Die große Demütigung des venezolanischen Staatschefs Nicolás Maduro durch seinen Gegenspieler, den selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó, ist ausgeblieben. Dieser hatte lautstark angekündigt, dass am Sonnabend »so oder so« die im kolumbianischen Cúcuta lagernde »humanitäre Hilfe« über die Grenze nach Venezuela gebracht werde. Gelungen ist das nicht. Statt dessen sieht sich die rechte Opposition des südamerikanischen Landes in einer Sackgasse, während Kolumbiens Staatschef Iván Duque ernsthaften Schwierigkeiten gegenübersteht.
Maduro erklärte dagegen vor Tausenden Menschen, die in der Hauptstadt Caracas gegen die Interventionsdrohungen der USA und die ausländische Einmischung demonstrierten, dass der Putschversuch der Reaktion gescheitert sei. Zudem kündigte er den vollständigen Abbruch aller diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit der »faschistischen Regierung« Kolumbiens an. Den Vertretern des Nachbarlandes wurde 24 Stunden Zeit gegeben, Venezuela zu verlassen. In Bogotá kündigte Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo an, der Ausweisung Folge zu leisten.
Zahlreiche Gegner Maduros waren in den vergangenen Tagen von Venezuela nach Kolumbien gereist, um sich am Freitag das Konzert »Venezuela Aid Live« anzuhören und sich einen Tag später an der von Guaidó angekündigten »Menschenkette« zu beteiligen, mit der die Pakete über die Grenze gebracht werden sollten. Nun sitzen sie fest, weil Caracas am späten Freitag abend die Grenze komplett geschlossen hat. Über Twitter und Instagram beklagten viele von ihnen, dass sie in Kolumbien »gefangen« seien, und baten ihre politischen Führer um Hilfe.
Am Sonnabend war es den ganzen Tag über insbesondere an der Simón-Bolívar-Brücke, dem wichtigsten Grenzübergang zwischen beiden Staaten, zu Szenen der Gewalt gekommen. Provoziert wurden diese von Gruppen, in denen nach Augenzeugenberichten gewöhnliche Kriminelle dominierten. Die Maskierten plünderten sogar zwei Lastwagen der nordamerikanischen Regierungsagentur USAID, die zuvor in Brand gesteckt worden waren. Die alternative kolumbianische Nachrichtenagentur Prensa Rural berichtete, dass die kolumbianische Polizei die vermummten Militanten aus Venezuela ungehindert Molotowcocktails bauen und Barrikaden auf der Grenzbrücke errichten ließen. »Was würde passieren, wenn es sich um Indígenas, Studenten oder Bauern aus Kolumbien gehandelt hätte?«, fragte die Agentur.
Obwohl Guaidó zwischenzeitlich anderes behauptete, gelangten weder aus Kolumbien noch aus Brasilien Lastwagen über die Grenze nach Venezuela. Am späten Abend ordnete die kolumbianische Regierung an, die Fahrzeuge zurück in die Lager zu fahren. Auch ein aus Puerto Rico kommendes Schiff, das ohne Erlaubnis Venezuelas Nordküste anlaufen wollte, drehte ab, als die venezolanische Marine warnte, dass sie eine Verletzung der Hoheitsgewässer nicht dulden und die Besatzung festnehmen werde.
Freddy Bernal, der Regierungsbeauftragte für den venezolanischen Grenzstaat Táchira, erklärte am Samstag abend, 42 Menschen seien verletzt worden, zwei von ihnen durch Schusswaffen. Drei Personen, unter ihnen zwei Beamte der Nationalgarde, seien von Oppositionellen lebendig in Brand gesteckt worden. Ziel der Gewaltaktionen sei gewesen, »Beweise« für die Unterdrückung des »leidenden Volkes« Venezuelas zu liefern, die den USA und ihren Verbündeten dann als Rechtfertigung für eine militärische Intervention dienen könnten.
So attackierten im venezolanischen Grenzort Boca de La Grita rund 3.000 Paramilitärs aus Kolumbien die venezolanische Nationalgarde. Im Internet kursierten Aufnahmen, die Zivilisten auf einem offenbar gekaperten Panzerfahrzeug zeigen. Während der kolumbianische Sender Caracol erklärte, dass die Aufnahmen in Venezuela entstanden seien, gibt es Hinweise darauf, dass sich die Fahrzeuge auf der kolumbianischen Seite der Grenze befanden.
Bernal betonte, dass Boca de La Grita dank der venezolanischen Armee, der Nationalgarde »und der Volksmacht« vollständig »unter Kontrolle der Patrioten« stehe. Normale Bürger hätten die Uniformierten unterstützt: »Wir haben Männer und Frauen im Rentenalter gesehen, die den ganzen Tag über stoisch Kugeln, Flaschenwürfen, Molotowcocktails getrotzt haben.« Bernal wies zudem Berichte der kolumbianischen Behörden zurück, wonach sich mehr als 50 Angehörige der venezolanischen Sicherheitskräfte über die Grenze abgesetzt hätten. Es habe lediglich sieben Fälle von Desertion gegeben.
Guaidó kündigte an, sich am Montag mit US-Vizepräsident Michael Pence zu treffen, um »Maßnahmen zu ergreifen«. Es wird erwartet, dass er Washington um eine militärische Intervention in Venezuela bitten wird. US-Außenminister Michael Pompeo machte »Banden des Tyrannen Maduro« für die Gewalt verantwortlich und erklärte, es sei »an der Zeit, zur Unterstützung der Demokratie zu handeln«.
https://www.jungewelt.de/artikel/349776.krise-in-s%C3%BCdamerika-schlappe-f%C3%BCr-guaid%C3%B3.html
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