Dienstag, 14. Juli 2020

Ungleichheit kennt keine Auszeit: Benachteiligte Schüler leiden besonders unter den Schulschließungen


Dossier

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im Shitstorm“… »Wir wissen alle noch nicht, wie es in den nächsten Wochen weitergeht«, sagt eine Schulsozialarbeiterin. Auf der extra eingerichteten Lernplattform hätten sich bis jetzt nur drei Schülerinnen ihrer Klasse angemeldet, ausschließlich jene, die aus Akademikerfamilien kommen und zusätzliche Hilfe am wenigsten benötigten. (…) Viele würden von ihren Großeltern betreut, die kein Deutsch sprechen. Andere bekämen hingegen einen Privatlehrer. »Die Schere zwischen unseren Schülern, die sich durch die unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründe ergibt, wird jetzt noch mal größer«, klagt ihr Kollege. (…) Auch für die Oberschüler*innen aus benachteiligten Familien wachsen  mit den Schließungen von Bildungseinrichtungen die Hürden. (…) Die Umstellung auf digitale Lernangebote scheitert teilweise an der mangelnden Medienkompetenz vieler Jugendlicher, die es nicht gewohnt sind, über Drop-Box oder Webinare zu kommunizieren oder schlicht keine Computer oder Scan-Geräte zu Hause haben«, sagt Weber. »Jetzt ist es zu spät, sie zu erreichen und einzuweisen in die Medienhandhabung. Die mangelhafte Digitalisierung der Schulen rächt sich an den sowie schon benachteiligten Schülerinnen und Schülern jetzt ganz besonders.«” Artikel von Mascha Malburg vom 21.03.2020 beim ND online externer Link. Siehe dazu:
  • Jetzt Bildungsteilhabe von Geflüchteten sichern! New
    “… Geflüchtete Kinder und Jugendliche seien von den Beschränkungen während der Coronakrise besonders hart getroffen worden, erklärten der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL am Freitag in Berlin. Mit Blick auf die schrittweise Wiederaufnahme des Regelunterrichts an Schulen fordern die Organisationen von den Landesregierungen sofortige Maßnahmen zur Unterstützung von geflüchteten Schüler*innen, um ihre Bildungsteilhabe zu gewährleisten. Sie warnten davor, dass sich die ohnehin bestehenden Bildungsungerechtigkeiten im Zuge der Corona-Pandemie verschärften. Strukturellen Benachteiligungen müsse dringend entgegenwirkt werden. Den Kindern und Jugendlichen in Sammelunterkünften fehlten wesentliche Grundvoraussetzungen, um am digitalen Fernunterricht teilzunehmen und es gäbe keine verlässlichen Unterstützungsstrukturen, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. (…) Vor diesem Hintergrund mahnten Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, BumF e.V. und GEW die verantwortlichen Akteure in den Ländern, schnell zu handeln. Es gelte, sowohl die digitale Infrastruktur in den Unterkünften auszubauen als auch geeignete Lernräume sowie multiprofessionelle Unterstützungsangebote zur Verbesserung der Bildungsteilhabe zu schaffen. „Bildung darf nicht warten“ erinnerte GEW-Vorsitzende Tepe in diesem Zusammenhang. Es dürfe keine weitere Zeit verloren werden, um geflüchteten Schüler*innen den Anschluss im neuen Schuljahr zu ermöglichen. Daher müssten in den Sommerferien nicht nur eine adäquate technische Ausstattung zur Verfügung gestellt und Vorkehrungen für einen eventuellen erneuten Lockdown getroffen werden. Ebenso wichtig seien zusätzliche, außerschulische Förder- und Lernangebote, welche das digitale Lernen in Willkommens- oder Vorbereitungsklassen sowie den Übergang in Regelklassen erleichtern.” Forderungen der Landesflüchtlingsräte, des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V., PRO ASYL und GEW vom 10. Juli 2020 externer Link
  • Chancengleichheit à la BRD: Fehlender Zugang zu digitalem Lernen: Arbeitsministerium findet, dass Computer problemlos aus dem Hartz-IV-Satz angespart werden können 
