Montag, 27. März 2017

ausgestrahltNews | Wie soll das noch bis 2022 gut gehen?

.ausgestrahlt-Newsletter17. März 2017
es schreibt Jochen Stay
Lesen, handeln und weiterschicken!

Lieber Emil Schlenz,
wenn Du in den letzten Wochen die atompolitischen Schlagzeilen verfolgt hast, dann geht es Dir wahrscheinlich wie mir. Kaum ein paar Tage vergehen, ohne dass ein neuer triftiger Grund auftaucht, die Atomkraftwerke bereits jetzt abzuschalten. Und es gäbe eigentlich jedes Mal Anlass, auf die Straße zu gehen und dafür zu demonstrieren, dass endlich Schluss gemacht wird mit dieser unnötigen und gefährlichen Technik. Gut, dass rund um den Fukushima-Jahrestag genau dies in vielen Städten passiert ist!
Dieser Newsletter hat kein Schwerpunkt-Thema, sondern setzt sich aufgrund der Ereignisse aus vielen hochaktuellen atompolitischen Mosaiksteinen zusammen (und ist deswegen sehr lang geworden – viel Lesestoff fürs Wochenende). Gut zu wissen: An all diesen „Baustellen“ – und nicht nur an den hier genannten – tragen Atomkraftgegner*innen dazu bei, dass auch kritische Stimmen deutlich wahrgenommen werden. Auch .ausgestrahlt versucht – mit unseren begrenzten Kräften – wo immer möglich zu kommentieren, zu analysieren, aufzuklären und Forderungen zu erheben. Deshalb findet Du diesmal besonders viele Links zum Weiterlesen – noch mehr Lesestoff.
Eine spannende Entwicklung der letzten Wochen: Grüne Atompolitiker*innen, denen seitens der Anti-Atom-Bewegung ja oftmals nicht ohne Grund zu wenig Engagement im Sinne eines schnelleren Ausstiegs vorgeworfen wird, werden zumindest an einigen Stellen aktiv. Ob es am Wahljahr liegt oder nicht, ist mir da erstmal egal. Hauptsache es passiert etwas. So stehen die AKW in Philippsburg und Brokdorf derzeit still, weil grüne Landes-Atomaufsichten genauer hinschauen. Und zu Gundremmingen hat die grüne Bundestagsfraktion zusammen mit ihren bayerischen Kolleg*innen eine wichtige Risiko-Studie vorgelegt, auf der sich aufbauen lässt.
Weiter so! Mehr davon!
meint
Jochen Stay
und das ganze .ausgestrahlt-Team

Weitere aktuelle Informationen in diesem Newsletter:
1. Gundremmingen: Notkühlung nicht ausreichend
2. Brokdorf: Brennstäbe oxidieren
3. Philippsburg: Seit 32 Jahren hat es niemand gemerkt
4. Flugzeug ohne Funkkontakt – alle AKW geräumt
5. Vorbereitungen für und gegen den Neckar-Castor
6. Wirkungsvolle Aktionen zum Fukushima-Jahrestag
7. Standortauswahlgesetz in letzter Runde
8. Der Deal nach dem Deal
9. Blick über den .ausgestrahlt-Tellerrand

1. Gundremmingen: Notkühlung nicht ausreichend
Diese Gutachter sind nicht irgendwer: Prof. Dr. Manfred Mertins war hochrangiger Sachverständiger der „Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit“ (GRS), der wichtigsten Sachverständigen-Organisation der Bundes-Atomaufsicht. Dort war er intensiv mit dem AKW Gundremmingen befasst. Außerdem war er Projektleiter bei der Erarbeitung der aktuellen Sicherheitsanforderungen für Atomkraftwerke. Die Überprüfung des Gutachtens (Peer Review) übernahm Lothar Hahn, ehemals technischer Leiter der GRS und Ex-Vorsitzender der Reaktor-Sicherheitskommission.
Ihr Ergebnis, jetzt veröffentlicht von den Grünen im Bundestag und im bayerischen Landtag: Sowohl Block B als auch Block C des AKW Gundremmingen verstoßen gegen die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen für deutsche Atomkraftwerke. Die Not- und Nachkühlsysteme beider Blöcke erfüllen nicht die notwendigen Voraussetzungen, um Störfälle sicher zu beherrschen. Bei starken Erschütterungen wie Erdbeben, Explosionen oder Flugzeugabstürzen wäre die Gefahr einer Kernschmelze groß.
.ausgestrahlt hat deshalb zusammen mit dem Umweltinstitut München einen Offenen Brief an Umweltministerin Hendricks geschrieben, in dem wir eine Bundes-Weisung an die bayerische Atomaufsicht fordern, dass AKW mindestens bis zur vollständigen Beseitigung der Sicherheitsmängel vom Netz zu nehmen.

