Freitag, 1. Februar 2019

Zum Ende des Streiks bei Audi in Györ

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Von Matthias István Köhler
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Gewerkschaftsmitglieder demonstrieren am Dienstag auf dem Werksgelände von Audi in Györ
Die Bänder laufen wieder im Audi-Motorenwerk im westungarischen Györ. Eine Woche lang hatten die Beschäftigten gestreikt. Am gestrigen Donnerstag wurde die Produktion wieder aufgenommen, nachdem das deutsche Unternehmen den Forderungen der Gewerkschaft AHFSZ weitgehend entsprochen hatte.
Der Streik wird Audi, den anderen Vertretern des Kapitals und ihren Freunden in der Regierung in Budapest aber wohl noch eine Weile in den Knochen stecken. Die Lohnsteigerung wird aller Wahrscheinlichkeit nach Auswirkungen haben auf die Betriebe in Ungarn, die dem Motorenwerk in Györ zuliefern. Die Beschäftigten hier orientieren sich an den bei Audi gezahlten Löhnen, die Unternehmen können es sich nicht leisten, dass sie abwandern.
Wenn aber die Zulieferer ihren Arbeitern höhere Löhne zahlen müssen, dann schlägt sich das bei Produkten nieder, die sie Audi verkaufen. Für das deutsche Unternehmen wird die Lohnsteigerung im eigenen Haus also erhöhte Kosten für die Autobestandteile nach sich ziehen – kein Wunder, dass sich der Konzern so lange gewehrt hat. Von einem »Aufatmen im VW-Konzern«, wie dpa beispielsweise nach dem Ende des Streiks meldete, kann keine Rede sein.
Und die Streikenden mit ihrem Erfolg dürften auch Vorbild für andere bei deutschen Unternehmen Beschäftigte in Ungarn werden. Bei den Arbeitern von Bosch in Hatvan und Thyssen-Krupp in Jaszfeny­szaru scheint die Botschaft bereits angekommen zu sein. Die Gewerkschaften haben jetzt spezielle Verhandlungen mit den Unternehmern vor Ort eingeleitet – ein rechtlich vorgeschriebener erster Schritt hin zu einem Warnstreik, der dann auch auf einen unbefristeten Ausstand erweitert werden kann.
Nachdem der Westen nach 1989 fast die gesamte Industrie in Ungarn zerschlagen hatte, wurde den dortigen Billiglöhnern vermittelt, dass sie sich wie auch die anderen Ost- und Ostmitteleuropäer nach ihrer realsozialistischen Eskapade freuen sollten, wenn sie überhaupt noch etwas vom Kuchen abbekämen. Künftig wird es schwerer, sie so ruhigzustellen.
In Ungarn wissen die Vertreter des Kapitals natürlich, dass diese Entwicklung gefährlich ist. Der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer, Laszlo Parragh, beispielsweise erklärte, der Streik »zerstöre das gute Bild«, das Investoren von Ungarn hätten. Es wird kein Aufheben darum gemacht, dass niedrige Löhne und das Wohlstandsgefälle in Europa die Geschäftsgrundlage der eigenen »Volkswirtschaft«, aber auch jener der Bundesrepublik, bilden.
»Das muss man akzeptieren«, sagte Parragh. Und innerhalb des Systems der globalen kapitalistischen Arbeitsteilung wird man sich dem auch nur schwerlich entziehen können. Deswegen sollte man sich vor allem mit Blick auf eine Angleichung der Löhne in West- und Osteuropa keine Hoffnungen machen. Aber der Arbeitskampf in Györ hat diese Widersprüche wieder ins Bewusstsein gerufen – neben der Lohnsteigerung ist auch das ein Erfolg, an den die ungarischen Arbeiter anknüpfen werden können.

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