    “Fast zwei Monate Homeschooling haben für viele Schüler verheerende Folgen. Denn armen Familien fehlen die Mittel für ausreichenden Zugang zu digitalem Lernen. Einem neuen Gesetz zufolge können sie sich zwar nun an die Schule wenden, die ihnen aus Bundesmitteln einen Zuschuss von 150 Euro pro Kind gewähren muss. Für alle notwendigen Mittel, wie Computer und Internetzugang, reicht das aber nicht. Thomas Wasilewski, erwerbsunfähiger Vater dreier schulpflichtiger Kinder aus Nordrhein-Westfalen, hatte sich mit der Bitte um Hilfe an die zuständigen Ministerien auf Landes- und Bundesebene gewandt. Im Haus von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versteht man das Problem nicht. Hartz-IV-Bezieher müssten die Kosten eben aus ihrem Regelsatz ansparen, teilte dieses ihm jetzt mit. Wasilewski hält es, wie er den Ressorts am 14. April geschrieben hatte, »für unglaublich und beunruhigend, dass es kaum Aufsehen erregt, wenn Kindern aus armen Familien das digitale Homeschooling verwehrt wird«. Er kritisierte »eine Kultur der Gleichgültigkeit«, die das Solidaritätsprinzip für obsolet erklärt habe. Er betonte, dass es vielen Kindern und ihren Familien ähnlich gehe. Alleine an seinem Wohnort Mönchengladbach sei fast ein Drittel aller Kinder von Hartz IV betroffen. Auch in ihrem Sinne habe er beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für nötige Hard- und Software beantragt. Doch dieses lehnte das Ansinnen ab. Mit einem Eilantrag scheiterte Wasilewski auch vor dem Sozialgericht Düsseldorf. Er habe nicht hinreichend bewiesen, dass ein digitaler Zugang zwingend erforderlich sei. (…) Der Erwerbslosenverein Tacheles hatte bereits vor einigen Wochen eine Kampagne unter dem Motto »Schulcomputer sofort« gestartet. Dieser haben sich lokale Organisationen wie der Kölner Flüchtlingsrat und die Ratsfraktion der Partei Die Linke aus Wuppertal sowie 13 Sozialrechtsanwälte angeschlossen.” Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 11. Mai 2020 externer Link
  • 150 Euro für die Anschaffung digitaler Endgeräte für SchülerInnen aus ärmeren Haushalten – GEW: „Richtige Schritte – Tücke im Detail“ / Die 150 Euro für digitale Teilhabe sind grotesk / »Dafür gibt es kein Notebook oder Tablet«
    • GEW: „Richtige Schritte – Tücke im Detail“
      Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßt grundsätzlich, dass Schülerinnen und Schüler aus ärmeren Familien einen Zuschuss für die Anschaffung digitaler Endgeräte bekommen sollen. „Das ist ein richtiger Schritt: Die Tücke liegt jedoch im Detail“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Für arme Eltern reicht die Hilfe von rund 150 Euro nicht aus. Wer Sozialhilfe bekommt, kann den Eigenanteil beim Kauf der Tablets oder PCs nicht stemmen – vor allem wenn in den Familien mehrere Schulkinder leben.“ Für diese Haushalte müsse es zusätzliche Unterstützung geben. Tepe schlug vor, das Geld vor Ort nach Sozialindex zu verteilen. Die Kommune als Schulträger müsse gemeinsam mit den Schulen entscheiden und Vorschläge für geeignete Endgeräte entwickeln. „Die soziale Schere darf durch den Fernunterricht nicht noch weiter auseinandergehen“, mahnte die GEW-Vorsitzende. Sie machte darauf aufmerksam, dass es zurzeit nicht genügend Endgeräte auf dem Markt gebe. Zudem könnten viele Schülerinnen und Schüler, aber auch deren Eltern die Geräte nicht für den schulischen Gebrauch einrichten. Die meisten Schulen seien jedoch mit zu wenigen IT-Fachkräften ausgestattet, die diese Arbeiten schnell ausführen könnten. „Auch in dieser Frage zeigen sich erneut die Versäumnisse der Vergangenheit, die Schulen auf die Arbeit mit digitalen Mitteln gut vorzubereiten“, betonte Tepe…” PM vom 23.04.2020 zu den Beschlüssen des Koalitionsausschusses externer Link, siehe weitere Stellungnahmen:
