Knüppel und Granaten
Macron will Protestbewegung kriminalisieren: »Gelbwesten«-Aktivist gegen die globale Finanzwirtschaft (Paris, 26.1.2019)
Foto: Michel Euler/AP/dpa
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Die französische Nationalversammlung berät gegenwärtig ein neues Gesetz, das Gewalt und Zerstörung bei Straßendemonstrationen verhindern soll. Der von Staatspräsident Emmanuel Macron und seinem Ministerpräsidenten Édouard Philippe vorgelegte Gesetzestext ähnelt stark dem bereits geltenden »Antiterrorgesetz« und soll »friedliche Demonstrationsteilnehmer« angeblich vor gewaltbereiten »Casseurs«, Randalierern, schützen. Die linke Opposition im Parlament sieht darin eher einen Versuch der Regierung, den Franzosen, insbesondere den seit drei Monaten aktiven »Gelbwesten«, die Lust am Protest zu nehmen. Seit Beginn des Aufstands gegen Macrons Politik im November wurden nahezu 5.500 Demonstrationsteilnehmer in Polizeigewahrsam genommen.
Macrons berüchtigter Wahlspruch, als Staatschef »au même temps«, »gleichzeitig« reden und handeln zu wollen, wird mit der neuen Gesetzesinitiative auf ganz besondere Weise umgesetzt: Während er mit einer Hand die Einladung zu einer »großen Debatte« mit der Bevölkerung über sein neoliberales Regierungsprogramm anbietet, hält er in der anderen Hand schon den Gesetzesknüppel bereit. Die höchst umstrittene Vorlage greift auf einen Text zurück, den die rechtskonservativen »Les Républicains« im Senat, der zweiten parlamentarischen Kammer, vorgetragen hatten und der dort im Oktober des vergangenen Jahres bereits mehrheitlich gebilligt worden war. Das Gesetz würd e vor allem den Aktionsradius der CRS erweitern, jener schwerbewaffneten und gepanzerten Spezialeinheit der Polizei, die seit Jahren gegen Demonstranten eingesetzt wird.
Die Polizei könnte in Zukunft jederzeit bei jedermann Leibesvisitationen durchführen, sie könnte Taschen und Kleidungsstücke untersuchen und – nach eigenem Gutdünken – »Verdächtige« von Demonstrationen fernhalten. Über »auffällige« Demonstranten könnten ohne weiteres Dateien angelegt werden. Vom Gesetz unbehelligt sollen dagegen Einsatzkräfte bleiben, die explosive Tränengasträger und Gummigeschosse einsetzen. Mit der Granate GLI-F4, in anderen Ländern Europas längst aus dem Waffenarsenal der Polizei verbannt, dürfen in Frankreich auch in Zukunft Gesundheit und Leben protestierender Regierungsgegner aufs Spiel gesetzt werden. Eine Entscheidung, die Macrons Innenminister Christophe Castaner trotz zahlreicher Schwerverletzter erneut bekräftigte.
Am 1. Dezember 2018 verlor der 52 Jahre alte Techniker Ayhan P., der in Tours einem friedlichen Demonstrationszug gefolgt war, durch eine dieser mit dem Sprengstoff TNT bestückten Granaten seine rechte Hand. Jêrome Rodrigues, einer der Wortführer der Pariser »Gelbwesten« wurde am vergangenen Samstag aus nächster Nähe von einem Gummigeschoss der Polizei am rechten Auge getroffen und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Ob er seine volle Sehkraft behalten wird, ist nicht abzusehen. Nach Ansicht von Castaners, für »Terrorismus« zuständigen Staatssekreär Laurent Nuñez gibt es – trotz zahlreicher im Internet veröffentlichter Videobeweise – »keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Geschosswerfer der Polizei Rodrigues getroffen hat«.
In einer gemeinsamen Erklärung bewerteten Gewerkschaften, die Liga für Menschenrechte und die Gewerkschaft der Anwälte und Richter den Text als »Gefahr für die Bürgerrechte«. Wie es in dem vergangene Woche verbreiteten Kommuniqué heißt, könnten die angepeilten Maßnahmen in eine »Datenerfassung aller Gewerkschaftsaktivisten ausarten«. Die ins Auge gefasste Registrierung von Demonstranten und das Demonstrationsverbot für einzelne Personen seien »ausreichende Zeichen für eine Politik, die der Logik des Generalverdachts« gegen jeden einzelnen zum Widerstand bereiten Bürger folge. Die während der Proteste gegen Macron unter anderem auch von »Agents Provocateurs« des staatlichen Sicherheitsapparats erzeugte Gewalt werde letztlich »von der Regierung genutzt, um die Bewegung unpopulär zu machen«, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft CGT.
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