2. Brokdorf: Korrosion im Kern
Im AKW Brokdorf rosten Brennstäbe. Sie könnten undicht werden. Die Ursache ist unklar. Deswegen verbietet die Atomaufsicht in Kiel derzeit das Wiederanfahren des Reaktors. Der grüne Umweltminister Robert Habeck schließt ein Wiederanfahren des Atomkraftwerks ohne eindeutige Untersuchungsergebnisse aus: „Erst, wenn die Ursache geklärt und ausgeschlossen ist, dass sich das Problem an anderen Brennstäben wiederholt, kommt ein Wiederanfahren des Kernkraftwerks in Betracht.“ Wir werden ihn gegebenenfalls an diese eindeutige Aussage erinnern.
.ausgestrahlt gibt Antwort auf die häufigsten Fragen zur Korrosion im Kern von Brokdorf.
Zeit, mal wieder in Brokdorf zu demonstrieren. Am 23. April ist dazu die Gelegenheit.

3. Philippsburg: 32 Jahre hat es niemand gemerkt
AKW-Betreiber EnBW und die Atomaufsicht für den Reaktor Philippsburg 2 gingen über drei Jahrzehnte von völlig falschen Sicherheitsvoraussetzungen aus. So wie das Kraftwerk gebaut wurde, hätte es nie genehmigt werden dürfen. Das hat jetzt sogar die Atomaufsicht in Baden-Württemberg selbst festgestellt. Gerrit Niehaus, oberster Atomaufseher in Stuttgart: „ Der Störfall eines Erdbebens oder eines Flugzeugabsturz wäre nicht sicher beherrscht worden.“ Jetzt ist das Kraftwerk erstmal abgeschaltet und muss umgebaut werden. Derweil sucht die Aufsicht nach weiteren Fehlern. Die .ausgestrahlt-Presseerklärung zum Thema.

4. Flugzeug ohne Funkkontakt – alle AKW geräumt
Freitag, 10. März, ein Tag vor dem Fukushima-Jahrestag. In Deutschland werden 17 Atomkraftwerke geräumt, noch laufende und abgeschaltete. Nur eine Notmannschaft bleibt vor Ort. Grund: Zu einem Passagierflugzeug ist der Funkkontakt abgebrochen – Terroralarm. Was genau los war und wieso kein einziger Reaktor hierzulande gegen den Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs gesichert ist, erfährst Du im neuen .ausgestrahlt-Podcast.
Etwas surreal muss das Ganze vor allem für die Aktivist*innen gewesen sein, die just an diesem Tag beide Zufahrten des AKW Brokdorf blockierten. Was soll man auch davon halten, wenn bei so einer Aktion die Polizei auf einen zukommt und mitteilt, das AKW müsse jetzt geräumt werden? Ein Bericht auf der Webseite von Robin Wood.

5. Vorbereitungen für und gegen den Neckar-Castor
Inzwischen hat der Probe-Schiffstransport mit leeren Castor-Behältern auf dem Neckar zwischen Obrigheim und Neckarwestheim stattgefunden. Wahrscheinlich sind auch bereits alle Leerbehälter nach Obrigheim gebracht worden. Doch auch die Gegner*innen des Transports bereiten sich vor: Am 4. März demonstrierten in Heilbronn 750 Aktive gegen die sinnlosen und gefährlichen Pläne. Unübersehbar: die kämpferische Ente, neues Symbol einer Anti-Atom-Bewegung, die sich anschickt, auch am und auf dem Wasser aktiv zu werden.
Bericht und Fotos von der Demonstration.

