die Verbreitung an einen unbekannten Personenkreis, etwa in einem geschlossenen Newsletter oder sozialen Netzwerken, oder gegenüber einem ausreisepflichtigen Ausländer.“ Der Entwurf ist somit ein massiver Angriff auf den Grundsatz der individuellen und ergebnisoffenen Beratung von Sozialarbeiter*innen und Rechtsanwält*innen dar, der ein wesentlicher Eckpfeiler des Rechtsstaats darstellt. Bundesinnenminister Seehofer führt seine Kriminalisierungskampagne gegen Unterstützer*innen und Berater*innen von Geflüchteten fort und droht damit auch hunderten Ehrenamtlichen mit Bestrafungen. „Wer Unterstützer*innen, Berater*innen, Anwält*innen und Ehrenamtliche mundtot macht, erklärt den Rechtsstaat zur Makulatur. Anstatt die waghalsige Abschiebepraxis z.B. nach Afghanistan zu beenden, soll nun die sogenannte ‚aggressive Anti-Abschiebe-Industrie‘ kriminalisiert werden. Als Menschenrechtsorganisation sind wir den Menschenrechten der Geflüchteten verpflichtet, nicht dem übersteigerten Abschiebeinteresse von Horst Seehofer“, erklärt Agnes Andrae vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Wir lassen uns nicht das Recht nehmen, Geflüchtete über ihre (mögliche) Abschiebung in unsichere Kriegsgebiete oder lebensunwürdige Zustände zu informieren!“ Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats vom 06.02.2019 externer Link – siehe dazu auch:
    • Seehofer bleibt sich treu. Der Innenminister setzt auf Abschreckung: Wer auf geplante Abschiebeflüge hinweist, soll künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können.
      “… Wer, wie etwa der Bayerische Flüchtlingsrat, im Netz darauf hinweist, wann der nächste Abschiebeflug nach Afghanistan geht, soll künftig mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe bestraft werden. So steht es im Referentenentwurf für ein Gesetz zur „besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ externer Link  , in Klammern: „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“. Wohlklingende Namen haben ja Konjunktur in dieser Großen Koalition. Der ehrlichere Name wäre wohl: „Unerwünschte-Solidarität-Gesetz“. Man wolle verhindern, dass Menschen vor ihrer Abschiebung untertauchen, heißt es. Aus diesem Grund teilen die Behörden Betroffenen schon seit 2015 bevorstehende Abschiebetermine nicht mehr mit. Doch so einfach ist es nicht. Nur, wer über eine angeordnete Abschiebung Bescheid weiß, kann sich zum Beispiel juristisch dagegen wehren – also sich auf den Rechtsstaat stützen. (…) Und es geht um mehr: um Einschüchterung der Menschen, die gegen die immer restriktivere Asylpolitik aufbegehren. Ganz im Sinne Alexander Dobrindts (CSU) mit seinem Gerede von der „Anti-Abschiebe-Industrie“ – bestehend aus jenen Anwält*innen, die Geflüchtete vor Gericht vertreten…” Kommentar von Dinah Riese vom 7.2. 2019 bei der taz online externer Link
    • Im Klartext: Nach § 95 AufenthG soll bestraft werden, wer »ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde geplante Zeitpunkte oder Zeiträume einer bevorstehenden Abschiebung veröffentlicht, an einen unbestimmten Personenkreis gelangen lässt oder einem ausreisepflichtigen Ausländer mitteilt
  • Gesetzentwurf im Innenministerium: Weitere Asylrechtsverschärfungen?
