Montag, 4. Januar 2016

Weltweite Empörung über Massenexekution in Saudi-Arabien

Weltweite Empörung über Massenexekution in Saudi-Arabien
Die Leichen von Hingerichteten werden in Saudi-Arabien öffentlich zur Schau gestellt (foto: privater Blog)
04.01.16 - Die Massenhinrichtung von 47 Menschen am Samstag in Saudi-Arabien hat weltweite Empörung hervorgerufen. Angeblich wurden die Exekutionen wegen "Terrordelikten" angeordnet. Darunter fallen allerdings auch Dinge wie "Aufwiegelung" und "Ungehorsam", wie sie dem schiitischen Geistlichen Scheich Nimr Baker al-Nimr vorgeworfen wurden. Dieser hatte im Jahr 2011 die Abspaltung der ölreichen östlichen Regionen Katif und Al-Ihsaa befürwortet, in denen die meisten der rund zwei Millionen Schiiten Saudi-Arabiens leben, und Demonstrationen dafür organisiert. "Nieder mit dem Haus Saud", riefen nach seiner Hinrichtung empörte schiitische Bürger in Katif, der Heimatstadt von al-Nimr. Saudische Kommentatoren warnen bereits vor "schweren Unruhen" im Land.
Auch die Massenhinrichtung selbst ist Ausdruck der wachsenden Nervosität des herrschenden Regimes. Nicht nur unter den Schiiten gibt es wachsende Unzufriedenheit mit dem erzreaktionären, faschistoiden saudischen Herrscher-Regime. Hunderte Regime-Gegner wurden in den letzten Jahren aufgrund zweifelhafter Anklagen zu langen Haftstrafen oder gar zum Tode verurteilt. Einer von ihnen ist der Blogger Raif Badawi, den ein Terror-Sondergericht des "Ungehorsams gegenüber dem Herrscher" und der "Schädigung des Rufs des Staates" für schuldig befand.
Mit ähnlichen Verfahren überzog die Justiz Mitglieder der 2009 gegründeten Gruppe "Saudi Civil and Political Rights Association", die ein Gericht 2013 für aufgelöst erklärt hat. Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP wurden im letzten Jahr in Saudi-Arabien insgesamt 153 Menschen hingerichtet. Auch Frauen begehren zunehmend gegen ihre völlige Rechtlosigkeit und die feudal-patriarchale Unterdrückung in dem Land auf. Unter den rund acht Millionen ebenso rechtlosen migrantischen Arbeitern gärt es ebenfalls.
Ein Hintergrund für die wachsende Unzufriedenheit sind zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten Saudi-Arabiens. Der anhaltend niedrige Ölpreis auf dem Weltmarkt hat ein Rekordloch von rund 90 Milliarden Euro in den Staatshaushalt des weltgrößten Erdölexporteurs gerissen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf rund 30 Prozent geklettert und Mieten sind inzwischen für einen Großteil der Bevölkerung fast unbezahlbar. Das Königshaus kündigte weitere Erhöhungen von Steuern und Abgaben an sowie die Kürzung der Subventionen für Benzin, Wasser und Strom an.
Die Erinnerung an die Massenproteste des Jahres 2011, die durch die Aufstandsbewegung in fast allen arabischen Ländern inspiriert wurden, dürfte den Herrschenden Saudi-Arabiens noch in den Knochen stecken. Am 26. Januar 2011 gab es erste Proteste in der Hafenstadt Dschidda, die sich auf andere Städte des Landes ausbreiteten. Das saudische Herrscherhaus ließ sie brutal niederprügeln, verbot Demonstrationen im Land als "unislamisch" und wollte von Deutschland als Reaktion eine zur Aufstandsbekämpfung umgerüstete Variante des Leopard-II-Panzers kaufen.
Auch die bürgerlichen Politiker sind jetzt voll der geheuchelten Empörung über die Hinrichtungen. So zeigte sich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), "erschüttert". Dabei hat die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2015 Waffenexporte im Wert von 178,7 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekräftigte kürzlich, dass Saudi-Arabien "eine Schlüsselrolle" im Nahen und Mittleren Osten spiele. Es sind jedoch die herrschenden Familien Saudi-Arabiens, das nachweislich den faschistischen IS maßgeblich finanzieren und bewaffnen.
Nach den massiven Protesten gegen die Massenhinrichtungen hat Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen und gleichzeitig die mit der UNO vereinbarte Waffenruhe im Jemen gekündigt. Damit eskaliert die Rivalität zwischen diesen beiden neuimperialistischen Mächten um die Einflusssphären im Nahen und Mittleren Osten erneut.
Zu den Hintergründen nimmt Stefan Engel, Parteivorsitzender der MLPD, ausführlich in einem Interview des letzten "Rote Fahne"-Magazins Stellung. Er zieht die Schlussfolgerung: "Die Völker im Nahen und Mittleren Osten müssen sich selbst befreien! Das ist nur möglich, wenn man die Imperialisten aller Schattierungen aus der Region vertreibt."

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