Montag, 30. Juni 2014

Die Europa-Urne (Arno Klönne)

Bürgerinnen und Bürger der EU-Staaten haben ein neues Europäisches Parlament gewählt. Die Mehrheit der Stimmberechtigten allerdings hat sich daran nicht beteiligt, in vielen EU-Ländern herrschte Wahlverweigerung vor, die Bundesrepublik schneidet da vorteilhaft ab. Und rund um Deutschland, so erfuhren wir es aus unseren Leitmedien, haben zahlreiche Menschen falsch gewählt, ihre Stimme antieuropäischen Parteien gegeben, am rechten oder am linken Rand. Hierzulande war das anders, der Erfolg der AfD war so üppig nicht, und die Partei Die Linke hat bei dieser Wahl stagniert. Also ist ein großkoalitionärer deutscher Sieg zu feiern – über die Europazersetzer. Denn zur Wahl stand, so hieß es auch in den politikoffiziellen Botschaften bei uns, das Ja oder Nein zum gemeinsamen europäischen Haus. Allerdings ist die Freude über die Rettung dieses Gebäudes getrübt. Nur mit dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten, so hatte es seine Partei plakatiert, habe ein Deutscher die Chance, Präsident der EU-Kommission zu werden. Das wäre ein nationales Ereignis geworden – aber nun wird daraus wohl nichts. Ganz so schlimm ist das nicht, dieses hohe Amt wird in jedem Falle einem Repräsentanten der ganz großen europäischen Koalition zufallen, dem bewährten Bündnis von Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. Die sind in Zukunft, was das Europäische Parlament angeht, noch stärker zusammengeschweißt, sie müssen gemeinsam für die politische Mitte sorgen. Auch dafür, daß die politischen Geschäfte der regierenden Institutionen im europäischen Haus nicht gestört werden. Zu denen gehört von Natur aus auch der Finanzmarkt, so hat es zutreffend der jetzige Präsident des Europäischen Rates ausgedrückt, des Gremiums, in dem die Staatslenker sich auf ihre Absichten einigen. Die Opposition im Europäischen Parlament ist eigentlich nicht gefährlich, denn sie hat mehr innere Gegensätze als Gemeinsamkeiten. Griechische Sozia-listen zum Beispiel werden sich nicht zusammentun mit dem französischen Front National. Selbst dann nicht, wenn bei beiden das Gefühl mitspielt, die Politik der EU werde zu stark durch spezielle Interessen der deutschen Wirtschaft beeinflußt. Das mag so sein, aber wieso beschweren sich diese Ausländer darüber? In der Bundesrepublik finden sie doch ein überzeugendes Vorbild dafür, wie man wettbewerbsfähig wird. Und wenn sie darüber klagen, daß auf diese Weise europa-weit Armut sich ausbreitet – die Europäische Union ist ja kein Sozialverband, das hat unsere Kanzlerin noch mal klargestellt. Der Zugewinn bei faschistischen Parteien, in einigen EU-Ländern? Auch kein Problem, so sind Unzufriedene wenigstens davor bewahrt, ins Linksradikale zu geraten, und etwas Polemik gegen den Zustrom von Nichteuropäern nach Europa kann nicht schaden. Verlaß ist, die Bewertung politischer Geschehnisse betreffend, stets auf die Börse. Da hat, als das Ergebnis der europäischen Wahlen fest stand, der DAX ein Rekordhoch erreicht. Auch die vielen Stimmen für die Protestparteien, teilte ein maßgeblicher Finanzmanager mit, würden die politische Landschaft in Europa nicht verändern. Und wer seinen Wahlzettel mit dem Kreuz bei einer falschen Partei in die Urne geworfen hat, bewirkt damit noch keinen Aufruhr, im Europäischen Parlament geht es gesittet zu. Soweit nach der Wahl die Gedanken eines guten deutschen Bürgers.

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