Montag, 25. Februar 2019

EU-Staaten mehrheitlich für neue Richtlinie zum EU-Urheberrecht. Gegner warnen vor Gefahren fürs freie Netz. Ein Gespräch mit Julia Reda

EU-URHEBERRECHTSREFORM

»Es droht Verlust inhaltlicher Vielfalt«

Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten haben am Mittwoch mehrheitlich dem Entwurf für eine Neuregelung des EU-Urheberrechts zugestimmt. Warum ist dieses Thema so wichtig?
Die EU-Urheberrechtsreform birgt die Gefahr, dass in Zukunft das Internet so wird wie das Kabelfernsehen, indem nur noch autorisierte Inhalte hochgeladen werden können. Die Reform sieht vor, dass Plattformbetreiber durch den Einsatz von sogenannten Uploadfiltern Urheberrechtsverletzungen verhindern. Das ist praktisch der einzige Weg.
Warum ist das problematisch?
Uploadfilter löschen auch mal eben massenhaft legale Inhalte, zum Beispiel Zitate, Parodien oder auch einfach Kunst von kleineren Urhebern, die jemand fälschlicherweise als Urheberrechtsverletzung markierte. Die geplante Verpflichtung zum Filtern birgt eine immense Gefahr für das freie Netz.
Es droht der Verlust inhaltlicher Vielfalt. Vielen fehlen die Mittel für die aufwendige Rechteklärung, weshalb sie sich gegen Sperrungen nicht wehren können. Diese Filtersysteme sind beispielsweise nicht in der Lage, eine Parodie zu erkennen. Ein Algorithmus wird niemals einen Sinn für Humor entwickeln. Auch macht man mit der Neuregelung die großen Plattformen noch größer.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD werden Uploadfilter als unverhältnismäßig abgelehnt. Doch die Bundesregierung stimmte für den Entwurf. Wie bewerten Sie das?
Das ist ein unglaublicher Vorgang. Nicht nur werden die Filter im Koalitionsvertrag abgelehnt, auch die zuständige Justizministerin Katarina Barley, SPD, hat sich öffentlich gegen den Filterartikel 13 ausgesprochen.
Entweder die Regierung hat das über Barleys Kopf hinweg entschieden. Das wäre ein Skandal und dann müsste die SPD die Koalition in Frage stellen. Oder die Ministerin hat am Ende doch zugestimmt. Dann hat die SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Das Ganze wurde vom Europaabgeordneten Axel Voss, CDU, vorangetrieben. Wer profitiert von der Neuregelung?
Ein Interesse daran haben Großunternehmen, die gewisse Marktentwicklungen fürchten. Auch beim Artikel 11, dem Leistungsschutzrecht, ist nach der deutschen Erfahrung klar, dass es den Verlagen keine zusätzlichen Einnahmen bringt. Das einzige Interesse, das Firmen wie die Axel Springer AG haben können, ist der erschwerte Betrieb kleinerer Plattformen. Behauptet wird, dass es irgendwie einer fairen Bezahlung von Künstlern und Journalisten dienen soll. Das wird sicherlich nicht passieren.
Wieso nicht?
Das EU-Leistungsschutzrecht entspricht der deutschen Regelung. Hier haben kleine Nachrichtenaggregatoren das Verlinken von Artikeln eingestellt. Google dagegen hat von den Verlagen eine Gratislizenz bekommen, weil deren Inhalte möglichst attraktiv in der Suche auftauchen sollen. Dasselbe wird auf europäischer Ebene passieren.
Welche Lösung schwebt Ihnen vor?
Es wäre sinnvoll, sich auf faire Vergütung zu konzentrieren und zum Beispiel zu sagen: Plattformen ab einer bestimmten Größe und mit einem bestimmten Geschäftsmodell müssen Abgaben zahlen – zum Beispiel an Verwertungsgesellschaften. Aber ein solcher Kompromiss wurde von den Verhandlungsführern stets abgelehnt. Statt dessen wurde auf Uploadfilter bestanden. Aber niemand bekommt mehr Geld, weil die Inhalte automatisch geblockt werden.
Am Ende muss das EU-Parlament dem neuen Urheberrecht zustimmen. Welche Position wird sich durchsetzen?
Ich gehe von einer Mehrheit gegen die Reform aus. Auch weil sich in der Bevölkerung starker Protest regt. Das Parlament hatte im vergangenen Juli schon dagegen gestimmt. Daraufhin musste nachgebessert werden, was aber nun in den Verhandlungen wieder weitgehend rückgängig gemacht wurde.
Das Europaparlament könnte auch einverstanden sein, sofern die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht gestrichen werden. Das ist auch meine Position. Am Ende läge es am Rat, ob eine Richtlinie ohne diese Artikel akzeptiert wird.
Sie sind 2014 ins Europaparlament gewählt worden und treten dieses Jahr nicht wieder an. Weshalb ziehen Sie sich zurück?
Das war mehr oder weniger so geplant. Es ist wichtig, sich auch anderen Dingen zu widmen, damit man den Anschluss an die Bevölkerung nicht verliert. Denn diese Entfernung führt dazu, dass Vorschläge wie die Uploadfilter völlig an der Lebenswelt der jüngeren Generation vorbeigehen.

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