Montag, 25. August 2014

Kongress lateinamerikanischer Studenten in Nicaragua beendet

Managua. Am vergangenen Donnerstag ist der 17. Kongress der lateinamerikanischen und karibischen Studentinnen und Studenten (Congreso Latinoamericano y Caribeño de Estudiantes – CLAE) in der Hauptstadt Nicaraguas zu Ende gegangen. Nach mehreren Arbeitstagungen fand eine Abschlussveranstaltung statt, bei der die Teilnehmer eine positive Bilanz zogen: Der Kongress habe einen wesentlichen Beitrag zur Einheit und Integration der regionalen Studentenbewegung geleistet. Der Vorsitzende der Kontinentalorganisation Lateinamerikanischer und Karibischer Studenten OCLAE, der 36 Studentenverbände angehören, Ricardo Guardia, sagte, bei den Diskussionen, Arbeitstreffen und Themenkonferenzen habe man dieses Vorhaben weiter vorangebracht. Unter anderem hob er die Teilnahme besonders vieler Studenten aus Mittelamerika an dem Forum hervor. Die rund 4.000 Delegierten aus 26 Nationen befassten sich mit vier Hauptthemen: mit der aktuellen politischen Entwicklung in Lateinamerika und der Welt, mit Innovationen und Technologien und deren Bedeutung im Bildungs- und Erziehungswesen sowie mit Kultur und Sport als Elemente der Integration und der Einheit. Andere wichtige Themen waren die Unterstützung Kubas und der fünf kubanischen Männer, die wegen ihres Einsatzes zur Aufdeckung von Terroranschlägen gegen die sozialistische Karibikinsel in den USA zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Ebenso wurden die Destabilisierungsversuche gegen die Regierung Venezuelas verurteilt. Die Studenten und ihre eingeladenen Gäste riefen zum "Kampf für die zweite und endgültige Unabhängigkeit Lateinamerikas" auf und bekundeten ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk, das Opfer der Aggressionen Israels sei und sprachen sich für den Frieden in Kolumbien und für die Unabhängigkeit Puerto Ricos aus. An der Konferenz, die nach 31 Jahren erneut in Zentralamerika abgehalten wurde und dem Gedenken an den verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gewidmet war, nahmen unter anderen Persönlichkeiten die kolumbianische Ex-Senatorin und Sprecherin der linken Basisorganisation Marcha Patriótica, Piedad Córdoba und der frühere honduranische Präsident Manuel Zelaya teil. Zur Abschlussveranstaltung wurde auch der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega erwartet. (pl)

ARGE Gelsenkirchen will Arbeitslosen beibringen, wie lang ein Tag ist!

Gelsenkirchen (Korrespopndenz, gekürzt), 23.08.14: Seit 5. August 2014 bin ich als Teilnehmer einem Bildungsträger von der ARGE hier in Gelsenkirchen zugewiesen worden. Ich muss dort an zwei Tagen in der Woche jeweils von 8:00 Uhr morgens bis 17:00 Uhr nachmittags anwesend sein. Aus Insider-Wissen und aus sehr sicherer und glaubhafter Quelle habe ich jetzt erfahren, dass die ARGE tatsächlich mit so einer Aktivierungs- und Vermittlungsmaßnahme als Bewerbungstraining deklariert Hartz-IV-Empfängern und Arbeitslosen beibringen will, wie lang ein Tag wirklich ist! Damit wird flächendeckend allen Hartz-IV-Empfängern und Arbeitslosen unterstellt, sie wüssten sie nicht, wie lang ein Tag ist! Bereits im Kindergarten habe ich gelernt, wie lang ein Tag wirklich ist. Außerdem war ich von 1991 bis 1996 als Sanitärreiniger in Früh- und Mittagsschicht bei der VEBA (heute BP) hier in Gelsenkirchen-Horst von einer Reinigungsfirma beschäftigt. Ich war in dieser ganzen Zeit immer pünktlich und anwesend und machte meine Arbeit sehr gewissenhaft und natürlich auch sehr gründlich. Nachdem ich unverschuldet arbeitslos geworden bin, habe ich mehrere solcher Maßnahmen und Bewerbungstrainings absolviert. Es versteht sich von selbst, dass ich auch hier immer pünktlich teilgenommen habe. Und dann unterstellt man mir, ich wüsste immer noch nicht, wie lang ein Tag wirklich ist? Das ist meiner Meinung nach sehr befremdlich. Auch alle Montagsdemonstranten und Passanten bei der 498. Gelsenkirchener Montagsdemo am 18. August 2014 hatten keinerlei Verständnis dafür. Dort hatte ich den Skandal bekannt gemacht. Martina Reichmann, Pressesprecherin und Moderatorin der Gelsenkirchener Montagsdemo-Bewegung, Monika Gärtner-Engel, ebenfalls Moderatorin und Ratsfrau für das kommunale Wahlbündnis "Auf Gelsenkirchen" sowie Stefan Engel (Vorsitzender der MLPD) ergriffen jeweils das offene Mikrofon und teilten mit, dass sie mich nicht alleine stehen lassen und mit mir voll und ganz solidarisch sind und dass ich jetzt auf jeden Fall alle Montagsdemonstranten und Passanten hier auf der Gelsenkirchener Montagsdemo-Bewegung regelmäßig auf dem Laufenden halten soll. Thomas Kistermann, Sprecher und auch einer der Moderatoren der Gelsenkirchener Montagsdemo-Bewegung gegen Hartz IV und gegen Sozialabbau und für die sofortige Stilllegung aller AKWs weltweit auf Kosten der Betreiber / Monopole für 100 Prozent erneuerbare Energien. Artikelaktionen

Beeindruckende internationale Menschenkette gegen Braunkohle und für eine konsequente Energiewende

von BBU Bürgerinitiativen und Umweltverbände haben am heutigen Samstag mit mehreren Tausend Menschen eine grenzüberschreitende deutsch-polnische Menschenkette organisiert. Damit demonstrierten sie mit einer 8 Kilometer langen Kette und geschätzen 7 - 8000 Menschen eindrucksvoll gegen den weiteren Braunkohleabbau und für eine konsequente Energiewende. Mit dieser Aktion über die deutsch-polnische Grenze hinweg wurden zwei von der Abbaggerung bedrohte Dörfer - Kerkwitz und Grabice – miteinander verbunden und internationaler Protest wurde zum Ausdruck gebracht. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) solidarisiert sich mit dem Widerstand gegen den Braunkohleabbau in der Lausitz und anderswo. Der Verband ist von der erfolgreichen Menschenkette begeistert und geht davon aus, dass die Aktion mit dazu beiträgt, einer echten Energiewende näher zu kommen. Und diese ist dringend erforderlich. Noch immer wird auch von der Bundesregierung auf Kohle gesetzt, noch immer werden bundesweit Atomkraftwerke und Uranfabriken betrieben und noch immer drohen Grundwasser- und Bodenverseuchungen durch Fracking. In dieser Situation ist es nach wie vor richtig und wichtig, dass aktive Menschen gemeinsam auf die Straße gehen - und das grenzüberschreitend. Sie setzen sich gemeinsam dafür ein, dass den Klimakillern und Atommüllfabriken ein Ende bereitet und den erneuerbaren Energien noch besser als bisher der Weg geebnet wird. Auf der Homepage der OrganisatorInnen der Menschenkette heißt es: "Im Boden unter den Dörfern der deutsch-polnischen Lausitz lagern Milliarden Tonnen Braunkohle. Seit Jahrzehnten fräsen sich gigantische Schaufelräder durch das Land, um diese Kohle abzubaggern – und Felder und Wälder, Häuser und Kirchen, Kindergärten und Friedhöfe gleich mit. Zu lange wurden die katastrophalen Folgen des Braunkohlentagebaus für Mensch und Natur hingenommen. Doch die Zeit der Braunkohle ist vorbei: Solar- und Windstrom ersetzt von Monat zu Monat mehr Kohle und Atomstrom. Deshalb wächst der Widerstand gegen Kohle in Deutschland, Polen und anderswo. Immer mehr Menschen begreifen: Braunkohle zerstört unsere Zukunft. Jeder neue Tagebau ist ein Angriff auf die Energiewende. Ohne Kohleausstieg kein Klimaschutz. Deshalb stellen wir uns den Plänen der Landesregierungen und Kohlekonzerne in den Weg!" Quelle und weitere Informationen: www.humanchain.org/de Laut BBU muss die Politik die Proteste ernst nehmen - neue Wege in der Energiepolitik sind dringend erforderlich! Der BBU ruft dazu auf, weiteren Druck auf die Politik auszuüben, damit verstärkt Maßnahmen für eine umweltfreundliche Energiepoltik organisiert und durchgeführt werden. Damit der Druck seitens der Bevölkerung verstärkt werden kann, ruft der BBU zur Gründung weiterer Umweltschutz-Bürgerinitiativen auf. Engagement unterstützen Zur Finanzierung seines vielfältigen Engagements bittet der BBU um Spenden aus den Reihen der Bevölkerung. Spendenkonto: BBU, Sparkasse Bonn, BLZ 37050198, Kontonummer: 19002666 (IBAN: DE62370501980019002666, SWIFT-BIC: COLSDE33). Informationen über den BBU und seine Aktivitäten gibt es im Internet unter www.bbu-online.de; telefonisch unter 0228-214032. Die Facebook-Adresse lautet www.facebook.com/BBU72. Postanschrift: BBU, Prinz-Albert-Str. 55, 53113 Bonn. Der BBU ist der Dachverband zahlreicher Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Einzelmitglieder. Er wurde 1972 gegründet und hat seinen Sitz in Bonn. Weitere Umweltgruppen, Aktionsbündnisse und engagierte Privatpersonen sind aufgerufen, dem BBU beizutreten um die themenübergreifende Vernetzung der Umweltschutzbewegung zu verstärken. Der BBU engagiert sich u. a. für menschen- und umweltfreundliche Verkehrskonzepte, für den sofortigen und weltweiten Atomausstieg, gegen die gefährliche CO2-Endlagerung, gegen Fracking und für umweltfreundliche Energiequellen. VON: BBU

Russland blockiert 40 Mrd. Dollar Privatvermögen von Angela Merkel

St. Hetzershausen: Jetzt wird es richtig bitter. Die nächste Runde im Sanktionskrieg EU und USA gegen Russland sorgt für großen Wirbel. Niemand hat damit gerechnet, es kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Russland steigt voll in die Schlacht mit ein und verkündet Konter-Sanktionen. Als erstes trifft es die bundesdeutsche Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Privatvermögen von rund 40 Milliarden Dollar, von denen sie angeblich große Teile in Russland verschanzt haben soll. Die Russen binden Merkel quasi ihren Sparstrumpf zu. Nun, wen sollten solche Maßnahmen in einem derart schmutzigen Sanktionskrieg noch überraschen? Wie, Sie kommen aus dem Staunen nicht mehr raus? Sie sind von der genannten Zahl überwältigt? Warum nur? Weil sie meinen Merkel hätte keine hinreichende Spardisziplin, um sich den erwähnten Kleckerbetrag vom Munde abzusparen? Sie wittern womöglich Bestechung und Korruption? Doch nicht bei Mutti, bitte! Da läuft doch immer alles ganz sauber und bevor sie selbst in einem solchen Morast versinkt, wird für gewöhnlich immer ein anderer vor’s Loch geschoben. Da kann doch was nicht stimmen! Moment mal, wir gehen gerade noch einmal nachsehen. Oh Schreck, an dem Betrag können wir tatsächlich nichts ändern, aber einen minimalen Fehler müssen wir wohl oder übel nun doch berichtigen. Natürlich wird nicht Merkels Privatvermögen von Russland blockiert, es handelt sich in diesem Fall natürlich um Wladimir Putins Privatvermögen, welches seitens der USA blockiert werden soll, um diesem schlimmen Finger seinen Ballermann zu entreißen, wie an dieser Stelle berichtet wird: US ready to target Russian president’s hidden $40bn stash … [The Times]. Aha, dann ist ja alles ganz anders und natürlich auch voll korrekt, eigentlich gar keine Schlagzeile mehr, wenn es da nicht einige kleine Ungereimtheiten gäbe, die nur auf eine weitere Runde in der inzwischen als schamlos zu bezeichnenden Propagandaschlacht gegen Russland hindeuten. Jetzt kommen die üblichen Frontschweine der Lügenindustrie wieder zum Einsatz. Fangen wir von vorne an. Forbes gilt als recht zuverlässige Postille bei der Auflistung der weltweiten Milliardäre: The World’s Billionaires … [Wikipedia EN]. Dass Putin mit einem derartigen Vermögen dort seit Jahren nirgends in einer Spitzenposition auftaucht, muss den außerordentlichen Fähigkeiten der russischen Geheimhaltung geschuldet sein. Natürlich werden alle andern Geheimdienste darüber Bescheid wissen und haben es jetzt situativ passend der Times gesteckt, damit wieder entlarvendes Material auf den Tisch kommt. Derartige Vermögenswerte können, nach dem Verständnis von Otto Normalverbraucher, nur von Despoten, Diktatoren und Volksaussaugern auf Seite geschafft werden. Um nichts anderes geht es, exakt diesen Eindruck zu verstärken und in der öffentlichen Meinung zu zementieren. Eine Art Hypnose für die hiesigen Schlafschafe, damit diese später, in einem noch zu konstituierenden Bedarfsfall, auch den gerechten Zorn empfinden können, wenn es alsbald mit Waffengewalt gegen Russland geht. Schließlich ist Putin damit zweifelsfrei ein Volksbetrüger. Wir kennen ja den propagandistischen Grundsatz, je kürzer die Horrormeldung, desto heftiger die Fantasie der Leser. Auch ist nicht mehr so ganz genau zu ergründen wer hier von wem abgeschrieben hat, aber bei der Zusammenstellung dieser Vermögenswerte handelt es sich schon um ziemlich alten und angestaubten Tobak. Im Jahre 2007 gab es dazu den folgenden Aufsatz zu lesen: Russlands Präsident Putin – reich, aber arm … [TAZ]. Also alles ganz offizielle Spekulation, aber Forbes nimmt es einfach nicht zur Kenntnis und boykottiert den armen Milliardär Putin wohl schon erheblich länger. Was für ein Glück, dass wir ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt und auf diese wundersame Weise doch noch von seiner „Schäbigkeit“ erfahren dürfen, ist er doch vielen Menschen schon ewig ein Dorn im Auge. Noch interessanter ist die Ankündigung der USA, nun dem Putin seinen Geldhahn zudrehen zu wollen. Blockade, Blockade, Blockade … damit wird man ihn schon die Knie zwingen, diesen Diktator. So ein Mist, schon wieder was verkehrt. Selbst wenn man dem Aufsatz der TAZ folgt und es sich tatsächlich um ein entsprechendes Aktienvermögen zu den aufgelisteten Gesellschaften handelt, haben weder die USA noch die EU irgendetwas damit zu tun. Die ganze Nummer kann zu jedem Zeitpunkt innerhalb Russlands vollständig beherrscht und abgewickelt werden. An dieser Stelle nehmen offenbar die Blockade-Propagandisten den Mund gehörig voll, nur um den Lauten machen zu können, dazu in absoluter Kenntnis ihrer Macht- und Einflusslosigkeit bezüglich Putins „Vermögen“. So schnell ist also eine Propagandaschau zu entlarven, man muss nur einmal nachdenken. Offensichtlich wissen aber die USA und Schergen, dass die meisten Menschen gar nicht mehr denken können und so funktioniert es dann immer noch mit solchen Lügengebilden und den von uns so sehr geschätzten Halbwahrheiten. Sorry dafür, Angie, um Deine nun beiläufig testierte geistige Armut kümmern wir uns dann wieder in der nächsten Runde, versprochen.

