Freitag, 1. Februar 2019

„Eine wachsende Bundeswehr braucht Platz“ IMI-Standpunkt 2019/005

Mit der „Neuausrichtung der Bundeswehr“ ab 2010 sollte das Budget der Truppe – eigentlich – massiv gesenkt werden, u.a. indem ihr Umfang auf real ca. 180.000 Soldaten (plus zivile Angestellte) verringert wurde. Dementsprechend wurde im Oktober 2011 auch ein neues Stationierungskonzept veröffentlicht, mit dem die Zahl der Bundeswehrstandorte von 394 auf 263 reduziert werden sollte. Bekanntlich wurden die anvisierten Haushaltskürzungen dann aber umgehend wieder einkassiert und inzwischen komplett in ihr Gegenteil verkehrt – und auch personell soll es mit der Truppe wieder aufwärts gehen: Nach gegenwärtigen Planungen soll ihr Umfang bis 2025 auf 203.000 Soldaten anwachsen. Da aber mehr Soldaten scheinbar auch mehr Platz benötigen, hat die Bundeswehr mit einer umfassenden Re-Militarisierung der Fläche begonnen.
Wie an anderer Stelle ausführlich geschildert wurde, kann diese „Gegenkonversion“ aktuell drei Formen annehmen: Erstens die Inbesitznahme ziviler Flächen durch das Militär; zweitens die Reaktivierung aufgegebener Flächen, Liegenschaften und Ressourcen; und drittens den Abbruch oder die Verzögerung eines Konversionsprozesses (siehe IMI-Studie 2018/03). Besonders die Reaktivierung bereits aufgegebener Flächen scheint dabei aktuell im Trend zu sein, wie sich anhand der Mitte Januar 2019 angekündigten Wiederinbetriebnahme acht zusätzlicher Munitions- und Materiallager sowie den darüber hinausgehenden Planungen zeigt. 
Die Re-Militarisierung der Fläche
Schon im Koalitionsvertrag von SPD und Union vom Februar 2018 war angekündigt worden, dass die Zeit der Liegenschaftsschließungen nun ihr Ende haben soll: „Vor einer  endgültigen  Abgabe  von  Liegenschaften  der  Bundeswehr werden  wir  vor  dem  Hintergrund  der  Trendwenden  [Personal, Material, Finanzen] jeweils noch einmal den zukünftigen Bedarf prüfen. Unseren Bedarf werden wir auch in Hinblick auf Liegenschaften prüfen, deren Abgabe bereits vollzogen ist.“
Im Mai 2018 präsentierte die Bundeswehr daraufhin das Dokument „Schließungszeitpunkte von Liegenschaften der Bundeswehr“, mit dem für knapp 50 Liegenschaften die Schließung ausgesetzt oder nach hinten verschoben wurde. In einem nächsten Schritt kündigte die Bundeswehr am 15. Januar 2019 durch eine Pressemitteilung mit dem sinnigen Titel „Eine wachsende Bundeswehr braucht Platz“ an, insgesamt „acht zusätzliche Munitions- und Materiallager“ wieder in Dienst stellen zu wollen. Konkret ist die Rede von Altheim, Hardheim, Huchenfeld (Baden-Württemberg), Lorup (Niedersachsen), Königswinter (Nordrhein-Westfalen), Kriegsfeld (Rheinland-Pfalz), Bargum und Ladelund (Schleswig-Holstein): „Nach  fast  zweieinhalb  Jahrzehnten  des  Schrumpfens  wächst die Bundeswehr wieder. […] Bereits im Koalitionsvertrag ist verankert, dass die bisherigen Planungen zur Abgabe von Liegenschaften umfassend zu überprüfen sind. Deswegen hat Verteidigungsministerin von der Leyen jetzt entschieden, acht Lagereinrichtungen schrittweise wieder in Betrieb zu nehmen. Die Umsetzung erfolgt sukzessive im Zeitraum 2020 bis 2031. […] Die jetzigen Planungen sehen einen Aufwuchs von insgesamt rund 600 Dienstposten und Investitionen von rund 200 Millionen Euro vor.“
Doch dabei handelt es sich augenscheinlich lediglich um die Spitze des Eisbergs, wie aus einem Bericht in der Zeitung „Die Rheinpfalz“ vom 24. Januar 2019 hervorgeht, der sich anlässlich der bevorstehenden Reaktivierung der ehemaligen Kuseler Kaserne mit dem Thema näher beschäftigte. Das Blatt sprach mit dem im Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr zuständigen Oberstleutnant, Steffen Rahn, der einen  Einblick darüber gab, in welchen Dimensionen über die Neu- oder Wiedernutzung von Liegenschaften aktuell nachgedacht wird: „Wie Rahn im Gespräch mit der RHEINPFALZ mitteilte, lässt das Verteidigungsministerium derzeit zwischen 50 und 70 ehemals militärische Liegenschaften überprüfen. Zwischen 15 und 25 sollen wieder in Dienst gestellt werden, damit die Bundeswehr, wie vorgesehen, um 15.000 Soldaten wachsen soll. Bis Jahresende soll diese Prüfung abgeschlossen sein.“
Neues Stationierungskonzept?
Wie eingangs erwähnt, wird der aktuelle Flächenbedarf mit dem Plan begründet, die Truppe bis 2023 auf 203.000 Soldaten zu erhöhen, um ab da eine schwere Brigade (5.000 Soldaten) in die NATO einspeisen zu können. Folgt die Bundeswehr den Vorgaben aus ihrem Fähigkeitsprofil, sollen 2027 bereits eine Division (bis zu 20.000 Soldaten) und 2032 dann drei Divisionen folgen – wird dies umgesetzt, werden auch diese Soldaten „Platz brauchen“.
Insofern stellt sich die berechtigte Frage, ob nicht überlegt wird, das Stationierungskonzept von 2011 grundlegend zu überarbeiten bzw. zu verwerfen. Das wollte auch der  FDP-Abgeordnete Christian Sauter in einer Anfrage an die Bundesregierung wissen, die vorab in Auszügen auf dem Blog Augengeradeaus (28.1.19) veröffentlicht wurde. Vordergründig erteilte die Bundesregierung darin allen Überlegungen in diese Richtung eine Absage: „Eine Überarbeitung des Stationierungskonzepts ist nicht geplant.“
Auf der anderen Seite wird aber betont, das Stationierungskonzept werde „grundsätzlich einer ständigen Überprüfung“ unterzogen, weitere Flächen(wieder)aneignungnen können sich also bei – schon jetzt abzusehendem – Bedarf jederzeit in die Wege geleitet werden: „Sich aus dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr sowie den eingeleiteten Trendwenden Personal, Material und Finanzen ergebende Veränderungen werden hinsichtlich eines ggf. geänderten Bedarfs an Infrastruktur untersucht. Dies schließt die Ermittlungen eines möglichen Mehrbedarfs der Bundeswehr an logistisch genutzten Liegenschaften und die Analyse der diesbezüglichen Bedarfsdeckung ein.“

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