US-Grenzer ließen einen
16-Jährigen Metamphetamin trinken. Kurz darauf war er tot.
Jetzt zahlen die USA der Familie eine Million Dollar.
taz v. 24.3.2017
von Bernd Pickert
BERLIN taz
| Es war zwanzig Minuten vor sieben am Abend des 18. November
2013, als der 16-jährige Cruz Velázquez Acevedo am Grenzposten
San Ysidro eintraf, der letzten Kontrolle zwischen dem
mexikanischen Tijuana und dem US-amerikanischen San Diego. Um
kurz vor neun war er tot.
Der Junge fiel den US-Grenzern
auf, weil er offenkundig nervös war. Als er sagte, er wolle
seinen Onkel besuchen, sprach er ungewöhnlich schnell und
verhaspelte sich – die Beamten baten ihn zur Kontrolle.
In einem Nebenraum fragten ihn die
beiden Zollfahnder Valerie Baird und Adrian Parellon was in den
beiden Trinkflaschen sei, die der Junge bei sich führte.
„Apfelsaft“, antwortete er. „Dann beweis es“, soll Baird zu ihm
gesagt haben. Vier Schluck trank Cruz Velázquez aus einer der
Flaschen.
Binnen Minuten entwickelte er 40
Grad Fieber, sein Herzschlag stieg auf 220 Schläge pro Minute.
„Mein Herz, mein Herz!“, schrie er, wand sich unter Krämpfen. In
einem nahegelegenen Krankenhaus starb er. In den Flaschen befand
sich flüssiges Methamphetamin.
100 bis 200 Dollar für einen Gang
Die Familie des Toten strengte
einen Prozess gegen die Beamten und die Vereinigten Staaten
wegen widerrechtlicher Tötung an – Anfang dieser Woche kam es
vor Gericht zu einer Einigung: Die Familie erhält eine Million
Dollar. Keiner der beiden Beamten wurde verurteilt, beide tun
bis heute ihren Dienst.
Im Prozess hatten sie sich
gegenseitig beschuldigt, den Jungen zum Trinken der Flüssigkeit
animiert zu haben. Dass es Valerie Baird war, sagte zwar eine
weitere Zollbeamtin aus – Baird habe das ihr gegenüber erwähnt –
es konnte jedoch nicht bewiesen werden.
Warum allerdings überhaupt auf
diese Methode zurückgegriffen wurde, statt die Flüssigkeit
einfach mit einem der zahlreichen in der Zollstation verfügbaren
Testsets zu prüfen, die in zwei bis drei Minuten Ergebnisse
produzieren, konnte nicht wirklich geklärt werden.
Cruz Velázquez ging in Tijuana
auf die High School, er war niemals auffällig geworden, hatte
keine Vorstrafen. Es sei üblich, führte der Anwalt der Familie
aus, dass Jugendliche von Drogenschmugglern für Transportdienste
angesprochen werden – das Honorar für einen solchen Gang als
„Muli“ betrage zwischen 100 und 200 Dollar. Ob das auch in
diesem Fall so war, ist nicht mehr zu klären – der, der es sagen
könnte, ist tot.
Ja, der Junge habe einen Fehler
gemacht, sagte der Anwalt der Familie. „Aber er war ein
16-jähriger Junge mit all der fehlenden Reife und dem
unvollkommenen Urteilsvermögen, das 16-Jährige ausmacht.“ Sein
Leben zu riskieren, indem man ihn von einer Flüssigkeit trinken
ließ, von der die Fahnder bereits vermuteten, dass es sich um
flüssiges Meth handelte, sei vielleicht nicht absichtliche
Tötung, aber vollkommen unverantwortlich gewesen, führte der
Anwalt aus.
„Das war kein Verbrechen, das die
Todesstrafe verdient hätte. Ihn so grausam sterben zu lassen,
ist abscheulich“, sagte der Anwalt weiter. Die Familie wollte
sich gegenüber US-Medien nicht äußern.
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