Dresdner Patriotismus gegen Kölner Wir-Gefühl: Paula Irmschler über ihre Erfahrungen in beiden Städten
Auch in Köln feiert man gerne ein "Wir"-Gefühl. Doch auch hier führt es, wie auch in Dresden, zu Ausgrenzung
Foto: dpa/Maja Hitij
Dann jedes Jahr Nazi-Aufmarsch und heulende Omas mit Kerzen und die fiese Antifa, die wieder alles kaputt machen wollte. Zumindest das falsche Gedenken und die Stilisierung der Dresdner zu DEN Opfern des Krieges machte sie letztendlich wirklich kaputt. Seit ein paar Jahren sind die latschenden Nazis an diesem Datum überschaubar. Dafür dann Pegida, Elsässer, Höcke und Konsorten – und das das ganze Jahr über. Toll.
Auch da wieder zu vernehmen: das Krakeelen der Kulturschaffenden und ihrer Nutznießer, dass das eine Schande für Elbflorenz sei und eine ständige Angst vor dem Imageverlust.
Also bin ich nach Köln gezogen, weil hier der Tellerrand ein paar Quadratmeter mehr umfasst und das Stadtbild ein tatsächlich buntes ist – nee, nicht nur wegen Karneval. Doch ich hatte die Rechnung ohne den kölschen Lokalpatriotismus und den hiesigen Umgang mit der Silvesternacht 2015/16 und 2016/17 gemacht. »Kölle, du bes e Jeföhl«, müssen allerorts und immer wieder die Höhner zitiert werden, und zugegeben: Es klingt harmloser als »Mir sin das Volk«. Dahinter steckt jedoch Ähnliches: Wir fühlen uns gern angegriffen und wollen unangreifbar sein. Wir ahnen, dass es Differenzen gibt und bekämpfen sie mit mantra-artiger Beschwörung eines »Wir«.
In Artikeln von Kölnern, auf Podien, in Gesprächen und sogar in der Außenwahrnehmung scheint es, als sei die berüchtigte Silvesternacht nicht etwas, das Frauen (und in diesem Jahr Nichtweißen) passiert ist – nein, es ist Köln passiert. Geschändet wurden der Dom, das Image und das Jeföhl. Hintergründe oder Erklärungen – weggewischt von der Betroffenheit der Bewohner. So verwundert nicht mal der absurde Vergleich in den Medien zwischen dem Einsturz des Stadtarchivs 2009 und den aktuellen Ereignissen. Die Konstante lautet daher: Buhu. Es sind Angriffe auf eine unschuldige Stadt.
Der Stadtpatriotismus und das Abgrenzen gegen das Andere im Falle Dresdens und Kölns ist eine absolute Selbstlüge und noch dazu fragil. Tolerant und gut sei man, und das auch bei eindeutig das Gegenteil beweisender Faktenlage. »Kölle, du bes e Jeföhl?« – Antifa, do it again!
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