    Geduldete könnten ihren Status bei fehlender Mitwirkung verlieren. Die Verbreitung von Abschiebungsterminen soll verboten werden. Das Bundesinnenministerium plant weitere Verschärfungen des Asylrechts. In der vergangenen Woche wurde ein Referentenentwurf des „Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, auch „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bekannt. Demnach soll geduldeten Flüchtlingen, denen vorgeworfen wird, nicht ausreichend an der Passbeschaffung mitgewirkt zu haben, der Duldungsstatus entzogen werden. Duldungen werden bislang meist erteilt, wenn Abschiebehindernisse vorliegen. Dies können fehlende Papiere sein, aber auch Krankheit oder die Ablehnung der Aufnahme durch die Herkunftsländer. Nach dem Entwurf sollen staatliche Leistungen und Erlaubnisse für Geduldete zukünftig „umfänglich an die Pflicht des Betroffenen geknüpft“ werden, „in zumutbarem Umfang selbst notwendige Handlungen zur Erlangung eines Passes oder Passersatzes vorzunehmen.“ Die Menschen, die den Status als Geduldete aufgrund fehlender Passbeschaffung verlieren, sollen nach dem Wunsch des Innenministeriums zukünftig sanktioniert werden können. Dies betrifft Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und auch die Erlaubnis, einer Erwerbstätigkeit oder Ausbildung nachzugehen. Obwohl die Betroffenen gerade nicht abgeschoben werden können, dürfen sie dem Gesetzentwurf nach nicht arbeiten…” Artikel von Frederik Schindler vom 6.2.2019 bei der taz online externer Link
  • [Pro Asyl] Das »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« ignoriert rechtsstaatliche GrundsätzeHeute wurde ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) bekannt. Voraussetzungen für Inhaftierungen, wie die richterliche Anordnung oder der Nachweis eines Haftgrundes werden darin ignoriert. Abgelehnte Asylbewerber*innen, die nie eine Straftat begangen haben, werden wie Straftäter behandelt. Eine erste Analyse der Pläne. Der, noch nicht mit anderen Ministerien abgestimmte, Gesetzentwurf des BMI externer Link  ist inhuman und mit dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen. Darüberhinaus sollen damit auch die – lange erstrittenen und in der Praxis ohnehin restriktiv gehandhabten – Bleiberechtsmöglichkeiten für Geduldete versperrt werden. (…) Noch deutlicher wird die Ignoranz dieser rechtsstaatlichen Vorgaben, wenn in dem Entwurf des § 58 AufenthG zur Abschiebung hinzugefügt wird, dass die abzuschiebende Behörde den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang verbringen und (ohne Übernachtung) festhalten darf, »ohne dass es einer richterlichen Anordnung bedarf«. Ebenfalls klar muss sein, dass für eine Inhaftierung überhaupt ein Grund vorliegen muss, der dieser Person nachgewiesen wird. Der Entwurf benennt als einen Grund die Fluchtgefahr und führt dann Fallgruppen auf, wann genau »widerleglich vermutet« wird, wann diese Gefahr vorliegen soll (Entwurf zu § 62 Abs. 3 AufenthG). Diese Vermutungsregelung führt aber dazu, dass nicht die Behörde das Vorliegen der Gefahr, sondern der/die Betroffene das Nicht-Vorliegen einer etwaigen Gefahr nachweisen muss – eine Beweislastumkehr, die haftrechtlichen Grundprinzipien widerspricht. (…) Abschiebungshaft ist keine Strafhaft. Genau aus diesem Grund gilt das Trennungsgebot von Straf- und Abschiebungshaft, die Betroffenen dürfen grundsätzlich nicht in Einrichtungen der Strafhaft untergebracht werden. Jemand, der in Abschiebungshaft genommen wird, muss nicht einmal jemals einer Straftat verdächtig gewesen sein oder als Gefährdung für die öffentliche Sicherheit gelten. Das Trennungsgebot gilt nach der europarechtlichen Rückführungsrichtlinie (Art. 16 RL 2008/115/EG) und auch das deutsche Recht hat es derzeit im § 62a Abs. 1 AufenthG umgesetzt. Das Bundesinnenministerium will derzeit diesen Absatz streichen und sich so seiner Verpflichtung entziehen…” Beitrag vom 01.02.2019 bei Pro Asyl externer Link
  • Einzug der »bayerischen Art« in ganz Deutschland. PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat warnen: Neuer Vorstoß aus dem BMI führt zu Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit  
    “Während die Große Koalition im aktuellen Entwurf zur Fachkräftezuwanderung die Stärkung der Geduldeten bewirbt, geht das Bundesinnenministerium (BMI) nun den umgekehrten Weg: Die Zeitung WELT berichtet von einem Referentenentwurf des BMI, nach dem geduldeten Flüchtlingen, denen vorgeworfen wird, nicht hinreichend an der Passbeschaffung mitgewirkt zu haben, der Duldungsstatus entzogen werden soll.PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat warnen vor der Ausgrenzungsinitiative des BMI. »Bayerische Verhältnisse werden in ganz Deutschland zur Normalität. (…) Schon jetzt zeigt die willkürliche Praxis in Bayern: Auch mit Duldung bekommen viele Asylsuchende Arbeits- und Ausbildungsverbote auferlegt, in vielen Landkreisen dürfen geduldete Flüchtlinge nicht einmal ein Praktikum absolvieren, in AnkER-Zentren werden Flüchtlinge isoliert und entrechtet. »Die Betroffenen werden in die Illegalität getrieben. (…) Dem Betroffenen soll sogar die Unmöglichkeit der Abschiebung zugerechnet werden, allein weil er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist. Vom persönlichen Verhalten des Betroffenen ist die Versagung der Duldung dann nicht mehr abhängig. Der Mensch wird aufgrund der Nationalität völlig unabhängig von seinem Verhalten diskriminiert und mit Sanktionen belegt…” Pressemitteilung vom 1. Februar 2019 von Pro Asyl externer Link

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen