Montag, 6. Januar 2020

Von wegen zuerst Neuwahlen: Das erste, was die Junta in Bolivien vorbereitet, sind Privatisierungen

Eigentlich – so war es die Propaganda jener interessierten Kreise keineswegs nur in Bolivien selbst, denen es nicht um irgendeine Abirrung in der Politik der MAS oder der Regierung Morales ging, sondern um das Ende eines Prozesses, der sozialen Bewegungen deutlich mehr Möglichkeiten geschaffen hatte, als vorher (was trotz all der Kooptationsmaßnahmen der Morales-Regierung weiterhin Bestand hatte) – eigentlich sollte die sogenannte Übergangsregierung nur Wahlen vorbereiten, die sie als freie bezeichnete. Davon aber ist zunächst einmal nur begrenzt die Rede (etwa, wenn Überlegungen ans Tageslicht kommen – aus dem Innenministerium – wie man dahin kommen könnte, die MAS von der Wahl auszuschließen), stattdessen werden Fakten geschaffen, die einer wirklichen Übergangsregierung niemals zustehen würden – was internationale Bündnisse betrifft, beispielsweise. Und – wenig überraschend bei einer USA-gestützten Militärjunta, die es trotz christlich-fundamentalistischer Aushängeschilder ist – was sie unter „Staatsapparat abbauen“ vor allem verstehen, ist auch längst deutlich geworden: Privatisierungen. Kubanische Ärzte haben sie bereits des Landes verwiesen – und damit das öffentliche Gesundheitswesen schwer getroffen (da werden wohl bereits Geschäftspläne entworfen), und in offiziellen Stellungnahmen wird auch offen unterstrichen, dass man Privatisierungen wolle. Was wohl nicht zuletzt den Energiesektor betreffen würde… Siehe zur aktuellen Politik der Junta und zu den Entwicklungen innerhalb der MAS und sozialer Organisationen drei aktuelle Beiträge und einen Hintergrundartikel, sowie den Verweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu Putsch und Widerstand in Bolivien:
  • „Estudian la proscripción del MAS“ am 29. Dezember 2019 bei Resumen Latinoamericano externer Link ist eine Meldung über die Mitteilung des Obersten Wahlgerichts, dass man die beiden Anträge auf Verbot der MAS „bearbeite“ (von der ja nicht einmal die „Wahlbetrug“-Schreier behauptet hatten, sie hätte nicht mit deutlichem Abstand die meisten Stimmen bei der letzten Wahl erhalten), die von Seiten der an der Junta beteiligten Kräften gestellt worden sind.
  • „Ala “oprimida” del MAS no irá a reunirse con Evo a Buenos Aires“ am 28. Dezember 2019 bei Clajadep-LaHaine externer Link dokumentiert (ursprünglich in Pagina Siete), berichtet über jene Kräfte innerhalb und um die MAS, die nicht an der Konferenz in Buenos Aires teilnahmen, auf der Morales am 29. Dezember die Kandidaten der MAS für anstehende Wahlen bestimmen lassen wollte. Unter jenen, die eine Teilnahme verweigerten, sind auch der Gewerkschaftsbund COB und die Gewerkschaft der LehrerInnen der Landschulen. Diese Konferenz endete übrigens mit einer Verschiebung der Entscheidung auf den 19. Januar 2010 – wenn die Regionalorganisationen der MAS und ihr nahe stehende Gruppierungen mit jeweils eigenen Vorschlägen anreisen sollen, was nicht wenige als eine politische Niederlage für den Parteivorsitzenden Morales bewerteten.
  • „Die reichen Cholos von La Paz“ von Maëlle Mariette in der Ausgabe September 2019 von Le Monde Diplomatique externer Link zur Entwicklung von besser gestellten Schichten in der indigenen Bevölkerung, deren Unterstützung für Morales fraglich geworden sei, unter anderem: „… Anstatt sich der mächtigen Agrarindustrie frontal entgegenzustellen, gründete man zum Beispiel 2007 ein staatliches Unternehmen zur Unterstützung der Nahrungsmittelproduktion (Emapa), um kleinen Landwirten zu helfen. Die Emapa kauft den Kleinbauern Reis, Weizen, Soja oder Mais zu Preisen ab, die über denen des Markts liegen, sollten Letztere sich gerade im Keller befinden. Daraufhin sahen sich die großen Agrarkonzerne gezwungen, ihre Preise an denen der Emapa auszurichten oder diese sogar noch zu überbieten. „Der Markt beruht nicht auf reiner Spekulation“, sagt Jorge Guillen, Leiter der Emapa im Departamento Santa Cruz. „Die Emapa sorgt dafür, dass die Agrarindustrie nicht allein die Preise bestimmen kann“, ergänzt Vizepräsident Álvaro García Linera. „Damit wird die Position der Kleinbauern gestärkt. Der Staat greift hier in einen unfairen Kampf zwischen zwei wirtschaftlich sehr ungleichen Wettbewerbern regulierend ein.“ (…) „Umverteilen bedeutet soziale Gerechtigkeit, aber es dient auch als Treibstoff für die Binnennachfrage“, erläutert Vizepräsident García Linera. Umverteilung, Konsum, Produktion, Wachstum: Dieser dynamische Wirtschaftskreislauf scheint in Bolivien zu funktionieren. Doch wenn man die Nachfrage ankurbelt, führt das auch zu einem Konsumverhalten, das unerwünschte politische (und ökologische) Folgen haben kann. Das MegaCenter im wohlhabenden Wohnviertel Irpavi ist seit seiner Eröffnung 2010 an Feierabenden und Wochenenden gut besucht: Es bietet 18 Kinosäle, in denen die neuesten Hollywood-Blockbuster laufen, manche sogar in 3D, dazu viele internationale Franchise-Restaurants wie Burger King oder Hard Rock Café, Boutiquen, ein Irish Pub, eine Bowlingbahn, eine Sporthalle, VIP-Lounges, eine Paintball-Arena, eine Eislaufbahn und ein dreistöckiges Parkhaus. Solche Einkaufszentren schießen in allen großen Städten des Landes aus dem Boden und belegen, dass die US-amerikanische Kultur der Shoppingmalls jetzt auch Bo­li­vien erobert hat, wo es bis vor wenigen Jahren noch nichts dergleichen gab..“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160085

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