VERSCHÄRFTES ASYLGESETZ
»Wird viele im Engagement für Geflüchtete bestärken«
Bundesinnenminister Horst Seehofer, CSU, hat kürzlich den Entwurf seines »Geordnete-Rückkehr-Gesetzes« vorgelegt. Wie bewerten Sie den Vorstoß?
Es ist ein weiterer Versuch, alle Flüchtlinge zu kriminalisieren und zu sanktionieren, die keine Möglichkeit haben, einen Nationalpass oder einen anderen Nachweis über ihre Identität zu erhalten. Seehofer und sein Ministerium möchten der Bevölkerung suggerieren, abgelehnte Asylsuchende bräuchten lediglich zu ihrer Botschaft zu gehen, um Dokumente für eine Rückkehr ins Heimatland zu erhalten – und dass sie sich schlichtweg weigern, das zu tun.
Wer »nicht aktiv« bei der eigenen Abschiebung mitwirkt, soll fortan in Abschiebehaft genommen werden können. Was bedeutet das konkret?
Um zu verhindern, dass sich Geduldete der Abschiebung entziehen, soll eine Inhaftierung ohne richterliche Anordnung möglich werden. Die Betroffenen selbst sind dem Entwurf zufolge in der Pflicht, der Ausländerbehörde nachzuweisen, dass keine Fluchtgefahr besteht. Geht der Geduldete aber zum Beispiel nicht zu einem Gespräch bei einer sogenannten Rückkehrberatung, kann dies nach dem neuen Entwurf schon ein Anhaltspunkt für eine Gefahr, wie es heißt, sein. Außerdem will das Ministerium die Trennung von Straf- und Abschiebungshaft abschaffen. So sollen Geflüchtete auch in Strafhaftanstalten untergebracht werden können.
Die Behörde erwartet also von denjenigen, die vor Krieg, Verfolgung und Armut geflohen sind, dass sie das Abschiebegeschäft auch noch selbst erledigen?
Ja, und zwar, weil es kaum Möglichkeiten gibt, die Menschen ohne die entsprechenden Dokumente in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Um an diese Papiere zu kommen, werden die Ausreisepflichtigen von den Ausländerbehörden unter enormen Druck gesetzt. Mit Hinweis auf die sogenannte Mitwirkungspflicht werden Sanktionen angedroht und umgesetzt, wie etwa die Reduzierung von Sozialleistungen.
Wir sprechen häufig mit jungen Geflüchteten, deren Eltern schon vor deren Geburt aus Afghanistan in den Iran geflohen waren und sich dort illegal aufhielten. Ihre Geburt ist niemals registriert worden, und weder afghanische noch iranische Behörden werden ihnen einen Nationalpass ausstellen. Abgeschoben werden können sie dann nicht, aber die Ausländerbehörde sanktioniert unter anderem mit dem Verbot, eine Ausbildung beginnen zu dürfen.
Seehofers Pläne richten sich jedoch nicht nur gegen Geflüchtete und Migranten, sondern auch gegen Helfer und Vereine wie Ihren. Können Sie Ihre Arbeit überhaupt noch fortsetzen, sollte der vorgelegte Entwurf Gesetz werden?
Das können und werden wir. Doch unsere Möglichkeiten, die zu uns kommenden Menschen zu unterstützen und ihnen eine Perspektive in diesem Land zu eröffnen, werden noch dramatischer eingeschränkt.
Flüchtlingshelfer sind seit jeher Diffamierungen und Kriminalisierungsversuchen ausgesetzt. Werden Sie sich von den neuen Drohungen einschüchtern lassen?
Da wir uns bei »Stay!« offen auch für papierlose Geflüchtete einsetzen, sind wir die Arbeit in einer rechtlichen Grauzone gewöhnt. Wir werden weiterhin Betroffenen zu ihrem Recht auf Information und Beistand verhelfen sowie Missstände öffentlich machen.
Wirken sich die Gesetzespläne auf mögliches Engagement derjenigen aus, die Konflikte mit Polizei und Behörden bisher nur aus Erzählungen kennen?
Wir haben in den vergangenen Jahren viele kennengelernt, die sich aus Überzeugung nicht nur für Geflüchtete einsetzen, sondern die sich darüber hinaus auch über Fluchtursachen, wie beispielsweise deutsche Waffenexporte und Wirtschaftsinteressen, informieren. Dass sich diese Menschen vom Gesetzentwurf eines Innenministers einschüchtern lassen, der in unzähligen Interviews und Zitaten seine menschenverachtenden Ansichten unverhohlen zur Schau gestellt hat, können wir uns nicht vorstellen. Im Gegenteil: Es wird viele in ihrem Engagement für Geflüchtete bestärken.
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