Jobcenter: Kontoauszüge im Restmüll

Beim Jobcenter Deutsche Weinstraße in Neustadt hat in der vergangenen Woche ein Mülleimer auf der Straße gestanden. Er enthielt sensible persönliche Daten von Leistungsempfängern. Die Agentur für Arbeit spricht von einem bedauerlichen Fehler. Es seien Maßnahmen eingeleitet, einen solchen Fall künftig auszuschließen. Wer wissen wollte, mit was sich das Neustadter Jobcenter zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen zurzeit beschäftigt, der konnte am Abend des 11. August einen Blick in den Restmülleimer werfen. Das Gefäß war für die Müllleerung am Folgetag auf dem Bürgersteig in der Konrad-Adenauer-Straße abgestellt. Ganz oben: ein blauer Sack. Sein Inhalt: persönliche Daten von Leistungsempfängern des Jobcenters. Eine grobe Zusammenstellung der umfangreichen Unterlagen kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. 32,44 Euro zahlt ein Hartz-IV-Empfänger laut Kontoauszug im Monat bei einem Neustadter Fitness-Park. Ein Arbeitsloser hat in seinem Antrag als Adresse eingetragen: Justizvollzugsanstalt Frankenthal. Er beantragt die Kostenübernahme einer Drogentherapie. Es findet sich Schriftwechsel zwischen dem Sozialverband VdK und dem Jobcenter, ein Arbeitsvertrag einer Busfahrerin. Ein Kunde des Jobcenters beschwert sich in einer Mail über einen Mitarbeiter. In einer anderen Mail fordert das Kundenreaktionsmanagement der Zentrale der Arbeitsagentur in Nürnberg das Jobcenter in Neustadt auf, eine Beschwerde vorrangig zu behandeln, weil ein vereinbarter und zugesicherter Rückruf bei dem Leistungsempfänger bislang nicht erfolgt sei. Eine Mitarbeiterin hat von einem Gespräch mit einem Leistungsempfänger eine Aktennotiz geschrieben und ausgedruckt. Ein Kollege machte sich wenigstens die Mühe, ein Urteil des Sozialgerichts zu zerreißen, ehe er es in den Mülleimer warf. Auch eine handschriftliche Notiz von einem Personalgespräch mit einem Mitarbeiter des Jobcenters taucht auf. Auch für die deutschen Single-Charts interessiert sich wohl ein Mitarbeiter des Jobcenters. Zumindest findet sich der Ausdruck aus dem Internet in dem Müllsack. Ebenfalls dabei: kiloweise Ausdrucke einer Auflistung von Prospekten fast aller Autohersteller bis zurück in die 1980er Jahre. Die Unterlagen sind der RHEINPFALZ-Redaktion mit einem Paket anonym zugeschickt worden. Der Absender schreibt, auf einen Missstand hinweisen zu wollen. Er habe am Abend des 11. August den Mülleimer geöffnet und den offenen Sack herausgenommen. „Ich bin der Ansicht, dass dieser Umstand einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll“, begründet er seine Aktion. Gleichzeitig habe er den Bundesdatenschutzbeauftragten über den Fund informiert. (wkr)

Ferguson: Demokratie durch Gastränen

STIMME RUSSLANDS Tumult, Tränengaswolken, Nationalgarde und Molotow-Coctails… „Amerikanischer Maidan“, so haben einige weltweite Massenmedien die Ereignisse in Ferguson genannt. Die Ermordung eines dunkelhäutigen Halbwüchsigen am 9. August verwandelte sich augenblicklich in eine gesamtnationale Tragödie. Eine Woge von Protestaktionen rollte durch viele Städte, inklusive Washington. Es waren nicht mal zwei Wochen vergangen, als im gleichen Bundesstat Missouri ein weiteres Opfer der Polizeiwillkür zu beklagen war. Die Ordnungshüter hatten erneut einen Afroamerikaner erschossen, der sich laut offizieller Version zu aggressiv gebärdet haben soll. Washington bleibt seinen Regeln treu. Probleme, und zwar sowohl die auswärtigen als auch die inneren, zieht das Weiße Haus vor, mit Hilfe von „Colt“ aus der Welt zu schaffen. Der Stärkere hat Recht. Die Gerechtigkeit wird in der amerikanischen Demokratie ausgeklammert. Gerade nach ihr haben entrüstete Landeseinwohner fast zwei Wochen lang gefordert. Tausende Menschen verlangten, eine sorgfältige Untersuchung durchzuführen und die an der Ermordung des Achtzehnjährigen in Ferguson Schuldigen zu bestrafen. Die Behörden trösteten die Einwohner der Stadt, wie sie nur konnten. Anfang der Woche hatte der Gouverneur des Bundesstaates, Jay Nixon, sogar die Nationalgarde dorthin einrücken lassen. Die Erwiderung waren nur einige Molotow-Coctails. Nun musste man die Demonstranten mit Tränengas und Gummigeschossen zähmen. Diejenigen, die der Suggestion nicht verfielen, wurden festgenommen. Solche gab es rund fünfzig an der Zahl. Übrigens, unter ihnen erwiesen sich auch Journalisten, die sich kraft Besonderheiten ihres Berufes zur falschen Zeit und am falschen Ort erwiesen hatten. Von der Festnahme seiner Mitarbeiter berichtete nämlich der Sender Die Deutsche Welle. Die Tragödie in Ferguson war alles andere als zufällig. Sie war voraussehbar, und man hatte schon seit langem darauf gewartet. Es handelt sich um eine Widerspiegelung von ernst zu nehmenden Problemen, die in der amerikanischen Gesellschaft jahrelang gehortet wurden. Und es wird nicht gelingen, die Situation mit Hilfe von Waffen beizulegen. Mit der Zeit würde sie sich nur zuspitzen, meint Alexander Gussew. Direktor des Instituts für strategische Prognostizierung: „Die internen Probleme sind in den USA so groß, dass diese Prozesse die maximale Zahl von Städten erfassen können. Vor allen Dingen Städten, in denen zum großen Teil farbige Bevölkerung beheimatet ist. Selbst in den zentralen Bundesstaaten ist dieses Problem nicht bis zuletzt gelöst worden.“ Die Unruhen in Ferguson sind zu einem Problem des planetaren Maßstabs geworden. Der Generalsekretär der Uno, Ban Ki Moon, forderte Washington auf, den Menschen das Recht auf friedliche Versammlungen zu ermöglichen. Scharf verurteilt wurde ie Anwendung der Gewalt gegen Demonstranten vom Außenministerium Ägyptens. Palästinenser erteilten in ihren Mikroblogs im Twitter den amerikanischen Kundgebungsteilnehmern Ratschläge, wie die Einwirkung von Tränengas minimiert werden kann. Im Iran wurde die Niederhaltung der Proteste als „Äußerung von Rassismus“ bezeichnet. Und eine der Nachrichtenagenturen Kubas warf die Frage auf: „Ist etwa Ku-Klux-Klan mit neuer Kraft zurückgekehrt?“ Die Bevölkerung von Ferguson zählt etwas mehr als 20.000 Einwohner, von denen die meisten schwarze Hautfarbe aufzuweisen haben. Nach Angaben von FBI der USA töten Polizisten dieses Landes jedes Jahr rund 100 Afroamerikaner. Das nächste Beispiel für das Wüten der Polizei hat nicht lange auf sich warten lassen. Mitte der Woche kam es Saint Louis zu einer weiteren Tötung eines Schwarzhäutigen. Laut offizieller Version hätte der junge Mann gefährlich werden können, und die Gewaltanwendung sei gerechtfertigt gewesen. Die Unruhen dauerten fort. Solidarität mit den Einwohnern von Ferguson bekundeten 80 Prozent der dunkelhäutigen Bevölkerung der USA. Selbst aus dem Parlament vernehme man Erklärungen darüber, dass die Menschen die Aggression der Polizei satt hätten, stellt der Politologe Wladimir Kosin, fest: „Die Parlamentsabgeordnete Patricia Bynes, eine Afroamerikanerin, nannte die Massenmanifestationen eine Antwort auf Rassismus und Diskriminierung, die in den USA auf staatlicher Ebene bestehen. Das ist eine sehr ernste Anschuldigung. Sie wird dadurch bestätigt, dass Protestaktionen in diesen Tagen in fast 90 Städten einschließlich Washington verlaufen.“ Ungeachtet der scharfen Kritik erklärte die offizielle Sprecherin des amerikanischen State Departements, Mary Harf, dass das ganze Geschehen eine ausschließlich innere Angelegenheit der USA sei, und sie bat, diese Ereignisse nicht mit jenen zu vergleichen, die in anderen Ländern vor sich gehen. Wie sollte man sich da aber nicht an die Ukraine im vergangenen Winter erinnern? Dort waren ebenfalls Tausende von Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Meinung „friedlich“ zu äußern. Doch damals war Washington kategorisch gegen ein gewaltsames Auseinanderjagen von Demonstranten gewesen. Nunmehr führt er am eigenen Beispiel vor, WELCHES die wahre „Macht des Volkes“ in Wirklichkeit zu sein hat. Weder die Worte von Mary Harf, noch die einlullenden Reden des Präsidenten des Landes vermochten die entrüsteten Einwohner zu stoppen. Und so reiste der Generalstaatsanwalt der USA, Eric Holder, dorthin, um die Angelegenheit zu klären. Übrigens ist er der erste dunkelhäutige Generalstaatsanwalt seit dem Bestehen der USA. Und im Ergebnis dessen, beschlossen die Behörden des Bundesstaates, dennoch Milde walten zu lassen und die Nationalgarde aus Missouri abzuziehen. Und an alle Polizeiangestellten der USA können demnächst Videokameras ausgegeben werden, damit sie die Festnahme von Verdächtigen oder das Schießen auf sie auf Film bannen könnten. Eine Petition mit diesem Vorschlag auf der Site des Weißen Hauses hat in wenigen Tagen mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt. Nun hat die Administration sie zu prüfen und eine Antwort darauf zu geben. Diese kann übrigens sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/2014_08_23/Ferguson-Demokratie-durch-Gastranen-4867/

Waffen für die PKK?

Koalition streitet über Waffenlieferungen an Kurden im Nordirak. Bundestag soll ausgerechnet am 1. September »beraten«. Beschließen darf er nicht Von Ulla Jelpke In der Unions-SPD-Regierungskoalition wird über Waffenlieferungen an die gegen den selbsternannten »Islamischen Staat« (IS) kämpfenden kurdischen Verbände im Nordirak debattiert. Im Gespräch sind Handfeuerwaffen sowie Panzerabwehrraketen. War bislang davon die Rede, Waffen den Peschmerga – Truppen der kurdischen Regionalregierung im Nordirak – zu überlassen, so hatte CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff am Wochenende auch die in Deutschland verbotene und auf der EU-Terrorliste geführte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ins Gespräch gebracht. Deren Guerilla sowie die mit ihr verbündeten Volksverteidigungskräfte (YPG) aus dem kurdischen Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Syrien haben in den letzten Wochen Zehntausenden Flüchtlingen das Leben gerettet. Entscheidend sei, daß kurdische Milizen die Anhänger des IS bekämpfen und verfolgte Minderheiten schützen, sich aber klar für die Stabilisierung des Irak als Gesamtstaat einsetzen, forderte der am Wochenende gemeinsam mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder in den Nordirak geflogene Politiker. »Wenn neben den Peschmerga auch die PKK Ausrüstungshilfe will, muß sie sich zuerst dazu eindeutig bekennen.« Hier müßten die Peschmerga außen vor bleiben, hat doch der kurdische Präsident Masud Barsani ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Provinzen vom Irak angekündigt. Dagegen tritt die PKK für Selbstverwaltung innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen ein. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verteidigte zwar Waffenlieferungen an die Peschmerga, trotz Risiken wie den kurdischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Er zeigte sich aber irritiert über Schockenhoffs Vorschlag angesichts des deutschen Verhältnisses zur Türkei. Die Militärhilfe werde sich im Rahmen einer UN-Resolution bewegen, die diese nur mit Zustimmung der Zentralregierung in Bagdad gestatte, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im ARD-Sommerinterview. »Die PKK kommt in diesem Zusammenhang nicht in Frage als Empfänger von Waffen.« Während sich Grünen-Chef Cem Özdemir für Waffenlieferungen an »die Kurden« aussprach, bekräftigte der Linksfraktionsvorsitzende Gregor Gysi die grundsätzliche Ablehnung seiner Partei zu Rüstungsexporten. Statt dessen sprach sich Gysi für eine Überprüfung der Einstufung der PKK als terroristische Organisation aus. Rufe nach Waffen kommen derzeit nur vom kurdischen Präsidenten Barsani. Die PKK hat dagegen bislang gar keine derartigen Wünsche geäußert. PKK-Führungskader Cemil Bayik erklärte lediglich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Verweis auf die seit zwei Jahren erfolgreich gegen den IS in Syrien kämpfenden Volksverteidigungseinheiten YPG, die Dschihadisten ließen sich nur besiegen, wenn »jene Kräfte mit Waffen ausgestattet werden, die am wirksamsten gegen die Terrorgruppe vorgehen«. Sollte der Westen allein auf Barsanis Peschmerga setzen, bestände die Gefahr, daß diese Waffen am Ende in die Hände der Dschihadisten fielen. Ausgerechnet am 1. September – dem 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges – soll der Bundestag in einer Sondersitzung über die Waffenlieferungen beraten. Abstimmen über diesen Präzedenzfall einer Waffenlieferung in ein Kriegsgebiet dürfen die Abgeordneten nicht, die Entscheidung liegt alleine bei der Bundesregierung.