Unterschreibe hier gegen die Castor-Transporte durchs Neckartal. Auf der Seite findest Du auch Hintergrundinformationen und Aktionsideen.
Bestelle die kämpferische Ente, jetzt auch aus Natur-Kautschuk.
Aktuelle Infos:
Twitter-Kanal des Bündnisses
Webseite des Bündnisses
Dort kannst Du Dich auch in den Neckar-Castor-Newsletter eintragen und bekommst so immer aktuelle Neuigkeiten.

6. Wirkungsvolle Aktionen zum Fukushima-Jahrestag
In über 90 Städten gab es rund um den 11. März Aktionen, Demonstrationen, Mahnwachen und Veranstaltungen. Was mir in diesem Jahr besonders auffiel: In unzähligen Lokalzeitungen wurde über diese Aktivitäten berichtet. So war Fukushima und die aktuelle Atompolitik überall Thema. Es lohnt sich also, selbst mit einer kleinen Gruppe aktiv zu werden. Ein Kurzbericht findest Du im .ausgestrahlt-Blog.

7. Standortauswahlgesetz in letzter Runde
Am kommenden Donnerstag will der Bundestag das Standortauswahlgesetz beschließen, also das Gesetz zur Suche nach einem langfristigen Lagerplatz für den Atommüll. Seit 2011 geht nun das Ringen um das neue Auswahlverfahren. 2013 ein erstes Gesetz, 2014-2016 die Atommüll-Kommission. Jetzt kommt es zu einem vorläufigen Abschluss. Dann geht die Suche los. .ausgestrahlt hat die Pläne immer wieder kritisiert, aber auch konstruktive Vorschläge gemacht, wie es anders und besser geht. Aufgegriffen wurden sie nicht. Meine Befürchtung: So wie jetzt geplant, wird das Suchverfahren scheitern. Oder es läuft am Ende sogar alles wieder auf Gorleben hinaus. Die .ausgestrahlt-Presseerklärung zum Thema.
Besonders perfide ist es, dass mit dem Gesetzespaket auch eine neue Regelung für den Atommüll-Export beschlossen werden soll, die diesem nicht, wie behauptet, einen Riegel vorschiebt, sondern riesige Hintertürchen offen lässt, vor allem für die 152 Castor-Behälter, die in Jülich stehen. Mehr dazu, samt Positionspapier, gibt es hier.

8. Der Deal nach dem Deal
Zuletzt noch ein Beitrag zur aktuellen Demokratie-Debatte. Gefahr wird ja derzeit hauptsächlich von rechts wahrgenommen und das sicherlich nicht unbegründet. Doch wie gehen eigentlich die gewählten Politiker*innen selbst mit der Demokratie um? Da beschließt der Bundestag im Dezember ein Gesetz, mit dem sich die AKW-Betreiber von den Folgekosten der Atomkraft freikaufen können. Die bekommen jetzt aber noch zusätzlich, übrigens ohne ihre größten Milliardenklagen zurückzuziehen, einen Vertrag mit der Bundesregierung zum gleichen Thema. Begründung: Dann könne auch zukünftig kein Parlament mehr die Regelung verändern. Es lebe die Demokratie!

9. Blick über den .ausgestrahlt-Tellerrand
Aktuelles zur Situation rund um die Asse.
Vor 40 Jahren: Die „Schlacht um Grohnde“. Ein Geschichts-Projekt informiert und diskutiert.

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.ausgestrahlt ist eine bundesweite Anti-Atom-Organisation. Wir unterstützen Atomkraftgegner*innen, aus ihrer Haltung öffentlichen Protest zu machen. Mit diesem Newsletter informieren wir über Kampagnen, Aktionen und politische Entwicklungen.
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