Montag, 27. März 2017

Gottgewollter Landraub (Hartwig Hohnsbein)


Im Jahre 1964 war ich mit einer Gruppe junger Theologen in Israel, um »das Land der Bibel«, wie es sich für unsere Zunft gehört, auch mit eigenen Augen zu sehen und die Probleme des neuen Staates kennenzulernen. Der hatte damals ein großes Interesse daran, verlässliche Fürsprecher in den Auseinandersetzungen mit »den Arabern« zu gewinnen.

So also wurde unsere Gruppe in einem Regierungsgebäude in Westjerusalem – der Osten der Stadt und das Westjordanland standen damals noch unter jordanischer Verwaltung – von hochrangigen Staatsvertretern empfangen. Sie rühmten die Aufbaumaßnahmen in ihrem neuen Staat und ihre »Kriegskunst« beim Ansturm der Araber 1947-49 und im Sinai-Feldzug 1956/57.

Schließlich kamen sie auf das künftige Israel zu sprechen und nannten drei Ziele, die als immerwährende Staatsdoktrin für jede israelische Regierung unveräußerlich seien, weil sie »in unserem ›Ewigen Buch der Bücher‹  [diese Bezeichnung steht in der israelischen Unabhängigkeitserklärung; H. H.] stehen«.

Das erste Ziel sei, den Umfang des »Gelobten Landes« wiederherzustellen, so wie er in den »heiligen Schwurworten Gottes«, im 5. Buch Mose, Kapitel 34, dem sterbenden Mose für seine Nachkommen beschrieben worden ist: das ganze Gebiet Palästinas mit dem Westjordanland. Wie die Eroberung des »Gelobten Landes« dann vonstatten ging, kann jeder im Josuabuch nachlesen. Die dort friedlich lebenden Einwohner wurden nach den Anweisungen des Gottes Jahwe in etlichen Ausrottungsaktionen beseitigt. Das geschah nach dem Muster der Eroberung Jerichos, zu der es heißt: Alles wurde mit »der Schärfe des Schwerts erschlagen, Mann und Weib, Jung und Alt, Rinder, Schafe und Esel« (Josua 6, hier Vers 21). (Ob die Beschreibung der Eroberung des »Gelobten Landes« wie auch die des »Davidischen Großreiches« historische Gegebenheiten widerspiegeln oder aber Allmachtsphantasien, also Fakes sind, ist umstritten, letzten Endes aber unerheblich, sind es doch »Heilige Texte«, mit angeblich göttlicher Autorität, die so genommen werden, wie sie da so stehen.)

Das zweite Staatsziel sei, neben dem »Gelobten Land« Palästina auch alle die Gebiete wieder in Besitz zu nehmen, die König David (um 1000 v. Chr.) in sein »Großreich« »mit Gottes Hilfe« eingliederte. Im 2. Samuel 8, Vers 5 f. ist das nachzulesen: Es handelte sich um das ehemalige Reich der »Aramäer« im heutigen Syrien. Die besiegten Bewohner mussten für Israel »Abgaben bringen«, wurden also ausgeplündert.

Das dritte Staatsziel schließlich, das die Erfüllung aller göttlichen Verheißungen bedeutet, sei die Wiedererlangung des Tempelberges in Jerusalem und dann die »Wiederaufnahme des Tieropferkultes, der Brandopfer« (weil »Gott der Herr« die Brandopfer mit ihrem »lieblichen Geruch« besonders gern riecht, wie uns 1. Mose 8, Vers 21 wissen lässt). Der Tempelberg steht bis heute unter mohammedanischer Verwaltung. Wer dort einen jüdischen Tempel mit einem Brandopferaltar wiedererrichten will, muss zuvor die islamischen Heiligtümer, zum Beispiel den Felsendom, beseitigen. Das wird nicht einmal Saudi-Arabien hinnehmen.

50 Jahre nach unserem Besuch in Israel hat der Staat, besonders durch seine völkerrechtswidrigen Gesetze zum gottgewollten Landraub, sein erstes Staatsziel nahezu erreicht. Wann endlich werden Bibeltexte, die zum Völkerrechtsbruch aufrufen, international und auch interreligiös geächtet, bevor sie noch mehr Unheil anrichten?

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