Millionenschwerer Rüstungsdeal

Innenminister genehmigt Waffengeschäft von Rheinmetall mit Algerien. Auch Ägypten an Panzern interessiert Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat dem Rüstungskonzern Rheinmetall einem Medienbericht zufolge die Ausfuhr einer Panzerfabrik nach Algerien genehmigt. Wie das Magazin Der Spiegel am Sonntag vorab berichtete, umfaßt die Lieferung eine Fertigungsstraße zur Montage von »Fuchs«-Panzern und andere Teile im Wert von mehr als 28 Millionen Euro. In der Antwort auf eine Anfrage des Linken-Rüstungsexperten Jan van Aken schreibe das Ministerium, die Fabrik knapp 400 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier solle fast 1000 Radpanzer in Lizenz herstellen. Geplant sei die Ausfuhr von Bauteilen in das nordafrikanische Land. Dort sollten sie von in Deutschland ausgebildeten Mitarbeitern zusammengesetzt werden. Laut Spiegel geht das Geschäft auf eine Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Algerien im Jahr 2008 zurück und wurde in weiten Teilen bereits von der schwarz-gelben Vorgängerregierung genehmigt. An diese Entscheidung habe sich Gabriel gebunden gefühlt, schreibt das Magazin. Anfang des Monats hatte Gabriel vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise eine von der schwarz-gelben Regierung erteilte Genehmigung für den Bau eines Gefechtsübungszentrums in Rußland durch Rheinmetall zurückgenommen. Im autoritär geführten Algerien gibt es große soziale Probleme. Menschenrechtsgruppen kritisieren die Unterdrückung von Opposition und Medien. Wie die Welt am Sonntag berichtet, ist zudem Ägypten am Kauf deutscher Radpanzer interessiert. Bislang liege allerdings weder der Bundesregierung noch den Rüstungsunternehmen eine offizielle Anfrage aus Kairo vor. In Kenntnis der deutschen Rüstungsexportbestimmungen wollten die Ägypter zunächst vertrauliche Gesprächen führen, hieß es weiter. Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi beruft sich nach Informationen der Welt am Sonntag auf die Unterstützung Israels, das einer Waffenlieferung für Kairo offen gegenüberstehe. (AFP/jW)

Hunderte beteiligen sich an NPD-Aufmarsch in Bautzen

In Bautzen fand am gestrigen Samstag eine von der NPD organisierte Demonstration gegen ein im Ort befindliches Übergangsheim für Asylsuchende statt. An der Veranstaltung beteiligten sich nach Polizeiangaben fast 600 Personen. Lediglich 60 Menschen hatten sich am Nachmittag auf Einladung der Initiative “Bautzen bleibt bunt” im Stadtzentrum zu einem “interkulturellen Picknick” versammelt, um damit ein Zeichen gegen den rechten Aufmarsch zu setzen. An einer von der CDU und der Linken organisierten Demonstration nahmen im Anschluss an den Naziaufmarsch etwa 100 Menschen teil. Die Polizei, die mit mehreren hundert Einsatzkräften vor Ort war, zog am Abend ein positives Fazit: “den Versammlungsteilnehmern gelang [es], ihre Meinung und ihren Protest friedlich und ausschließlich mit demokratischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen”. Zuvor hatte auf der Demonstration unter anderem NPD-Stadträtin Daniela Stamm aus dem Umfeld der von mehr als 2.500 Menschen unterstützten Facebookgruppe “Neues Bautzen” gegen die “Systempresse” gehetzt. Schon seit einigen Monaten kommt es in der ostsächsischen Stadt immer wieder zu Protesten gegen die Flüchtlingsunterkunft in unmittelbarer Nähe zur Talsperre Bautzen. Federführend dabei ist eine Bürgerinitiative aus dem Stadtteil Burk. Mit ihren fadenscheinigen Begründung, dass für die zu erwarteten Asylsuchenden zu wenig Platz zur Verfügung steht, steht der nicht nur in Bautzen eilig ins Leben gerufene Zusammenschluss nicht alleine da. Auch der Bautzner Stadtrat Dieter Deutscher von der Linken zeigte sich nach Bekanntwerden der Pläne in einem Radiointerview skeptisch. Neben der großen Zahl von Flüchtlingen fürchtet er auch um die “Entwicklung” des Stausees als Naherholungsgebiet für die ortsansässige Bevölkerung. Die Unterbringung von geflüchteten Menschen, so scheint es, würde die Idylle da nur stören. Erst Ende Juli war das Heim von einer NPD-Delegation im Rahmen ihres aktuell noch schleppend verlaufenden Landtagswahlkampfes besucht worden. Dazu ließen sie sich als angebliche “Nachkontrolle” zum “Heim-TÜV” vom Betreiber der Unterkunft die Räumlichkeiten und sanitären Anlagen zeigen. Anders verlief der geplante Besuch zweier Unterkünfte in Kamenz und im Dresdner Stadtteil Niederpoyritz, dort wurde die Gruppe jedoch von der Heimleitung direkt an der Tür abgewiesen. Als Reaktion auf die Aktion in Bautzen hatte der Präsident des Sächsischen Landtags, Matthias Rößler (CDU), Strafanzeige gegen NPD-Landeschef Holger Szymanski wegen Amtsanmaßung, des Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen sowie möglicher weiterer Vergehen bei der Staatsanwaltschaft Dresden gestellt. Die Verbreitung eines von der NPD angefertigten Films ließ der Betreiber des Hotels durch das Landgericht Berlin unterbinden. Nachdem das Vorhaben, eine Unterkunft in einer ehemaligen Förderschule auf dem Schützenplatz einzurichten, scheiterte, bewarb sich nach einer europaweiten Ausschreibung mit dem Besitzer des Spreehotels lediglich ein möglicher neuer Betreiber in der Region. Er gab an, nach der Entscheidung sogar Morddrohungen erhalten zu haben. “Die rechte Bedrohung in Bautzen ist sehr viel stärker wie ich anfangs gedacht habe. Wir hatten in den ersten drei Wochen permanente Störungen.”, kommentierte er im ZDF die aktuelle Situation in Burk. Ein letzter Versuch, den Einzug mit rechtlichen Mitteln zu verhindern, scheiterte schließlich vor dem Dresdner Verwaltungsgericht, welches einen Eilantrag auf vorläufigen Rechtschutz am 17. Juli ablehnte. Doch nicht nur das umfunktionierte Hotel steht derzeit in der Kritik. So wurde erst vor wenigen Tagen die geplante Unterbringung von geflüchteten Menschen in einer Containersiedlung auf der Fabrikstraße Ziel einer Transparentaktion. Auch die Pläne des Landkreises auf Grund der steigenden Zahl von Asylsuchenden ein ehemaliges Lehrlingswohnheim in Neukirch zu einer Flüchtlingsunterkunft mit Platz für bis zu 90 Menschen umzubauen, war in den letzten Wochen auf Widerstand in der Bevölkerung gestoßen. Im Augenblick leben im Landkreis Bautzen etwa 800 Asylbewerberinnen und Asylbewerber, ein Großteil davon in den Heimen in Kamenz, Bischofswerda und Hoyerswerda. Rund 100 von ihnen konnten bislang in Wohnungen untergebracht werden. Obwohl der Bedarf an Wohnraum gerade für asylsuchende Familien deutlich größer ist und auch die finanzielle Belastung für eine Unterbringung in den eigenen vier Wänden für den Landkreis geringer ist, finden sich laut Ordnungsamtsleiter René Burk derzeit kaum Wohnungsgesellschaften die bereit sind, Zimmer zur Verfügung zu stellen. Die Zuweisung erfolgt durch den Freistaat Sachsen nach einem festgelegten Schlüssel, darin wurde dem Landkreis Bautzen für das laufende Jahr die Unterbringung von insgesamt bis zu 800 Asylsuchenden angekündigt.

Repression gegen Gefangenengewerkschafts-Aktivisten

JVA Willich: Outbreak zur Habe genommen An Print- und Onlinemedien: Presseerklärung der GG / BO Liebe Kolleginnen und Kollegen, die JVA Willich I in Nordrhein-Westfalen blockiert weiterhin die Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern. Unserem Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), André Borris M. á Moussa Schmitz, wurde die Aushändigung unseres offiziellen Sprachrohrs, outbreak, durch die sog. Abteilung Sicherheit und Ordnung unter fadenscheinigen Gründen verweigert. Es heißt, dass kein Antrag vorgelegen habe, diese Zeitschrift zu erhalten. Unsere outbreak-Auftaktnummer wurde „Zur Habe“ genommen. Dies verstößt gegen unseren Eigentumsvorbehalt, da eine „Zur-Habe-Nahme“ keine Aushändigung an den Empfänger bedeutet. Wir verweisen darauf, dass es sich hierbei um eine Postsendung der GG/BO handelt, der der Kollege Moussa Schmitz als Sprecher angehört. Es wäre zudem schlichtweg unzulässig, eine grundgesetzlich verankerte Gewerkschaftsfreiheit als Verstoß gegen die „Sicherheit und Ordnung“ in der Anstalt auszulegen. Wir fordern die JVA Willich I hiermit auf, unserem Sprecher in der JVA Willich I die outbreak-Nummer umgehend auszuhändigen und künftig antigewerkschaftliche Schikanen gegen Kolleginnen und Kollegen der GG/BO einzustellen. Unser Sprecher der GG/BO, Oliver Rast, erklärt hierzu: „Vor dem Hintergrund der erneuten Behinderung des Gewerkschafts-engagements in der JVA Willich I brauchen wir die gewerk-schaftliche Solidarität der Kolleginnen und Kollegen aus den Einzelgewerkschaften des DGB und den Basisgewerkschaften der FAU und IWW vor den Anstaltstoren.“ Des Weiteren führt der Kollege Rast aus, dass „wir als GG/BO darauf eingestellt sind, dass uns seitens der Anstaltsleitungen und Justizbehörden verstärkt Gegenwind entgegenschlagen wird. Dem werden wir standhalten, wenn es uns als (basis-)gewerkschaftliche Aktivistinnen und Aktivisten gelingt, ein organisationsübergreifendes Solidaritätskartell für die GG/BO zu bilden, das zu agieren versteht.“ Oliver Rast Sprecher der GG/BO In der JVA Willich wird mittlerweile versucht auch von den anderen Mitgliedern, die Magazine einzuziehen.

Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin

++++Teilen und kommen!++++ Heute | 21 Uhr | Demo | Oranienplatz Die Polizei geht grade mit massiver Gewalt gegen Flüchtlingsproteste am Oranienplatz vor. Es gibt viele Verletzte und mindestens 8 Verhaftete. Die Bullen drehen völlig frei, mehrere unbeteiligte wurden zum Teil erheblich verletzt. Auch die Pressearbeit wird von den Beamten massiv behindert. Immer wieder kommt es zu rassistischen Beschimpfungen von Beamten gegenüber Flüchtlingen. Hintergrund ist das eine Gruppe von Flüchtlingen, die sich im April mit den Senat "geeignigt" hatte und das Refugee-Protest-Camp am Oranienplatz "eigenhändig abbaute", morgen aus den ihr versprochenen Unterkünften rausgeworfen werden und ihnen nun die Abschiebung droht. Weil ihre "Einigung" mit dem Berliner Senat und der Integrationsministerin Kolat das Papier nicht wert war auf dem es geschrieben stand sind die Flüchtlinge nun recht sauer und fühlen sich von der Berliner Politik zurecht "verarscht". Deshalb haben sie heute den Oranienplatz wieder besetzt und begonnen ein Zelt zu errichten. Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot an und griff die Gruppe von Flüchtlingen mit brutaler Gewalt an. Aus Protest gegen die Hinahltetaktik des Berliner Senats und die Gewaltorgien ihrer Bullenschläger rufen wir heute um 21 Uhr zu einer Protestdemonstration am Oranienplatz auf . Heute | 21 Uhr | Oranienplatz | Demo Kommt alle! Kein Mensch ist illegal!

