Montag, 6. Januar 2020

Chronik eines angekündigten Selbstmordes?: Chiles Gewerkschaften in einem Boot mit der reaktionären Regierung bei deren Projekt „neue Verfassung nach altem Muster“?

Während die Proteste in ganz Chile ungebrochen weiter gehen, obwohl die Repression durch die Carabineros immer heftiger wird, haben sich die in der Unidad Social zusammenwirkenden Gewerkschaften (im wesentlichen des Gewerkschaftsbundes CUT) und sozialen Organisationen nicht von der Kampagne der Rechtsregierung Pinera distanziert, der im April 2020 eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung nach seinen Wünschen organisieren will – unter Kontrolle eben dieser Regierung und der staatstragenden Oppositionsparteien. Dies führt unter anderem dazu, dass selbst politische Strömungen, die ansonsten massiv CUT&Co verteidigen, diese Haltung öffentlich in Frage stellen. So etwa in dem Artikel „Mesa de Unidad Social: ¿En el Congreso o en la Plaza de la Dignidad?“ von Ricardo Candia Cares am 31. Dezember 2019 bei Resumen Latinoamericano externer Link, der die Unidad Social vor die Frage stellt, ob sie sich am parlamentarischen Prozess beteiligen will – oder an den Protesten auf den Plätzen und Straßen des Landes. Angesichts des praktizierten Polizeiterrors, der oft genug mit gesetzlichen Bestimmungen aus der Diktatur Pinochets begründet wird, steht die Entscheidung dem Autor zufolge eben genau so: Entweder, oder… Siehe dazu einen aktuellen(Foto)Bericht über die Proteste, einen Bericht über den fortdauernden Polizeiterror, einen Beitrag über Kritik von der Gewerkschaftsbasis an der Haltung der Unidad Social und einen über die Bedeutung (und Entwicklung) der Vollversammlungen, sowie den Hinweis auf unseren letzten Beitrag zu den Protesten in Chile (ein Update zu Teil 2 der Reisenotizen von A. Arnold):
  • „Wieder Toter bei Protesten in Chile – Präsident leugnet systematische Menschenrechtsverletzungen“ von Marius Weichler am 31. Dezember 2019 bei amerika21.de externer Link berichtet unter anderem: „… Bei dem Verstorbenen handele es sich um den 40-jährigen Maurico Fredes, der auf der Flucht vor Polizisten in einen Graben mit Stromkabeln stürzte und einen tödlichen elektrischen Schlag erlitt. Die Zahl der Todesopfer seit Beginn der Proteste ist somit auf 27 angestiegen. Am Tag danach versammelten sich spontan Menschen am Ort des Unglücks, um Fredes zu gedenken und Blumen niederzulegen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Versammlung vor und entfernte Blumen und andere Zeichen des Gedenkens. (…) Am Samstag wurde bekannt, dass ein Gericht in der Hauptstadt Untersuchungshaft gegen sechs Polizeibeamte angeordnet hat. Sie würden ein Sicherheitsrisiko für die Gesellschaft darstellen, hieß es in der Begründung der Richter. Den Polizisten wird Folter und sexueller Missbrauch vorgeworfen. Während des Ausnahmezustands am 21. Oktober sollen sie den Medizinstudenten Josué Maureira im Kommissariat mehrmals bewusstlos geschlagen sowie sich über seine sexuelle Orientierung lustig gemacht haben. Der Misshandelte erlitt einen Nasenbeinbruch. Abschließend hätte einer der Beamten ihm seinen Schlagstock rektal eingeführt, berichtete Maureira vor Gericht. Ein weiterer Richter erließ am vergangenen Donnerstag ebenfalls Haftbefehl gegen fünf Polizisten, denen Folter eines Demonstranten auf der Plaza Ñuñoa in Santiago vorgeworfen wird. Vielen Berichten von Menschenrechtsorganisationen, Gerichtsbeschlüssen und zahlreichen eindrücklichen Videos zum Trotz erneuerte Präsident Sebastián Piñera seine Ansicht, es gebe in Chile keine systematische Verletzung der Menschenrechte…“
  • „Carta pública a Mesa de Unidad Social por Asamblea Constituyente Libre y Soberana“ am 27. Dezember 2019 bei La Izquierda Diario externer Link dokumentiert, ist ein Offener Brief der vernetzten Vollversammlungen von Antofagasta an die Unidad Social, worin gegen deren Haltung protestiert wird. Die Veröffentlichung und Zustellung des Briefes an die CUT wurde im Übrigen von der regionalen Organisationen der LehrerInnen-Gewerkschaft übernommen. Neben der grundsätzlichen Kritik an Tendenzen zur Zusammenarbeit mit dem Regime wird darin auch kritisiert, dass nach dem großen Streik vom 12. November 2019 „nichts mehr gemacht“ worden sei, obwohl – und dies wird dann ausführlich und konkret aufgezählt – landauf, landab Belegschaften in den Streik treten und dies oft genug erfolgreich, was zeige, dass eine neue Situation entstanden sei, die nicht durch Maßnahmen eingegrenzt werden dürfe, die die Initiative des Handelns wieder der Regierung in die Hände gebe.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160121

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