Samstag, 28. Januar 2017
Tarifrunde Leiharbeit 2016/17
»Die Leiharbeit gestalten« Ohne Tarifvertrag wären
Temporärbeschäftigte in verleihfreien Zeiten auf den Mindestlohn
angewiesen. Gespräch mit Stefan Körzell vom DGB
"Nützt oder schadet ein Tarifvertrag den Leiharbeitern in Deutschland?
Am 21. Dezember befand die Gewerkschaftsaktivistin Mag Wompel in jW,
dass den Beschäftigten durch den Tarifvertrag gleicher Lohn für
gleiche Arbeit vorenthalten wird. Zu einer ähnlichen Einschätzung kam
am 17. Januar der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler. Nun stellt Stefan
Körzell die Haltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes dar. (...) Das
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz schreibt gleichen Lohn für gleiche
Arbeit vor. Doch diese Regelung kann umgangen werden, wenn ein
Tarifvertrag besteht – wie jener, den Sie verlängern wollen. Würden
Sie das nicht tun, dann würde »Equal pay« gelten. Allenfalls die
verleihfreien Zeiten wären ungeregelt, in ihnen würde der gesetzliche
Mindestlohn gezahlt werden. [Antwort Stefan Körzell:] Das ist so. Wir
haben aber als Gewerkschaften sehr früh den Anspruch formuliert, dass
wir diese Branche gestalten wollen. Wir wissen etwa, dass viele
Leiharbeiter sehr schnell von den Arbeitgebern ausgetauscht werden. Es
fallen also immer wieder verleihfreie Zeiten an. Außerdem würde der
Tarifvertrag, selbst wenn wir ihn nicht verlängern, für die derzeit
beschäftigten Kolleginnen und Kollegen nachwirken. Wir haben uns auch
deshalb entschieden, Tarifverträge abzuschließen, weil wir hier die
Konkurrenz zu »Billigheimergewerkschaften« hatten..." Johannes Supe im
Gespräch mit Stefan Körzell bei der jungen Welt vom 24. Januar 2017
http://www.jungewelt.de/2017/01-24/062.php
Es kommt eine gewisse Müdigkeit auf, die Schönfärberei schon allein
des Verhandlungsergebnisses zu entlarven, wir verweisen auf das
Dossier zu dieser unsäglichen Tarifrunde und (dort verlinkt)
diejenigen Dossiers zu den Einzelgewerkschaften, in denen wir uns
ausführlichst mit den immer gleichen Argumenten auseinandergesetzt
haben.
http://www.labournet.de/?p=100686
Die ständig wiederholte Begründung mit dem Mindestlohn ("Ohne
Tarifvertrag wären Temporärbeschäftigte in verleihfreien Zeiten auf
den Mindestlohn angewiesen") haben sich aber die Kollegen im
Leiharbeiter-Forum ZOOM direkt vorgenommen: "Für solche Behauptungen
sollte er mal belastbare Belege vorlegen. In der täglichen Praxis
werden die Arbeitszeitkonten belastet und wenn das zu teuer wird
bekommt der LAN die Kündigung. Diese Problematik diskutieren wir hier
seit Jahren. Und zum anderen sollte er sich weniger Gedanken machen
über die Cent-Differenz zwischen gesetzlichem Mindestlohn und dem
Branchenmindestlohn sondern mehr warum in der DGB-TG überhaupt nicht
diskutiert wird warum es nicht einen zweistufigen Branchenmindestlohn
gibt (für Helfer und Fachkräfte). Die EU-Richtlinie für Leiharbeit
schreibt das vor..." Wir werden dies noch verfolgen.
http://www.igmetall-zoom.de/Forum/viewtopic.php?f=30&t=5451&start=30#p41212
Für die weitere gewerkschaftspolitische Debatte wesentlich sind
folgende Äußerungen:
a) "... Ihr Anspruch ist es, die Leiharbeit zu gestalten. Wäre es
nicht deutlich besser, sie zu bekämpfen? [Antwort Stefan Körzell:] Wir
wollen die Leiharbeit nicht abschaffen. Sie muss aber wieder
eingesetzt werden, wie es ursprünglich vorgesehen war: vorübergehend,
bei Auftragsspitzen, etwa bei unvorhergesehenen Ereignissen oder
Krankheitsfällen. Die Beschlusslage des Deutschen Gewerkschaftsbunds
ist da eindeutig..." - Früher gab es dafür Personalreserven von bis zu
15%, aber die (internationale) Wettbewerbsfähigkeit war auch dem DGB
wichtiger... Und: Eine eindeutige Definition von "Gleicher Lohn für
gleiche Arbeit" und das Verbot der Leiharbeit müssen offenbar
offensiver auf den Tisch!
b) "... An dieser Stelle muss man aber eins deutlich sagen: Die
Gewerkschaften sind solidarische Unterstützungsvereinigungen. Es gilt
für die Beschäftigten, sich zu organisieren. Stellvertreterkriege
können wir für sie nicht führen. Lohnansprüche sind Individualrechte,
die sich jeder selber sichern muss. Läuft in einem Verleihunternehmen
etwas nicht richtig, aber niemand ist dort gewerkschaftlich
organisiert, dann können auch wir dort nicht einfach hin und für die
Beschäftigten etwas einklagen..." Es wäre schön, wenn einerseits die
schon immer geforderte Abkehr von der gewerkschaftlichen
Stellvertreterpolitik wirklich konsequent stattfände und der DGB
andererseits die Aufgabe einer Rechtschutzversicherung wenigstens
wirklich wahrnehmen würde...
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