Bericht zeigt Verbindungen von NSU-Unterstützern zu Burschenschaften auf

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion ist erst wenige Wochen alt. Die Behörden gingen, so heißt es dort, nur von vereinzelten Kontakten von Burschenschaften zur extremen Rechten aus. Der Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses hingegen zeichnet ein anderes Bild: Einige der zehn genannten Unterstützer der Terrorgruppe verfügen über eine burschenschaftliche Vergangenheit. Erstmals wurde zudem die Mitgliedschaft des Vizechefs des militanten „Thüringer Heimatschutzes“ in einer Bayreuther Verbindung offiziell bestätigt. Der Rechtsruck der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) hatte verbandsintern zu einem mittleren Erdbeben geführt. In der Folge verließen gut 40 Bünde ihren bisherigen Dachverband. Trotzdem vermochte die Bundesregierung keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ für Bestrebungen der DB, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, zu erkennen. Zwar seien „vereinzelt Burschenschaftler Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen“ oder es bestünden „Kontakte rechtsextremistischer Personen und Organisationen zu Burschenschaften“, für die „überwiegende Mehrheit“ der [DB-]Mitgliedsburschenschaften sei dies nach ihrem Kenntnisstand aber nicht der Fall. Deshalb seien die Entwicklungen in der DB kein Thema im „Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ bzw. im „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“, teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken mit (pdf-Datei). Offenbar hätte aber ein genauerer Blick gutgetan. Den Wind aus den Segeln dieser Argumentation nimmt nun der in der vorigen Woche vorgelegte Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, der schonungslos das Versagen des Sicherheitsapparates des Freistaates aufdeckt (pdf-Datei). Die Häufung falscher oder nicht getroffener Entscheidungen und die Nichtbeachtung einfacher Standards, so das fast 1.900 Seiten starke Dokument, ließen gar „den Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen [Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, die Red.]“ zu. Außerdem thematisiert der Bericht – diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die Burschenschaftsdebatte – die engen Verbindung gewaltbereiter Neonazis zu den Bünden. Thüringer Neonazi-„Größen“ mit Verbindungen zu Bünden Namentlich genannt werden zehn Unterstützer der Neonazi-Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), der zehn Morde an neun Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin sowie mehrere Banküberfälle und Bombenanschläge zur Last gelegt werden. Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der sich derzeit u. a. wegen Beihilfe zum Mord gemeinsam mit vier weiteren Mitverschwören vor dem Oberlandesgericht München verantworten muss, habe laut dem NSU-Bericht Kontakte zu der rechten Burschenschaft „Jenensia“ aus der die spätere neonazistische Burschenschaft „Normannia Jena“ hervorging, unterhalten. Beobachter galt der wegen Körperverletzung und Nötigung an zwei jungen Frauen verurteilte Kader des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) als „eine der entscheidenden Vernetzungsfiguren der militanten Neonaziszene zum rechtskonservativen Spektrum“. Die Mitgliedschaft von NPD-„Größen“ in Burschenschaften ist hinlänglich bekannt. Die beiden sächsischen Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel und Arne Schimmer gehörten während ihres Studiums als Mitglieder und später als „Alte Herren“ der Burschenschaft „Dresdensia-Rugia zu Gießen“ an. Laut dem Störungsmelder hat sich der stellvertretende NPD-Landechef von Thüringen und Listenzweite für die Landtagswahl am 14. September, Thorsten Heise, trotz fehlender akademischer Ausbildung solch einem Zirkel angeschlossen. Dies ginge bei der „pennalen Burschenschaft Chattia Hamburg“, zu deren Reihen der sich auf einer BKA-Liste mit „nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten im NSU-Prozess“ befindende Heise gehöre. In der Vergangenheit war der bundesweit bekannte Neonazi strafrechtlich öfters in Erscheinung getreten. 1989 hat er versucht, einen Flüchtling mit einem Auto zu überfahren. Christian Kapke, der jüngere Bruder des in München angeklagten André Kapke, gehörte der Burschenschaft Normannia Jena an. Kapke, der Anfang des Jahrtausends aus der Szene ausgestiegen sein soll, hatte mit seinem Musikprojekt „Eichenlaub“ 1999 ein Lied veröffentlicht, das sich direkt an die mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe richtete. THS-Vize war Burschenschaftler in Bayreuth Erstmals offiziell erwähnt wird das Verhältnis des „THS-Vize“ Mario Ralf Brehme, der dem damaligen Anführer der militanten Neonazi-Kameradschaft, Tino Brandt, tatkräftig unter die Arme griff, zu Burschenschaften. Seit Mitte der neunziger Jahre sei der von den Behörden als „überdurchschnittlich intelligent, gerissen und ruhig“ eingeschätzte Aktivist in Burschenschaften aktiv gewesen. Während seines Jura-Studiums sei Brehme bei der völkischen Burschenschaft „Thessalia Prag zu Bayreuth“ eingezogen. Gegen Brehme wurde seinerzeit ebenso wie gegen den derzeit wegen Verdachts auf Kindesmissbrauch in U-Haft sitzenden früheren V-Mann Brandt wegen seiner Mitgliedschaft in der „Anti-Antifa-Ostthüringen“ ermittelt. Der Vorwurf lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, das Verfahren wurde allerdings eingestellt.

SPD will ungebremsten Mietpreis für Neubauten

Berlin. Von der geplanten Mietpreisbremse werden Neubauten nach den Worten von SPD-Chef Sigmar Gabriel komplett ausgenommen. Bei einer Klausurtagung der SPD-Führung am Sonnabend in Berlin habe Bundesjustizminister Heiko Maas bekräftigt, daß es bei der Debatte über eine Deckelung des Mietpreisanstieges allein um den Wohnungsbestand gehe. Ursprünglich sollte für neugebaute Wohnungen nur bei der Erstvermietung die Preisregulierung nicht gelten. (Reuters/jW)

Poroschenko will ukrainische Armee massiv aufrüsten

Merkel sagt in Kiew politische und finanzielle Unterstützung zu / Militärparade zur Feier des Unabhängigkeitstags in Kiew Berlin. Inmitten des Konfliktes mit Russland hat die Ukraine erstmals seit Jahren wieder eine große Militärparade zur Feier des Unabhängigkeitstags abgehalten. Vor zehntausenden Menschen kündigte Präsident Petro Poroschenko dabei am Sonntag an, dass er die Armee massiv aufrüsten und dafür mehr als 2,2 Milliarden Euro investieren wolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei einem Besuch in Kiew politische und finanzielle Unterstützung zu. Poroschenko warf Russland eine »Aggression« vor, das Nachbarland habe die Ukraine in einen »richtigen Krieg« gezogen. »Krieg ist über uns gekommen aus einer Himmelsrichtung, aus der wir es niemals erwartet hätten«, sagte der Präsident und gab sich zugleich optimistisch: »Ich bin überzeugt, dass der Kampf für die Ukraine, für unsere Unabhängigkeit, mit unserem Sieg enden wird.« Zur Stärkung der Armee sollten 2015 bis 2017 umgerechnet mehr als 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, kündigte Poroschenko an. »Damit können wir Flugzeuge, Hubschrauber und Kriegsschiffe modernisieren oder kaufen.« Aber auch jetzt sei in die Armee investiert worden. Eine Kolonne mit neuer Ausrüstung sei unterwegs in die Kampfgebiete im Osten der Ukraine, sagte der Präsident vor der jubelnden Menge. Bei der Militärparade rollten Panzer, Raketenwerfer und Luftabwehrsysteme durch die Straßen von Kiew. Auf dem Maidan wurde symbolträchtig die ukrainische Fahne gehisst, während die Zuschauer - viele von ihnen in den Nationalfarben blau und gelb gekleidet - die Hymne des Landes anstimmten. Die ehemalige Sowjetrepublik hatte am 24. August 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt. Die bisher letzte Militärparade aus diesem Anlass hatte es 2009 gegeben. Die Militärparade fand einen Tag nach dem Besuch von Merkel in Kiew statt, bei dem die Bundeskanzlerin unter anderem eine Kreditbürgschaft über 500 Millionen Euro zusagte. Damit sollen Projekte etwa für die Wasser- und Energieversorgung und für Schulen finanziert werden. Die Bundesregierung stelle zudem für den Bau von Flüchtlingsunterkünften 25 Millionen Euro bereit, kündigte Merkel nach einem Gespräch mit Poroschenko an. Merkel betonte, dass »die territoriale Integrität und das Wohlergehen der Ukraine wesentliche Ziele der deutschen Politik« seien. Sie forderte Russland auf, sich einem beidseitigen Waffenstillstand und einer effektiven Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze nicht zu verschließen. Notfalls werde Europa den Druck auf Moskau erhöhen: »Natürlich können wir nicht ausschließen, wenn es nicht weitergeht, dass wir weiter über Sanktionen nachdenken.« Moskau hatte die internationale Gemeinschaft am Freitag zusätzlich aufgebracht, indem es einen Hilfskonvoi für die notleidende Bevölkerung in der Ostukraine ohne das Einverständnis Kiews und des Roten Kreuzes nach Lugansk geschickt hatte. Die 227 Fahrzeuge kehrten am Samstag nach Russland zurück. In der Region von Lugansk und rings um die Rebellenhochburg Donezk gingen die Gefechte zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten am Wochenende unvermindert weiter. Dabei wurde am Sonntag in Donezk unter anderem ein Krankenhaus beschädigt. AFP/nd

Bundeswehr: Willst du mit uns spielen?

Die deutsche Armee hat Nachwuchssorgen und wirbt daher auch Kinder und Jugendliche. Das empört nicht nur Kinderschutzorganisationen, sondern selbst die Vereinten Nationen Der Bundeswehr fehlen die Rekruten. Und zwar nicht erst seit dem Aussetzen der Wehrpflicht. Doch aktuell müssen die Nachwuchssorgen bei der deutschen Armee so groß sein wie nie zuvor. Der Werbeetat ist mittlerweile auf den Rekordwert von 30 Millionen Euro geklettert. Jedes Jahr trommeln die „Karriereberater“ und „Jugendoffiziere“ auf Tausenden Veranstaltungen für die Armee – und ködern mit fragwürdigen Methoden auch Kinder und Jugendliche. Dabei hat Deutschland die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen und das Zusatzprotokoll „Kinder in bewaffneten Konflikten“ unterzeichnet. Das Anwerben von Minderjährigen ist zwar nicht ausdrücklich verboten, aber der Grundgedanke ist klar: Kinder sollten aus militärischen Konflikten herausgehalten werden. Kein Wunder, dass die Bundesrepublik jetzt für ihre Praxis mit dem zuständigen UN-Ausschuss Ärger bekommen hat. "Für einen Tag Soldat spielen" Mit welchen Methoden die Bundeswehr vorgeht, illustrieren drei Beispiele aus dem vergangenen Monat: In Oberbayern wurden Schüler in das Innere des Luftwaffen-Transportflugzeugs „Transall“ geführt. Mit dem Flieger werden Materialien zu Bundeswehreinsätzen im Ausland gebracht. Die Schüler waren gerade mal in der vierten Klasse. Für einige Neuntklässler aus Norddeutschland gab es die Zeugnisse nicht in der Schule, sondern in Wilhelmshaven an Bord der Fregatte „Hamburg“. Ausgehändigt wurden sie nicht vom Lehrer, sondern von einem Offizier. Und in der Arnulf-Kaserne in der Oberpfalz konnten 48 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 und 18 Jahren „für einen Tag Soldat spielen“, wie es im Bericht der Lokalzeitung heißt. In Uniformen kämpften sich die Minderjährigen unter simuliertem Stacheldraht durch Minenfelder und Schützengräben. Kinderhilfsorganisationen sind schon alarmiert. „Die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber“, sagt Ralf Willinger vom Kinderhilfswerk Terre des hommes. Er setzt sich seit Jahren mit der Rekrutenwerbung des Militärs auseinander: „Die Bundeswehr spricht mit ihrer Werbung gezielt die Technikbegeisterung und Abenteuerlust der jungen Leute an und lässt Schattenseiten wie die Risiken von Auslandseinsätze gezielt außen vor.“ Er kritisiert vor allem die Nachwuchswerbung in Schulen – wo sich die Kinder nicht wehren können. Die Bundesregierung ist als Unterzeichnerin der UN-Kinderrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle verpflichtet, regelmäßig über den Stand der Kinderrechte in Deutschland zu berichten. Aber auch Nichtregierungsorganisationen haben die Möglichkeit, den Vereinten Nationen einen Bericht zukommen zu lassen. Terre des hommes hat daher gemeinsam mit UNICEF Deutschland, der Kindernothilfe und weiteren Organisationen einen „Schattenbericht Kindersoldaten 2013“ veröffentlicht. Verfasst hat ihn Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Er kritisiert, dass „Werbung der Bundeswehr für ihre Einsatzpolitik im Schulunterricht durch Jugendoffiziere und Werbung der Bundeswehr für sich als Arbeitgeber im Schulalltag ineinander übergehen.“ Die „Trennung zwischen politischer Bildung und Berufsberatung“ sei bei einigen Bundeswehr-Schulveranstaltungen „gänzlich aufgehoben“. Koalition ist uneins Der Bericht kritisiert aber auch generell die jetzige Praxis der Nachwuchsgewinnung. „In Deutschland werden (…) weiterhin unter 18-Jährige rekrutiert. Freiwillige mit einem Mindestalter von 17 Jahren werden als Soldat oder Soldatin in die Bundeswehr aufgenommen, um eine militärische Ausbildung zu beginnen.“ Dabei werde jedoch gegen die „Freiwilligkeit“ verstoßen, da der Rekrut nach seiner sechsmonatigen Probezeit bei der Bundeswehr nicht mehr aus seinem langjährigen Vertrag heraus komme. Allein im vergangenen Jahr wurden laut Bundesregierung mehr als 1.000 Minderjährige an der Waffe ausgebildet. Die Regierung argumentiert, dass viele potentielle Rekruten einen anderen Arbeitgeber wählen würden, wenn sie erst mit der Volljährigkeit in die Armee eintreten dürften. Mittlerweile hat sich auch der zuständige UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes zu der Problematik geäußert. Er folgt der Argumentation der Kinderrechtler und kritisiert in seiner Stellungnahme „diverse Werbekampagnen der Bundeswehr, die speziell auf Kinder ausgerichtet sind, sowie (…) die Präsenz von Bundeswehrsoldaten an Schulen.“ Das Gremium fordert daher, „jegliche Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen zu verbieten“. Die Kinderrechtsexperten der Vereinten Nationen äußern sich zudem besorgt darüber, „dass die freiwillige Rekrutierung von Minderjährigen in die Bundeswehr für militärisches Training“ möglich ist. Sie wollen die Anhebung des Rekrutenalters auf 18 Jahre. Bei den Kinderschutzorganisationen ist die Freude nun groß. „Der UN-Ausschuss ist unseren Empfehlungen gefolgt“, sagt Willinger von Terre des hommes. Mittlerweile zeige sich auch das Verteidigungsministerium gesprächsbereit. Doch in der Sache habe es sich nicht bewegt. Offenbar scheuen Militärs und Regierungsvertreter eine öffentliche Debatte über Kinder bei der Bundeswehr. Ein offener Brief von Kinderschutzorganisationen, der Lehrergewerkschaft GEW und der kritischen Soldatenvereinigung Darmstädter Signal an Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb jedenfalls unbeantwortet. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass die schwarz-rote Koalition uneins ist. Der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels, der den Verteidigungsausschuss im Bundestag leitet, sagte im Januar: „Wir müssen dazu kommen, dass Jugendliche mindestens 18 Jahre alt sind, wenn sie ihren Dienst bei der Truppe antreten.“ Dennoch haben Union und SPD im März gegen einen Antrag der Linken-Bundestagsfraktion gestimmt, der genau das vorsah. Die Grünen enthielten sich. Solange die Armee Nachwuchsprobleme hat und die Rekrutierungspraxis nicht offensichtlich gegen Rechtsvorschriften verstößt, scheint der Bundesregierung der Schutz von Minderjährigen egal zu sein. Kinder schon im Grundschulalter für Kriegseinsätze zu begeistern und 17-Jährige an der Waffe auszubilden – das ist die Folge einer Politik, die immer mehr aufs Militär setzt und dafür auch moralische Grundsätze hinter sich lässt.

