Sonntag, 5. März 2017

Befugnisse des Militärs in Mexiko sollen erweitert werden

28.02.2017

 

Beteiligung der Armee an Aufgaben der inneren Sicherheit soll legalisiert werden. Kritiker fürchten neue Menschenrechtsverletzungen
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Mexiko-Stadt. In Mexiko haben Menschenrechtsorganisationen davor gewarnt, dass im Abgeordnetenhaus ein Gesetz über die Innere Sicherheit im Schnellverfahren auf den Weg gebracht wird. Vor allem die dabei geplanten weiteren Befugnisse für das Militär bereiten ihnen Sorge. Die Kritiker forderten, das Verabschiedungsverfahren zu stoppen, Transparenz zu schaffen und die gesellschaftliche Beteiligung an der Diskussion zu ermöglichen. Inhaltlichen Empfehlungen, die internationale Institutionen in diesem Zusammenhang an die Regierung Mexikos gerichtet hätten, seien übergangen worden.
Die Mitte vergangener Woche veröffentlichte gemeinsame Erklärung [2], die von praktisch allen namhaften mexikanischen Menschenrechtsorganisationen unterzeichnet worden ist, hebt vor allem auf die Rolle des Militärs ab. So sei vorgesehen, die Streitkräfte an Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zu beteiligen und ihnen Befugnisse für "Verhaftungen, Verbrechensvorbeugung und -ermittlung" zu verleihen. Zwar beteiligen sich die Streitkräfte schon jetzt de facto vor allem im Rahmen der Drogenbekämpfung an diesen Aufgaben. Von der Verfassung gedeckt ist dies bislang aber nicht. Die Legalisierung der Einsätze könnte die Interventionen der Militärs in der inneren Sicherheit aber zementieren, so die vielfach geäußerte Befürchtung. Stärkung und Professionalisierung der verfassungsmäßig für die innere Sicherheit zuständigen zivilen Polizeikräfte würden dagegen geschwächt.
Die Tageszeitung La Jornada bemerkt in einem Leitartikel [3], die Regierung habe nie verstanden, dass "Heer und Marine keine Superpolizisten sind, sondern Institutionen, die dafür gedacht, ausgebildet und vorbereitet sind, die nationale Souveränität und Integrität des Territoriums zu bewahren, sowie der Bevölkerung im Katastrophenfall zu helfen". Die in den kursierenden Gesetzentwürfen vorgesehene Neudefinition der Aufgaben des Militärs könne eine neue Eskalation von Menschenrechtsverletzungen, die Militarisierung des öffentlichen Lebens und Raums nach sich ziehen und die Streitkräfte weiterem "Verschleiß" preisgeben. Untersuchungen aus dem akademischen Bereich haben wiederholt auf den oft tödlichen Ausgang von Konfrontationen verwiesen, an denen Militärs beteiligt sind. Verwundete gäbe es in diesen Fällen selten.
Vor Wochen hatte der mexikanische Verteidigungsminister, General Salvador Cienfuegos, in einer stark beachteten öffentlichen Aussage beklagt, die Streitkräfte seien auf ihre dauernden Einsätze in der inneren Sicherheit nicht ausreichend vorbereitet. Zwar zielte diese Äußerung indirekt auch auf eine Rechtfertigung gegenüber den zahlreichen Menschenrechtsvorwürfen, die gegen das mexikanische Militär vorgebracht werden. Sie wurden jedoch gleichfalls als ungewöhnlich deutliche Unmutsbekundung der gegenüber den zivilen Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten immer loyalen Armeespitze gewertet, nun seit mehr als einer Dekade für Aufgaben eingesetzt zu werden, die nicht zur Kernmission des Militärs gehören.
Die Säuberung der Polizeikräfte von Mitgliedern der Drogenmafia – von deren Infiltration im Übrigen auch die Militärs nicht frei sind – ist allerdings eine Herkules-Aufgabe. Die von internationalen Experten wie beispielsweise Eduardo Buscaglia immer wieder nahe gelegte Verquickung von Politik, "legaler" Wirtschaft und organisiertem Verbrechen in Mexiko ist ein weiterer Faktor, der die Lösung des Problems zu einer Art Quadratur des Kreises werden lässt. Ein überstürzt verabschiedetes Sicherheitsgesetz würde die Situation aus der Sicht der Kritiker noch verschlimmern. Die von den Menschenrechtsorganisationen geforderte Rückkehr der Streitkräfte in die Kasernen ist aber kurzfristig auch kaum in Sicht.
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