Freitag, 1. Februar 2019

Indien setzt auf Ausbau elektrischer Rikschas, Taxis und Busse. Es fehlt noch an Ladestationen

Ruhiger, sauberer Stau


Von Thomas Berger
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Zähfließender Verkehr: Mit Benzin betriebene Rikschas auf einer Straße im indischen Hyderabad (6. März 2012)
Indien ist der viertgrößte Automarkt der Welt. Ehrgeizig waren die Ziele der Regierung, was E-Mobilität auf vier Rädern bis zum Jahr 2030 angeht. Tatsächlich sind in dem Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern bisher nur etwa 6.000 Elektroautos unterwegs. Das sind soviele, wie in China derzeit binnen drei Tagen verkauft werden.
In Indien hingegen sind die Verkäufe von Pkw, die nicht von Benzin oder Diesel als Treibstoff abhängig sind, zuletzt sogar wieder zurückgegangen. Die Revolution im Straßenverkehr kommt aus einer anderen Richtung. Es sind die dreirädrigen Autorikschas, die inzwischen in großer Zahl leiser und umweltfreundlicher als früher durch die Straßen rollen. Wie die Economic Times bereits Ende Oktober vermeldete, soll ihre Zahl um rund 11.000 pro Monat zunehmen.
Anfangs waren es lediglich kleine Firmen, die eine elektrische Variante des wichtigsten indischen Transportmittels im Straßenverkehr auf den Markt brachten. Im September 2017 stieg auch der größte traditionelle Hersteller von Autorikschas, Mahindra & Mahindra, ein und präsentierte seine E-Alfa Mini. Käufer müssen nur 110.000 Rupien (umgerechnet 1.350 Euro) dafür zahlen, das ist etwa die Hälfte des Preises einer konventionellen Autorischa. Das erleichtert den Umstieg, zumal die laufenden Kosten weitaus geringer sind, als wenn der Fahrer Diesel oder Erdgas (CNG) tanken muss. Statistiken zeigen, dass sich diese Differenz bei den Betriebskosten in den kommenden Jahren noch weiter zugunsten der E-Rikschas bemerkbar machen wird. Entsprechend schob Marktführer Mahindra vergangenes Jahr ein zweites Modell nach. Der Treo wurde bereits auf Automessen vorgeführt, bevor er in seinen beiden Varianten (für drei bzw. vier Fahrgäste) schließlich Mitte November in den Handel kam.
War der E-Alfa Mini gewissermaßen noch ein Experiment, von dem im nordindischen Haridwar monatlich 1.000 Stück produziert werden, hat man bei Mahindra inzwischen in vollem Umfang erkannt, wie stark der Trend in diese Richtung weist. Folglich können vom Nachfolger Treo im Werk Bangalore nun sogar zwischen 5.000 und 6.000 Stück pro Monat vom Band laufen. Zwar ist er mit 136.000 bzw. 222.000 Rupien drei- bis viermal so teuer wie die billigsten Exemplare, die die Konkurrenz zu bieten hat. Er bündelt jedoch den neuesten Stand der Entwicklungen mit besseren Batterien. Mit einem Ladevorgang lassen sich rund 80 Kilometer Strecke bewältigen. Und dass es die E-Rikschas in der Regel nicht über 20 bis 30 Stundenkilometer hinaus schaffen, ist kein Hindernis. Viel schneller kommt man auf den notorisch verstopften Straßen der indischen Städte im Durchschnitt ohnehin nicht voran.
Megametropolen wie Kalkutta und die nationale Hauptstadt Delhi sind Vorreiter bei der Einführung der neuen, sauberen Fahrzeuge, die einen Beitrag gegen die extreme Luftverschmutzung leisten. Es gibt aber auch in mittelgroßen Städten staatliche E-Mobil-Projekte. So wurde rund um den Flughafen im zentralindischen Nagpur eine Initiative mit E-Bussen, E-Rikschas und E-Taxen gestartet. Insgesamt sind es 200 Fahrzeuge, die dort je nach Bedarf aus einem gemeinsamen Pool über Indiens wichtigste Taxi-App Ola buchbar sind. Ola stellt auch in der Hauptstadt E-Rikschas bereit. Die Buchungsplattform – die laut Economic Times bis April 10.000 E-Rikschas im Angebot haben will – hat sich mit dem japanischen Telekomriesen Softbank zusammengetan. Gemeinsam wolle man 500 Millionen Dollar vor allem in die Ladeinfrastruktur investieren, wie Nikkei Asien Review in einem Beitrag schreibt. Das Onlineportal cleantechnica.com beruft sich auf eine aktuelle Studie, wonach selbst mit einem Regierungsprogramm die Anzahl der Ladestationen bis 2022 lediglich auf etwa 2.800 Stück steigen würde – längst nicht bedarfsgerecht. Immerhin ist die Masse der umgerechnet 600 Millionen Dollar, die Indiens Finanzministerium in den nächsten fünf Jahren zur Förderung der E-Mobilität zur Verfügung stellen will, für die Ausweitung dieser Infrastruktur zum Aufladen der Fahrzeuge vorgesehen.
Die Umstellung bringt neue Unternehmen hervor, wie die Firma Smart-E in Delhi, die nach eigenen Auskünften auf ihrer Webseite in den vergangenen 30 Monaten mit ihrer stetig wachsenden Flotte von E-Rikschas rund 1,5 Millionen Einzelfahrten unternommen hat, in der Regel wie bei Ola per App bestellt. Im Oktober besaß sie bereits 800 Fahrzeuge, und nachdem sich Smart-E mit E-Mahindra zusammengetan hat, will der führende Hersteller dem Dienstleister nun weitere 1.000 Stück liefern.

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