[Ketsch] Schwetzinger Zeitung macht PR für Nazi-Tätowierer

Unter der Headline „1500 Stiche pro Minute“ hat die „Schwetzinger Zeitung“ (SZ), Ableger des reaktionären „Mannheimer Morgen“, in ihrer Ausgabe vom 21. August 2014 dem Nazi-Tätowierer Marco Berlinghof eine halbe Seite redaktionelle Werbung eingeräumt. Im Regionalteil widmet „Redaktionsmitglied“ Ralf Strauch dem „sympathischen Mann“ und seinem Tattoo-Studio „Pik-Ass“ in Ketsch seine volle Aufmerksamkeit. Bei genauerer Betrachtung des „sympatischen Manns“ versinkt jedoch jegliche Sympathie in brauner Soße. „Wir fertigen nur individuelle Tattoos“, erklärt Berlinghof der SZ. Wie solche individuellen Tattoos bei „Pik-Ass“ aussehen können, ist in den Sozialen Netzwerken im Internet deutlich zu sehen: Wehrmachtssoldaten reihen sich ein in Tattoos von „heroischen“ Wikingern, der Leitspruch zur SS-Verherrlichung „Ruhm und Ehre“ findet sich neben Reichskriegsflaggen und dreigliedrigen Hakenkreuzen (Triskele) auf Körpern verewigt. Daneben finden sich zahlreiche weitere Darstellungen von Runen und anderen Symbolen mit germanisch-heidnischem Bezug. Als ein Beispiel sei hier nur der „Thorshammer“ genannt. Verwurzelt in der rechten Szene Marco Berlinghof ist ein Nazi-Skinhead wie er im Buche steht. Fest verwurzelt in der regionalen rechten Szene, macht der Faschist kein Geheimnis aus seiner Gesinnung. Berlinghof trägt gerne Klamotten der rechten Szene-Marke „Thor Steinar“ – zum Beispiel mit Motiven mit eindeutigem Bezug zur Wehrmacht. Unter der Kleidung wird es noch deutlicher: Auf der Brust trägt der Nazi in Runen geschrieben das Wort „Herrenrasse“ als Tätowierung. Daneben findet sich das SS-Symbol der „Schwarzen Sonne“ und ein „eisernes Kreuz. Auf den Armen trägt Marco Berlinghof Soldaten, Panzer und Flugzeuge der faschistischen Wehrmacht. Der Bauch wird „verziert“ von einer Stielhandgranate, wie sie im Ersten und Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite zum Einsatz kam. Abgerundet wird das „Gesamtkunstwerk vom Spruch „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“ (aus der isländischen "Edda", altgermanische Götter- und Heldenlieder). Heroisierung der verbrecherischen Wehrmacht, Glorifizierung des NS-Terrors und heidnisch-germanophile Runenmystik, die im wahrsten Sinne des Wortes "unter die Haut" gehen. Eingebunden in die regionalen Nazi-Strukturen Kontakte unterhält der Tätowierer zu zahlreichen ProtagonistInnen der regionalen rechten Szene. So zählt er unter anderem die NPD-Funktionäre Christian Hehl und Silvio Waldheim (beide Mannheim) zu seinem Bekanntenkreis. Mitglieder und Supporter der rassistischen „Hammerskins“ gehören ebenso zu seinen „Freunden“ wie langjährige AktivistInnen der militanten Nazi-Szene. Auch auf der Straße ist Berlinghof ein „gestandener Kamerad“. Er beteiligte sich in der Vergangeheit immer wieder an regionalen und überregionalen Demonstrationen der rechten Szene. Am 1. Mai 2011 marschierte er beispielsweise in Heilbronn zusammen mit anderen Nazis aus der Rhein-Neckar-Region bei der Demonstration zum „Nationalen Tag der Arbeit“ mit. Bilder dieses Aufmarschs zeigen Berlinghof neben dem verurteilten Rechtsterroristen Martin Wiese (München) und dem ehemaligen FAP-Mitglied Sascha Trautenberger - man trug dort sogar Einheitskluft. Im Jahr 2012 beteiligte sich der Tätowierer ebenfalls am Nazi-Aufmarsch zum 1. Mai, dieses Mal in Speyer. Er lief dort in einem Block mit Anhängern der „Ludwigshafener Nazis und Rassisten“ (LuNaRa) und des „Aktionsbüros -Rhein-Neckar. Bei anderen Gelegenheiten ist der Faschist mit seiner Tattoo-Crew in Sachen Eigenwerbung unterwegs. So war er im Team auf dem diesjährigen Mittelalterfest in Angelbachtal-Eichtersheim unterwegs - alle im „Pik-Ass“-Shirt. Mühe seine Wehrmacht-Tattoos auf dem Arm zu verbergen, machte sich der Nazi dort nicht. Noch im Jahr 2011 versuchte sich der Nazis mit einer eigenen Agentur für Werbe- und Medientechnik in Plankstadt. Offenbar fruchtete der Plan nicht, sich als seriöser Medienmensch zu verkaufen. Berlinghof kam bei einem Mannheimer Tattoo-Studio unter und stach bereits dort Tätowierungen mit eindeutigem rechten Bezug. Im Frühjahr 2013 eröffnete Marco Berlinghof dann in der Schwetzinger Straße 73 in Ketsch seinen Laden „Pik-Ass Tattoo“. Mittlerweile hat das Studio an fünf Tagen in der Woche geöffnet. Medien hofieren den „erfolgreichen“ Nazi-Tätowierer Der Artikel in der SZ indes ist leider kein Einzelfall. Bereits am 6. März 2012 widmete die Ludwigshafener „Rheinpfalz“ dem Nazi eine halbe Seite in ihrem Teil „Mannheim und Region“. Damals war der umtriebige Tätowierer noch für das Studio in Mannheim tätig gewesen und schaffte es mit dem Weltrekord im Dauertätowieren in die Medien. Das regionale „Rhein-Neckar-Fernsehen“ (RNF) drehte sogar einen Beitrag über Berlinghof, der am 12. März 2012 ausgestrahlt wurde. In beiden Medienberichten war wie erwartet nichts zur braunen Gesinnung des Hauptprotagonisten zu finden. Scheinbar waren die zuständigen JournalistInnen bei der vorangehenden Recherche nicht sorgfältig genug. Auffällig waren bereits zu dieser Zeit die veröffentlichten Fotos der von Berlinghof gestochenen Tattoos mit eindeutig rechter Ausprägung (s.o.). Eine genaue Studie des Portfolios des Tätowierers, der „in jeder Arbeit ein kleines Kunstwerk“ sieht, hätte einen aufmerksamen Jounalisten doch zumindest nachdenklich stimmen können. Gute Recherche sieht jedenfalls anders aus, Herr Strauch. Nach den kürzlichen rassistischen Ausfällen von Seiten des stellvertretenden Lokalchefs des „Mannheimer Morgen“, für die es sogar eine „Missbilligung“ des Deutschen Presserates gab, und der Äußerung von „Verständnis“ gegenüber der NPD durch den Lokalchef des Blattes, wundert diese erneute unreflektierte und eingefärbte Berichterstattung nicht.