    • 150 Euro für Digitalausstattung von Schülern laut Sozialverband zu wenig. VdK-Sprecherin Bentele: »Dafür gibt es kein Notebook oder Tablet«
      Der Sozialverband VdK kritisiert den angekündigten Zuschuss von 150 Euro für die Digitalausstattung bedürftiger Schüler als zu gering. »Dafür gibt es kein Notebook oder Tablet«, sagte Verbandspräsidentin Verena Bentele der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Freitag). Der Staat müsse sicherstellen, dass alle bedürftigen Kinder am Digitalunterricht teilnehmen könnten. »Es wäre sinnvoller, bedürftigen Kindern gleich ein digitales Endgerät leihweise zur Verfügung zu stellen, statt einen Zuschuss, der hinten und vorne nicht reicht«, sagte Bentele…” Agenturmeldung vom 24.04.2020 in ND online externer Link
    • Corona-Hilfe: Die 150 Euro für digitale Teilhabe sind grotesk
      Die Koalition hilft bedürftigen Kindern per Einmalzahlung, digital beim Unterricht mitzumachen. Hier zeigt sich alles, was im Umgang mit armen Familien falsch läuft. 150 Euro. Das ist für manche Leute ein Abendessen, für manche ein Urlaubswochenende im Ferienhaus, für andere das Budget für einen verkaufsoffenen Sonntag. Und für manche sind 150 Euro die exakt einzige und einmalige Zahlung, die der Staat ihnen als sogenannte Hilfe in der Corona-Krise anbietet. 150 Euro, das hat der Koalitionsausschuss aus SPD und CDU/CSU Mittwochnacht beschlossen, sollen arme Kinder jetzt von ihren Schulen bekommen, um sich ein digitales Endgerät kaufen zu können, das es ihnen möglich macht, zu Hause für die Schule zu lernen. Es ist wirklich ein Glück, dass es diese 150 Euro jetzt gibt. Denn diese 150 Euro sind wie ein Vergrößerungsglas, unter dem sich ganz genau erkennen lässt, was an der Fürsorge für arme Kinder in Deutschland noch nie funktioniert hat und jetzt weiterhin nicht funktioniert. Diese 150 Euro sind so grotesk, dass es fast schon wieder lustig ist. Weil es einen doch erstaunt: wie sehr sich ein Koalitionsausschuss von den tatsächlichen Bedürfnissen tatsächlicher Menschen entfernen kann. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm. (…) Im Lockdown ist die Familie nun das einzige System, das weiterhin da ist. Das, woran sich nun viele halten. Arme Kinder hingegen bekommen die 150 Euro ausgerechnet über ihre geschlossenen Schulen ausgezahlt. Das sagt alles über das Verhältnis des Staates zu den Eltern der armen Kinder. Man vertraut diesen Eltern nicht. Man traut ihnen nicht zu, das Beste für ihre eigenen Kinder zu wollen. Es wäre natürlich möglich, den Familien 150 Euro pro Kind zu überweisen – damit sie Dinge kaufen können, die ihnen gerade wichtig sind, um diese Zeit zu überleben. Stattdessen aber lässt man ihre Kinder den demütigenden Gang zum Klassenlehrer machen, um nach läppischen 150 Euro zu fragen. Wahrscheinlich müssen die Kinder später noch den Kassenbon einreichen, um zu beweisen, dass sich ihre Eltern mit dem Geld auch bloß keinen Alkohol gekauft haben. Die 150 Euro zementieren einen Blick auf die Armen, der ihnen kein eigenes, erfülltes Leben zugesteht. Stattdessen werden sie verwaltet: Die Eltern durch die Arbeitsagentur, die Kinder durch die Schulen…” Kommentar von Anna Mayr vom 23. April 2020 in der Zeit online externer Link
    • Sozialpolitik in der BRD: Die Ärmsten vergessen
      Neues Hilfspaket für Kurzarbeiter, Firmen, Schüler und die Gastronomie: Linkspartei und Sozialverband warnen vor weiterer sozialer Spaltung…” Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 24.04.2020 externer Link
  • Siehe zum Hintergrund im LabourNet Germany die Dossiers:
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=164805

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