Alternative für Deutschland - Vor der Spaltung

von Frank Behrmann Der Streit um die Ukraine-Krise und Sanktionen gegen Russland lässt die „Alternative für Deut- schland“ (AfD) beinahe auseinander brechen. Die Auseinandersetzung ist bei Weitem noch nicht ausgestanden. Normalerweise sind KritikerInnen der nationa- listischen AfD einem Shitstorm ihrer Anhänger- Innen ausgesetzt. Doch diesmal ist es der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke selbst, der solcher Art von den eigenen Mitgliedern traktiert wird. Insbesondere auf den Facebook-Seiten der Partei wird ihm „Verrat“ und „Anpassung“ vorgeworfen und sein Rücktritt lauthals gefordert. Befördert werden diese Attacken von den Mitgliedern des Bundesvorstands Alexander Gauland und Marcus Pretzell. Das EU-Parlament fordert Sanktionen gegen Russland… … und die AfD-Europaabgeordneten Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel, Joachim Starbatty und Bernd Kölmel stimmen dem zu. Einzig besagter Pretzell stimmte mit nein; Beatrix von Storch hatte wichtigeres zu tun als zur Parlamentssitzung zu erscheinen; Ulrike Trebesius sah sich nicht in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden, zu lang war der Resolutions-Text. Lang ist diese Resolution in der Tat – aber sie hat es in sich! Sie unterstützt die Politik des neuen Präsidenten Poroschenko und weist Russland die Alleinschuld für die Eskalation des Konflikts im Osten der Ukraine zu. Dementsprechend wird gefordert, die Ukraine seitens der EU weiterhin zu unterstützen, denn die Zusammenarbeit sei für die Ukraine die Voraussetzung, um „zu einer Modernisierung, der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Stimulierung des Wirtschaftswachstums“ zu gelangen. Gegenüber Russland werden die Sanktionen begrüßt und weitere gefordert. „Das Europaparlament … 12. begrüßt die Ausdehnung der gegenwärtigen Sanktionen auf elf weitere Personen, bei denen es sich überwiegend um Vertreter der sogenannten separatistischen Regierungen handelt; begrüßt die Vorarbeiten des Rates, des EAD und der Mitgliedstaaten für die Verhängung weiterer Sanktionen gegen Russland, die den Wirtschafts-, Finanz- und Energiesektor treffen sowie ein Embargo für Waffen und Güter mit doppeltem Verwendungszweck umfassen sollten; fordert ein kollektives Verbot des Verkaufs von Waffen an Russland und dessen rasche Einführung und Aufrechterhaltung bis zur Normalisierung der Lage in der Ostukraine“. (1) In der AfD gibt es eine Strömung, die eine engere Anbindung Deutschlands an Russland alternativ zur Westbindung befürwortet. Denn nur so könne Deutschland seine (angeblich fehlende) nationale Souveränität wieder erlangen. VertreterInnen dieser Position finden in aller Regel aber auch die Innenpolitik Putins gut – vor allem seine autoritäre Führung, das rigide Durchsetzen traditioneller Familien- und Rollenbilder und die damit einhergehende Homosexuellenfeindlichkeit. Ukraine-Beschluss des AfD-Parteitages Diesem Flügel war es beim Erfurter Parteitag am 22. und 23. Februar dieses Jahres gelungen, ein Bündnis mit bürgerlichen Kräften zu schließen, die NATO und EU nicht grundsätzlich ablehnen, aber die Rücksichtslosigkeit, mit der die EU ihre Absichten mit der Ukraine gegen Russland durchsetzt, für gefährlich und unlauter halten. Heraus kam dabei eine Ukraine-Resolution, ein Kompromiss, dem letztlich auch Bernd Lucke zähneknirschend zustimmen musste. Darin heißt es unter anderem: „In dieser instabilen Lage ist es von größter Bedeutung, keine Sanktionen zu verhängen, und keine weiteren Maßnahmen der Eingliederung der Ukraine oder Teilen davon in die EU oder in die Russische Föderation zu betreiben. Ziel muss es sein, eine Lösung zu finden, die den Frieden in Europa sichert, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und insbesondere der Bevölkerung der Krim und des ukrainischen Volkes respektiert und die völkerrechtlich akzeptabel und einwandfrei ist. Die AfD spricht sich gegen jede weitere Erweiterung der NATO nach Osten aus.“ (2) Diese Parteitagsresolution lässt keinerlei Spielraum, um aus irgendwelchen Überlegungen für Sanktionen gegen Russland zu stimmen. Und doch taten das vier der sieben AfD-Abgeordneten. Die Bereitschaft in der Partei, die Führung „machen zu lassen“, ist außergewöhnlich groß, doch das ging zu weit! Nachdem sich zunächst niemand für die EU-Resolution, die bereits am 17. Juli abgestimmt worden war, interessiert hatte, brach ein Sturm der Entrüstung los, als jemand am 18. August diese Resolution auf der AfD-Facebook-Seite gepostet hatte. Erst einmal wurde wie üblich reagiert: Das stimmt alles nicht… Der Resolution haben unsere Abgeordneten niemals zugestimmt… und dergleichen mehr. Aber das Abstimmungsverhalten im EU-Parlament wird öffentlich dokumentiert (3), und so wurde nach und nach klar, dass die vier Abgeordneten sich dort gegen ihre Partei gestellt hatten. Jetzt legte Alexander Gauland, als Bismarck-Fan überzeugt, dass Deutschland eine Großmachtstellung am Besten durch ein Manövrieren zwischen den großen Blöcken erlangt, via „Junge Freiheit online“ (19.8.) los: „Über diesen Vorgang werden wir reden müssen. Ich halte die Abstimmung für völlig falsch und empfinde sie als sehr unloyal gegenüber der Parteibasis.“ Er sei über den Vorgang so verärgert gewesen, dass er kurzzeitig überlegt habe, die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl in Brandenburg niederzulegen, berichtet die JF weiter. (Das hat er leider dann doch nicht getan.) Lucke in der Defensive: Erklärungsversuche Nach den erwähnten heftigen Wutausbrüchen und Beschimpfungen in den Sozialen Netzwerken, bei denen kaum ein Mitdiskutant die vier Abweichler verteidigte, erklärte sich einen Tag später Lucke auf der AfD-Facebook-Seite (20.8.) – ohne Überzeugungskraft, aber auch ohne Einsicht. „Zu der Diskussion um die Ukraine-Resolution des Europäischen Parlaments möchte ich bemerken, dass ich uneingeschränkt hinter dem Erfurter Parteitagsbeschluss … stehe. Insbesondere halte ich Wirtschaftssanktionen gegen Russland auch in der jetzigen Lage für kontraproduktiv und konflikteskalierend. Gleichwohl müssen die Staaten der Europäischen Union angemessen reagieren können, wenn der Konflikt etwa durch eine militärische Intervention Russlands in der Ostukraine zu einem offenen Krieg würde. … Es trifft im übrigen nicht zu, dass die Resolution des Europäischen Parlaments die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gefordert hat. In Ziffer 12 der Resolution wird vielmehr nur die Vorbereitung von Sanktionen befürwortet, während ´weitreichende Konsequenzen` (sprich: die Verhängung von Wirtschaftssanktionen) ausdrücklich auf den Fall bezogen werden, dass Russland weitere Schritte zur Destabilisierung der Ukraine unternimmt.“ Das ist schlichtweg unwahr und widerspricht dem Wortlaut der Resolution, die weiter oben zitiert wurde. Das war zu dürftig, sogar für die gutgläubigsten AfD-AnhängerInnen. Selbst seinen expliziten UnterstützerInnen wurden hiermit keine Argumente, um ihn weiter zu verteidigen, an die Hand gegeben. Und so wirkte diese persönliche Erklärung konflikteskalierend, um mit Luckes Worten zu reden. Marcus Pretzell, für die AfD im EU-Parlament, im AfD-Bundesvorstand und Landesvorsitzender NRW, gewählt insbesondere von den Parteirechten, tutete ins selbe Horn wie Gauland. Ebenfalls am 19.8. erschien auf seiner Facebook-Seite seine Erklärung. Dazu ein großes Portraitfoto von ihm vor blauem Hintergrund mit der Parole: „Ja zum Parteitagsbeschluss. Nein zu Sanktionen.“ Auch die drei Spitzenkandidaten jener Landesverbände, bei denen Ende August und Mitte September Landtagswahlen anstehen, Frauke Petry/Sachsen, Björn Höcke/Thüringen und Gauland/Brandenburg, distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung implizit von Lucke, Henkel und Co. Lediglich Henkel stand zu seinem Abstimmungsverhalten. Über „Welt online“ (19.8.) erklärte er, die AfD sei eine Partei, „die von Vernunft bestimmt und meist von Vernünftigen vertreten wird … Dazu gehört, dass wir keinem stumpfen Kadergehorsam folgen, sondern unseren Menschenverstand pflegen.“ Die Abstimmung im Europa-Parlament sei ein „schönes Beispiel für gelebte Meinungsfreiheit in der Partei“. Ansonsten hält er sich wie immer aus den Zankereien der Partei ´raus, deren Vizevorsitzender er ist. Einen Tag später ließ Beatrix von Storch ihre Internetzeitung weiteres Öl ins Feuer gießen. Unter dem Titel „AfD-Basis empört über Bernd Lucke“ geht es auf dem Blog „Freie Welt“ um dessen Zustimmung zur Ukraine-Resolution. Luckes Ausflüchte werden hier kaum gewürdigt, stattdessen kommt sein innerparteilicher Kritiker Gauland zu Wort. Über die (seinerzeit abwesende) Abgeordnete Beatrix von Storch heißt es, „sie hätte ganz klar ebenfalls mit Nein gestimmt. Und (sie) fügte hinzu: ´Und seien Sie gewiß: Ich stehe zu meiner Meinung und stimme auch danach ab.`“ Wie anders denn als Seitenhieb gegen Lucke soll der letzte Satz zu verstehen sein? Beispielhaft für die Stimmung an der Basis ist der AfD-Kreisvorstand Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: „Wir … verurteilen aufs Schärfste jegliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland. ... Wir befinden uns mitten im Wahlkampf und haben bereits einige Absagen von Wahlhelfern erhalten, welche entrüstet über das Abstimmungsverhalten eines Teiles unserer EU-Abgeordneten sind.“ Und der Landesverband Baden-Württemberg hat eine Online-Abstimmung zur Frage „Sanktionen gegen Russland“ mit über 1300 Teilnehmern durchgeführt: 14 Prozent für, 84 Prozent gegen Sanktionen. Der Lucke-Flügel scheint in dieser Frage marginalisiert zu sein. Warten auf den „großen Knall“ Allerdings blieb der „große Knall“ – Spaltung der Partei oder Absetzung Luckes – bisher aus. Das hat seinen Grund darin, dass die AfD bei den drei anstehenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands sehr gute Chancen hat, erstmals in Länderparlamente gewählt zu werden. Und die sollen nicht gefährdet werden – das ist das letzte einigende Band zwischen den Flügeln. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Nach diesen Wahlen dürfte es erneut rund gehen. Eine Entscheidung, welche Richtung die AfD einschlägt (konservativ-bürgerlich, eine rechte CDU ohne Euro oder rechtspopulistische Haudrauf-Partei) steht bevor. Politisch befindet sich die AfD in einer Zwickmühle, aus der es kein Entrinnen gibt. (4) Die AfD ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher politischer Strömungen. Das Spektrum reicht von politisch eher Liberalen über die sehr konservative Parteiführung bis zu rechtspopulistischen Kräften. Zusammen gehalten wurde das Ganze lange Zeit von der nationalistisch grundierten Euroablehnung. Dieses Thema verliert mit dem Abflauen der Finanzkrise seine Bindekraft. Andere Fragen stehen auf der Tagesordnung – und hier beginnen die Dissonanzen. Neben der Frage der Westbindung und der Haltung zu internationalen Konflikten gehen Differenzen darum, wie weit die Partei ihren Rassismus treiben will. So hat Lucke erklärt, dass zur Religionsfreiheit auch das Recht gehöre, in Deutschland Moscheen zu errichten – was zu großer Empörung in der Partei führte; speziell in den ostdeutschen Landesverbänden wären solche Töne undenkbar. Oder um die Frage, ob im Europaparlament weiterhin in der ECR-Fraktion der britischen Konservativen mitgewirkt werden soll oder lieber bei den Anti-EU-Lautsprechern der britischen United Kingdom Independent Party. Dieser Spagat wird kaum auszuhalten sein. Um die Parteirechten einzubinden, müsste die AfD noch deutlicher nach rechts verschoben und in Sachen Rassismus und Nationalismus das Versteckspielen aufgeben werden. Aber das Ziel der bürgerlich-konservativen Kräfte in der Partei ist zweifellos eine Koalition mit der CDU und damit die Machtbeteiligung. Das setzt wiederum voraus, dass die AfD in ihren politischen Äußerungen nicht zu weit nach rechts rückt und etwa die NATO-Mitgliedschaft nicht in Zweifel zieht. Wie weiter? Drei Optionen für die AfD: Die Rechtsaußen setzen sich durch, indem sie die Dynamik ihres jetzigen Bündnisses mit Teilen der Parteiführung nutzen, um den bisherigen Führungszirkel – Lucke, Konrad Adam, Henkel, Petry – durch einen neuen zu ersetzen – z.B. Pretzell, Gauland, von Storch, eventuell zuzüglich der anpassungsfähigen Petry. Ob sich die AfD allerdings ohne ihre Medienlichtgestalt Lucke dauerhaft im Parteiensystem zu etablieren vermag, ist zweifelhaft. Einerseits gibt es, von Umfragen immer wieder bestätigt, ein konstantes Potential rechts der CDU. Andererseits sind alle bisherigen derartigen Versuche gescheitert. Zudem dürften viele jener Mitglieder, die auf bürgerliche Reputation wert legen, die Partei verlassen, was einen zusätzlichen Aderlass an öffentlich wahrgenommener Seriosität mit sich brächte. Die bisherige Parteiführung setzt sich durch, eventuell durch einen erneuerten Kompromiss mit den noch konservativeren Leuten als Lucke (Gauland, von Storch). Diese Konstellation böte am ehestens die Möglichkeit, in absehbarer Zeit auch einmal an einer Regierung als Juniorpartner beteiligt zu werden. Wenn die RechtspopulistInnen (und die noch weiter rechts von ihnen Stehenden) die Partei in Scharen verließen, wäre das ein erheblicher Verlust an aktiven Mitgliedern, und eventuell entstünde eine neue Partei, die der AfD Wählerinnen abspenstig machen könnte. Andererseits entfielen die ständigen Störfeuer, die die AfD stark belasten würden, wenn dieser Flügel in der Partei verbliebe, was ebenfalls denkbar ist, da er außerhalb der AfD politisch kaum noch wahrgenommen werden würden. Bernd Lucke ist derart angeschlagen, dass er der Partei keine Richtung mehr vorgeben könnte. Denkbar wäre dann, dass er, vor allem wegen des großen Einsatzes den er bisher für die AfD erbracht hat, sich der rechtspopulistischen Mehrheit unterwürfe und als politisch wirkungslose Galionsfigur Vorzeige-Vorsitzender bliebe. Sein einmal formuliertes Ziel, eines Tages Wirtschaftsminister zu werden, könnte er dann aber genau so abschreiben wie den Rest an bürgerlicher Reputation, der ihm jetzt noch verblieben ist. Schöne Aussichten, also! (1) www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2014-0009+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE (2)www.alternativefuer.de/programm-hintergrund/hintergrundinformationen/aussenpolitik/ukraine-resolution-der-afd Hervorhebung von mir (3) www.votewatch.eu (4) siehe den Artikel zur Europawahl auf diesen Seiten: www.scharf-links.de/40.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=44875&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=a6ea7760b0 VON: FRANK BEHRMANN

Wenn der Kampf zum Krampf um die Straße wird

Der Kampf um die Straße wird für Neonazis zunehmend zum Krampf. Konnten vor Jahren noch Tausende Rechtsextreme ungehindert beispielsweise durch Dresden marschieren, organisieren sich heute selbst in der Provinz Initiativen gegen braune Demos. Wie soll es nun weitergehen? – darüber streiten Neonazis nun. Könnte die Erfolgslosigkeit einige weiter radikalisieren? Von Patrick Gensing Der Kampf um die Straße gehört neben dem Kampf um die Parlamente und den Kampf um die Köpfe zu den Eckpfeilern der rechtsextremen Strategien. Aufmärsche sollen die Szene zusammenschweißen, ein Emotionskollektiv schaffen und nach außen Stärke demonstrieren. Doch angesichts der kontinuierlichen Gegenproteste, des politischen Widerstands und stagnierender Teilnehmerzahlen wird nun in der Szene einmal mehr über die Frage nachgedacht, was mit den Aufmärschen eigentlich erreicht werden soll. Anlass der aktuellen Debatte war ein Beitrag auf Publikative.org. Felix Steiner hatte über den alljährlichen Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf berichtet: Blickte man gestern in die Gesichter einiger Neonazis, waren diese doch alles andere als erfreut über den lauten Protest, der ihre Kundgebung am Wincklerbad einrahmte. Wer mehr als zehn Meter vom Lautsprecherwagen weg stand, konnte von den Reden kaum etwas verstehen. Der Soundtrack zur Veranstaltung, welcher von den Gegendemonstranten gestellt wurde, war – wie in den letzten Jahren auch – das Lied der Schlümpfe. Obwohl die Neonazis ihre Kundgebung wieder direkt vor dem Wincklerbad abhalten konnten, dürfte bei realistischer Betrachtung eine Demonstration mit 190 Teilnehmern wohl kaum als Erfolg zu werten sein. Dazu veröffentlichte Felix auf unserer Facebook-Seite ein Foto, das die Neonazis nachhaltig ärgert. Darauf zu sehen ist ein Transparent des “Nationalen Wiederstands”, der sich dem Schutz der deutschen Kultur verschrieben hat, aber nicht einmal den eigenen Namen korrekt schreiben kann. Auf den Seiten des “Freien Netz Jena” schreiben Neonazis dazu, seit Jahren sei zu beobachten, dass die Teilnehmerzahlen zurückgingen. Und weiter: Ein Artikel auf dem linken Blog Publikative.org zu diesem Thema gab dann auch den Anlass zu diesem Text. Leider sind nicht nur sinkende Teilnehmerzahlen, sondern vielmehr auch sinkende Qualität der Teilnehmer zu beobachten (siehe das Transparent “Nationaler Wiederstand” in Bad Nenndorf).” Trotz diesen Trendes sei leider kein wirklicher Strategienwechsel oder eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu beobachten, vielmehr werde fleißig weiter angemeldet. Zwar wird die Frage aufgeworfen, wer oder was mit Aufmärschen erreicht werden soll, doch dass die Verfasser des Beitrags selbst ziemlich ratlos sind, wird aus solchen Sätzen ersichtlich: “Die Wichtigkeit der Themen, welche auf die Straße getragen werden sollen, wollen wir gar nicht bezweifeln oder schlecht reden und gänzlich auf Demos zu verzichten ist auch keine Lösung. Aber auch hier sollten die Konzepte und Strategien dringendst überdacht werden. Man muss sich immer vor Augen halten, wen man erreichen will? Will man sein eigenes Ego stärken? Oder will man den Menschen vor Ort erreichen?” Solche Ausführungen legen den Schluss nahe, dass man die Neonazi-Szene nicht überschätzen sollte, was das Niveau von Strategiedebatten angeht. Anstatt eine halbwegs realistische Analyse des Mobilisierungspotentials von Themen mit NS-Bezug zu versuchen, wärmen die Rechtsextremen einmal mehr die Diskussion über das Erscheinungsbild bei Aufmärschen auf: So sollte doch die Ordnertruppe in der Lage sein die Plakate im Vorfeld zu überprüfen und so sollte eigentlich jedem Demoteilnehmer klar sein, daß Coca-Cola sich nicht als Getränk auf einen Trauermarsch gegen die Besatzer eignet. Ich bin auch der Meinung, daß volltätowierte Kameraden nichts auf einem Gedenkmarsch zu suchen haben, entweder werden die Tätowierungen durch die Bekleidung abgedeckt oder die Teilnahme wird verwehrt! Und wer so hohl ist und sich im Gesicht oder auf dem Kopf tätowiert hat, der kann Zuhause zu bleiben, auf solche Typen kann man verzichten. Der politische Soldat als Sperrspitze der Bewegung – dieses elitäre Selbstbild verbunden mit der Verachtung des Pöbels in den eigenen Reihen zieht sich durch die Geschichte der extremen Rechten – und stößt auch heute auf Zuspruch in dem Milieu. Besonders die Aktionsform der Autonomen Nationalisten sorgt seit Jahren für Kontroversen. In der aktuellen Diskussion beklagte ein Neonazi in einem Kommentar, dass die heutigen Kameraden äußerlich kaum vom linksextremen schwarzen Block zu unterscheiden seien. Ein anderer Neonazi kommentiert: “Dann dazu noch dieses ekelhafte und bizarre Auftreten. Glatzen, schwarz gekleidet, fette Hirnis, amerikanische Kleidung, dumme T-Shirts usw., langhaarige Black Metal- Spastis, Skinheads.” Seine Lösung: “Lasst es sein, auch wenns gut gemeint ist. Kauft euch ein Janker, ein Anzug, Einstecktücher, Hüte, usw.” Ein anderer pflichtet bei: “Wenn wir uns optisch abgrenzen wollen, sollten wir das mit einem korrekten Haarschnitt, allgemeinen gepflegtem Optischen und ggf. mit traditioneller Kleidung tun. Diese subkulturelle Kacke sollten wir uns schenken!” Etwas konkreter wird ein Neonazi aus Sachsen, wo die NPD seit 10 Jahren im Landtag sitzt, der die mühselige kommunale Verankerung weiter vorantreiben will: Mal als Gruppe einen Spielplatz, einen Park o.ä. säubern und nebenbei Leute ansprechen. Kurzzeitige Autokorso. rein in eine Stadt (Markt) zwei, drei Leutchen verteilen, zwei sichern ab. Regelmäßig zu den Bürgerfragestunden der Stadtrats- und Kreistagssitzungen gehen und vor Ort und öffentlich regionale Probleme ansprechen. Kostenlose Lebensmittelverteilung (siehe JN Mittelsachsen auf Fratzenbuch) an bedürftige Deutsche durchführen. In Gemeinden mal die Kriegsdenkmale säubern und pflegen…und dergleichen mehr. Der Kommentator scheint übrigens ein semiprofessioneller Forentroll zu sein, fordert andere Rechtsextreme dazu auf, ebenfalls im Netz massenhaft zu kommentieren und gibt Einblicke in seine eigene Arbeitsweise: Wenn jeder 2-3 Kommentare täglich bei Nachrichtenportalen (Welt, Zeit, Spiegel Online) oder in Foren (Youtube, Facebook,) schreibt hat das durch das Electronic Word of mouth eine hundertfach größere Reichweite. Diverse Kommentare kann man auch abspeichern und braucht sie nur zu kopieren. Es kostet kein Geld, nur wenige Minuten Zeit täglich. Die einen wollen also vor Ort kleinteilige Arbeit verrichten und so Sympathien sammeln, andere wollen sich ein flottes Hemd anziehen, wieder andere wollen die Hassblase im Netz weiter aufpusten. Einigen ist das aber alles zu mühevoll und langweilig – und fordern ein radikaleres Auftreten. So kommentierte ein weiterer Neonazi: Wir sprechen die Masse nicht an,sondern wir vergraulen sie. Das wiederum liegt zum Einen daran das wir nicht als Nationalsozialisten auftreten sondern als Subkultur. Zum anderen steht für mich fest,das die Masse einfach geistig nicht in der Lage ist uns auch nur ansatzweise zu verstehen. Die Gehirnwäsche ist vollendet, das ist Fakt. Da der Kampf um die Köpfe also nicht mehr zu gewinnen sei, brauche die Bewegung einen “radikalen Strategiewechsel”: Wir müssen vom nationalen Wiederstand [sic!] zum nationalen Angriff übergehen. Es ist an der Zeit die Spreu vom Weizen zu trennen.Wer heute noch nicht aufgewacht ist der wird auch morgen noch tief und fest schlafen. [...] Wir brauchen nicht tausend verschiedene Grüppchen sondern eine Armee. Ähnliche Debatten werden seit Jahrzehnten in der extremen Rechten geführt. So tauchte bereits 1975 Manfred Roeder mit 120 einheitlich schwarz gekleideten Neonazis auf Demos auf, um einen radikaleren Kurs in der Demonstrationspolitik einzuleiten. Roeder, der im Juli gestorben ist, entwickelte sich danach zum Rechtsterroristen, 1978 ging er in den Untergrund, um einer Haftstrafe zu entgehen. Er reiste unter anderem nach Damaskus, Teheran und Südafrika und suchte dort Bündnispartner. In Beirut besuchte er die PLO und präsentierte sich als Vorkämpfer gegen den Zionismus. Anfang 1980 erhielt er Asyl im Iran, reiste aber mit falschem Pass wieder in die Bundesrepublik ein und gründete die terroristische Vereinigung „Deutsche Aktionsgruppen“, die bemerkenswerte Ähnlichkeiten zum Konzept des NSU aufweisen. So wurden Bombenanschläge verübt – unter anderem in Hamburg und Baden-Württemberg, bei denen zwei Menschen getötet und mehrere verletzt wurden. Finanzieren sollten sich die Terrorzellen durch Banküberfälle, eingesetzt wurden von den Rechtsterroristen auch Rohrbomben. Die NSU-Zelle schlug ebenfalls in Hamburg und Baden-Württemberg zu, verübte zudem zahlreiche Banküberfälle – und auch bei Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren Rohrbomben gefunden worden, der Sprengstoff stammte aus Bundeswehr-Beständen. Wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde Roeder 1982 zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und 1990, nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe, wegen “guter Führung und günstiger Sozialprognose” wieder entlassen. Klappte nicht ganz: 1996 stand Roeder dann wieder vor Gericht – vor dem Gebäude demonstrierten unter anderem Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt sowie Ralf Wohlleben. Roeder kandidierte 1998 für die NPD in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Landeschef Eisenecker hieß, der wiederum 1999 von Beate Zschäpe kontaktiert wurde. Wer wenig hat, riskiert besonders viel Damals war Roeder ein Idol für den militanten Flügel der Bewegung, auch für Böhnhardt und Mundlos. Ihre Morde wurden in der Neonazi-Szene bereits vor Jahren gefeiert. Die derzeitige strategische Ratlosigkeit in der Neonazi-Szene ist zwar durchaus ein Grund zur Freude. Doch die Gefahr einer weiteren Radikalisierung wächst immer dann, wenn die Perspektivlosigkeit groß ist und eine Bewegung besonders wenig zu verlieren hat. Gewalt war, ist und bleibt ein immanenter Teil der Ideologie der Ungleichwertigkeit und bietet den Neonazis stets eine Handlungsoption; auch wenn es die letzte ist.

Situation am Arbeitsmarkt für Ältere nach wie vor schlecht

Ältere Arbeitslose beenden ihre Arbeitslosigkeit wesentlich seltener aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt als jüngere (15 bis 54 Jahre). Bei nur 19,4 Prozent der über 55-Jährigen, die im Jahr 2013 aus der Arbeitslosenstatistik abgingen, war der Grund dafür ein neuer Arbeitsplatz. Bei den unter 55-Jährigen hingegen war im Jahr 2013 eine Arbeitsaufnahme auf dem ersten Arbeitsmarkt mit 29,9 Prozent der Hauptgrund für die Beendigung ihrer Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit Älterer (55 Jahre und älter) ist zudem bundesweit von 427.130 im Jahr 2008 auf 572.965 in 2013 angestiegen (aktueller Juliwert 579.380). Auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den älteren Arbeitslosen insgesamt ist mit 49,5 Prozent im Juli 2014 wesentlich höher als der Anteil der Langzeitarbeitslosen allgemein an der Zahl der Arbeitslosen insgesamt mit 37 Prozent. Ältere Menschen (55 Jahre und älter) sind auch wesentlich länger arbeitslos als jüngere Arbeitslose (15 bis 54 Jahre). So betrug im Juli 2014 die durchschnittliche bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit der Älteren bundesweit 655 Tage, bei den jüngeren sind es 436 Tage. Ältere Arbeitslose sind im Durchschnitt besser qualifiziert als jüngere (15 bis 54 Jahre). Verfügten im Juli 2014 33,7 Prozent der arbeitslosen über 55-Jährigen über keine abgeschlossene Berufsausbildung, waren es bei den unter den 55-Jährigen hingegen 48,1 Prozent. 55,5 Prozent der älteren Arbeitslosen hatten eine abgeschlossene betriebliche/schulische Ausbildung vorzuweisen, bei den unter 55-Jährigen waren es 42,8 Prozent. Dies geht aus der Antwort der Bundesagentur für Arbeit zur Situation von älteren Menschen am Arbeitsmarkt auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann hervor. Die stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE erklärt dazu: "Ältere Arbeitslose und ältere Arbeitnehmer sind nach wie vor die großen Verlierer am Arbeitsmarkt. Weder bei den Arbeitgebern hat ein Umdenken statt gefunden, auch Älteren verstärkt eine Chance zu geben, noch bei der Bundesregierung, die die Beschäftigungssituation von Älteren gebetsmühlenartig schön redet. In den letzten Jahren hat sich die Situation für ältere Arbeitslose drastisch verschlechtert. Dabei ist das Ausmaß der Arbeitslosigkeit Älterer sogar noch stark unterzeichnet. Mittlerweile werden 162.862 über 58jährige Hartz IV-Empfänger aufgrund einer gesetzlichen Regelung nicht als arbeitslos gezählt, weil das Jobcenter ihnen ein Jahr lang kein Jobangebot gemacht hat. Im Zuge dieser Sonderregelung gelten zunehmend mehr ältere Hartz IV-Empfänger nicht mehr als arbeitslos, allein im Vergleich zum Vorjahr 11,2 Prozent mehr." Sabine Zimmermann weiter: "Die Bundesregierung muss endlich aufhören, die Augen vor der Realität zu verschließen. Für ältere Arbeitslose muss dringend mehr getan werden. Es müssen deutlich mehr Mittel für Unterstützungsleistungen für erwerbslose Menschen zur Verfügung gestellt werden. In den letzten Jahren hat ein enormer Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik stattgefunden, den auch die aktuelle Bundesregierung fortsetzt. Dass derzeit über 58-Jährige Hartz IV-Bezieher per gesetzlicher Regelung aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen werden, wenn ihnen ein Jahr lang kein Jobangebot gemacht wurde, ist ein Anreiz zur Nichtförderung und dient einzig und allein der Bereinigung der Statistik. Anstatt Ideenreichtum bei der Nichterfassung von Arbeitslosigkeit an den Tag zu legen, muss es um das effektive Bekämpfen der Arbeitslosigkeit gehen. Die anhaltende Sparpolitik der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik ist aber genau der falsche Weg. Anstatt sich über einen Fachkräftemangel zu beklagen, sollten die Arbeitgeber stärker als bislang die Einstellung von älteren Arbeitslosen in Erwägung ziehen und deren Potenzial nicht länger brach liegen lassen. Es passt auch nicht zusammen, dass es einerseits Kritik der Arbeitgeber an der Rente mit 63 gibt, andererseits immer mehr Ältere arbeitslos werden. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Arbeitslosigkeit von Älteren wird auch noch einmal die Rente ab 67 ad absurdum geführt und entpuppt sich als das, was sie wirklich ist, nämlich eine reine Rentenkürzung." linksfraktion.de, 25. August 2014

Teenager-Soldaten für die Bundeswehr

Berlin. Um den Bedarf an Soldaten zu decken, greift Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auch auf Minderjährige zurück - auch 17-Jährige werden an der Waffe ausgebildet. Die Linke kritisiert die Praxis und spricht von "Doppelmoral." Von Gregor Mayntz Diese werden sogar an der Waffe ausgebildet, wie die Bundesregierung in der Antwort auf eine Anfrage der Linken bestätigte, die unserer Zeitung vorliegt. Allein im Jahr 2012 wurden nach nach Angaben der Bundesregierung 1216 freiwillig Wehrdienstleistende und Zeitsoldaten unter 18 Jahren eingestellt. Die Praxis erscheint der Linken-Verteidigungsexpertin Katrin Kunert höchst problematisch angesichts der weltweiten und unter deutscher Federführung stehenden Anstrengungen, die Rekrutierung von Kindersoldaten zu verhindern. Mit ihrer "Doppelmoral" erweise die Regierung dem Anliegen einen Bärendienst, kritisierte Kunert. Der UN-Ausschuss für die Rechte der Kinder habe Berlin schon 2008 aufgefordert, das Mindestrekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Wie aus Angaben der Bundesregierung hervorgeht, werden im großen Stil bereits 16-jährige Mädchen und Jungen angeschrieben und auch Bewerbungen von 16- und 17-Jährigen entgegengenommen. So verzeichnete die Bundeswehr zum 10. Juni 2013 allein 48 Bewerber im Alter von 16 Jahren, die bereits an einer Tauglichkeitsuntersuchung teilgenommen hatten. Weil die Entscheidung über den Berufswunsch nicht erst am 18. Geburtstag eingeleitet werde, seien "personalwerbliche Maßnahmen auch auf den Personenkreis der Jugendlichen abgestimmt", heißt es in der Stellungnahme des Verteidigungsministeriums. Dieser Umstand stelle in einer Gesellschaft, die von der frühen Reife und Mündigkeit ihrer Jugend überzeugt sei, "keine kritikwürdige Praxis" dar. Die Bundesregierung versichert, dass Deutschland den Einsatz von Minderjährigen in bewaffneten Konflikten ächte und ein entsprechendes Protokoll zur Kinderrechtskonvention ratifiziert habe. Das Engagement sei für die Bundesregierung von großer Bedeutung, zumal Deutschland im internationalen Vergleich eine Vorbildfunktion habe: Der Schutz minderjähriger Soldaten werde "streng eingehalten" und unter "strenger Aufsicht" umgesetzt. Dabei handele es sich um die Beschränkung des Waffengebrauchs auf Ausbildungszwecke und um das Verbot, vor Vollendung des 18. Lebensjahres an Auslandseinsätzen teilzunehmen. Keine Zahlen liefert die Bundesregierung auf die Frage Kunerts, wie viele als Minderjährige eingestellte Soldaten bereits mit 18 Jahren in Auslandseinsätze geschickt werden. Und auch zu der Frage, ob diese häufiger als andere mit posttraumatischen Belastungsstörungen zurückkommen, hat die Bundeswehr keine Daten vorliegen. Kunert kritisierte die Ahnungslosigkeit bei dieser "besonders bedenklichen Praxis". Kunert greift auch die Absicht von der Leyens auf, die Bundeswehr familienfreundlicher zu machen: "Der beste Schutz für Familien wäre, Minderjährige nicht mehr für militärische Zwecke zu rekrutieren und Auslandseinsätze der Bundeswehr umgehend zu beenden", erklärt die Linken-Politikerin. Quelle: RP

Nicaraguas Präsident Ortega kündigt Hilfe für Gaza-Streifen an

Managua. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega hat erklärt, dass seine Regierung die Möglichkeit erörtert, wegen der israelischen Angriffe eine Medizinerbrigade in den Gaza-Streifen zu schicken. Bei einer Rede zum 35-jährigen Bestehen des Medizinischen Korps der Streitkräfte auf dem Platz der Revolution in Managua sagte er, die Brigade könne über Ägypten in den Gaza-Streifen einreisen. Die medizinische Hilfe solle die Solidarität des nicaraguanischen Volkes mit den Palästinensern deutlich machen. Dies sei alles was man tun könne, da man keineswegs eine Konfrontation mit Israel wolle. Nicaragua werde weiter versuchen, die Lage zu erleichtern und die Respektierung der Beschlüsse der Vereinten Nationan einzufordern. Diese müssten in die Praxis umgesetzt werden, damit der palästinensische und der israelische Staat sich "in Sicherheit entwickeln" könnten, "weil beide Völker das Recht dazu haben, das wissen wir und erkennen wir an", so Ortega. In seiner Rede griff Nicaraguas Präsident auch die Äußerung von Papst Franziskus auf, der zu Beginn der Woche vom "bereits stattfindenden dritten Weltkrieg" gesprochen hatte. Die Militäroffensive Israels sei Teil davon, sagte Ortega. In den vorangegangenen Weltkriegen seien sich zwei genau definierte Blöcke gegegenüber gestanden, heute finde der Konflikt an verschiedenen Punkten und mit verschiedenen Motivationen statt. Die Hauptverantwortlichen seien die USA und die europäischen Staaten. Eines der Schlachtfelder sei der Irak. Die USA hätten dort unter dem Vorwand der Existenz von Massenvernichtungswaffen interveniert. Diese Kriegsfront bestehe trotz des Rückzugs der USA weiter: Heute bombardiere die US-Luftwaffe erneut das Land, um gegen Jihadisten vorzugehen, die ein Produkt der vorangegangenen Kriege in der Region seien. Auch für die Zerstörung Libyens seien die NATO-Staaten verantwortlich. Dort bekämpften sich jetzt "Banden jeder Art gegenseitig". Der Krieg gegen Libyen sei eröffnet worden, um die Regierung von Muammar al-Gaddafi zu beseitigen, mit dem die NATO-Länder früher gute Beziehungen gehabt hätten. Was die Ukraine-Krise angehe, so habe der "Hochmut der Großmächte" diese neue Kriegsfront provoziert, wo eine Verfolgung der russischen Bevölkerungsteile begonnen habe. Der Papst habe Recht, der dritte Weltkrieg werde in all diesen Ländern "erlebt und erlitten." Statt den Weg des Dialoges, der Verhandlung und der Achtung der Institutionen zu suchen, stürzten die Verantwortlichen sich "in Abenteuer und glaubten, dass es leicht wäre, alle diese Länder unter ihre Kontrolle zu bekommen", so Ortega. (rlp)

Zusatzbeitrag auch für Hartz IV Bezieher?

Wie Harald Thomé von Tacheles eV berichtet, hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine neue Weisung herausgegeben. Dieses mal zur Einkommensanrechnung § 11, 11a 11b SGB II. Beachtenswert darin ist die Randziffer (Rz. 11.130). Die BA beschäftigt sich mit den zu erwartenden Zusatzbeiträgen der gesetzlichen Krankenkassen. Sehr viele Krankenkassen werden im kommenden Jahr sogenannte Zusatzbeiträge verlangen. Diese werden praktisch zu den Pflichtbeiträgen pauschal erhoben und gelten unabhängig vom Einkommen des Versicherten ebenfalls als Pflichtbeitrag. Der zusätzliche Beitrag kann zwischen 5 und 20 Euro liegen. In der Regel werden 8 Euro erhoben. Es gibt folgendes laut Thomé zu beachten: „1. Pflichtbeiträge fallen nicht unter die Versicherungspflicht von SGB II – Beziehern nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V. Was so viel heißt, dass das Jobcenter zahlt nicht automatisch zahlt. 2. Wenn der SGB II-Bezieher über anzurechnendes Einkommen verfügt, dann ist der Zusatzbeitrag in tatsächlicher Höhe von Einkommen abzusetzen (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Die Forderung des Wechsels zu einer zusatzfreien KV ist rechtswidrig (sieht auch die BA so in ihrer Rz. 11.130). 3. Wenn Erwerbseinkünfte oberhalb von 100 EUR erzielt werden, ist der Zusatzbeitrag nicht in den 100 EUR Grundfreibetrag enthalten, sondern zusätzlich davon abzuziehen (ergibt sich aus der Aufzählung in § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II was im Grundfreibetrag enthalten ist). 4. Wenn kein Einkommen vorhanden ist muss der Zusatzbeitrag über § 26 Abs. 1 SGB II bedarfserhöhend berücksichtigt werden.“ Wie schon einmal ist davon auszugehen, dass in den Jobcenter wieder rechtswidrige Aussagen getätigt werden. Zudem hat auch die Bundesagentur für Arbeit nicht alle Varianten in ihrer Weisung berücksichtigt. Noch ist nicht klar, welche Kassen einen Zusatzbeitrag erheben werden. Gesundheitsexperten gehen allerdings davon aus, dass besonders kleinere Krankenkassen auf diese zusätzlichen Beiträgen angewiesen sein werden. (sb)

Gleichsetzung der Linkspartei mit AfD und NPD ist Grenzüberschreitung

Stanislaw Tillich ließ sich im Artikel "Endspurt im Ferienwahlkampf" der WELT vom heutigen Tage wie folgt zitieren: "Die AfD ist sehr populistisch unterwegs, gerade wenn es um Europa geht. In ihrer Rhetorik unterscheidet sie sich kaum von Linkspartei und NPD." Dazu erklärt Antje Feiks, Landesgeschäftsführerin der sächsischen LINKEN: "Mag sein, dass Wahlkampfzeit ist. Mag sein, dass man da auch zuspitzt. Und mag auch sein, dass es der Ministerpräsident für dringend geboten sieht, vor unseren Vorschlägen für ein besseres Leben in Sachsen zu warnen. Dass er es jedoch schafft, uns als größte Oppositionspartei und etablierte demokratische Kraft im Sächsischen Landtag mal eben mit Rechtspopulisten und der NPD in einen Topf zu werfen, ist eine deutliche Grenzüberschreitung. Sollte Herr Tillich sich falsch zitiert fühlen, sollte die Staatskanzlei eine Richtigstellung ins Auge fassen. Sollte er sich jedoch richtig wiedergegeben fühlen, dann ist diese Aussage gegenüber einer demokratischen Mitbewerberin eines Ministerpräsidenten unwürdig. Vielleicht ist ihm bei seiner Äußerung ja schlichtweg auch das Wahlprogramm unserer Partei durch die Lappen gegangen. Gerne schicke ich ihm eine gedruckte Fassung davon zu."

Tausende bilden Kette gegen Braunkohle

Protest gegen Energiepolitik und Abbaggerung zwischen Brandenburg und Polen / Grüne: Teilnehmerzahl hat »alle Erwartungen übertroffen« Berlin. Tausende Braunkohlegegner haben mit einer rund acht Kilometer langen Menschenkette zwischen Brandenburg und Polen gegen eine Erweiterung des Tagebaus in der Region protestiert. Mitorganisator Thomas Burchardt zählte rund 7.500 Teilnehmer. Die Kette verband am Samstag ab etwa 13.45 Uhr rund eine halbe Stunde lang Kerkwitz (Spree-Neiße) und das polnische Grabice. Beide Orte sind von einer Abbaggerung bedroht - Energiekonzerne planen, dort neue Tagebaufelder zu erschließen. Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und Parteichefin Simone Peter protestierten mit. Bei der Partei hieß es, es sei »um ein Zeichen für das Ende der zerstörerischen Kohleförderung« gegangen. Die Teilnehmerzahl habe »alle Erwartungen übertroffen«. Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg hatte Anfang Juni den Weg für die Tagebauerweiterung Welzow-Süd bei Cottbus freigemacht. Im März hatte bereits Sachsen die Tagebauerweiterung Nochten (Landkreis Görlitz) genehmigt. Derzeit läuft noch ein Braunkohlenplanverfahren für die Grube Jänschwalde nördlich von Cottbus. Auch hier will Vattenfall mehr Braunkohle fördern. Der schwedische Energiekonzern will damit drei seiner fünf aktiven Tagebaue im Lausitzer Braunkohlerevier erweitern. In Polen ist der Ausbau der Braunkohleförderung des Konzerns PGE im Grenzgebiet Gubin/Brody Teil der polnischen Energiestrategie bis 2030. Der polnische Regierungschef Donald Tusk hatte zuletzt im Mai die Tagebaupläne als »wichtige Investition« unterstützt. dpa/nd

Immer mehr Hartz IV Betroffene

Zahl der Hartz IV-Bezieher ist fast überall in NRW gestiegen 23.08.2014 Bei der Zahl der Hartz IV-Betroffenen zeigt sich ein deutliches Gefälle zwischen Stadt und Land: Während fast jeder vierte Einwohner Gelsenkirchens unter 65 Jahre sein Einkommen mit Hartz IV aufstocken muss, sind es im Kreis Coesfeld weniger als fünf Prozent. In allen Großstädten in NRW liegt die Hartz IV-Quote über dem Landesdurchschnitt von 11,6 Prozent. Ausnahmen sind nur Münster und Bonn. Das ergab eine Auswertung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE), die auf dem Informationsportal „Sozialpolitik Aktuell“ des Instituts veröffentlicht wurde. Hartz IV-Quote ist in NRW um 2,65 Prozent gestiegen Die IAQ-Forscher werteten für ihre Analyse Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die nordrhein-westfälischen Städte und Kreise aus. Wie sich zeigte, sorgt die günstige Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage des Landes dennoch nicht für einen Rückgang der Zahl der Hartz IV-Betroffenen. Ganz im Gegenteil: Der Auswertung zufolge ist sie im NRW-Durchschnitt sogar um 2,65 Prozent gestiegen. Bei der Betrachtung der einzelnen Städte und Kreise fallen jedoch deutliche regionale Unterschiede auf, die vor allem auf die örtliche wirtschaftliche Lage und die Situation auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen sind. „Gerade Städte und Kreise im Strukturwandel, die unter einer hohen Arbeitslosigkeit leiden, haben hohe Empfängerquoten“, erläutert Prof. Dr. Gerhard Bäcker vom IAQ. „Dass die Menschen in den Ruhrgebietsstädten besonders stark von Hartz IV abhängig sind, kann deswegen kaum überraschen.“ Auf Hartz IV sind nicht nur Erwerbslose und ihre Kinder angewiesen, sondern zunehmend auch Erwerbstätige, die zu Niedriglöhnen beschäftigt werden. Sie müssen ihr Gehalt mit Arbeitslosengeld II (ALG II) aufstocken. Darüber hinaus erhalten Personen Hartz IV, denen aufgrund der Kindererziehung oder Betreuungs- und Pflegeaufgaben nicht zugemutet werden kann zu arbeiten. „Die Unterschiede zwischen Stadt und Land rühren deshalb auch daher, dass sich im großstädtischen Raum die sozialen Problemlagen konzentrieren: Hier gibt es viele Alleinerziehende und Ein-Personenhaushalte“, berichtet Bäcker. Wie das IAQ mitteilt, waren im März 2014 9,6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland auf Hartz IV angewiesen. Aus Unwissenheit oder Scham machen jedoch viele Leistungsberechtigte keinen Gebrauch von ihrem Anspruch. Deshalb dürfte die Zahl der tatsächlich hilfebedürftigen Personen wesentlich größer sein als in der Statistik angegeben. (ag)

Hartz IV: Recht und Pflicht auf ALG II Vorschüsse

24.08.2014 In vielen Foren und von einigen Rechtskundigen wird derzeit die Auffassung vertreten und verbreitet, dass es gar kein Recht auf Vorschüsse gäbe, ja diese Praxis sogar rechtswidrig gewesen wäre. Stattdessen wird auf ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II verwiesen, auf welches stattdessen vermeintlich ein Anspruch bestünde. Diese Auffassung ist rechtsfehlerhaft. Zunächst mal ist der Verweis auf Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II rechtlich unhaltbar, denn dort werden Darlehen für Mehrbedarfe im laufenden Leistungsbezug geregelt. Diese Voraussetzungen sind hierbei jedoch nicht gegeben, denn weder besteht ein Leistungsbezug (dieser wurde vielmehr erst beantragt), noch handelt es sich dabei um einen (über den beantragten hinausgehenden) Mehrbedarf i.S.d. Gesetzes. Ein Antrag auf ein solches Darlehen würde vom Jobcenter somit rechtskonform abgelehnt. Es geht hier um die Überbrückung der Zeit zwischen Antrag und Bewilligungsbescheid, dafür gibt es zwei konkrete rechtliche Möglichkeiten. Ob und wie die neue Software ALLEGRO diese umsetzen kann, ist dafür rechtlich vollkommen egal. 1. Vorschüsse auf eine beantragte Leistung Das SGB II beinhaltet keine eigene Regelung für Vorschüsse auf beantragtes ALG II, das Recht auf Vorschüsse für den Rechtskreis des SGB II ist damit in § 42 SGB I gesetzlich geregelt. Nach § 42 SGB I besteht immer dann ein Rechtsanspruch auf einen Vorschuss (Antrag erforderlich), wenn der Anspruch auf ALG II dem Grunde nach besteht, das Jobcenter aber zur Bearbeitung längere Zeit benötigt. Das Jobcenter hat dabei ein Ermessen bei der Höhe des Vorschusses, dieser umfasst i.d.R. nie den kompletten monatlichen Leistungsanspruch sondern nur einen kleinen Betrag. 2. vorläufige Bewilligung einer beantragten Leistung § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 SGB II ermöglicht eine vorläufige Bewilligung von ALG II (Antrag erforderlich), wenn der Anspruch dem Grunde nach besteht, das Jobcenter aber zur Bearbeitung längere Zeit benötigt. Das Jobcenter bewilligt dabei i.d.R. den kompletten zustehenden monatlichen Leistungsanspruch für bis zu 6 Monate. Wann die vorläufige Bewilligung beantragt wurde ist dabei egal, bewilligt wird der Zeitraum in dem das ALG II voraussichtlich zusteht. Ist die Leistung des vorläufigen mit der im endgültigen Bewilligungsbescheid identisch, muss das Jobcenter von sich aus keinen endgültigen erlassen, das kann man aber beantragen. Hinweis Die vorläufige Bewilligung kann im Zuge des einstweiligen Rechtsschutzes auch direkt beim zuständigen Sozialgericht beantragt werden (§ 86b Abs. 2 SGG), wenn der Antrag beim Jobcenter erfahrungsgemäß keinen Erfolg verspricht, oder abgelehnt wurde. Allerdings bewirkt ein solcher Antrag beim Gericht die Zahlungspflicht des Jobcenters erst ab dem Tag, an dem der Antrag beim Gericht gestellt wurde - natürlich vorausgesetzt, das Gericht gibt diesem statt. Abweichend von einem Antrag nach § 42 SGB I oder § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II muss dabei der Anspruch auf ALG II dem Grunde nach nicht bereits bestehen, sondern vom Antragsteller nur glaubhaft gemacht werden. (fm)